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Wochenblatt für Wilsdruff Tharandt, Men, Menlehn nnd die KmMnden ZmtsblAtt für die Kgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, Inserate werden Montags, Mittwochs und freitags bis spätestens Mittags j2 Uhr angenommen. Insertionspreis ZOpf. pro dreige- spaltene Lorpuszeile. Erscheint Ä wöchentlich dreimal u. zwar Dienst tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis Viertels, s Mk. 36 Pf., durch die Post bezogen Z Mk. 55 Pf. Einzelne Nummern sO Pf. - sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Druck und Berlag von Martin Berger in Firma H A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Y. A Merger daselbst. No. 67. Sonnabend, Ss« 8. Juni 18SS Bekanntmachung. Wegen der sich häufenden Fälle von Nichtbefolgung der gegebenen Meldevorschriften bringen wir Folgendes zur Kenntniß der Betheiligten in hiesiger Stadt: „Es ist ein Jrrthum, wenn Unteroffiziere und Mannschaften der Landwehr zweiten Aufgebots, sowie Ersatzreservisten, welche zur Landwehr zweiten Aufgebots über führt worden sind, glauben, daß dieselben nicht mehr zu Meldungen verpflichtet sind. Dieselben müssen die An- und Abmeldungen nur nicht persönlich erstatten, sondern können diese auch durch Familienangehörige erstatten lassen." Der Militärpaß, der für jeden Mann des Beurlaubtenstandes eine Urkunde ist, giebt auf Seite I bis mit XV die Bestimmungen für die Mannschaften des Be urlaubtenstandes klar und deutlich wieder und liegt es in dem eigenen Interesse der Buchinhaber erstere zu lesen und darnach zu handeln. Wer die vorgeschriebenen Meldungen unterläßt, wird durch den Bezirks-Kommandeur mit Geldstrafe von 1 bis 60 Mark oder mit Haft von 1 bis 8 Tagen bestraft. Außerdem muß der Bestrafte die durch die Controlentziehung versäumte Dienstzeit nachdienen. Wilsdruff, am 5. Juni 1895. Der Bürgermeister. Ficker. Tagesgeschichte. Der Kaiser und die Kaiserin trafen am Dienstag Mittag in Pasewalk rin und wohnten daselbst der 150jährigen Gedenkfeier der Schlacht bei Hohenfriedbcrg (4. Juni 1745), sowie der hiermit verbundenen feierlichen Enthüllung des Kaiser- Friedrich-Denkmals bei. Die Majestäten trugen die Uniform des Kürassier-Regiments „Königin". Nach der Enthüllungs feier setzte sich die Kaiserin, welche gleich dem Kaiser beritten war, an die Spitze des Regiments und führte dasselbe ihrem erlauchten Gemahl vor. Bei dem nachfolgenden Diner im Offizierskasino hielt die Kaiserin eine kleine Ansprache, in welcher die Monarchin dem Kaiser für die ihrem Pasewalker Kürassier- Regiment verliehene Auszeichnung — Brustbild König Friedrichs II. mit dessen Namenszuge — Namens des Regiments dankte und mit einem Hoch auf den Kaiser schloß. Letzterer gedachte in seiner Erwiderung der Thaten und Verdienste des yochseligen Kaisers Friedrich als Feldherr wie als Regent und brachte zuletzt ein Hoch auf die Kaiserin aus. Um 5 Uhr wohnten die Majestäten der Vorstellung mehrerer Reiterbilder in der Kaserne bei, gegen 8 Uhr Abends wurde die Rückreise nach dem Neuen Palms bei Potsdam angctreten. Der Kaiser trifft am Sonnabend in Kiel behufs letzt maliger Jnspicirung des Nordostsee-Canales ein. Am Mittwoch unternahmen der Reichskanzler Fürst Hohenlohe, die Staats sekretäre Dr. v. Bötticher, Freiherr von Marschall und Admiral Hollmann, die Minister v. Köller und Thielen und noch andere distinguirte Persönlichkeiten an Bord des großen Ozeandampfers „Palatia" eine Probefahrt durch den Canal. — Es gilt als nicht