Volltext Seite (XML)
verborgenen Winkel ihres Herzens die Hoffnung, daß der Haag uns zu einem Bethlehem werden würde. Ltider aber ist kein Stern über uns aufgegangen. DaS Wunder ist nicht geschehen!" Ein anderer Mitarbeiter veröffentlicht »Die zehn Gebote für alte Knockaluder", womit die Bewohner vor; Knockaloe gemeint sind. Das erste dieser Gebote lautet: »Wenn es aussieht, als ob der Krieg in den nächsten drei Monaten zu Ende gehen wolle oder der Friede winke, dann erwarte mindestens noch zwei Jahre, damit du in folge der zahllosen Enttäuschungen nicht Neurasthenie oder Herzneurose bekommst." Wenig ermutigend ist auch folgendes Stimmungsbild: »Wenn die Langeweile dich einmal besonders heftig plagt, nehmen wir an, es wäre an einem Donnerstag, dann versuche zurückzudenken, wie du den Donnerstag zuvor die Zeit totgeschlagen Haft. Du kannst drei bis vier Stunden angestrengt nachdenken. Aber alles, waS du mit Sicherheit feststellen können dürftest, ist daß du an jenem Tage aufgestanden bist, daß du etwas gegessen und daß du dich dann wieder auf den Strohsack gelegt hast. Ich will annehmen, daß du dich auch ge waschen hast. Aber bei dem ewigen Einerlei unserer Tag« dürftest du dich sicher an anderes nicht erinnern können Der Zweck der Übung ist aber jedenfalls erreicht: du hast mehrere Stunden der schneckenhaft kriechenden Zeit tot- geschlagen." Als Zeitvertreib nehmen in den Spalten der Inter nurtenzeitung viel Raum ein Besprechungen von Theater- auffübrungen, musikalischen Veranstaltungen, Fubballwett- kämpfen, Schachproblemen und Schachturnieren. In einem Artikel findet man statistische Mitteilungen über das Theater: „Seit der Gründung der Theatergesellschaften die vor ungefähr zwei Jahren erfolgte, sind 5 Dramen, 12 Schauspiele, 4 Volksstücke, 42 Lustspiele, 20 Schwänke und b Possen aufgeführt worden. Eine außergewöhnliche Leistung, wenn man an die Mühen denkt, die insbesondere die Herbeischaffung des Materials mit sich bringt. Aus bescheidensten Anfängen — die Kulissen z. B. waren mit Leitungspapier beklebt — ist daS Lagertheater zu irnpo- nierender Höhe emporgestiegen. Nicht nur die Dekorationen, Lie alle im Lager selbst gemalt worden sind, sondern auch die Kostüme entsprechen gegenwärtig allen Anforderungen, die billigerweise gestellt werben können. Und dies verdient um so mehr Beachtung, als die Leiter und die Regisseure durchweg Dilettanten auf diesem Gebiete sind, die früher nicht daran gedacht haben, daß sie je in die Lage kommen würden, ihre Talente als Theatermänner an den Mann zu bringen." Der Artikel geht dann aber plötzlich in dir Klage über den Verfall der ernsten Schauspielkunst im Lager über. ES würden jetzt nur noch Lustspiele und seichte Schwänke und Poffen gespielt. .Die Bühne Hal aber schließlich nicht allein den Zweck, dem Publikum zum Grollen zu spielen. Ihr vornehmster Wert liegt vielmehr in t Aufgabe zu belehren und zu erziehen." Man zeig« uns A ein« englische Zeitung, in der die Kunst so erni -n wird! Ja, die deutschen Internierten be- schäften ' "ar ernstlich mit der Borberettung oo« z Shakespeare ungen. v^n 404". lDon c«nem fachmännischen Mitarbeiter.) Der Kommandant von „U 404" hatte einen äußerst schwierigen und gefahrvollen Auftrag erhalten. Er sollt« vom Nordende bis zum Südende Lurch den Englischen Kanal fahren, um die Truppen-, MunitionS- und ProoianttranSporte nach Frankreich und von dort nach England zu beobachten. Wenn irgend möglich, sollte er auch die Reede dieses oder jenes HafenS, vielleicht auch bei paffender Gelegenheit einen solchen selbst beobachten. Auf keinem sonstigen Seegebiete starrten je „U 404" so viele Gefahren