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An der Rückseite der kleinen Strohdachhütte, welche die Gräfin Fersen mit ihrer Tochter bewohnte, standen drei hoch gewachsene mächtige Tannen im Dreieck beisammen. Ihre weit ausgebreiteten Neste waren eng in einander geschlungen und bildeten auf diese Weise ein dichtes grünes Schirmdach, ln dessen schattiger Kühle es sich trefflich ruhen ließ. Auf dem dunklen Grün des Bodens spielten flimmernde Sonnenlichter, die durch jedes winzige Guckloch, das sie im Geäst entdeckten, in die Laube drangen. Sie küßten das Goldhaar und die weiße Stirn der jungen Komtesse, welche drinnen auf weicher Moosbank saß und eifrig mit Fingerhut und Nadel hantirte, und kos'ten auch die feinen Hände, die prächtige Rosensträuße in einen mächtigen Teppich stickten. Hie und da glühte schon vollendet eine herrliche Centifolie, und aus Moos und grünem Blätterwerk lugten einzelne zarte .Knöspchen, gerade, als ob sie ein leichter Wind hauch auf den Teppich gestreut hätte. Doch noch gab es ein gutes rtück Arbeit, und Eile chat noth, wenn das Kunstwerk bis zur be stimmten Frist, dem Ge burtstage der Gräfin, fertig werden sollte. - Also stickte Komtesse Maria heute schon seit dem frühen Morgen und freute sich jedes neuen Blättchens, das sie aus den bunten Wollen ent faltete. Droben im höchsten Tannenwipfel aber saß ein Eichhorn pärchen traulich bei sammen. Das guckte neugierig auf das lieb liche junge Menschen kind herab, knabberte Tannenzapfen und schien sich auch so seine eigenen Gedanken zu machen über all' das Wunder liche, das sich in der Welt zutrug. Lange sollten indessen diese Reflexionen nicht ungestört bleiben. Wie ein Sturmwind sauste es plötzlich heran! Eichhornmannchenund Eichhornweibchen, und ebenso Maria fuhren er- schreckt in die Höhe und — allesammt ge wahrten Frau Christia- nens Haubenbänder durch die grünen Zweige schimmern! Bald kam auch das gute runzlige Gesicht zum Vorschein! Purpurroth war es vor Erregung! Die runden Augen spiegelten deutlich die Noth der armen Seele und der unvermeidliche Appell an die himmlische Patronin ward in allen Tonlagen bis zum äußersten Diskant vernehmbar. Das Eichhornpärchen wandte sich nervös ab und — husch, husch! war es über alle Berge! Maria dagegen trat freundlich der aufgeregten Chrisüane entgegen, und obwohl sie gewöhnt war, die gute Frau öfters alterirt zu sehen, so fragte sie doch mit herzlicher Theilnahme nach der Ursache ihres heftigen Kummers. Kritischer als sonst schien auch wirklich heut' der Fall zu liegen! Christiane schaute mit so entsetzten Augen umher, als gelte es, den leibhaftigen Satan zu entdecken, und nur stoßweise rangen sich endlich die Worte aus ihrem bleichen Munde: „Ach Komteßchen, Kvmteßchen! Was mußte ich jetzt er leben! Herzchen, Du weißt es ja, ich hab'schon oft allerhand Gesichte gesehen, die sonst aber allemal stumm, ganz stumm er schienen und auch wieder ohne Mucks verschwunden! Aber heute! heute! — Das Gespenst — das sprach! — Mit einer Bärcnstimme sprach's! — Ja, und aus einer banmeslangen, mächtigen Zauberflinte schoß es, daß es blitzt' und kracht', als ob's vom Himmel Feuer regnen würde!" Die Alte schlug die Hände vors Gesicht und bekreuzte sich, fromme Sprüche murmelnd. Komtesse Maria sah rathlos auf dies wunderliche Ge baren. Sie mühte sich vergeblich, die Alte mit freundlichem Zuspruch zu besänftigen und bat immer wieder ernst und dringend, doch ruhig zu erzählen, was ihr begegnet sei. „Selbst vor einem Sonntagskinde, wie Du eines bist, beste Chri stiane," rief Maria end lich lächelnd, „selbst vor einem Sonntagskinde spuken die Gespenster nimmermehr am Hellen Tage! Lichtscheu, Du kannst es glauben, zeigt sich dies Völkchen seit Menschengedenken!" Christiane nickte eifrig. „Eben deshalb, grad deshalb ist's ja so schauervoll gewesen! Siehst Du, Herzchen," flüsterte sie dann wieder angstvoll, „siehst Du, wenn ein Geist er scheint, wie sich's gehört, grüß' ich ihn respektvoll, justement wie man einen hohen Gast grüßt. Ich preis' obenein nieinen Herrgott, daß er mich, die geringeMagd,solcher großen Gnade würdigt, doch was ich heut sah, Herzchen, was ich heul sah! Das war sicherlich ein Blendwerk der Hölle, denn ein Christengeist kann sick- ganz gewiß nicht so un christlich betragen!" „MeinerTreu!" lachte jetzt das junge Mädchen hell auf. „Christiane, Du scheinst ja eine rich- atth. Schmid. (T-tige Konduitenliste für Dein Geisterheer zu führen! Doch höre, Altchen! Wenn Du mir jetzt nicht hübsch vernünftig erzählst, wie sich Deine Gespenstergeschichte zu getragen, dann will ich gleich einmal selbst den Geist suchen gehen, und wenn ich den Schelm erwische —!" „Nein! — Bei Leibe nein!" — schrie Christiane jetzt auf und faßte angstvoll Marias Arin. „Du darfst partout nicht gehen! Glaub' mir's doch, Herzchen, der Satan hat hier den Finger im Spiel! Du sollst ja auch gleich alles wissen! Alles, alles!" Christiane sank erschöpft auf die Moosbank, und als auch Maria wieder Plag genommen hatte, gab sie endlich mit stockender Stimme folgenden wunderlichen Bericht: „Herzchen, als ich gestern Abend alles für die Nacht bereitet hatte, halt' auch Dir und der gnädigen Frau Mutter schon gute Das Wevköbniß. Nach dem Gemälde von M