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Sr. 10. iluterhaltungsbeilnge zum Wochenblatt für Wilsdruff es seböner denn je; denn jetzt habe ich einen Druck von mir abgestreift, der wie Biei auf mir lag jetzt gehe ich WerHeiraLHeL. Roman von L. ElSborn. «Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) A^päter suchte sie den Sanüätsralh Zeuner nach der Vor- lesung auf. Er gewahrte ihr die Bitte — die Klinik stand ihr offen. Morgen sollte sie eintreten. Bei Tische sah sie Albert wieder. Er hatte den Zorn von heute früh noch nicht verwunden, aber er beherrschte ihn. Er wollte nicht einsilbig sein — erzählte, daß er bei Hertha war. „Und ich war beim Zeuner, Albert — ich konnte nicht anders, trotzdem ich weiß, daß Du nicht einverstanden bist. Mich zwingt eS, Dir in diesem Falle zu widerstreben, ich weiß niir keinen Rath, anders zu handeln." Alberts Gesicht färbte sich roth. Eine Ader über seiner Surn trat angeschwollen hervor, aber er blieb ruhig — er er widerte nichts. Hildas Lippen zuckten. Sie zwang sich zum Essen. Als Nesi den schwarzen Kaffee brachte, erhob sich Hilda, goß ihn in die Schalen und Holle Cigaretten herbei. Das hatte sie früher nie gethan. Albert stand auch auf und holte die Zeitungen. Er las, ohne seine Gedanken auf den Text zu richten. Endlich trat Hilda hinter seinen Stuhl, bog seinen Kopf gegen ihre Brust zurück und küßte lhu auf den Mund. „Heute ist een schwerer Tag für uns, Albert, wir sind zum ersten Male auf dem Punkt, uns nicht zu ver stehen. Laß uns gegenseitig die Ueberzeugung achten, die den Impuls unseres Handelns aus macht — ich kann nicht anders — ich muß!" „Du zertrittst unser Glück, Hilda!" „Unser Glück ist nicht zer brechlich — es ist nur durch eine Wolke verdunkelt. Laß uns wieder wie sonst an die Arbeit gehen, Albert, laß die kostbare Zeit nicht unnütz verstreichen. Jetzt imrd den rechten Weg!" * * -k Wieder wurde eS Frühling. Hilda war Tag für Tag ins Spital gewandert, und noch immer mußte sie sich sagen, daß die Kranken sich gerade so mürrisch zu den Untersuchungen herbeiließcn wie im Anfang. SanitätSrath Zeuner hatte das unter lächelnder Reserve erklärt. „Die Frauen wollen sich richt gern von einer Frau untersuchen lassen, sie sind in der Richtung konservativ; cme Frau ist für sie kein Arzt." Hilda suchte das Vocurtheil durch persönlichen Einfluß zu bekämpfen. Sie beschenkte die Kranken — richtete theilnehmende Worte an sie, aber Vertrauen errang sie nicht. Ter ungeschickteste Student genoß in der Richtung niehr als sie. Das machte, daß Hilda es endlich als Unglück betrachtete, eine Frau zu sein, sie empfand die Schranken, die sich dem WirkenihresGeschlechtes entgegen setzen, und fühlte die Ohnmacht, dieselben zu durchbrechen. Ihr wesentlichstes Interesse wandte sich noch immer der Dia gnostik zu. Sie verglich bei jedem Lxitrm letalm die klinische Dia gnose mit dem Sektionsbefund. Bei Sanitätsrath Zeuner deckten sich beide, wenigstens meistens, etwa 97 Prozent der Fälle, aber bei den übrigen Herren gab es oft arge Ver rechnungen. Wenn das in einer Klinck möglich ist, wo dem Arzte die eingehendsten Unter luchungsmütel zur Verfügung stehen, was ist dann in der Privatpraxis zu er warten? Hilda fühlte sich bei diesen Erwägungen kleinmüthig. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte sie sich der pathologischen Anatomie gewidmet — der Forschung. Da von konnte in ihren Verhältnissen keine Rede sein — daran hinderte sie ihr Geschlecht. Nach ein« Zeichnung von Kun» Meyer. <V. 7.)