ausgeschlossen, daß der Kaiser bei der Kieler Canalfeier einen Besuch an Bors des französischen Admiralschiffes „Hoche" äbstattet, doch würde alsdann die Ehre eines kaiserlichen Besuches, wie die „Post" zu melden weiß, auch verschiedenen fcemv- herrlichen Schiffen zu Theil werden. Fürst Bismarck wird am nächsten Sonntag, den Aus schuß des Bundes der Landwirthe in Friedrichscuh empfangen. Zur Organisation des Handwerks. In der Presse tauchen die verschiedensten Mittheilungen über den im Reichsamt des Innern ausgearbeiteten oder in der Ausarbeitung begriffenen Gesetzentwurf, betreffend die Handwerkerkammern, auf. Bald wird versichert, daß darin die Zwangsinnung proklamirt werden soll, bald, daß das Lehrlingswesen eine durchgreifende Regelung in demselben erfahren soll, bald, daß den bestehenden Innungen Vorrechte bei der Bildung und Zusammensetzung der Hand werkerkammern eingeräumt werden sollen. Die Mittheilungen sind so verschieden und behandeln auch gleiche Gegenstände so ungleichartig, daß sie unmöglich alle richtig sein können. Es ist sogar sehr wahrscheinlich; daß sie insgesammt lediglich Kom binationen ihren Ursprung verdanken. Wir wissen nicht, wie man im Reichsamte des Innern die Vorlage über die Hand werkerkammern, die in nächster Tagung an den Reichstag ge langen soll, ausgestaltet hat. Hat man sich jedoch auch nur im Allgemeinen an die Grundzügc gehalten, welche in der letzt verflossenen Tagung der Staatssekretär des Reichsamts des Innern im Reichstage entwickelt hat, so irren alle diejenigen Kreise, welche von dieser Vorlage eine endgiltige Organisation des Handwerk« erwarten. Man bringt zu leicht die Vorschläge, welche im Sommer 1893 vom Handelsminister Preußens im „Staatsanzeiger' veröffentlicht wurden, mit der jetzt zur Regelung stehenden Frage in Verbindung. Diese Vorschläge muß man nach den Aeußerungen des Herrn v. Boetticher vorläufig aus dem Spiele lasten. Dieselben haben eine solche widerspruchs volle Aufnahme und vielfach eine absprechende B-urtheilung in den Handwerkcrkrelsen selbst gefunden, daß die Regierung sich ent schlossen hatte, vorläufig von ihnen abzusehen. In diesen Vor schlägen war allerdings die endgiltige Organisation in Zwangs- fachgenostenschaften vorgesehen. Da mit diesem Huqeständniß aber nicht dasjenige des Befähigungsnachweises verbunden war außerdem die jetzt bestehenden Innungen nach Verwirklichung der Fachgenossenschaftsidee auf den Aussterbeetat gesetzt worden wären, so war eine'allgemeine Unzufriedenheit die Summe der aus den Handwerkerkreisen über die Vorschläge abgegebenen Gutachten. Infolge besten entstand in den Regierungskreisen ein ganz anderer Plan für die Ordnung der Angelegenheit. Es sollte vorläufig ein Gesetz zu Stande gebracht werden, durch welches Handwerkerkammern geschaffen würden. Diesen Hand werkerkammern sollte dann später als erste Aufgabe die Beant wortung der Frage gestellt werden, wie sie die Organisation des Handwerks wünschten. Dann würde sich für die Regierung klipp und klar ergeben können, welcher Weg im Wunsche der Mehrheit der Handwerker liegt und erst nach diesen Vorbe reitungen würde sie ihre Entscheidung fälleu. So mußten die angezogenen Aeußerungen des Staatssekretärs des Reichsamts des Innern aufgefaßt werden. Nichts deutet darauf hin, daß in diesem Plane eine Aenderung vorgenommen ist. Es ist demnach ziemlich unwahrscheinlich, daß in dem demnächst zu er wartenden das Handwerk betreffenden Gesetzentwurf Fragen wie die Zwangsinnung und dergleichen überhaupt behandelt