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Tagesspruch. Es ist kein Schnee so kalt und graus, Der nicht ein Keimchen noch trieb aus; Ls ist kein Schmerz so groß und tief, Daß nicht in ihm noch Friede schlief. K. Muller. * Misten ist des Lebens Preis, Glücklich, wer weih; Aber das macht keinen vollen Mann, Glücklich, wer weih und kann. Ernst Ziel. Geburisiagsbesuch im Haus Doorn. Aus Anlaß des 74. Geburtstages des Kaisers ist in Doorn bereits eine Reihe von Gästen eingetrofsen. Darunter befinden sich der Kronprinz, die Prinzen Eitel Friedrich und August Wilhelm, der zweite Sohn des Kronprinzen, Prinz Louis Ferdinand, Grotzherzog Albrecht von Württemberg mit seinem Sohn Philipp Albrecht, die Erbprinzessin zu Solm sowie der Markgraf von Meißen. Am Freitag findet auf Schloß Doorn ein Gottesdienst statt, bei dem Pastor v. Schneller die Predigt halten wird. Abends ist Festtafel, zu der auch verschiedene holländische Gäste geladen sind, worauf ein vaterländischer Film zur Vorführung gelangen wird. Bomben mit Lahmungswirkung. Ein neues französisches Kampfgas. Französische Flieger haben in den Dschungeln von Indochina ein neues Gas ausprobiert. Es handelt sich um das sogenannte Lähmungsgas, das in Bomben abgeworfen wird und für 10 bis 48 Stunden völlige Lähmung verursacht. Bisher ist das Gas nur gegen wilde Tiere angewandt worden. Es könne jedoch ebensogut im Kriegsfall gegen feindliche Truppen oder gegen die Zivil bevölkerung benutzt werden. Drei Millionen Sowjetbürger ohne -aß. Wie aus Moskau gemeldet wird, sollen nach bis herigen Schätzungen allein in Zentralrußland drei Mil lionen Einwohner wegen ihres „ungeklärten Verhältnisses zum Sowjetregime" keine Pässe erhalten. Sie sollen in den entfernt liegenden Gebieten der Sowjetunion an gesiedelt werden. Auf dem Rhein vom Eis überrascht. Auf unserem Bilde steht man einen Rbeindampfer, der am Kammereck nahe der Lorelei vom Eise überrascht wurde und jetzt sestgesroren ist. In Paris gegen Versailles. Neuer jungdeutscher Vorstoß gegen das Der am Sonnabend, dem 21. Januar, von dem Reichs- prestewart des Iungdeutschen Ordens August Abel in Paris gehaltene öffentliche Vortrag über die Friedensdiktate von 1919 gestaltete sich zu einer sehr stürmischen Angelegenheit. Tie wichtigsten Teile des Vortrags, der im Großen Saal des Kristallpalastes als Veranstaltung des „Club du Faubourg" stattfand, wurden kinematograpWch und auf Schallplatten fest gehalten. Der große Vortragssaal war bis.auf den letzten Platz gefüllt. Nach Schluß des Vortrages wurden an August Abel drei ßig Fragen gestellt. Außerdem traten neun Diskussionsredner auf. Bei der Fragebeantwortung und der Erwiderung Abels auf die Ausführungen seiner Gegenredver setzten die zweifellos beabsichtigten chauvinistischen Sprengungsversuche ein. Von den ihm gestellten dreißig Fragen konnte er aber nur vierzehn beantworten, da die Veranstaltung bereits 4^ Stunden dauerte und die Zeit für weitere Fragebeantwortung nicht ausreichte. Nach seinem Dortrag wurde der jungdeutsche Redner seitens des vernünftigen Teils der Zuhörer Gegenstand mehr fach wiederholter stürmischer Beifallskundgebungen, in denen die Gegenaktionen der Gegner untergingen. Besonders erwähnt muß werden, daß bei der Frage der Rückgabe einer deutschen Fahne, die an dem Körper eines toten deutschen Soldaten nach dem Kriege gefunden wurde, die gesamte Versammlung, einschließlich des nationalistischen Teils, unter Beifall einstimmig die Rückgabe dieser Fahne an den Reichspräsidenten Feldmarschall v. Hindenburg wünschte. Unantastbarkeit der Friedensschlüsse von 1919? Die Geschichte der Menschheit, meine Damen und Herren, beweist, daß kein Abkommen