Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 25.09.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192009253
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19200925
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19200925
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-09
- Tag 1920-09-25
-
Monat
1920-09
-
Jahr
1920
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 25.09.1920
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Sowjets an oen Emir von AfghanMan nach, den Lür bewahrer für das englische Indien. Die Sowjet-Regierung veröffentlicht folgenden Funkspruch aus Kabul: Telegramm Sr. Majestät des Emirs von Afghanistan an den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare, Genoffen Lenin: .Mit dem ersten Funkspruch der Funkenstation, die mir von Ihnen als Geschenk übersandt worden ist und welche für mich von großem Wert ist, bringe ich Ihnen Genosse Lenin, meine Anerkennung zum Ausdruck. Ama ull Chan." Die Sicherung öer Kartoffelernte« Preissenkung beabsichtigt. Neuerdings wurde aus Thüringen gemeldet, daß von der deutschen Kartoffelernte bedeutende Mengen über Elsaß- Lothringen in das Ausland, namentlich nach Frankreich gingen. Die schweizerischen Bundesbahnen bemühten sich darum, die Kartoffeln über die Schweiz zu leiten, um da durch selbst für die Schweiz billige Kartoffeln zu erhalten. Eine amtliche Erklärung. Demgegenüber heißt es in einer amtlichen Veröffent lichung der zuständigen Stelle in Berlin: Aus Verbraucher kreisen wird die Befürchtung laut, daß infolge Freigabe der Kartoffelwirtschaft Kartoffeln von den Händlern in größeren Mengen und zu übermäßigen, für den Konsum nicht erträg lichen Preisen aufgekauft und über die Hafenplätze und be sonders über das besetzte Gebiet in das Ausland verschoben werden. Diese Annahme findet in den tatsächlichen Verhält nissen keine Stütze. Die Ausfuhr von Kartoffeln ist verboten und unter harte Strafe gestellt. Eine Ausnahme ist zugunsten der Bevölkerung des Saarreviers gemacht worden: dabei wurde jedoch Vorsorge getroffen, daß nur die zur Ernährung Ler Bevölkerung notwendigen Mengen geliefert werden, und daß diese Mengen wirklich der deutschen Bevölkerung des Saarreviers zugute kommen. Gegen Breunereiaufkäuse. Weiter verbreitet sich die amtliche Stelle über die Gerüchte, nach denen Schnapsbrennereien die Kartoffeln aufkaufen und sagt: Auch der von den Konsumenten beklagte Ankauf von Kartoffeln durch Brennereien ist nicht statthaft, da die Verarbeitung von Kartoffeln m gewerblichen. Brennereien von oer LMMmmung oer ReichSkartofieMelle avyangig gemacht ist, die ihre Zustimmung bisher nicht erteilt und sie lediglich für den Fall in Aussicht gestellt hat, daß Kartoffeln verarbeitet werden, die als Abfälle von den Kommunalverbänden abgestoßen werden müssen. Ferner ist in weiten Bevölkerungskreisen die Besorgnis ent standen, daß Kartoffeln zu einem für die breite Masse erträg lichen Preise nicht mehr auf den Markt kommen, da die Erzeuger an Händler Kartoffeln nicht unter dem Preise liefern wollen, der für die gemäß Verordnung vom 21. Mai 192g vertraglich sichergestellten Kartoffeln vereinbar ist. Die hier aus sich ergebenden Schwierigkeiten sollen in einer zu Beginn der nächsten Woche zwischen Produzenten- und Gewerkschafts- Verbänden stattfindenden Besprechung behoben werden. Es soll hierbei angestrebt werden, nach dem Vorbild der für einzelne Bezirke bereits getroffenen Vereinbarungen auf dem Wege der Verständigung zwischen Produzenten und Konsu menten eine Preissenkung durch Einwirkung auf die unteren Organisationen durchzuführen. Erzeugerhöchstpreis Ltt Mark? Der Oberpräsident in Magdeburg hat nach ein gehenden Verhandlungen mit Vertretern der Behörden, der Kommunaloerbände und der Beamten- und Arbeiterschaft an die Reichsregierung den Antrag gestellt, den Erzeugerhöchst preis für Kartoffeln auf 20 Mark festzusetzen, sowie strenge und hohe Bestrafung für Übertretung des Höchstpreises ge- fordert. politische NunAschQu. Deutsches Reich. -I- Internationale Verteilung von Lebensmittel», Steinkohlen und Rohstoffen. Der Internationale Ge- werkschaftskongreß, der in London tagen wird, um über die Beschleunigung der Wiederherstellung Europas zu beraten, soll sich mit der Frage der Erleichterung der internationalen Verteilung von Lebensmitteln, Steinkohlen und Rohstoffen, der Stabilisierung der Währungen und der Sozialisierung der Industrien befassen. 