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finger seiner rechten Hand, welcher in der Mitte an Stelle des üblichen Juwels eine große Lücke aufwies. „Könnt Ihr mir für diesen Ring den fehlenden Stein zeigen, es ist em Opal in prächtigen Regenbogenfarben schillernd, auf dem Frankreichs Wappen, die drei Lilien, eingravirt sind, dann beseitigt Ihr meine letzten Zweifel!" Carl August schwieg und schaute dem Fremden wieder prüfend in die erregten Züge. Dieser aber sagte eilig nach einer kleinen Kapsel, welche er an einem seinen Kettchen verborgen am Halse trug. Er drückte leicht auf eine Feder, daß der goldene Deckel aufsprang und wahrhaftig! ein Juwel, wie es selbst verwöhnte Fürsten augen nicht oft zu sehen bekommen, funkelte dem Herzog aus deni Innern der Kapsel entgegen! Wie mit kleinen Flämmchen spielend, schimmerte und flimmerte der kostbare Stein in tausend Farben, auch die drei Lilien waren in wunderbarer Feinheit hineingeschnitten, und — wie eingegossen paßte er in die goldene Fassung des Ringes! Carl August staud einen Augenblick sprachlos, dann aber streckte er freudig seine Rechte dem jungen Königssohne ent gegen. „Seien Sie mir willkommen, Prinz!" rief er mit einer vor Erregung vibrirenden Stimme. „Dem Himmel sei Dank, daß ich Sie endlich glücklich gefunden habe! Es soll mir eine aufrichtige Frende sein und eine Pflicht zugleich, den Sohn Ludwig XVI. als Gast in mein Haus zu führen und ihn als Freund zu beschützen, wo und wie ich es irgend ver mag!" Der Prinz erwiderte mit herzgewinnender Wärme den kräftigen Handschlag des Fürsten, doch ehe er ein Wort der Entgegnung finden konnte, fuhr Carl August, auf den Begleiter des Prinzen deutend, fort. „Und nun sagen Sie mir vor allem, wie Sie es mit Ihrem Gefährten zu halten gedenken? Sobald Sie es wünschen, soll auch er mir willkommen sein!" „Ihre Freundschaft ist mir eine hohe Ehre," entgegnete nnnmehr Prinz Louis bescheiden, „und obgleich Sie mir ein völlig Fremder sind, ich folge Ihnen gern, wohin Sie mich auch immer führen mögen! Weiß ich doch, daß mich ein werther Freund Ihrem Schutze empfohlen hat! Ich kenne nicht einmal Ihren Namen, mein Herr, doch anch der thut für mich nichts zur Sache! Der Mann gilt mir als solcher, und ich vertraue mich gerne Ihrer Hand. Mein Kamerad hingegen, der ein Kind Ihres Landes ist, und mich auf den Straßen Ihrer Heimath treulich bis hierher geleitet hat, wird sich nunmehr wieder als ein freier Mann seiner Heimath freuen wollen! Lassen Sie ihn deshalb ruhig seines Weges ziehen! Nur ein Einziges wollte er sich, wenn Sie es zu gewähren vermögen, erbitten! Ein Paß, der ihm m die kriegerisch streng bewachten Thore der preußischen Hauptstadt Einlaß schafft, ist das Ziel seiner Wunsche! —" Carl August wandte sich leutselig zu dem jungen Husaren, der ehrerbietig bei Seite stand. „Was für ein Landsmann seid Ihr? Nennet Stand und Namen, damit ich Euren Wunsch erfüllen kann!" „Herr!" antwortete der tapfere Jünger des Mars. „Herr, wo ich geboren ward, das weiß ich nimmer! Vater, Mutter sah ich nimmer! Auf dem Hexentanzplatz gleich beim Brocken war's, wo mich der alte Friedrichs fand. Er pürschte justement auf Rothwild, einen prächtigen Vierzehncnder hatte er gerade erlegt! Piff, paff, puff! Da kreischt und quiekt es, daß das alte Waidmannsherz beinahe schon an Hexcnspuk denken wollte. .Doch fort mit den: Gruseln, schickt sich nicht für einen Waid mann!' denkt der Alte. Und, wie er so herumspionirt nach des Höllenlärms Ursach, da findet er endlich mich, ein splitter nacktes, zappelndes Bürschlein! Nahm mich zu Anfang für einen Krebs ganz absonderlicher Art! Dacht', ich