unantastbar ist. Die Geschichte und die Erfahrung unterstreichen vielmehr die Tatsache, daß alles, was auf dieser Welt geschieht, veränderlich ist und daß nichts den Charakter des Unantastbaren für sich in Anspruch nehmen kann. Meiner Ansicht nach kann die Grundlage einer deutsch-französischen Verständigung, die — wie wir alle wis sen — zu gleicher Zeit auch die Grundlage des europäischen und Welt-Friedens ist, keineswegs in der Versteinerung des Status quo von heute bestehen! Sie muß vielmehr in der Ab änderung des Status quo und in seinem Ersatz durch eine neue Regelung, die sich auf Recht, Gerechtigkeit, gutem Willen und gegenseitiger Achtung aufbaut, gesucht werden. Die Revision von Versailles ist nichts anderes als eine selbständige Forde rung der Entwicklung. Die Bedingungen einer deuLsch-französischcn Verständigung. Die erste Bedingung einer dauernden und gegenseitig nutzbringenden deutsch-französsichen Verständigung ist folgende: Die fortwährenden Herausforderungen des Chauvinismus müssen aufhörcn! Die Grundlage einer deutsch-französischen Verständigung beruht meiner Ansicht nach zuerst auf dem festen, un beugsamen Willen der wahrhaften Patrioten Deutschlands und Frankreichs, jedem der beiden Länder zu geben, was ihm zukommt. Damit die Arbeit Erfolg habe, müßen wir — Franzosen und Deutsche — zunächst an die Bereinigung der Punkte Her angehen, die uns trennen. Das, was uns eint, ist schon hun dertmal in den Vordergrund gerückt worden, aber das hat kei nesfalls die bedauerliche Tatsache verhindert, daß die deutsch- französischen Beziehungen heute nach wie vor sehr gespannt sind. Der Kampf gegen die Kriegs'chuldlüge. Niemand bestrei tet, daß der Artikel 2Z1 des Versailler Abkommens absolut unbrauchbar ist für die historische Erforschung der dem Welt kriege vorausgegangenen Ereignisse. Das Fallenlassen und die Befestigung dieses Artikels ist für Deutschland ein notwendiges Ziel — für die West ist die Annullierung die'es Artikels ein Gebot der Gerechtig keit und eine Forderung der Moral. Diktat — Stürmische Abel-Versammlung Die Gleichberechtigung in der Rüstnngssrage. Es ist in ;e- dcr Bestehung selbstverständlich, daß kein einziger Deutscher '4 Jahre nach dem sogenannten Friedensschluß es ertragen kann, daß in der Rüstungsfrage mit zweierlei Maß gemeßen wird. Das deutsche Volk verlangt die Gleichberechtigung; glei- ches Recht in der Abrüstung oder — wenn man das nicht will — gleiches Recht in-der Rüstung. Diese Forderung des deut schen Volkes ist vom Standpunkt der Ehre und der Selbstbe- hauptung aus selbstverständlich. Deutschland verlangt die Kolonien zurück. Die Deutsch land durch das Abkommen von Versailles abgcnommenen Ko- sonien stellen weder sür Frankreich noch für England wirt schaftliche oder politische Lebensfragen dar. Für Euch Franzosen sowohl wie sür die Engländer ist diese ganze Frage der Kolonien nur eine Prestige-Ange legenheit; sür Deutschland dagegen ist sie eine Frage von allergrößter Bedeutung, weil eben diese Kolonien für uns Deutsche neue Unternehmungsgebiete, neues Land, neue Märkte und neue, so nötige Absatzge biete für unsere Wirtschaft und unsere Bevölkerung dar stellen. Gebt die Saar heraus! Warum wollen Sie heute nicht freiwillig etwas tun, wozu Sie binnen kurzem gezwungen sein werden? — Wenn Frank reich es bis zur Volksabstimmung kommen läßt, dann hat die Räumung des Saargebieles nachher gar kein Verdienst mehr! Heute dagegen könnte die Geste, das Saargebiet sosort zu räumen und sämtliche, das Saargebiet angehenden Feststel lungen des Versailler Abkommens in Vergessenheit fallen zu lassen, noch verhältnismäßig guten Eindruck machen. Blecht Frankreich aber bis zur Abstimmung