4- Die russischen Internierten. Der Abtransport der etwa 50 000 über die ostpreußische Grenze getretenen und in Ostpreußen internierten Russen nach dem Innern des Reiches ist bis auf kleine, zu Aufräumungsarbeiten zurück- vehaltene oder infolge Erkrankung nicht transportfähige Reste vollendet. Der Oberpräsident dankt allen bei der Lösung der gewaltigen schwierigen Aufgabe beteiligten Behörden, Dienst stellen und Privatpersonen für das Geleistete. 4- Französischer Konsul in Stuttgart. Dem Ver nehmen nach beabsichtigt die französische Regierung zur Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Beziehungen einen Generalkonsul in Stuttgart zu bestellen. Mit der Frage eines diplomatischen Vertreters hat die Errichtung eines Konsulats, das vielmehr lediglich der Pflege der wirtschaft lichen Beziehungen zu dienen hat, nichts zu tun. 4- Die Spaltung ver Unabhängigen Sozialdemo kratischen Partei Hai sich bereits tatsächlich vollzogen, wenn auch noch kein offizieller Beschluß gefaßt worden ist. Der Vorsitzende der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei, Abg. Crispien, veröffentlicht einen Aufruf, in dem er sich in den schärfsten Worten gegen einen anderen Aufruf wendet, der von den »linken U. S. V. D."-Fübrern Adolf Hoffmann. Däumig, Koenen und Stoecker in dem KommuMstenorgan Rote Fahne verbreitet worden ist, die Führung der U. S. P. D. auf das heftigste angriff und den Anschluß an Moskau forderte. Crispien erklärt zum Schluß, die Ü. S. P. D. müsse erhalten bleiben, sie müsse aber auch „die pseudo radikale Vutschtaktik der Kommunisten bekämvfen". Neueste Meldungen. Auflösung der MbwickelmigSstellen. Berlin. Wie verlautet, hat die Entente an die Reichs» regierung das formelle Ersuchen gerichtet, sirr die sofortige Auflösung sämtlicher noch vorhandener Abwicklungsstellen bis zum 30. d. Mts. Sorge zu tragen. Über dieses Begehren wird Nrreit zwischen der deutschen Regierung und der interalliierten Kommission noch verhandelt. Der Steuerabzug. . Berlin. Vom Reichsfinanzministerium wird mitgeteilt: In der Bekanntmachung vom 1. d. Mts. betreffend Erleichte rungen bei Ausführungen des Steuerabzuges vom Arbeits lohn war die Gültigkeit des 8 1b der vorläufigen Bestim mungen zur Ausführung des „Gesetzes zur ergänzenden Regelung des Steuerabzuges vom Arbeitslohn" betreffend Freilassung von Durchschnittsbeträgen bei dem Steuerabzug ms Ende September verlängert worden. Hierdurch war dem Arbeitgeber in weitestem Umfange die Möglichkeit gegeben, sich auf die Durchführung der Vorschriften des Ergänzungs gesetzes einzurichten, Es muß daher davon abgesehen werden, dem 30. September die Freilassung von Duvch- schnutsüctragen zuzulaffen. Bei den nach dem 30. September stattfindenden Lohnzahlungen ist daher in allen Fällen nach der Vorschrift des s 1 der vorläufigen Bestimmungen zu ver fahren. Spaltung in den elsässischen Gewerkschaften. ..»X Mülhausen. Der Kongreß der Gewerkschaften von Elsaß ) und Lothringen nahm in seiner Schlußsitzung mit 58 000 z stimmen die vom Bureau vorgeschlagene Resolutton an, die k auf dem Boden der Amsterdamer Internationale steht. Eine i große Minderheit, nämlich 52 000 Stimmen trat für den oedmgungslmen Anjwluß an die Moskauer Internationale ein. Auswanderrmg elsässischer Bergarbeiter. Straßburg i. E. Die