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34 thümcr, welche Oesterreich am 26. Dec. 1851 von Däne mark gefordert und am 28. Januar 1852 erlangt halte, glaubten beide deutsche Großmächte gerade dadurch am besten sicher zu stellen, daß sic dem londoner Protokolle vom 8. Mai 1852, die dänische Erbfolge betreffend, bci- traten, indem alle Signatare dieses Vertrages nicht bloö die Bürgschaft für die Rechte der dänischen Krone, sondern ebenso für die Erfüllung der Pflichten übernehmen sollten, unter denen die Anerkennung des geänderten Erbrechts er» folgt war. Diese Erwartung ist auch nicht gänzlich ge täuscht worden, und die milunierzeichnctcu Machte haben fortwährend, namentlich aber in jüngster Zeit, ihre Ver wendung in Kopenhagen zu dem bezeichneten Zweck ein- trclen lassen. Ehe die Erfolglosigkeit dieser vereinigten Bemühungen nicht lhalsächlich constann war, hielten Oe sterreich und Preußen sich um so mehr an daö Londoner Protokoll gebunden, als dasselbe auch die Zustimmung von fünf andern deutschen Höfen erlangt hatte., Sind letztere davon im entscheidenden Augenblicke zuruckgeiretcn, so glaub ten die deutschen Großmächte diesem Beispiele doch nicht leichthin folgen zu dürfen, ohne den europäischen Frieden zu gefährden und fremden Staaten die Veranlassung zu bieten, sich mit Berufung auf diesen Vorgang von "allen Verträgen loSznsagen, auö denen der deutsche Bund und seine einzelnen Glieder Rechte ableucn. Eine besondere Mahnung zur Vorsicht wurde in der französischen Thron rede vom 5. Nvv. v. I. gefunden, welche alle Vertrage von 1815 als erloschen erklärt halte. Man würde in Paris eine Rechtfertigung besagter Erklärung darin erblickt haben, wenn der Londoner Vertrag vom 8. Mai 1852 ohne Zuziehung der Mitcontrahcnteu deutscherseits ver- läugnct worden wäre, lieber diese Aufsagung der Dinge war man in Wien und Berlin einverstanden, insbesondere aber die preußische Negierung zur unbedingten Durchfüh- führung derselben entschlossen. Im ganzen Laufe der Jahre, seit der diplomatische Schriftwechsel mit Dänemark wieder aufgenommen worden war, sind alle Schrille in dieser Richtung von Preußen auSgegangen, und dieser Initia tive Hal Oesterreich sich unausgesetzt angeschlvssen. Man hat aber in Wien einsehen müssen, baß es nicht wohlge- than war, sich auf die herbe Sprache dcö Herrn v. Biö- marck gegen die deutschen Bundesgenossen anzucignen. In Berlin ist man seit lange mit den Miilelstaaten zerfallen, und mit Vergnügen wurde dort die Gelegenheit ergriffen, ihnen in Gemeinschaft mit Oesterreich bittere Dinge sage» zu können; allein in Wien hatten die Negierungen, welche Oesterreich so lange treu zur Seite gestanden, eine größere Berücksichtigung änzusprechcn. Der Umstand, baß daS Londoner Protokoll von der Bundesversammlung niemals angenommen worden ist, bot den beiden deutschen Großmächten baö günstige Auskunftö- mitlel, sich am Bunde majorisircn zu lassen, auch zeigte sich der Kaiser anfänglich geneigt, davon Gebrauch zu machen. Von diesem Standpunkt, der über die Klippe der europäischen Engagements hinwcghclfcn konnte, hätte man sich nicht entfernen sollen. ES mußte ferner darauf Gewicht gelegt werden, daß die VolkSstimmc in den Hcrzogthümern, die sich jetzt so laut und allgemein vernehmen läßt, ganz überhört worden war. Hatte England erst kurz vorher der griechischen Na tionalität zu Gefallen daö Londoner Protokoll von 1852 preis gegeben; hatte Graf Russell den Kaiser von Ruß land der Rechte auf Polen wegen Vertragsbruch verlustig erklärt, so war cö die größte Jnconsegucnz, die Rechte der deutschen Nationalität in den Hcrzogthümern zu miß achten und den Bruch der Jahre 185l/52er Verträge von Seiten Dänemarks zu übersehen. Wenn Frankreich daö Londoner Protokoll von 1852 für ohnmächtig erklärt, so fern eö nicht die Zustimmung des deutschen Bundes