im Saargebiet, dann kommt das Saargcbiet sowieso wieder an Deutschland, und aus der ganzen Angelegenheit wird nichts anderes als eine lange und gefährliche Vergiftung der deutsch-französischen Be ziehungen. Hinweg mit dem Korridor! Der Meichselkorridor, der Deutschland in zwei Teile zer reißt, wurde durch das Versailler Friedensdittat Polen ge geben ohne Volksbefragung! Durch den widerrechtlich gefchafsencn Weichselkorridor ist Polen für Deut'chland zwar kein Erbfeind, aber ein obli gatorischer Feind geworden! Die deutsche Einheit wild wieder hergestcllt werden. Dessen seien Sie sicher, und wenn man diese Entwicklung verhindern will, dann wird man damit nur einen in seinen Außmaßen noch nicht ab zusehenden Brand entfachen. Deutsch-Oesterreichs Vergewaltigung. Die Geschichte Deutsch - Oesterreichs von den Tagen von St. Germain bis Lausanne, ist ein einziger Kreuzweg, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Aber auch hier wie beim Korridor, bei Danzzg und bei den anderen ohne Volksabstimmung losgelösten Ge bieten wird sich die geschichtliche Wahrheit erweisen, daß das Recht letzten Endes doch siegt und daß die Rechtsbeugung de nen, die sie, vorgenommen haben, nicht zum Segen gereicht. Die überwältigende Mehrheit des deutsch-österreichischen Vol kes ist sich mit dem großen deutschen Volk darin einig, daß bei de Länder zusammcngehören. Eie werden heute mit brutaler Gewalt voneinander serngehalten, während der leuchtende Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker angeblich immer noch Geltung hat. Die Rückkehr Danzigs zum deutschen Mutkerlande. Was ich für den Korridor gesagt habe, gilt z. T. auch sür Danzig. In Danzig sowohl wie im Korridor hat ein brutaler Bruch des von den alliierten und interalliierten Staaten seier- lichst proklamierten Grundsatzes slattgcfunden, demzujolge die Völker nicht wie Figuren aus einem Schachbrett ver schoben werden können, sondern demzufolge sie das Recht der Selbstbestimmung haben! Diese Frage Danzig ist, solange sie besteht, eine der un heilbarsten Wunden, die der Versailler Vertrag geschlagen Oopzmigkt b^ blortio koucbtwanger, Usllo (Laale) s9 Aber — ich bin wirklich ein netter Gastgeber. Hab noch nicht einmal daran gedacht, daß du hungrig sein mutzt. Die gute Frau Mertens wird sicher schon was Ordentliches hergerichtet haben." „Ja, Gust, ich hab' sogar Hunger! Aber — ich muß dir noch was sagen. Fürs erste wirst du mich nicht wieder los. Ich bleibe hier, mindestens ein halbes Jahr. Mein alter Herr hat mich nämlich 'rausgeschmissen. Ja, du brauchst keine so großen Augen zu machen. Wir hatten einen scharfen Tanz miteinander. Er will, ich soll die Boxerei an den Nagel hängen und mich ganz dem Betrieb widmen. Aber — ich hab' ihm meine Meinung nicht vorenthalten. Hinter dem Schreib tische sitzen kann ich noch lang' genug. Da wurde er wütend und fuhr mich an wie einen Schuljungen. Na, und das lietz ich mir nicht gefallen, und das Ende vom Lied war, daß ich fort wollte. Vater war auch ganz damit einver standen. Ich soll mir erst einmal den Wind um die Nase wehen lassen, meinte er. Und sehen, wieweit ich mit meiner Borerei käme. Ich brauchte erst zurückzukommen, wenn ich bereit wäre, als ordentlicher Mensch bei ihm zu arbeiten. Mein Konto sei in Ordnung, zu hungern brauchte ich nicht. Aber ich sollte mir nur nicht einfallen lassen, in Saus und Braus zu leben. Fünfhundert Mark im Monat würde er mir bewilligen, keinen Pfennig mehr. Ich bin dann losgegangen, hab' mich nicht einmal von ihm verabschiedet. Hab' meinen Koffer gepackt, und da bin ich nun. Lch bin nur neugierig, wie lange es der Alte ohne mich aushält. Ich denke, datz bald ein Telegramm bei dir