Massenauswanderung von Berg- I arbeitern aus Elsaß-Lothringen nimmt ständig größeren Umiang an. Wie im Diedenhofener Minettrevier, so zeigt ^oroacher Grubenrevier die Abwanderung keinen ^Eand. Allem am 15. September haben in Merlenbach etwa 2000 Bergleute gekündigt. Schweizerische Hilfsaktion für Österreich. Im Ständerat im Genf wurde der Betrag von 28 Millionen Frank für die Hilssaktton für Österreich und die i^chechofiowaiel und Rumänien genehmigt. Für 11 Millionen ^aren wurden bereits nach Österreich geliefert. Eine Million ist bestimmt für die Heimschaffung der noch in Rußland be- imdlichen Kriegsgefangenen. Letzte Drahtberichte des .Wilsdruffer Tageblattes". Eivführüng kirrer «AgsMsi»Ln Arbeitspflicht? Berlin, 24. September, (tu.) Wie das Berliner Tageblatt erfährt, beschäftigt sich das Reichswirtschastss Ministerium gegenwärtig im Zusammenhang mit der Frage der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auch mit dem Ges danken der Einführung einer allgemeinen Arbeitspflicht. Man hält eine solche Arbeitsdienstpflicht nicht nur aus erzieherischen Gründen für notwendig, sondern man glaubt auch, daß man auf diesem Wege eher den großen Anforde rungen der Urproduktion gerecht werden kann. Z« einem Gesetzentwurf ist die Sache noch nicht gediehe«. Das Kabinett hat sich jedenfalls noch nicht mit dieser Frage beschäftigt. Milleraud französischer Präsident. Paris, 24. September, (tu.) Donnerstag nachmittag wurde Millerand »om Kongreß mit 895 von insgesamt 892 Stimmen zum Präsidenten der Republik gewählt. Wie es den Anschein hat, hat Briand die meisten Aussichten, Nachfolger Millerands zu werden. Die Kammer wird am Sonnabend zusammentreten. Die Unruhe« i« Italien. Lugano, 24. September, (tu.) In Turin kam es gestern bei der Beerdigung zweier Hafenarbeiter zu schweren Zusammenstößen zwischen Arbeiter nnd Polizei, in deren Verlauf mehrere Personen getötet und viele verletzt wurden. In Rom find nach einem Bericht des Corriere della Sera gestern wiederum von wohnungslosen Arbeitern Häuser besetzt worden. Aus Stadt und Land. Mitteibmgen für diese Rubrik nehmen wir immer dankbar entgegen« Wilsdruff, am 24. September 1920. — Keine Kriegsdenkmünze für Kriegsteilnehmer. Das Rsichswehrministerium erteil, bezüglich der Stiftung einer Kriegsdenkmünze für KriegÄeilnehmer den Bescheid, daß die Frage der Verleihung eker allgemeinen Kriegs- denkmünze wiederholt eingehend geprüft worden ist, mit dem Ergebnis, das aus zwingenden wirtschaftliche und anderen Gründen von der Stiftung einer Kriegsdenkmünze zurzeit abgesehen werden muß. — Theaterabend. Um die Weiterführung seiner drei Kurse auch für das Winterhalbjahr sicherzuftellen, ver anstaltete der hiesige Stenographenversin „Gabelsberger" gestern abend im „Löwen" einen gvtbesuchten Theaterabend, der dem Veranstalter dm gewünshien klingenden Erfolg, den Besuchern Stunden heiteren Genusses brachte. Nach Musikdarbietung und Begrüßungsiiorten des Vsreinsvor- sitzenden, des Herrn Lehrer Schneider, ging Carl Laufs „Ein toller Einfall" über die Bretter. Diese ununter brochene Kette von Ueberraschungen und tollen Zufällig keiten unterhält angenehm, man amüsiert sich, man lacht und vergißt den Alltag mit seiner Sorgen. Bleibt es immerhin ein Wagnis, mehr als 20 Dilettanten aus die Bühne zu stellen, so kann doch ohne Einschränkung gesagt werden, daß es hier gelungen ist- Tie Träger der Haupt rollen waren zumeist erprobte Spieler, die Neulinge auf den Brettern fügten sich ausnahmslos geschickt in dm Rahmen ein. Eine Prachtgestalt war dir Adalbert Bender des Herrn Heinze, dem Fräulein Lux als Gattin eben bürtig zur Seite stand. Im Veren mit Herrn Jakob, der den Studenten Lüders vorzüglich Viedergab, können sich beide den Haupterfolg des Abends -^schreiben. Doch auch die anderen Rolleninhaber verdienen Anerkennung: Herr Hentzschel als Musikdirektor Krönlejp, Frau