entgegen, als im Kanal. — Losgeriffene Treibminen, ganze Minenfelder, Drahtnetze, Flugzeuge, Torpedoboote, Zerstörer, große und klein« Kreuzer, Hilfskreuzer, Minenleger, Minenräumer, Monitor«, Motorboote, Kanonenboote und bewaffnete Fischdamvfer, endlich auch noch die bewaffneten Trans porter selbst, boten hier konzentrisch gewaltige Gefahren für jeden Eindringling. So ernst hatten Offiziere und Mannschaften ihren Kommandanten noch nicht gesehen, wie jetzt, wo er soeben vom Flottillenchef zurückkam. — WaS mochte er bringen? Na, man würde eS auf hoher See ja erfahren. — Also Geduld. — Schon wenige Minuten später stand der Kapitänleutnant im Seezeug auf dem Turm und befahl: »Leinen los! Absetzen! Langsam voran!" — Knappe 10 Minuten später war die Schleuse passiert und dann ging es mit voller Kraft bei einbrechender Dunkelheit dem mehr als kritischen Ziele entgegen. — Draußen wurde der Besatzung mitgeteilt, um was es sich handelte. — Keiner ! war an Bord, der nicht sofort die ganze Schwere der Ge fahren, aber auch die Wichtigkeit des Auftrages erkannte. Von Folkestone her kamen drei an allen Ecken und Enden von Zerstörern, Torpedobooten, Kreuzern und Motor booten gesicherte, mit Truppen besetzte große Dampfer. Ahnungslos nahmen sie Kurs auf „U 404". — Sie anzu greifen. wäre Wahnsinn gewesen. Es sollte beobachtet und nicht versenkt werden. Warum die Meute an sich locken? Sie batten Kurs auf Dünkirchen. — Daher: „Tauchen 15 Meter!" Nach einer Viertelstunde hieß eS: „Auf 11 Meter!" Auf der Hohe von Hastings bummelten nicht weniger als 8 Wacktschiffe hin und her. Die Kerle mußten schlafen oder blind sein, daß sie das U-Boot trotz seiner Nähe nicht sahen. Und doch fuhr es aufgetaucht im Dunkel der Nacht, um der Mannschaft frische Luft zu gönnen und die elektrischen Batterien aussüllen zu können. — Das Tauch boot steuerte nun die französische Küste an. Der Komman dant wollte Reede und Umgebung von Boulogne beob achten. Jetzt galt es noch mehr als bisher aufzupassen; denn hier lagen Minenfelder. - Auch Drahtnetze sollten hier nach genauen Berichten von Kameraden liegen oder hängen. — Bald schimmerte auch.schon von weitem weißes Licht entgegen. Scheinwerfer. — Nach einiger Zeit war am Bug ein schurrendes Geräusch zu vernehmen. Gleich darauf stand „U 404" still . . . , „Donnerwetter, wir sitzen im Netz!" rief der Kapitän. „Volle Kraft rückwärts!" Es ging. DaS Boot war wieder frei. Gott sei Dank. — Richtig. Da war das Netz. Masche um Masche stieg vor den Turmfenstern deS schnell in gröbere Tiefe gehenden U-Bootes empor. Jetzt lag eS auf der besehlsmäßigen Tiefe. — „Langsam voran!" Alles ging gut. Hurra! Wieder freie Bahn. — Unten durch. „Auf 10V- Meter! Sehrohr heraus!" Nur gerade so viel als nötig stieg es empor Vor unS lag Boulogne. Im Hafen alles hell und viel Leben. Die dahinter liegende Stadt lag in tiefster Finsternis. Zwei volle Stunden wurden wertvolle Beobachtungen gemacht. Inzwischen brach die Morgendämmerung herein. Bald kamen fünf, allem Anscheine nach mit Munition beladene, tief im Wasser liegende, bewaffnete Dampfer, von England oder sonst- woher in Sicht. Auch sie waren wieder durch einen ganzen Troß von gröberen und kleineren Kriegsschiffen umgeben. „Herrgott im Himmel! Haben die Kerle eine Angst! Und noch dazu hier mitten im Kanal!" polterte der Oberleutnant. Unter tausend Fährlichkeiten war man endlich auf der Höhe von Le Havre angekommen. Auf der Reede lagen englische und französische Kriegsschiffe jeder Art. Auch eine Anzahl von Handelsschiffen war darunter. Allenthalben gröbte EicherheitSmaßregeln und — gröbte Angst. Bi» auf 2V- Seemeilen war „U 