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Sicherheit bis auf zwanzig Meter Entfernung den Kindern zu warf, was jedesmal einen Sturm von Heiterkeit hervorgerufen haben soll. Meine Frau kaufte nunmehr ein Päckchen kondensirte Milch für sechs Pfennig, welches Quantum für zehn Liter gute Milch reicht. Dann gingen wir in das Kolonialwaarenlager, wo meine Gattin ein größeres Packet Zimmet für drei Pfennige erstand. Natürlich nahmen wir diese Einkäufe nicht sofort mit. Vielmehr werden die eingekauften Waaren mittels pneumatischer Vorrichtung an eine der sechs an den Haupteingängen befindlichen Kassenstellen befördert — der Käufer hat zu bestimmen, wohin er die Waaren befördert haben will. Auf dem Wege zur Kasse fielen natürlich meiner Frau noch Dinge ein, die sie kaufen wollte. So nahmen wir noch in der fünfzehnten Etage ein Pfund Stecknadeln für siebzehn Pfennige mit. Meine Frau kauft stets im Müllerschen Waarenhause die Stecknadeln, denn der Inhaber des Waaren- hauses hat die Einrichtung getroffen, an jedem Tage in eins der zum Verkauf gestellten Stecknadel-Packete ein Zwanzigmarkstück hineinzulegen, und bereits dreimal war meine Frau so glücklich gewesen, die Käuferin des betreffenden Glücks-Pfundes Stecknadeln zu sein. Endlich nahm meine Frau auch noch ein paar Pfund Butter mit, welche sie ebenfalls stets in diesem Waarenhause zu kaufen pflegt, und zwar nicht nur, weil die Butter daselbst fünfzig Pfennige pro Pfund billiger als anderswo und ganz vor züglich ist, sondern vor allem aus dem Grunde, weil dieselbe dort in einer Weise verabreicht wird, die den modernen An forderungen des 21. Jahrhunderts vollkommen entspricht und die Butter selbst bei stärkster Sommergluth ungemein lange frisch erhält. Jedes einzelne Pfund Butter nämlich liegt in einem äußerst geschmackvollen Etui aus ganz festem, undurchlässigen Papiermache, in welchem sich um die Butter herum Eis befindet, welches chemisch derartig präparirt ist, daß es sich mehrere Tage lang nicht auflöst. Das Geheimniß dieses chemischen Präparates ist von dem Müllerschen Waarenhaus für zehn Millionen Mark dem ingeniösen Entdecker desselben abgekanft worden. Nachdem wir uns dann noch eine Weile in der zwölften Etage des Waarenhauses auf dem Kinderspielplatz anfgehalten batten, wo unser Töchterchen an den Spielen theilnahm, welche die Kinder der Waarenhausbesucher unter Aufsicht und Anleitung von zwölf Kindergärtnerinnen dort auf einem prächtigen mit künst lichen Anpflanzungen geschmückten Spielterrain vornehmen können, kamen wir endlich nach mehreren Fahrten auf den verschieden artigen Verkehrsmitteln des Waarenhauses an den Eingang 4, wohin wir unsere Einkäufe bestellt hatten und bezahlten eine Mark und neun Pfennige. Als ich diesen Betrag aufgezählt hatte, sagte die Kassirerin: „Mein Herr, Sie sind der hunderttausendste Käufer, der am heutigen Tage an dieser Kassenstelle zahlt. Gestatten Sic mir, Ihnen das übliche Geschenk zu überreichen!" Hiermit über gab Sie mir ein Couvert, in welchem sich ein ganz neuer Hundert markschein befand. Ein solches Geschenk bekommt jeder hnnderttausendste Käufer an jeder der sechs Kassenstcllen, und diese Summe wird nach jeden hunderttausend Käufern um 100 Mark erhöht, so daß der millionste Käufer 1000 Mark erhält. Diese Summe freilich kommt nur selten, meist nur in den Tagen vor Weihnachten zur Auszahlung Nachdem meine Gattin sich noch vergewissert hatte, daß die eingekauften Waaren uns bald zugeschickt würden — da stündlich hundert Wagen in alle Stadtgegeudcu von dem Müllerschen Waarenhaus mit Packeten ausgesaudl werden, brauchte sie für baldigste Zusendung durchaus nicht in Sorge sein! — verließen wir das Haus, doch nicht ohne noch erst am Ausgang ein neues Aeklamebuch der Firma in Empfang zu nehmen. Ich hatte Muße in demselben auf der Nachhansefahrt zu blättern. In dem elegant in Leder gebundenen Buch befanden sich zunächst einige novellistische Beiträge der bedeutendsten lebenden Autoren, sodann ein Preis- verzeichniß sämmtlicher Verkaufsgegenstände des Waarenhauses in deutscher, englischer, chinesischer und französischer Sprache; ferner waren in dem Buche — perforirt, so daß sie leicht Herauszureißen waren — je zwei Einlaßkarten zu sämmtlichen Theatern und sonstigen Vergnügungsstätten der Stadt. Die Theaterbillets waren an den Tageskassen der betreffenden Theater gegen Billets zum ersten Range derselben umzutauschen. Als wir nach Hause kamen, fanden wir bereits die Einkäufe vor. Meine Frau konnte es nicht