Jakob als Eva, Fräulein Hennig als Gattin Steinkopfs, Herr Günther als Julius Knöpfler. Einen patenten Diener stellte Herr Weise auf die Beine, nur hätten wir bei ihm mehr noch als geschehen die Unterdrückung jener Jung herrenmanieren gewünscht. Dem eifersüchtigen Gatten des Herrn Busch fehlte die notwendige Natürlichkeit, die Auf regung H>ar zu gekünstelt. Trotzdem tleibt seine Leistung eine gute, wie jene von Fräulein Hantzsch, deren Operetten sängerin etwas von dem denselben eigenen selbstsicheren Auf treten vermissen ließ. In kleinen Rollen betätigten sich zufriedenstellend Frl. Krause und Frl. Thomas und die Herren Kretzschmer, Nake, Abendroth und Jäsch. Das Zu sammenspiel war ein harmonisches, die Bühnenausstattung an sprechend. Reicher Bestall lohnte nach jedem Aktschluß die aufgewendete Mühe. Dem Theater folgte Ball. ° kin prllWngstraum. Eine Erzählung aus dem Leben von Fr. Lehne. (Nachdruck verboten.) Er brachte ihn noch selbst in den Postkasten, damit die Geliebte einen Morgengruß habe, und dann erst ging er fröhlichen Herzens schlafen. — Kaum konnte er den nächsten Abend erwarten; er war wieder vor der bestimmten Zeit am Platz. Diesmal kam Mary gleich nach ihm; er breitete die Arme aus, und sie flog ihm um den Hals. „Da bin ich, Geliebter," lächelte sie, zu ihm aufschauend, „ich habe mich aber beeilt, Dich nicht warten zu lassen. Dank auch für Deinen Brief." Er strich über ihr heißes Gesichtchen. / „Wie Du glühst, mein Mädchen!" „Ja, es ist auch so schwül," klagte sie, „es nimmt mir fast den Atem — wenn nur kein Gewitter kommt!" „Fürchtest Du Dich etwa?" „Ja, unbeschreiblich — ich habe dann eine Unruhe in mir, die mich fast umbringt — schilt mich kindisch, mein Wolf — ich kann aber nichts dafür!" „Kleiner Hasenfuß, ich bin ja bei Dir," lächelte er. „Ja, Du bist bei mir!" Es klang eine unendliche Zu versicht aus ihren Worten, und in eben solchem Vertrauen schaute sie zu ihm empor, daß er gerührt ihre Augen küßte. „Fürchte nichts mein Mädchen!" Wieder wie gestern saßen sie auf der Bank; sie lag in seinem Arm, und unverwandt schaute er in ihr holdes Gesicht, an dem er sich nicht satt sehen konnte. Spielend zog er die Nadeln aus ihrem Haar, daß das dicke goldige Gelock über ihre Schultern fiel und sie wie ein Heiligenschein umwob. „Wie wunderschön ist Dein Haar, wie entzückend die Farbe — Du trägst Deinen Namen mit Recht, Du bist mein einziges süßes Märchen!" „Und mir ist es ein Märchen, ein Traum, daß Du mich hältst, mein Einziger!" flüsterte sie, „Du, den alle an beten, Du gehörst mir! — Höre, wie die Nachtigall singt! Ach, wie ist es doch so schön, Wolf!" „Ja mein Mädchen, welches Glück, daß wir uns endlich haben, Du mein —" und immer wieder küßte er sie. So saßen sie und kosten miteinander. Der ernste Mann war wie verwandelt; seine Züge waren durchstrahlt von Glück, wenn er das holde Geschöpf im Arme hielt. — Ihr aber war es noch immer unfaßbar, den Mann zu besitzen, den alle Frauen anbsteten, ihn liebeflehend zu ihren Füßen zu sehen — sein ein und alles zu sein! Und wie innig er sie liebte, das fühlte sie aus allem heraus. Wie hinreißend konnte er bitten und flehen, wie unterstützte der Blick seiner Augen die Worte des Mundes! Sie war so überselig in dem Bewußtsein seiner Liebe, und in ihrer holden, mädchen haften Weise sagte sie ihm das leise verschämt ins Ohr — — „Nun will ich Dir aus meinem Leben erzählen, Wolk," begann sie nach einer Weile, „viel ist es nicht, aber doch genug des Traurigen für ein schwaches Menschenkind wie ich bin. Ich habe eins schöne Kindheit gehabt und eine sorgfältige Erziehung genossen, bis mir, als ich sechzehn Jahre alt war, nacheinander Vater und Mutter starben — ganz plötzlich. Mein Vater war deutscher Arzt in Riga, und meine Mutter stammt aus einer russischen Fürstenfamilie. Nun stand ich allein da — wohin? Die Verwandten von Mama