404" den am äußersten Ende liegenden Schiffen nahe. Nur zu gern hätte der Kom mandant ihnen «in paar Liebesgrüße gesandt. Es dürft« aber nicht sein. Nach einiger Zeit ging eS weiter. Es wurde» die verödet daliegenden Häfen von Trouville und Barfleur passiert. Dann kam Cherbourg. Auch hier war nichts von besonderem Verkehr zu merken. Mit außerordentlich wertvollem Beobachtung-material ging eS abermals unter großen Gefahren durch den Hexenkessel; diesmal aber dem sicheren Hafen zu. — Der Jlottillenchef war hoch befriedigt. DaS Resultat übertraf weit seine Erwartungen. O. Oie Auslieblslofigkeit äer Ver längerung cies Krieges für clie Weltmächte. Die Neutralen, die durch so mannigfache politisch« Interessen miteinander verbunden sind, nähern sich auch in ihrer Beurteilung der Kriegslage immer mehr einander an. 5ie sehen und erkennen heute am unparteiischsten, was bei den Mittelmächten seit langem Ueberzeugung ist und was ' man nur in England nicht sehen und erkennen will: daß die Fortsetzung des Krieges für die Westmächte nachgerade aus sichtslos geworden ist. Im Anschluß an die russische Friedensaktion führt dazu „Sozialdemokraten" (Kopen hagen) vom 5. Dezember aus: „Eine gewisse presse in Dänemark und im Auslande hat das Wort Sonderfrieden zu etwas Verabscheuungs würdigem gemacht. Natürlich wäre ein allgemeiner Frieden besser als ein Sonderfrieden. Kann dieser aber nicht der Weg zum allgemeinen Frieden werden? Mehrere Anzeichen deuten darauf hin, daß dieser entschlossene Schritt zu bal digen allgemeinen Friedensverhandlungen führen kann: Lord Lansdownes Friedensbrief, die Zustimmung des über wiegenden Teiles der liberalen englischen presse, Hendersons Friedensarbeit, die scharfe Opposition der französischen So zialdemokratie gegen Tlemenceau und jetzt Amerikas eigen tümliche Haltung den Bolschewiki gegenüber. Der Krieg wurde zum Weltkrieg, indem ein Glied an das andere ge fügt wurde; umgekehrt ist es jetzt Pflicht, so viel Glieder als möglich aus dieser Kriegskette herauszunehmen. Fehlt erst das Hauptglied, so geht die ganze Kette entzwei. Der wesentlichste Grund für die schreckliche Verlängerung des Weltkrieges liegt in dem Glauben des Verbandes, die Mittel mächte besiegen, den Frieden diktieren zu können und so den Krieg zu einem guten Geschäft zu machen, unter anderem durch Vernichtung der deutschen Industrie." Deutschland, führt dann das Blatt weiter aus, habe eine Welt gegen sich gehabt, und sei nicht niederzuzwingen ge wesen. Das Ausscheiden Rußlands müßte die Kriegs politiker des Verbandes zu der Einsicht bringen, daß sie den Krieg nickt gewinnen können, selbst wenn sie ihn bis zum bittersten Ende fortsetzen. Immer seltener höre man die Phrasen vom Kampf der „vereinigten Demokratien" gegen die „Autokratie", vom Krieg für „die Freiheit der kleinen Nationen". Wo sie noch ertönten, klängen sie immer hohler An dem Tage, wo niemand mehr an sie glaubt, habe der Frieden einen Riesenschritt vorwärts getan. politische Rundschau. Deutsches Reich. 4- Über die wirtschaftlichen Aufgaben des Bier bandes beim Friedensschluss äußerte Staatssekretär Dr. Helfferich tu einer Unterredung mit einem Vertreter des „Neuen Wiener Tagblatt": Unsere und unserer Ver bündeten Stellung muß wiederhergestellt und gegen neuen Überfall stchergestrllt werden. Es muß in gemeinschaft licher Arbeit versucht werden, sobald wie möglich die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der ganzen Welt wieder- herzustellen. 