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Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das «Wilsdruffer Tageblatt« erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. frei Haus, bei Postbestellung 1,80 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. ÄUe Postanstalten und Post boten, unsere Austräger u. ... Geschäftsstelle, nehmen zu jeder Zeit Bestellungen ent- Wochenblatt für Wllsdruff u. Umgegend gegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg od. sonstiger " " ' ' ' ' " Betriebsstörungen besteht dein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennige, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RM. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. 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Im Dezember hatte der Reichskanzler in der Rund funkrede, in der er sein Regierungsprogramm bekanntgab, angckündigt, daß er dem Reichspräsidenten die Aufhebung einiger die Freiheiten der Staatsbürger und der Presse einschränkenden Verordnungen Vorschlägen werde. Zu gleich hatte er, aber keinen Zweifel darüber gelassen, daß er für den Fall, daß mit dieser Freiheit Mißbrauch getrieben werde, mit äußerst scharfen Maßnahmen vorgehen werde: Er werde diese sehr ungern ergreifen und nicht, ohne die Öffentlichkeit zu warnen. Wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, spricht der Reichskanzler nunmehr in Anbetracht der Zunahme der politischen Erregung und der Auswüchse diese War nung aus. In den letzten Tagen seien sowohl in der Presse als auch in Aufrufen von Organisationen Tatsachen zu verzeichnen, die die Ruhe und Ordnung in erheblichem Maße zu stören geeignet seien. Es werde sogar offen zum Widerstand gegen die Staatsgewalt aufgefordert. Von zu ständiger Stelle weist man besonders auf die Erklärung des Pommerschen Landbundes hin, in der die Bauern aufgefordcrt werden, ihre Scholle bis zum letzten zu ver teidigen. Aber auch andere ähnliche Erklärungen lägen vor. Der Reichskanzler warne daher die Öffentlichkeit, die Freiheiten nicht auszunutzen, im anderen Falle werde er mit Maßnahmen Vorgehen, die u. a. Zeitungen für längere Zeit empfindlich treffen könnten. Was den Aufruf des Pommerschen Landbundes betreffe, so werde geprüft, welche juristischen Maßnahmen gegen die Verbreiter dieses Aufrufes ergriffen werden könnten. Die Maßnahmen der Reichsregicrung würden sich nicht nur gegen Ausschreitun gen der Presse richten, sondern selbstverständlich auch gegen die Terrorakte, die in letzter Zeit überhandgcnommen haben. Nach allem, was man über die neue Verordnung hört, würde sie tatsächlich weitestgehende Eingriffe in die poli tische und persönliche Freiheit bringen. So wird von der Möglichkeit einer Schutzhaft gegen Personen gesprochen, die zur Störung von Ordnung und Sicherheit beitragen und auch von ganz langfristigen Zeitungsverboten, die praktisch überhaupt auf ein Verbot der Zeitung für absehbare Zeit hinauslaufen würden. Llm die Regierungsbildung. Es besteht jetzt kaum mehr ein Zweifel daran, daß die Reichsregierung in ihrer jetzigen Zusammensetzung nicht bestehen bleibt, gleichgültig, ob es zu einer Auflösung des Reichstages kommt oder ob es Herrn Schleicher gelingt, eine längere Vertagung des Reichstages mit Hilfe der Nationalsozialisten zu erreichen. Im Vordergrund der Persönlichkeiten, die als Ministerkandidaten für den Fall einer Kabinettsumbildung genannt werden, steht Gregor Strasser. Ihm soll der Posten des Vizekanzlers und des Reichskommissars für Preußen übertragen werden. Von den Regierungsstellen wird allerdings erklärt, daß bisher noch gär. keine Beschlüsse gefaßt seien, daß alle Möglich keiten noch offen stehen. Der Kanzler hat die Absicht, noch die Meinung anderer Parteiführer zu hören, vor allem ist noch eine Unterredung mit dem Zentrumssührer Dr. Kaas vorgesehen. Bei Gregor Strasser spielt natürlich