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Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend : 20.12.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782024719-191712204
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782024719-19171220
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782024719-19171220
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend
-
Jahr
1917
-
Monat
1917-12
- Tag 1917-12-20
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Monat
1917-12
-
Jahr
1917
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Was de* englische Premierminister fürchtet. Ein Schweizer Blatt, die „Baseler Nationalzeitung", beschäftigt sich mit der letzten Rede Lloyd Georges und Fagt^ der Minister wähle auS dem Verbrechertum die ab scheulichsten Vergleiche für Deutschland. Diese tendenziöse Ärt tue ihr Möglichstes, um alle brennenden Wunden der Menschheit noch mehr zu vergiften. England, das die Buren überfiel und aus Ägypten entgegen seinen Ver sicherungen nicht herauSging, habe als Staat wahrscheinlich kaum Anspruch, so strenge sein zu dürfen. Und dann charakterisiert der Artikel die Erklärungen Lloyd Georges weiter: „Lloyd George fürchtet ja nicht deutsche Annexionen, er fürchtet vielmehr das Bekannt werden der eigenen annexionistischen Absichten. Deshalb will er keinen Frieden, deshalb sieht er nicht, was jeder sieht, und beschäftigt sich mit deutschen Schwierigkeiten, wo doch die Schwierigkeiten der Entente offen daliegen und täglich wachsen und verhängnisvoller werden. Ist Lloyd George noch der Wortführer Englands?" Lloyd George, der unsichere Prophet. Folgende Erklärungen des Premierministers Lloyd George werden in der englischen Presse wiedergegeben, „um zu veranschaulichen, daß die Politiker nichts vom Kriege verstehen und völlig unfähig sind, die stets wechselnde politische Kriegslage zu erfassen". 1. Ende Juni 1917 sprach Lloyd George in Glasgow über die russische Revolution und versicherte uns folgendes: „Die Revolution hat den Sieg noch vollständiger gemacht als je. Sie hat die Qualität des Sieges, den wir erringen werden, noch verbessert." 2. Im Herbst 1916 sagte Lloyd George: „Die Deutschen bei ihrem siegreichen Vormarsch wissen nicht, was sie tun. Mögen sie sich hüten, denn sie entfesseln Rußland. Mit ihrer gewaltigen Artillerie zersprengen sie die rostigen Fesseln und sprengen die Kette, die um die Stärke des russischen Volkes gelegt war. Die Deutschen selbst schmieden das Schwert, daS sie vernichten wird, und befreien das große russische Volk. daS diese» Schwert mit kräftigem Schlage gegen sie führen wird." Nach den letzten Ereignissen erscheinen Lloyd George» Prophezeiungen über die Entwicklung der russischen Revo lution allerdings reichlich unsicher. Das Los der englischen Verwundete«. Das Londoner Blatt „Daily Mail' bringt folgende bezeichnende Mitteilung: „Die Polizei ist beauftragt worden, verwundete Soldaten, welche betteln gehen, indem sie auf der Straße Musik machen oder Bilder zeichnen, festzustellen. Ob die Soldaten wohl zum reinen Vergnügen betteln gehen und sich einstecken lassen? Es scheint nicht vorteil haft zu sein, für die englische Fahne die Gesundheit zu MarNe zu tragen. . Anangenehme Dinge verschweigt man. In den französischen Zeitungen vom 10., 11. und 12. Dezember fehlen abermals die deutschen und österreichischen Heeresberichte. „Es sind die Tage, an denen der italienische Brückenkopf des Sile erstürmt wurde, der Waffenstillstand mit Rumänien erfolgte und die Franzosen an einem einzigen Lage elf Flugzeuge und einen Fesselballon ver- loren. Clemenceau hat zwar gestattet, in Zukunft auch die feindlichen Heeresberichte zu bringen, was man bisher ge- flissentlich vermied. Aber auch jetzt arbeiten die Zeitungen mit vorsichtiger Auswahl, jede Niederlage wird ver schwiegen. So werben sie also