und der Vertretung der Hc^ogthümer erlangt, können doch wohl die beiden deutschen Großmächte nicht daran denken, rö ihren Bundesgenossen gegenüber aufrecht halten und Einrichtungen in den Hcrzogthümern treffen zu wollen, welche weder diese Länder, noch den Bund, noch Däne mark ober die fremden Mächte zufrieden stellen, womit man sich also nirgend Dank verdienen würde. Endlich ist man in Wien auch über daö Gewicht der öffentlichen Meinung in Deutschland im Unklaren gewesen und hat sich durch den Lärm der herrschenden Partei in Preußen täuschen lassen, daß eö revolutionäre Elemente seien, welche die Nation und die Negierungen terrorisiren. Man wird doch die Mitglieder der ersten Kammern in Deutschland, man wird doch alle die vielen konservativ gesinnten Männer in Staat und Kirche, die alle ihre Stimme für daö Recht Schlcöwig-Holstcinö erheben, nicht der Begünstigung revolutionärer Zwecke beschuldigen? Eö handelt sich hier um eine nationale Angelegenheit von so tief eingreifender Bedeutung, daß alle Partciunterschiede davor verschwinden, und daö österreichische Ministerium macht ja im eigenen Lande die Erfahrung, daß cü sich durch die angenommene Hallungen der Bundeöpolitik seine treuesten Anhänger entfremdet. Eö kann sich doch unmöglich in ähnliche Wirren stürzen, welche eine reak tionäre Verwaltung in Preußen erzeugt hat, und bestän dig verschlimmert. Der Krieg sollte vermieden werden, und er ist unö gerade in der abschreckendsten Gestalt alö Furie deö Bür gerkrieges nahe gerückt worben. Mögen immerhin die militärischen Kräfte Oesterreichs und Preußens denjenigen der deutschen Staaten, welche die. Majorität am Bunde bilden, weit überlegen sein, so steht doch so viel fest, daß Frankreich, auch wenn seine Hilfe nicht verlangt würde,, lein gleichgültiger Zuschauer bei einem solchen Kampfe bleiben möchte. Eö fürchtet eine Coalition, und die Ge legenheit, eine solche im Voraus zu brechen, ließe sich Napoleon wahrlich nicht entgehen. Allen solchen Erwägungen konnte man sich in Wien wohl nicht länger verschließen, und eö sind bereits Schritte geihan worden, um auf den bundesgemäßen Weg zurück- zuirctcn. ES ist auf Betrieb Oesterreichs geschehen, daß ver Durchmarsch des österreichisch-preußischen HcereS durch Holstein in der Bundeesitzung am 19. d. nachgcsucht wurde. Die Verwaltung dieses Landes bleibt ungestört in den Händen der Buubcöcommissarc, und dein Aufenthalt dcö Herzogs Friedrich VIII. in Kiel wird kein Hindcrniß ent gegengesetzt. Ein Rundschreiben im Moll-Ton, daü die früher» Prcssionsnotcn in Vergessenheit bringen soll, er klärt den Bundesregierungen, daß den beiden Großmächten nichts ferner liege, alö in die Ncchiösphäre dcö Bundes einzugreifcn, und daß nur eine gründliche Erörterung der rechtlichen Seite in Betreff der Erbfolge erwartet werde. Die Besetzung Schleswigs solle kein Präjudiz für den Bund werben. — In anderer Weise ist zu verstehen ge geben worden, daß ein bewaffneter Widerstand der Dänen die Verträge aufhebcn, und eS dann möglich sein würde, weitere Entschlüsse, Schleswig betreffend, in Uebcreinstim- mung mit dem Bunde zu fassen. Ucbereinkünfte mit Däne mark sollen nur unter Zustimmung des Bundes geschlossen werden. Kurz, das unnatürliche Vcrhällniß, das mit einer Spaltung Deutschlands drohte, geht um so sicherer einer günstigen Lösung entgegen, als auch die Miticlstaatcn die Hand zur Verständigung bieten. Nachdem man in England viel unnützes Gepolter ge trieben hat, kommt man jetzt zu der sehr natürlichen Ein sicht, daß ein starkes Skandinavien ein weit besserer Hüter dcö Sunds sein würde, alö ein gewaltsam verbundenes und doch nur leise zusammenhängendes Dänemark. Gehen die Hcrzogthümer an Deutschland über, so möge sich Däne mark, ähnlich wie Norwegen, an Schweden anschließcn. Für die Verwirklichung dieser Idee ist auch die panskandi-