werden sollen. Besonders im Gcoßgewerbe haben sich seit Jahren die Klagen über den häufigen Kontraktbruch der Arbeiter vermehrt. Es ist bekannt, daß die Arbeiter nicht nur bei Lohnbewegungen und ähnlichen Vorgängen vielfach die gesetzlichen Bestimmungen über die Dauer des Arbeitsverhältnistes völlig außer acht lasten, sondern auch aus anderen Ursachen meistens leicht geneigt sind, die eingegangenen Verpflichtungen nicht zu erfüllen. Ein Streit mit den Mitarbeitern, die Aussicht, an anderer Stelle höheren Lohn zu erhalten, ein Wechsel der Wohnung, eine Zurechtweisung, oft auch dec Wunsch, mit Bekannten zusammen zu arbeiten, stno oft die nichtigen Gründe des Kontraktbruchs. Namentlich die jüngeren Arbeiter zeichnen sich auch in dieser Beziehung un liebsam aus. In einzelnen Jndustriebezirken, und besonders in Sachsen, kann man sehr lebhafte Klagen über die geringe Be ständigkeit dieser Jugend hören. Sie wechselt den Arbeits platz fortwährend und bricht auch den Arbeitsvertrag ohne Be denken, wenn sie das ohne eigenen Nachtheil glaubt thun zu können. Ob der Arbeitgeber durch ein solches gesetzwidriges Verhalten geschädigt wird, macht diesen Arbeitern wenig Kopf zerbrechen. Sie wissen sehr genau, daß der Arbeitgeber meistens die Z-itoersäumnisse und Scherereien scheut, die mit einer ge richtlichen Belangung der Kontraktbrüchigen fast immer ver knüpft sind. Ist dem Arbeitnehmer jedoch unrecht geschehen so weiß er den Weg zum Richter fast immer zu finden. Die Thätigkeit der Gewerbegerichte ist auch in dieser Hinsicht lehr reich. Die „Köln. Ztg." lenkt die Aufmerksamkeit auf die Er fahrungen, welche das Gewerbegericht in Plauen i V über den Kontraktbruch der jugendlichen Arbeiter gemacht hat ' Auch von ihm wird bestätigt, daß ein sehr starker Hang vorhanden ,st, die Arbeit ohne Innehaltung der gesetzlichen oder vertrags mäßigen Kündigungsfrist zu verlassen. Das genannte Gericht ist jedoch der Ansicht, daß die Arbeitgeber zu einer Besserung dieser mit Recht von ihnen beklagten Verhältnisse wesentlich beitragen konnten. Es hat nämlich die Erfahrung gemacht, daß die Vorschrift der Gewerbeordnung, nach der minderjährige Arbeiter nur beschäftigt werden dürfen, wenn sie mit einem Ar beitsbuch versehen sind, vielfach keine Beachtung findet. Das ist eine tadelnswerthe Unterlassung. Weiß der Arbeiter von vornherein, daß er ohne Arbeitsbuch an anderer Stelle keine Beschäftigung findet, so wird er sich hüten, ohne Kündigung aus der Arbeit zu laufen. Das Gewerbegericht zu Plauen räth daher den Arbeitgebern, zu ihrem eigenen Vortheil strenge rach der gesetzlichen Vorschrift zu verfahren und das Arbcits- mch bei der Annahme minderjähriger Arbeiter sofort einzu fordern; auch kiese selbst zu der Beschäftigung erst dann zu zulassen, wenn das Arbeitsbuch beigebracht ist. Zur Ver minderung der Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeit nehmern würde es gleichfalls erheblich beitragen, wenn die Arbeitgeber sich mehr'bestreben wollten, solche Punkte, auf die es beim Abschluß des Arbeitsvertrages wesentlich ankommt, klar und bestimmt mit dem neu eintretenden Arbeiter zu verein baren. So namentlich Art und Höhe de« Lohnes, Dauer einer etwaigen Probezeit, gegenseitige Kündigungsfrist, Verhalten bei eintretendem Arbeitsmangel u. s. w. Streitigkeiten wegen Kon traktbrüchen würden hierdurch vermieden. Gute Erfahrungen hat man namentlich in größeren Betrieben damit gemacht, daß die Arbeitsordnung den Arbeitern ausgehändigt wird und von ihnen unterschrieben