nur sehr selten von der Erlaubnis LlemenceeuS Gebrauch machen können., ' " - politische Rundschau. Deutsches Mich. * Reichskanzler Graf Hertling hat die Führer der Fraktionen des Reichstages zu einer Besprechung für Donnerstag, den 20. Dezember, 3 Uhr nachmittags ein geladen. Es wird vom Ergebnis dieser Besprechung ab- hängen, ob und wann der Haushaltsausschuß des Reichs tages demnächst zusammentreten wird. — In parlamenta rischen Kreisen wird angenommen, daß der HauptauSschuß spätestens am Freitag eine Sitzung abhalten dürfte. Neben der Frage der FriedenSoerhandlungen würde er sich ge gebenenfalls auch mit dem deutsch-englischen Friedensfühler vom September dieses JahreS zu beschäftigen haben. * Tine Milderung de- Urlaub-Verbots über Weih nachten ist durch eine Verfügung des preußischen KtiegS- ministers herbeigeführt worden. Diese Verfügung ge stattet, verheiratete Angehörige deS^BesatzungSheereS.für O äv mein Veutsckianä! Roman aus großer Zeit von Elsbeth Borchart. Warum wollte ihn der Vater nicht belgischen Olfizier werden lassen? Seine Mutter und sein Onkel hatten ihm diese Laurbahn so ost als etwas außerordentlich Ver lockendes und Erhabenes hingestellt und in den herrlichsten Farben ausgemalt, daß der Wunsch, sie zu betreten, für ihn zum festen Willen geworden war. Und nun er endlich Lem Ziel näher gerückt war, legte der.Vater nicht allein ein Veto ein, er ließ auch Zweifel auskommen, ob man ihn überhaupt aufnehmen würde. „Vergiß nicht, daß du ein Deutscher bist", hatte er ihm dabei zugerufen. Ja, floß denn nicht auch belgisches Blut in seinen Adern von der Mutter her? Kannte er denn eine aridere Heimat als seine belgische? Gewiß, er liebte seinen Vater und verehrte ihn; aber oft verstand er ihn nicht in seinen An schauungen und Grundsätzen, die denen widersprachen, die er gewohnt war, im Hause seiner Mutter und auch in der Schule zu hören. Schwerfällig, fremd schienen sie ihm. Aus dem Sinn sollte er sich schlagen, waS sich dariu schon so fest eingewurzelt hatte, nur um einer Idee willen. ES wäre so einfach, wenn der Vater seine Zustimmung gäbe. Warum stellte er ihn vor einen unnötigen Kamps? „Bum — bum — trara", scholl es plötzlich mitten in Heinz' Gedanken hinein. Er horchte auf. Da zog die Straße heraus ein Trupp Soldaten. Er blieb stehen und ließ das Militär an sich vorüber marschieren. Groß und weit wurde sein Blick. Wie schmuck die Männer aussahen in ihren Uniformen mit den Schnüren «nd wie sie marschierten, zwar ein wenig lässig und weit «ttf-rn* von deutscher. St aber die kannte Hein» fa nicht, und er freute sich an dem bunten Bilde. Don Kindheit an hatte er das Militär geliebt, und wenn eS Lurch die Straßen zur Parade vor den König gezogen war, da war er als Knabe oft mitgelaufen bis vor Las Königliche Schloß. Jetzt begegnete er fast täglich solchen Trupps. Es schien fast, als ob die Brüsseler Garnison eine Verstärkung erhalten hätte; so viele Soldaten glaubte " er früher hier niemals gesehen zu baden. die Weihnachtszeit in begrenzte» Matze zu veurlauoen, wenn der UrlaubSort nicht über 800 Kilometer von der Garnison entfernt liegt. In erster Linie werden solche Personen berücksichtigt, die in den letzten Jahren das Weihnachtsfest nicht bei ihren Angehörigen verleben konnten. Um eine plötzliche Belastung der Bahn . zu vermeiden, erfolgt die Beurlaubung in zwei Raten. Der erste Teil der Urlauber tritt je zur Hälfte am 19. und 20. Dezember seine Reise an und kehrt am 27. und 28. Dezember je zur Hälfte zurück. Für den zweiten Teil sind bestimmte Tage zur Rückkehr nicht oorgeschrieben, er hat seine Reise am 29. und 30. Dezember je zur Hälfte zu beginnen. Im Königreich Sachsen ist nunmehr ein Zu sammenschluß der vier großen Staatsbeamtenverbände, nämlich der Arbeitsgemeinschaft sächsischer Eisenbahn- Vereinigungen, des Sächsischen Staatsbeamteubundes, des