wollten nichts von mir wissen; sie hatten sich gänz lich von ihr losgesagt, west sie einen Bürgerlichen und noch dazu einen Deutschen geheiratet hatte! Vermögen war nicht da; die Eltern hatten ein großes Haus geführt — Mama war so verwöhnt und sollte doch nichts vermissen, und der Vater war in diesem Punkte so schwach und nachgiebig — seine schöne Frau wurde von ihm mit allem Luxus um geben, mehr als sein Einkommen gestattete! Und er — ach, ec wurde von allen, die ihn kannten, geliebt und verehrt, er war so gut und hochgebildet! Ich war sein Herzblatt — wenn er wüßte, wie ich in der Welt herumgestoßen werde, daß ich Ladnerin sein muß, um auf anftändigeWeisemeinBrot zuverdienen " vorErregung konnte sie nicht wsitersprechen. „Aber, mein Mädchen, schweige doch darüber, wenn Dich die Erinnerung so aufcegt — und wüßte ich nichts von Dir, so genügte mir das Bewußtsein, daß Du mich lieb hast, ja? Du kannst ja nichts dafür, Du bist süß und gut," tröstete er sie, „siehst Du, nun werde ich mir alles reiflich überlegen, werde über meine zukünftige Beschäftigung nachdenken, daß wir uns bald heiraten können; nach dem Mannöver werde ich meinen Abschied einreichen, und schon Weihnachten bist Du dann meine kleine Frau — vor allem gibst Du Deine Stellung hier auf; ein passendes Unter kommen für meine Braut finde ich." „Vor fünfzehnten Juli kann ich das nicht, Wolf; ich bin Frau Gundel etwas verpflichtet und möchte sie jetzt, wo viel zu tun ist, nicht im Stiche lassen. Und so können wir uns doch noch öfter sehen, ja? Wir haben uns ja kaum gefunden! Ich weiß doch, wie gern Du Soldat bist! Ach Wolf, jetzt will ich Dich genießen — ich bis ja so glücklich, so sehr, daß ich das Erwachen aus diesem Traum fürchte! Es ist ja zu schön, als es von Dauer sein kann! — ich soll kein Glück haben," setzte sie traurig hinzu. „Aber Kind, woher die trüben Gedanken auf einmal? Komm, sei gut, und laß mich Deinen Mund küssen, damit er nicht wieder so Trauriges sagt." Weltoergessend, ihrer Umgebung nicht achtend, saßen sie da. Es war so unheimlich still um sie her geworden; eine drückende Schwüle lag in der Luft, und kein Blättchen regte sich. Am Horizont stand eine dicke schwarze Wolken wand, die immer näher kam. Da führte ein plötzlicher heftiger Windstoß Marys Hut, der neben ihr lag, hoch in die Luft — erschreckt fuhren beide auf. „Wolf, ein Gewitter," kam es ängstlich von ihren Lippen. „Beruhige Dich, Mary, es wird nicht so schlimm sein," tröstete er, „ich will schnell Deinen Hut fangen." „Nein, laß nur, bleibe hier," bat sie zitternd, sich wie ein scheues Vögelchen an ihn schmiegend „o, nur nichts sehen, nichts hören!" Er knöpfte seinen Waffsnrock auf und nahm das angstbsbende Mcit>chen an seine Brust, den Rock um sie schlagend und sie vor der Gewalt des Sturmes zu schützen suchend, der unheimlich brausend daher kam. Die Bäume beugten sich unter seiner Macht; hochauf wirbelte er Blüten und adgeknickte Blumen und Zweige durch die Luft. Ein Blitz, der auf eine Sekunde die Gegend taghell erleuchtete, durchschnitt das Gewölk — gleich darauf folgte ein krachender Donner, und nun ging es los — Blitz auf Blitz, Donner auf Donner! Große Regentropfen begannen zu fallen — ratlos sah sich Wolf um — « Baum bor nicht genügenden Schug — im Gegenteil —skaber wohin? Er war für sich nicht ängstlich, aber das Mädchen in seinem Arm! Da fiel ihm ein, daß ganz in der Nähe das Haus des Friedhofswärters war; dorthin wollte er. Kurz ent schlossen zog er den Rock aus, hüllte trotz ihres Widerstrebens Mary fest darin ein und eilte, sie auf dem Arme tragend, des strömenden Regens nicht achtend, nach dem Hause. Die Tür gewährte einigen Schutz; behutsam ließ er das Mädchen zur Erde gleiten und klopfte dann an das Fenster, das mir Läden verschlossen war, durch die ein Lichtschein schimmerte.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)