sei vom letzten Hexenfasching übrig geblieben, dacht' dann, ich sei ein leibhaftiger Hexrich selber! Als Carl Wilhelm Friedrichs würd' ich ins Kirchenbuch geschrieben, und die gute Mutter Friedrichs pflegt' und hegt' mich wie ihr eigen Fleisch und Blut, bis die Zeit kam, da ich in die Lehre mußte. Lernte bei einem wackeren Meister flugs das Uhrenhandwerk, trieb's anch, und 's Geschäft ging trefflich! Aber als die Werbe trommel durchs Laud wirbelte, da litt mich's nun und nimmer daheim. Alle Wetter! Anstatt Minuten und Sekunden sah ich halt auf jedem Zifferblatte reine nichts wie Soldaten! Die Zeiger waren justement die Feldherren und die Stunden zahlen — potz blitz, die nahm ich sammt und sonders für Bataillone! Das närrische Tiktak klingt mir in den Ohren wie 's Knattern der Gewehre, und fing nun vollends eine Uhr zu schlagen an, da brummt' und dröhnt' mir's im Kopfe accurat wie Kanoncngruß! — Also ging ich unter die Sol daten und seither hab' ich manchem windigen Schurken mit honetten Streichen aufgewartct. Hei, das war oft gar lustig! Und weil auch unser Herr Oberst meine gute Klinge kennt und auch weiß, daß mir's am nöthigen Pli nicht fehlt, wenn Noth an Mann kommt, kommandirt er mich zum Führer Seiner Königlichen Hoheit und ..." " „Ich sehe schon," unterbrach hier Carl August lächelnd den Redefluß des braven Friedrichs. „Ich sehe schon, daß Ihr wacker Eure Pflicht gethan habt, junger Mann! Sollt auch Euern Lohn haben. Doch das mache ich mir aus, der Friedrichs, der muß von heute ab verschwunden und verschollen sein für seine lieben Nächsten, daß man nimmer seine Spur entdecken könne. Dürft mir's glauben, junger Mann, so ist's zu Euerm Besten! Und gilt's Euch gleich, auf welchen Namen ich Euch den Paß schaffe, so nenne ich Euch Naundorf.*) Dies ist der Name eines Wackern, der längst das Zeitliche gesegnet hat und Euch daher um Euern Taufschein nimmermehr zur Rede stellen wird. — Seid Ihr dessen zufrieden, so fragt von heute ab in drei Tagen beim Löwenwirth in Wittenberg nach. Der schenkt das beste Bier im Städtchen, und dorthin sende ich Euch den Paß nebst einem Zehrgeld für die Reise." Der junge Krieger hatte gegen den Vorschlag des Fürsten nichts einzuwenden. Paß und Zehrgeld waren zwei schöne Aussichten, und freudig dankte er seinem Gönner für beides im voraus. Dann nahm Prinz Louis herzlichen Abschied von seinen, treuen Gefährten, und bald darauf brauste die stattliche Karosse mit Herzog Carl August und seinem jungen Schutzbefohlenen in der Richtung gegen Weimar von dannen. Die muthigen Rosse griffen aus, daß die Funken stoben. Carl Wilhelm Naundorf aber zog vergnügt seines Weges, lustig eine muntere Weise trällernd, wie sie ihm das Herz just eingab: Krüner Wald, Wirst du alt, Kommt der Bauer mit der Axt, Schlägt dich ein, Kurz und klein, Bis der letzte Zweig geknaxt! Bonapart', Deine Art Wird auf Erden nimmer alt! -Willst zuviel Ohne Ziel, Balde ruft dar Schicksal „halt!" Hast genug, Hätt'st Dich klug Lieber mit der Hälft' begnügt! Spitz' das Ohr, Sieh Dich vor, Daß man Dich nicht unterkriegt! Scheinst zwar stark, Doch das Mark Deines Thron's ist längst schon krank, Und er kracht lieber Nacht, Sieh Dich vor, Du treibst's nicht lang! Habcn's satt, Sind nicht matt, Blaue Wunder wirst Du schau'n! WoU'n Dein Reich Morgen gleich Und Dich mit in Stücke hau'n! — * * * *) S. „Geheime Geschichten' v. Bülau, Band II. Carl Wilhelm Naundorf trat später bekanntlich als falscher Ludwig XVII. auf. Seine Kinder nahmen den Namen de Bourbon an und strengten 18bk und 1874 einen vergeblichen Prozeß gegen den Grafen Chambord vor den Gerichten von Paris an.