'Der Übermacht, die uns im Kriege nicht brechen konnte, fühlen wir uns auch im Frieden gewachsen. Dr. Helfferich schloß mit Zuversicht auf unsre wirtschaft liche Zukunft. Osterreich-Llnganr. x Die Beratungen zur Bildung einer einheitliche» Regierungspartei in Ungarn stehen unmittelbar vor dem Abschluß. Während Graf Julius Andrassy die Beratungen führt, liegt die Ausarbeitung des Parteiprogramms in den Händen des Ministerpräsidenten Wekerle. Der demnächst stattfindende Minislerrat wird wahrscheinlich schon in der Lage sein, sich mit dem Programmentwurf des Minister präsidenten zu beschäftigen. Selbstverständlich wird die Bildung der neuen Partei auch die Frage der Kabinetts umbildung spruchreif machen. Ministervräsident Wekerle beabsichtigt, auf einer neuen Grundlage ein sogenannte» grobes Kabinett zu bilden. Frankreich. < ES wirb immer klarer, daß der Feldzug Clemenceau» gegen Caillaux dazu führen wird, Caillaux wieder an dir Oberfläche der französischen Politik zu bringen. Der Voll zugsausschuß der radikalsozialistischen Partei hielt -um erstenmal seit dem Parteitag eine Sitzung ab, die sich fast ausschließlich mit der Caillaux-Affäre befaßte und zu einer klaren Vertmuenskundgebung für Caillaux wurde. Der Parteioorsitzende, Senator Debierre, griff bei der Er öffnungsansprache nicht nur Tlemenceau und dessen System, sondern auch den Präsidenten Poincarö aufS schärfste au. Die Anklagen gegen Caillaux seien in der Kammersitzung in nichts zerstoben. Angesichts dieses Zusammenbruche» der Clemenceauschen Politik sei es Pflicht der radikalen sozialistischen Partei, wieder die Regierung zu über nehmen. Au« In- und Ausland. Bern, 27. Dez. Der BundeSrat ernannte zum Ge- sandten in Berlin in interimistischer Mission den Obersten Mercier, Ständerat von GlaruS, der sein Amt kur» nach Neujahr antritt. Bern, 27. Dez. Der russische Frachtdampfer „Shilka" ist mit einer Bolschewikibesatzung in einem Hafen des Stille« Ozeans eingetroffen. Die Regierung hat beschlossen, die Be satzung einstweilen zu internieren, um eine genaue Unter suchung über da» Statut der Schiffes vorzunehmen. Genf, 27. Dez. Der australische Ministerpräsident Hughes wird infolge der Ablehnung des WehrpfltchtgesetzeS zurück treten. O äv mein Veutlcklanä! Roman aus großer Zeit von Elsbeth Borchart. ZN oer augememen unruye ne: rym em, vag er ia hier noch einen alten deutschen Freund, den ehemaligen Kunsthändler Grunert, hatte: den wollte er aufsuchen und von ihm hören, was er von Ler Sache hielt. Grunert, der sich längst von seinem Geschäft zurück gezogen hatte, lebte bei seinerTochter und seinem Schwieger sohn, der Belgier war. Obgleich er wie Werner im Herzen Leutsch geblieben war, sehnte er sich doch nicht nach seiner alten Vaterstadt zurück. „Ich bleibe hier und sterbe hier. Die Heimat ist da, wo man seine Lieben hat, und ich habe meine Tochter, mein einziges Kind, hier, von dem ich mich nicht trennen will", pflegte er zu sagen, und Werner gab ihm recht. Aber zuweilen sprachen sie doch gern zusammen von ihrem gemeinsamen deutschen Vater- lande und ihrer Vaterstadt Berlin, und sie tauschten aller hand liebe Erinnerungen aus. Zu diesem Manne lenkte Werner heute seine Schritte. ÄlS er auS seinem Gasthaus, daS am Platz vor dem Nordbahnhof lag, heraustrat, zog gerade ein belgisches Regiment in den Bahnhof ein. Werner blieb unwillkürlich stehen und sah den Soldaten nach. Wohin fuhren sie, und was hatte daS -u bedeuten? Dann schlenderte er weiter durch die Straßen. Männer begegneten ihm, die sich scheu in dm Straßen umsahen, sich an ihm oorbeidrückten und dann in Häusern mit dunklen Eingängen und tiefm Kellern verschwauden. Was ging dort vor, was wurde dort geschmiedet und beraten? Aus einem der Fenster einer kleinen Kaschemm« scholl ihm ein wüster Lärm entgegen, und Worte