Kartells sächsischer mittlerer Staatsbeamten und des Ver bandes sächsischer mittlerer Staatstechniker, zustande ge- kommen, dessen Zweck die gemeinsame Behandlung aller Angelegenheiten ist, die Mitgliedern mehrerer der beteiligten Verbände gemeinsam find. Rußland. X Nach emer Meldung der Petersburger Telegraphen- Agentur kommt der allgemeine Eisenbahndienst in Gang. Die Verwaltung der Eisenbahnen und Verkehrswege meldet, daß in den letzten Tagen hinreichende Zufuhren von Lebens mitteln und Brennstoffen für Petersburg, Moskau und alle volkreichen Orte der Gegenden Nordrußlands sowie für die Süd- und Nordftont eingetroffen sind. Für die Ver sorgung Petersburgs sind täglich 40 Waggons Getreide nötig. In den letzten Tagen find 38 Waggons eingetrosten. Frankreich. x Der Kampf für und wider Caillaux gestaltet sich immer lebhafter. Eine Wendung ist insofern eingetreten, alS auch der ehenialige Ministerpräsident Briand sich ent schlossen hat der Politik, die den Krieg bis zum Äußersten zu führen beabsichtigt, entgegenzutreten und für die Ver ständigungspolitik Caillaux' einzutreten. An dieser Mit teilung ist zunächst bemerkenswert, daß man hiernach in parlamentarischen Kreisen den Fall Caillaux mehr alS einen politischen denn als einen juristischen ansiebt. Mit der Anklage gegen Caillaux wird man es wohl auch in Verbindung bringen müssen, daß der radikal-soziale Abgeordnete Paul Meunier an den Justizminister ein Schreiben gerichtet hat, worin er fordert, daß endlich die Gerichtsbarkeit auch gegen den Mörder von JauröS, Villain, besten Aburteilung bekanntlich auS politischen Gründen mehr als drei Jahre lang hinausgeschoben wurde, ihre Schuldigkeit tue. Großbritannien. x Lord Robert Cecil läßt durch Reuter verbreiten, daß das, waS Deutschlands Antwort auf Balfours Er klärung im Parlament über den deutschen Friedensschritt vom September sein solle, vollständig unzutreffend sei. Wie Präsident Wilson, so habe auch England fortwährend versucht, Aufklärung über Deutschlands KriegSziele zu erhalten, und immer wieder versucht, diese Aufklärung durch Ministerreden zu erlangen, aber bisher ohne Erfolg. Absolut unzutreffend sei jedoch, wenn man zu verstehen gebe, daß irgendeine Anfrage privater Art an den Feind mit Wissen der britischen Regierung gerichtet worden wäre. —Diese Mitteilung kann Lie deutsche amtliche Erklärung nicht entkräften, ganz abgesehen davon, daß sie nur von öffent lichen Ministerreden spricht. China. x Die Lage in Chardin ist auf einer Zusammenkunft aller Ententegesandten in Peking eingehend besprochen worden. ES wurde beschlosten, daß diese Aufgabe den chinesischen Behörden übertragen werden soll. Zwei Bataillone chinesischer regulärer Truppen wurden von Kirin dorthin geschickt. Reuter erfährt weiter aus japanischen Kreisen, daß den letzten Nachrichten zufolge die Bevölkerung von Chardin, von der die Mehrzahl auS Juden besteh^ vollkommen unter Lolschewikischer Herrschaft stehe und daß grobe Unordnung dort herrsche. Die Läden der be deutendsten japanischen und anderer Geschäfte seien von Räubern angegriffen worden. Aus Zn. und Ausland. Berlin, 18. Dez. Reichskanzler Graf Hertling und Staatssekretär Dr.v.Küblmann haben sich tn» Grobe Haupt quartier begeben. Berlin, 18. Der. Zu der Konferenz der Parteiführer Da schlug ihn plötzlich jemand hart auf die Schulter. Er wandte sich erschrocken um und sah drei feiner Mit schüler vor sich stehen, die lachten: „Was stehst du und starrst, Henry?" „Möchtest du etwa mitziehen?" Heinz nickte. „Gern täte ich cs schon." Die drei stießen sich an und lachten: -Du bist doch ein Deutscher." Eine jähe Röte lief über sein Gesicht. Sie zogen ihn in der letzten Zeit tn der Schule immer damit auf, daß er ein Deutscher war. Was wollten sie von ihm, und was ging es sie an? Der Zorn stieg in ihm hoch, aber er meisterte