werden muß. Viele Arbeitsordnungen ent halten die Bestimmungen, daß zur Sicherung des Vertrags bruchs wöchentlich ein bestimmter Theil de« Lohnes innebe- halten wird. Doch zahlreiche Arbeitgeber machen von diesem Rechte nur in einem geringen Umfang oder überhaupt keinen Gebrauch. Das erwähnte Gewerbegericht steht in der Jnnc- behaltung des Lohnes bis zu jener gesetzlich festgelegten Höhe ein meistens recht wirksames Mittel, den Arbeiter vom Vertrags bruch zurückzuhalten und den Arbeitgeber, wenn die Arbeit trotz dem rechtswidrig verlassen wird, wenigstens einigermaßen zu entschädigen. Auf solche Arbeiter, die gewohnt sind, beständig Vorschuß zu erbeben, würde eine derartige Maßregel auch in allgemeiner Hinsicht erziehlich wirken. Viele Arbeiter sträuben sich allerdings gegen derartige Ldhnabzüge, doch das Gewerbegericht in Plauen glaubt, daß die Arbeiter sich an diese gesetzlich den Arbeit gebern zustehend- Befugniß bald gewöhnen würden, wenn diese all gemein von derselben Gebrauch machen wollten. Jedenfalls ist eS wünschenswerth, daß den in vielen Arbeiterkreisen herrschenden etwas leichtfertigen Anschauungen über Erfüllung des Arbeits- Vertrages mehr als bisher mit den gesetzlich erlaubten Maß regeln entgegengetreten wird. ° Stuttgart, 6. Juni. In Balingen ging dies-Nacht D" bochgeschwollene Eyach riß dort n"t seinen Bewohnern fort. 9 Personen werden V-rÄ-n I Frommem wurden 4 Häuser weggerissen. Neun Personen werden vermißt. In Dürrwangen wurde ein Haus eggeschwemmt. In Laufen werden 15 Personen vermißt. Dier amtliche Bericht des Ministeriums über die Wafferkata- trophe im Oberamt Balingen besagt, daß am 4. d. M. von bis 7 Uhr Abends und sodann am 5. Nachts 11 Uhr starke Wolkenbrüche im Eyachthale niedergingen. In Balingen sind mehrere Häuser, Brücken, Kanäle und Wasserwerke theils völlig zerstört, theils sehr beschädigt. Zehn Personen sind fortge schwemmt worden. Im Pfarrdorfe Frommem sind sieben Häuser ganz oder theilweise, die Brücken vollständig zerstört. Auch hier sind 7 Todte und 9 Vermißte zu verzeichnen. In Laufen sind sieben Häuser eingestürzt, 15Thierc getödtet und 17 Menschen leben zu beklagen. Der Kirchhof wurde aufgerissen, so daß die Särge umherschwimmen. Auch in der Gemeinde Dürrwangen wurde ein Gebäude fortgeschwemmt, vier andere zerstört, zwei Brücken und zwei Stege fortgerissen; doch ist kein Menschen leben zu beklagen. Oberhalb der Stadt Ebingen ist in den Dörfern Thalfingen und Truchtelfingen ebenfalls bedeutender Schaden angerichtet. Viele Gemeinden haben telegraphisch Staatshilfe erbeten. Halle, 4. Juni. Ein schweres Unglück, dem drei Menschen eben zum Opfer fielen, ereignete sich am Sonnabend vor Pfingsten auf der den Riebeck'schen Werken gehörigen Grube u Stedten. Auf der zu der letzteren gehörigen Förderungsan- age lockerte sich an dem Wagen der diesen festhaltendc Bolzen grade in dem Augenblick, al« der Wagen auf dem Kippunkte tand; mit gewaltiger Geschwindigkeit sauste nun der Wagen >ie schiefe Ebene hinab, wobei er vier Bergleute derart traf, daß drei sofort getödtet und schrecklich verstümmelt wurden. Ein anderer Bergmann wurde ebenfalls verletzt und zur Be handlung in das hiesige Krankenhaus „Bergmannstrost' über geführt. Ueber die an sich gewiß hocherfreulichc Thatsache, daß bei dem bevorstehenden großen Feste der Eröffnung des Nordost- eekanalS sich sämmtliche bedeutenderen Saaten Europa« ammt den Vereinigten Staaten von Nordamerika die Hand reichen werden, ergeht sich ein Theil der deutschen Presse in