einlreffen wird, mit einer ängstlichen Frage nach mir. Er ist, trotz seiner Marotten, herzensgut. Aber — dies mal werde ich ihn zappeln lassen, damit er endlich ver nünftig wird." „Theo, Junge, was machst du nur für dumme Sachen! Wegen dieser dummen Borerei! Hoffentlich kommst du doch noch zur Vernunft; es wäre wirklich zu wünschen. Wenn ich du wäre, wüßte ich, was ich zu tun hätte." „Fange du nur auch noch an mit dem Moralpredigen! Dann geh' ich gleich wieder fort." „Red' keinen Unsinn, Theo! Du weißt ja, wie ich es mit dir meine. Und wenn du absolut den Drang dazu fühlst — hier hast du Gelegenheit genug, deine Kräfte an zustrengen, wenn du einen Gläubiger nach dem anderen aus dem Hause boxen willst." „Na, latz mich nur machen, Gust! Ich werde dir schon helfen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen." „Jetzt wollen wir hinübergehen, ins Speisezimmer, Theo." Die Freunde durchschritten die große Halle und kamen in das große, mit altdeutschen Möbeln eingerichtete Speisezimmer. Ueberall an den Möbelstücken waren Schnitzereien angebracht, mit Emblemen des Weidwerks. An den Wänden hingen Geweihe und ausgestopfte Tiere, über dem Tische schwebte eine zwölfarmige Krone, gleich falls aus Geweihen zusammengesetzt. Durch die bunten Scheiben der Fenster fielen die ersten Strahlen der Märzsonne und beleuchteten den kärglich gedeckten Tisch, der ehedem vor Ueberfluß fast erdrückt worden war. Heute stand nichts darauf als ein kleiner Bierkrug mit zwei Gläsern, ein derbes Landbrot, Butter, Schinken und Käse. So einfach das Gebotene auch war, so appetitlich sah alles aus. Frau Mertens, die alte Haushälterin, war tüchtig, und sie liebte August Richter. Sie sorgte für ihn, soweit es in ihrer Macht stand. . Als die Freunde gegessen hatten, trat sie herein, ein Körbchen mit vier Apfelsinen in der Hand. Sie hatte die Früchte gestern für ihr Geld gekauft. Der Verwalter bestimmte ja genau, was es im Herrenhause zu esse» gab. Wie er auch das Essen für die Tagelöhner bestimmte. Dieser anmaßende Mensch war Frau Mertens ein Dorn im Auge, besonders in den letzten Jahren, seitdem der Amtsrat tot und August fern war. Er tat, als ob er hier der Herr war. Frau Mertens hatte wohl gesehen, wie der Verwalter erschrocken war, als ihm die plötzliche Ankunft des jungen Herrn gemeldet wurde. Sie war überzeugt davon, daß da vieles nicht in Ordnung war Bei dem Verwalter gab es jeden Tag herrliches Essen, das wutzte sie; die Vorratskammern drüben waren gut gefüllt. Aber — durfte sie denn etwas gegen die da drüben sagen? Der Verwalter besaß die Vollmacht über das gesamte Personal; er hätte sie kurzerhand entlassen können, und dann wäre auch ins Herrenhaus irgendein Geschöpf gekommen, das die Herrschaft begaunert hätte. So schwieg sie lieber und wartete auf ihre Zeit; wenn sic erst wieder vertrauter mit dem jungen Herrn geworden war, konnte sie vielleicht doch reden. Theobald Fischer sprang auf, als Frau Mertens Hereinlam, gab ihr die Hand. „Kennen Sie mich noch, Frau Mertens?" „Aber, gewiß doch, Herr Fischer! Ich -rinnere mich noch gut daran, als Sie damals als Junge hier waren. Und ich freue mich sehr, daß Sie den Herrn August be suchen!" „Ja, Frau Mertens, mein Freund wird sogar längere Zeit hierbleiben. Lassen Sie noch ein Bett in meinem Schlafzimmer aufstellen; wir wollen wieder fo zusammen hausen wie früher!" „Und daß ich es nicht vergesse, Frau Mertens", sagte jetzt Theobald und zog seine Brieftasche, „ich trage natür lich meinen Teil bei zu der Haushallkasse. Hier, haben Sie zweihundert Mark, damit Sie uns immer etwas recht Schönes kochen können." Frau Mertens nahm das Geld mit sichtlicher Er- leichterung. .(Fortsetzung folgt.)