ihn. „Ich bin Belgier" sagte er ruhig und gelüsten. Wirklich? Dein Vater ist doch Deutscher", sagte ein anderer spottend. Heinz zuckte die Achseln: »Was macht das? Im Oktober trete ich in die Armee ein." „Wenn sie dich nur nehmen!" Hänselle der Dritte lachend. Das Blut kochte tn Heinz' Adern. Am liebsten hätte er auf die frechen Spötter losgeschlagen. Er be gnügte sich indes mü einem gleichmütigen und zugleich triumphierenden: „Ihr werdet ja sehen. Auf Wiedersehen l" Damit schritt er Wetter und ließ die anderen stehen. Er hörte hinter sich ihr spöttisches Gelächter; aber er wandte sich nicht zurück. In seiner augenblicklichen Gemütsverfassung hatte ihn die böswillige Neckerei seiner Schulkameraden mehr gereizt, als es sonst der Fall gewesen wäre. Sie sollten ihn doch in Ruhe lasten. Wenn er nur erst aus der Schule heraus war, dann wollte er ihnen schon den Beweis liefern. Wozu hatte er einen einflußreichen Onkel? Das hagere Gesicht des Onkels, mit dem schwarzen Spitz bart und den kleinen, etwas stechenden, schwarzen Augen tauchte vor ihm auf. Der würde ihm helfen. Der ver stand es so meisterhaft, seinen Willen durchzusetzen und alles nach seinem Wunsche zu drehen über des Vaters Widerstand hinaus. Des Vaters Widerstand. — Heinz' stolze Zuversicht erhielt hier einen Stoß, und etwas begann sich in seiner Brust zu regen, was ihm unbeouem und am Donnerstag beim Äc-chötauzler hat auch rueuvor^s- aogeordveter Haase, der Führer der 8«chhä»oior« Sozialisten, eine Einladung erhalten. Stockholm, 18. Dez. Zum Leiter der FrtedenSvvo Handlungen auf russischer Seite ist Worow»kli ernannt worden. Stockholm, 18. Der- Wie verlautet, beabsichtigt Finn land seine Neutralität zu erklären. Amsterdam, 18. Dez. „Algemeen Handelsblad' erfährt auS London, daß Tschitscherin, den die Bolschewiki-Reg«- rung zum russischen Gesandten in England ernannt Kat, irei- gelassen worden sei. Die englische Regierung Kat sich ge- wergert, ihn nach Petersburg zurückzusenden. Rotterdam, 18. Dez. Im englischen Unterbause besinnt morgen die grobe Krie< Szteldebatte im Zusammenhänge w'i dem Briefe Lord La.-^üowneS und den letzten Minister- reden. Bern, 18. Dez. In allen Blättern Amerikas macht sich eine immer schärfere Kritik an den Kriessmaßnahmen geltend. Der Kongreß hat eine Kommission eingesetzt, die alle Anordnungen der Regierung genau nachprüft. Pari», 18. Dez. Der hiesige rumänische Gesandte erklärt die Gerüchte von einer Abdankung König Ferdinands all unzutreffend. Petersburg, 18. Dez. Die Petersburger Telegraphen- Agentur erklärt die Gerüchte über eine Flucht des ehe maligen Zaren für unrichtig. Genf, 18. Dez. Wie daS „Petit Journal" berichtet, wird sich der König von Montenegro zu längerem Aufenthalt nach der Schweiz begeben, um seine Gesundheit wiederherzu- stellen. Lugano, 18. Dez. Der „Ofservatore Romano" schreibt zum Fall Caillaux, der Vatikan protesttere überhaupt energisch dagegen, durch eine unanständige Preffesehde in di« dunklen Variier Affären oerwi' " m werden. Oie Versorgungsnöie -er Städte. Berlin, 18. Dezember. Je gröber die Schwierigkeiten der Versorgung der zahlreichen Berliner Gemeinden mit gewissen Nahrungs mitteln geworden sind, um so häufiger haben sich hier und da Stimmen erhoben, die nicht nur dringend Abhilfe ver langten, sondern die auch Mittel und Wege zur Abhilfe zu weisen bemüht waren. Am stärksten auf diesem Gebiet neuzeitlicher Kritik hat wohl die Denkschrift des Reu köllner Magistrats gewirkt, die an da» KriegSernährungS- amt gerichtet war und sich mit Mängeln und Miß ständen der Versorgung beschäftigt. Die Denkschrift sollte vertraulich fein, ist aber durch einen Zufall dennoch ver öffentlicht worden. Sie weist in erster Linie darauf hin, daß auch viele Groß-Berliner Gemeinden die Höchstpreise nicht mehr beachten. Ls wird ferner behauptet, daß be sonders große „Schiebungen" mit „Saatgut" oorgenommen werden, und endlich wird der Vorwurf erhoben, daß rhei nische Industriestädte sich so reichlich mit Kartoffeln ein decken, daß sie ihre Einwohner über die Ration versorgen können. Dafür werden Kartoffellieferanten Kohlen über lassen. Zum Schluß weist die Denkschrift auf den Schleich handel mit Butter, Käse, Fleisch und Futtermittel« hin. Die Denkschrift macht da» Kriegsernährungkamt für diese Zu stände verantwortlich und verlangt u. a. die Beschlag nahme sämtlicher LebenSmittel. Weit über die Kreise Neuköllns und der Groß-Berliner Gemeinden hat diese Denkschrift Beachtung gesimben. Selbstverständlich hat auch die Presse zu ihr Stellung ge nommen und je nach dem Standpunkt der Parteien nennt man ihre Angaben übertrieben und einseitig oder zutreffend und durchaus wahr. Wie Immer wird die Wahrheit in der Mitte liegen. Es ist doch nun einmal nicht abzn- leugnrn: die Kriegswirtschaft hat ebensowenig wie daS freie Übereinkommen Mittel und Wege finden können, einen Ausgleich zwischen Stadt und Land zu schaffen, das den Interessen, Hoffnungen und Wünschen aller Be teiligten gerecht werden könnte. Nur wenn sich Fälle ereignen, wie der, daß auf den Schöne berger Rieselgütern die Arbeiter außer der Ration Kartoffeln, Roggen und (täglich 1 Liter) Milch erhalten, so kann wohl der Gedanke aufkommen, daß mtt der Verteilung etwas nickt tn Ordnung ist. Letzten Endes schmerzt ja der Mangel nicht so sehr als das Bewußtsein, daß Nachbarn und Freunde, die Geld im Beutel habe«, ihm nicht unterworfen sind, oder aber haß eS vermindert werden könnte, wenn das ganze deutsche Vaterland einig wie an der Front, so auch einig in den Fragen der Ver sorgung wäre, Und wenn der Streit um die Neuköllner Denkschrift dazu mitgeholfen hat, so wird er Früchte tragen, die Lem ganzen deutschen Volk« zugute kommen. lästig war. War es das mahnende Gewissen, das Hm zurief: „Hast du fo schnell deines Vaters Mahnwort ver gessen? Hast du nicht dein Deutschtum soeben vor dir und den anderen verleugnet?" Da war es wieder, dieses aufregende, peinigende und niederdrückende Gefühl deS Zwiespalts in seiner Seele, aus dem er sich nicht heraus- fand und das doch die Stürme seines jungen BluteS entfesselte. Plan- und ziellos rannte er weiter, die Straßen hin unter, gleichviel wohin, nur nickt nack Hause, ehe nickt sein aufgeregtes Blut besänftigt mck er wieder einiger maßen im Gleichgewicht war. Ohne seine Absicht war er tn eine Gegend geraten, die zu den berüchtigtsten von Alt-Brüssel gehörte, wo das niedere Volk, die Wallonen, tn kleinen winkligen Gäßchen und schmutzigen Häusern lebte. Erst als ein Betrunkener ibn anrempelte, merkte er, wo er sich befand, und nun machte er schnell, daß er wieder herauskam. Aus einer Kneipe drang wüster Lärm, ein Johlen und Gröhlen. und dem geöffneten Fenster ent strömte ein übler Schnapsgeruch. Vor der Tür hockte ei« schmutziges Weib mit strähnigem Haar und kiesenden Augen, die ihm, als er gerade oorübergtng, einen böse« Blick nachsandte. Da wurde die Tür aufgerissen, und einige angetrunken« Männer stürzten aus der Kneipe heraus, hinter einem Hunde her, auf den sie unbarmherzig mit Stöcken eia- schlugen. . Angewidert und empört trat Hemz den Manner« mit erhobenem Arm entgegen: „Halt! — laßt den Hund tn Frieden." Einen Augenblick standen sie verdutzt, was der Hund zu seiner Flucht benutzte. Dann aber brach die ganz« unbezähmte Wut in ihnen hervor: „Was will daS Bürsch chen ? Uns etwa Lehren geben? Hä? — Heiliges — Donnerwetter — warte du —" Schon hatten ihn einige Männer gepackt, und zweifellos wäre Heinz ihrer gewalttätigen Roheit zum Opfer gefallen, als er sich plötzlich zurückgerissen fühlte und eine donnernd« Stimme vernahm: .WaS aebt hier vor — was foll der Lärm?" (Fortsetzung folgt.)
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