sein Verhältnis zu Hitler eine sehr große Rolle. Es besteht jetzt die Frage, will ihn Schleicher in das Kabinett nehmen, ohne daß vorher eine Verständigung zwischen Hitler und Strasser erfolgt ist, oder soll die Verständigung mit Hitler die Voraussetzung für die Betrauung mit dem Vizekanzlerposten sein? Über die Antwort auf diese Frage werden erst die nächsten Tage Anhaltspunkte bringen. Man glaubt, daß der Ausgang der Wahlen in Lippe auf die Haltung Hiller gegenüber den Plänen mit Strasser entscheidenden Einfluß ausüben werden. Gegenüber Behauptungen, daß die Besprechung des Reichspräsidenten mit Gregor Strasser mehrere Stunden gedauert habe, wird von zuständiger Stelle richtiggestellt, oa« oie Unterredung 35 Minuten währte. Allerdings soll ein neuer Empfang Strassers bei Hindenburg vor gesehen sein, der übrigens auch den Führer der Deutsch nationalen, Hugenberg, am Sonnabend empfan gen hat. Die Entscheidung über das Schicksal des Reichstages liegt nun ganz bei den Nationalsozialisten. Stimmen sie in der Sitzung des Ältestenrates am 20. Ja nuar mit den Kommunisten und Sozialdemokraten für den Zusammentritt des Reichstages, so wird das allgemein so gedeutet, daß die Nationalsozialisten im Reichstag für die Mißlrauensanträge gegen die Reichsregierung stim men werden. Sollten sich die Dinge so entwickeln, dann rückt die Möglichkeit einer Auflösung des Reichstages sehr nahe. Entscheiden sich die Nationalsozialisten für eine weitere Vertagung des Reichstages, dann dürste die in Aussicht gestellte Kabinettsumbildung bald erfolgen. „Aercket encklich ein Volk!" Die Neichsgründungsfeier des Kyff häuserbundes. — Stürmische Begrüßung Hindenburgs. Der Deutsche Reichskriegerbund „Kyffhäuser" hielt aus Anlaß der 62. Wiederkehr des Reichsgründungs tages im Berliner Sportpalast eine eindrucksvolle Weihestunde ab, an der auch Reichspräsident Generalfeld marschall von Hindenburg als Ehrenpräsident teilnahm. Gegen 12 Uhr erschien Reichspräsident von Hinden burg in Generalfeld marsch alluniform in Begleitung des Reichskanzlers und Reichswehrministers von Schleicher, der ebenfalls die Uniform trug. Sie wur den von den drei Präsidenten des Kyffhäuserbundes zu dem Ehrenpodium geleitet, auf dem Platz nahmen: die Mitglieder des Hohenzollernhauses, Prinz Eitel-Friedrich und der Kronprinz, die Reichsminister von Neurath, Dr. Bracht und Syrup, der Chef der Heereslei tung General von Hammerstein, der Chef der Marinelei tung Admiral Raeder, der ehemalige Reichskanzler von Papen, Generalseldmarschall von Mackensen, General oberst von Kluck, General der Infanterie von Hutier, Admiral von Schroeder, General von Stülpnagel, der Präsident des Reichskuratoriums für Jugendertüchtigung, Oberbürgermeister Dr. Sahm, Polizeipräsident Melchior usw. Der Reichspräsident, der die auf dem Podium versam melten Persönlichkeiten herzlich begrüßte, wurde von der Menge mit lauten, sich immer wiederholenden Hochrufen empfangen. Nach einigen Gesangsvorträgen nahm der Erste Prä sident des Kyffhäuserbundes, General der Artillerie a. D. von Horn das Wort zu einer Ansprache. Während sich die Fahnen senkten und die ganze Versammlung sich von den Plätzen erhob, ehrte der Redner in einem tief empfundenen Nachruf die zwei Millionen gefallenen deutschen Krieger. Die Musikkapellen spielten das Lied vom guten Kameraden. General von Horn fuhr fort: Vergessen wir niemals, daß wir die Schande und die Schmach des Friedensdiktates nicht deshalb so schmerzlich empfinden, weil unser Volk schließlich gegen eine Welt von Feinden unterlegen ist, sondern wegen derArt, wiewirzusammengebrochen sind, wie wir unseren Sturz ertrugen, teils in erstarrter Gleichgültigkeit, teils in würdeloser Selbstbeschuldigung, ja S e l b st z e r fl e i s ch u n g. Deshalb soll über dieser Wcihestunde die Mahnung sichen: Erkennt und bekennt eure Fehler und werdet nun, da