wie: -Nieder mit den Deutschen — Es lebe Frankreich!" hobm sich aufdringlich daraus hervor. Die Straße entlang kamen Fuhrwerke mit belgischen und französischen Fahnen geschmückt. Es wurde Werner unheimlich zumute, und er machte, -aß er aus diesem Stadtviertel herauskam. Doch die feinerm Strotzen trugen dasselbe Gepräge. Und kam da nicht zum Überfluß auch noch sein Schwager, der Ministerialrat Raoul Chambrier, ihm entgegen? Das fehlte gerade noch! Ein Ausweichen war jedoch nicht mehr möglich, und er wollte auch nicht zeigen, daß er ihm aus dem Wege ginge. So griff er an seinen Hut, was der ehemalige Schwager erwiderte; aber eS schien Werner, als wenn dabei ein böses, höhnisches Lächeln seinen Mund umschwebt hätte. Alle diese Eindrücke waren nicht dazu angetan, Werner» Dnmmung zu Heven, uno er atmete stchtltch am, aw a endlich in dem behaglichen Limmer seines Landsmannes Grunert stand. „Nun, Herr Seeburg, waS bringen Sie mir?" fragt« der alte freundliche Herr, nachdem er Werner herzlich b«srüßt hatte. Werner setzte sich zu ihm und berichtete sei« Srlebntffe. Grunert neigte den Kopf hin und her. .Hm — hm — so also stehtS l" sagte er dann langsam. -Nun, hoffen wir, -aß diese Stimmung vorübergeht. Wir kennen ja daS belgische Volk mit seinem leicht entflammten Blut und Sinnen, Herr Seeburg. Trotzdem bleibt di« Lage kritisch, und, wie mir mein Schwiegersohn erzählte, sind die Gemüter geladen. Man erwartet irgend etwas, — man bereitet sich auf etwas vor, das nichts Gutes ist. Wenn nur Deutschland nicht mobilmachen wollte! Mir altem Manne wird man ja nichts anhaben; ich lebe hier geborgen bei meinem Schwiegersohn, der mich als Belgier wohl wird schützen können. Die meisten wissen es kaum noch, daß ich Deutscher bin. Aber Sie, Herr Seeburg, — Sie stehen im öffentlichen Leben, Ihr Name ist bekannt — fliehen Sie, ehe es zu spät ist. Hören Sie auf den Rat eines alten erfahrenen Mannes, der das Volk kennt, unter dem er den größten Teil seines Lebens verbrachte." Werner sah einen Augenblick ganz verdutzt in deS Alten Gesicht. „So glauben Sie doch an den Ernst der Lage?" fragte er. .Jal" .DaS wäre allerdings eine böse Sache, lieber Freund, und dennoch kann ick nickt verstehen, warum Sie mir zur Flucht raten. Was sollte mir hier passieren, wo man mich kennt und achtet und — Belgien ist ein neutrales Land —" .Nicht dem Blute nach", warf Grunert ein. „Die Diehrzahl haßt die Deutschen und hält es mit den Franzosen." „Sie meinen also, mir droht von den Belgiern irgend eine Gefahr?" Grunert nickte. Da richtete sich Werner auf in seiner ganzen achtung gebietenden Größe. In seinen Augen blitzte eS, und seine Hände ballten sich. „Sehen Sie, mit diesen meinen Fäusten werde ich mein Leben und mein Eigentum schützen und oev- leidigen." „WaS bedeutet die Kraft eines einzelnen gegen eine Horde, Herr Seeburg?" fragte Grunert. .Wenig, und doch werde ich nicht fliehen vor d« Übermacht. Ich harre aus auf meinem Posten, wie et« Kapitän auf seinem untergehenden Schiffe — komme, waS da wolle!" Grunert zuckte die Achseln: „Tun Sie, wie Sie denken, Herr Seeburg, ab« — dürfte Ihnen Ihr Leben nicht mehr wert sein, als eS dem Pöbel zu opfern? Könntm Sie es nicht — besser verwerten?" Da sah Werner dem Alten in die Augen mit einem dunkel glühenden Blick: „Ich weiß, was Sie sagen wollen. Sie mahnen mich an meine Pflicht unserem deutschen Vaterland« gegenüber. Ich habe bereits alles erwogen. Sobald Deutschland mobilmacht, stelle ich mich ihm freiwillig zur Verfügung. Doch vorerst muß ich mein HauS hi« bestellen und sichern." Der Alte niktte vor sich hin, al» dächte « üb« etwas nach. (Fortsetzung folgt.)