erwarten, das Stecknadelpacket zu öffnen. Noch ehe sie den Hut abgelegt hatte, schüttete sie die Stecknadeln auf dem Tisch aus. Es fand sich aber diesmal kein Zwanzigmarkstück darin. „Weißt Du, Männel," klagte sie, „in dem Müllerschen Waaren- hanS scheint mir jetzt auch viel Schwindel getrieben zu werden. Ich habe nun schon das zweite Mal in dem Stecknadelpacket kein Zwauzigmarkstück gefunden!" „Ja," antwortete ich, „Frauchen, das kommt mir freilich auch ganz seltsam vor! Na weißt Du, nächstes Mal können wir ja in ! einem anderen Waarenhaus unsere Einkäufe machen. Vielleicht f wird man anderswo coulanter bedient!" „Ganz gewiß! In der L-Straße ist das Waarenhaus von Schulze, von dem wird jeder Käufer auf telephonische Bestellung mit einem Zweispänner abgeholt und auch wieder in die Wohnung gebracht!" „Gut! Lassen wir uns das nächste Mal in das Schnlzesche Waarenhaus fahren! Vielleicht hat man dort mehr für sein schweres Geld!" Spruch. Streu nur in Gottes Namen Des Herzens Reichthum aus; Vielleicht aus all dem Samen Wächst doch ein Blumenstrauß. Frida Schanz ScbuhptcrttLev. (Zu dcni Bilde S. 1.) Wenn man von München ans das Jsarthal aufwärts wandert und so gegen Tölz gelangt, so rücken die den Fluß begleitenden Höhen züge immer näher zusammen und nehmen den Hochlaudscharakter an. Tölz gehört aber auch schon in das Alpengebiet, denn dicht daran beginnen die Ausläufer des im Süden aufstrebenden Ge birgsstockes; die Bauart der Häuser, Sprache und Volkssitte sagen uns, daß wir uns im Gebirge befinden; aus den Wirthsstuben da und dort ertönt schon der Klang der Zither, und wenn gerade Ge legenheit geboten ist, kann man auf den Tanzböden, manchmal in der Gaststube selbst, wie es dann im eigentlichen Oberbayern überall gang und gäbe ist, die Buben und Deandln schuhplattcln sehen. Hei, wie da die Füße stampfen, wie die Hände im Takt auf Schenkel, Knie und Absätze schlagen! Eine Freude ist's, das an- zu sehen. Dcrs evste Geschäft. (Zu dem Bilde S. 4.) Der Maler des kleinen Genrebildchens, das der Erklärung nicht bedarf, Adalbert Begas, gehört einer großen Künstlerdynastie Berlins an, ist als dritterSohn vonKarlBegas1836 inBerlin geboren und wurde zum Kupferstecher herangebildet, wandte sich aber in Paris der Malerei zu, iu der er unter Böcklin in Weimar seine Studien machte, indem er lange die Werke großer Meister kopirte, sich aber dann selbständig herausarbeitete und namentlich durch „Die Mutter und ihr Kind", welche für die Berliner National galerie erworben wurde, Aufsehen erregte. Eine Reihe allegorischer Bilder, wie das deutsche Lied, die Büchse der Pandora nnd das Volkslied zeugten von dem Reichthum der Erfindung wie von der Poesie der Konzeption. Neben diesen Bildern hat er sich nament lich durch Porträts einen geachteten Namen gemacht und entfaltet auch im Genre ein anmuthig gestaltendes Talent. Dev Weöevfätk. (Zu dem Bilde S. 5.) Sie sind Todfeinde, Pedro Dominguez und Don Joss de Piedra; sie hassen einander bis aufs Blut, wie Niemand sonst in der ganzen andalusischen Sierra, seitdem Pedro Dominguez die Liebe der blauäugigen Carmencita gewonnen hat. Rache brütet Don Joss, und heute, am Hochzeitstage Pedros und Carmencitas, will er sie haben. Wo der Weg in die Sierra Nevada führt, durch das wasserreiche Thal von Fuengirola, hart am Olivenwäldchen, lagert seit einer Stunde eine lautlose Gruppe von Männern, den blanken Degen in der Faust, den Dolch in der Scheide gelockert. Hier vorbei müssen sie kommen. Den damascirten Tolcdostahl im Arme, kniet Don Joss im Moose, lauschend. Noch immer bleibt es still, nur der leise Abendwind spielt in den Bäumen ob seinem Haupte. -— Da, horch, ein Schnauben, wie von galoppirenden Rossen, ein Knirschen, wie von Rädern eines Carro. — Wie der Blitz aus heiterem Himmel jäh herniederfährt, brechen die Männer aus dem Hinterhalte hervor — ein wüthender Kampf beginnt — Pedro fällt mit den Seinen, sein brechendes Auge sicht nicht mehr, wie die ohnmächtige Carmencita seinen Getreuen entrissen und da- oongetragen wird. Einen Blick befriedigter Rache noch auf den tobten Jüngling im Hochzeitsgewande — dann wird die Carreta bestiegen, um eine süße Last schwerer, die Reiter setzen sich in Be wegung, und hinein geht es in das Gebirge, über die Grenzen Andalusiens hinaus, ehe noch die Blutrache naht, die gefallenen Opfer zu sühnen. — Derartige Unthaten waren in dem einer schrecklichen moralischen Verwilderung verfallenen Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts keine Seltenheit.