euch die Not und die Schmach zusammengekoppelt, end lich e i n Volk. Bannt den Klafsenhaß und die Parteisucht, besinnt euch aus eure nationale Würde und auf eure Ge schichte. General von Horn forderte sodann nachdrücklich die Schaffung einer großen deutschen Front. Wir wollen, so betonte er, gesinnungsmäßigen Zusammenschluß — unabhängig von allen Parteibindungen — aller derer, die deutsch fühlen, deutsch denken und deutsch handeln wollen, die willens sind, wirkliche nationale, sitt liche und kulturelle Aufbauarbeit zu leisten, die von der Überzeugung durchdrungen sind, daß in der jetzigen Ge- fayrenzeit eines das Notwendigste und Vordringlichste ist: die Herstellung eines einheitlichen geschlossenen Volkes und Selbsterhaltungswillen, wenigstens in den großen Lebens- und Schicksalsfragen der Ration. Reichskanzler von Schleicher hielt dann eine Ansprache, in der er u. a. ausführte: Unsere Feinde wußten sehr Wohl, daß sie Deutschland ins Mark trafen, als sie es wehrlos und damit zu einem Volk zweiter Klasse machten. Gegen diese Deklassierung und für die Wiedergewinnung seiner Gleichberechtigung auf militä rischem Gebiet hat daher das deutsche Volk, und nicht am wenigsten die alten Soldaten, die sich heute hier zu einer Gedenkfeier zusammengefunden haben, zäh und mit heißem Herzen gekämpft, bis ihm vor kurzer Zeit dieses entschei dende Merkmal seiner Souveränität wieder zuer kannt ist, und ich kann heute nur die Worte des Herrn Reichsaußenministers wiederholen, daß die Reichsregie rung keine Abrüstungskonvention unterschreiben wird, die diesem Grundsatz nicht Rechnung trägt Im übrigen wollen wir nur die gleiche Sicherheit wie jedes audere Land, und ich möchte erneut betonen, daß ich die allgemeine Wehrpflicht für das wichtigste zu erreichende Ziel halte. Veränderte Zcitvcrhältnisse wer den veränderte Formen bedingen. Ich denke dabei in erster Linie an die Miliz. Seien Sie aber überzeugt, daß die Wehrmacht, wie auch ihre äußere Form sein mag, stets von dem Geiste beseelt sein wird, der der Ihre war und ist. Tradi tion, wie wir sie auffassen, ist nicht an Zahlen und äußere Formen gebunden. Tradition ist die Verpflichtung zu den alten Soldatentugenden des Gehorsams und der Kameradschaft. Heute aber tut noch eine andere Kameradschaft not, eine Kameradschaft, die sich auch nach außen hin zeigt in dem Gefühl enger Verbundenheit mit allen deutschen Volksgenossen. Ich habe in letzter Zeit ganz be sonders erfreuliche Zeichen solchen Empfindens in der Reichswehr gefunden, wo Truppenteile und Schiffs besatzungen in Hilfsmaßnahmen für die notleidende Bevölkerung wetteiferten, und wo von allen militärischen Kommando behörden jede Maßnahme mit Verständnis und freudiger Zustimmung unterstützt wurde, die dazu geeignet war, Erwerbslosen Brot und Arbeit zu bringen. Tradition ist aber auch die Verpflichtung zu gleicher sach licher Arbeit, zu gleichen Leistungen im Dienst des Vater landes, wie sie in der alten Armee selbstverständlich waren. Leuchtendes Vorbild dafür bleibt uns allen, alt und jung, unser hochverehrter Generalseldmarschall und Reichspräsident Ich kann das Wesen dieser Tradi tion nicht besser umschreiben als mit den Worten, die der Herr Feldmarschall der jungen Wehrmacht zurief, als er imJahre 1925 den Oberbefehl über die Reichswehr über nahm: „Im alten Sinn für Pflicht und Opfer liegen ihre Wurzeln, ihr Handeln aber gilt der Gegenwart und Zu kunft, dem Dienst an Voll und Staat." Nach einem Schlußwort des Generals von Horn endete die Feier mit dem Fahnenausmarsch. Die Reichsgründungsfeier des Kyffhäuserbundes in Berlin. Von links nach rechts: Der Vorsitzende des Kyffhäuser bundes, General von Horn, Reichspräsident von Hinden burg und Generalseldmarschall von Mackensen. Reichskanzler von Schleicher, während seiner Ansprache am Mikro phon. Die Rede wurde aus alle deutschen Sender übertragen.