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der Flecken und Abdachungen poetischeAnwandlunss erzeugen. Summirt man diese köstlichen, in verschwenderischer Fülle dargebotenen Genüsse mit den wunderbaren eigenthümlichen Lichtwirkungen und den klassischen Erinnerungen und romantischen Sagen, welche seine gesegnetenUferumschweben, so wird es leicht begreiflich, wie er als schönster See der Erde gepriesen und das ersehnte Ziel von Legionen von Wanderern werden konnte. Nach dem Passiren der Tells- platte erreichen wir Flüelen, um mit der Bahn nach Alt dorf (Denkmal Tells), Amsteg bis Göschenen zu fahren. Nach dem Besuch der wegen der Lawinen berüchtigten Schlucht der Schöllcnen gelangt man zur Teufelsbrücke. Wüthend und aufgelöst stürzt die Reuß im 100 Meter tiefen Fall hinab, ihr Felsenbett wild peitschend und machtlos daran zerstäubend. Und über diesen ungeheuerlichen, wild brodeln den Hexenkessel wölbt sich in kühnem Sprung der Bogen der Teufelsbrücke. Wir erreichen Andermatt, Hospenthal, das Hofpiz und endlich die Paßhöhe. Fröhlichen Herzens geht es aus dieser öden Gegend, aber mit überraschendem Panorama dem Süden zu. Airolo, das 1. italienische Städtchen, das Ende des 1492 Pieter langen Tunnels ist erreicht. Der Zug eilt durch eine herrliche Gegend, voll von üppigem Wachsthum, darunter der wohlthätige Nahr ungsspender, der Kastanienbaum, nach Bellinzona. Dieser Ort schließt sozusagen den Zugang zum St. Gotthard ab. Wir sind in dem prächtigen Thal des Tessin. Das nächste Bild zeigt uns das paradiesähnlich gelegene Lugano. Das Dampfroß führt uns nach der Endstation der Gotthard- bahn, nach Chiasso, der letzte schweizerische Ort. Im üppigen Thalgrunde breitet sich die Stadt Como aus. Von hier besuchen die meisten Touristen die Metropole der Lombardei Milano, das prächtige Mailand mit seinem marmornen Dome. Nachdem wir die Sehenswürdigkeiten der Stadt in Augenschein genommen, besuchen wir Genua, Venedig mit der berühmten Markuskirche und dem Dogenpalaste und Rom mit dem korum romLMin. 70 buntsarbige Bilder verdeutlichten die Herrlichkeiten der angedeuteten Gegenden und Städte. Wir müssen gestehen, daß diese Bilder von allen bisher gezeigten bezüglich der Ausführ ung, der Malerei usw. die schönsten sind. Herr Richter wird gerade mit diesem Vortrage außerordentliche Erfolge in anderen Orten erzielen. Die lautlose Aufmerksamkeit und der reiche Beifall waren wohl die deutlichsten Beweise, welchen Anklang der Vortrag gefunden hatte. Erwähnt sei noch, daß Herr Richter Alles ganz frei aus dem Ge dächtnis bot. Den in allen seinen Theilen glücklich ver laufenen Familienabend beschloß ein lebhafter Ball, an welchem sich Jung und Alt bctheiligte. — Am Mittwoch Nachmittag ^5 wurde die auf 4 Uhr einberufene Versammlung des landwirthschaft- lichen Vereins Wilsdruff durch den Vorsitzenden, Oekonomierath Rittergutsbesitzer Andrä-Braunsdorf, mit herzlichen Worten der Begrüßung nach so langen Mo naten seit der letzten Versammlung eröffnet. Hierauf wurde das Protokoll der Maiversammlung verlesen. Im Anschlusse daran betonte der Vorsitzende, daß die land- wirthschaftliche Haushaltungsschule zu Freiberg sich des lebhaftesten Interesses der Landwirthe erfreue und daß insbesondere der Besuch junger Mädchen, welche sich für die Landwirthschaft vorbereiteten, ein recht erfreulicher sei, da alle Stellen besetzt wären. Armen Landwirthen gewährt der Staat halbjährliche Unterstützungen von 100 Mk. zur Ausbildung ihrer Töchter an dieser Schule, es könne sogar eine jährliche Unterstützung von 200 Mk. ge zahlt werden. — Der Besuch der beiden landwirthschaft- lichen Schulen zu Freiberg und Meißen für Söhne von Landwirthen ist gleichfalls ein sehr erfreulicher, weil man doch mehr und mehr den Werth solcher Schulen für die praktische Landwirthschaft einsehe. Weiter giebt Herr Oekonomierath bekannt, daß die Eicrverkaufsgenosscnschaft Wilsdruff nun ihre Thätigkeit beginne. Die Anlieferung aber der zu veräußernden Produkte sei fo gering, daß sich noch mehr Lieferanten als Mitglieder der Vereinigung melden möchten. Er giebt sich der Hoffnung hin, daß von der Verkaufsstelle der Produkte ein großer Segen für die Landwirthschaft erwachse. Namentlich sei in besseren Familien Dresdens die Anlieferung von frischen Eiern sehr erwünscht. Dem Anträge des Gutsbesitzers Philipp- Blankenstein zur Prämiirung eines Knechts für treue Dienste ist seitens des Kreisvereins stattgegeben worden. Die Auszeichnung soll in einer der nächsten Sitzungen er folgen. Zu den Eingängen ist zu bemerken: In Folge der geringen Strobernten hat das Ministerium Fragebogen verausgabt, um über den Stand dieser Angelegenheit im Lande orientirt zu sein. Auch hat es die Staatsforstver waltungen angewiesen, so weit es möglich sei, der nach dieser Seite hin bedürftigen Landwirthschaft helfend unter die Arme zu greifen. Freilich würden die Tharandter- Waldungen infolge des hohen Wildbestandes nichts ab geben können. Dann sind Fragebogen über das Vor kommen der Zieselmaus in unserer Gegend von demselben Ministerium ausgegeben. Der beantwortete Fragebogen, das Thier kommt bei uns nicht vor, ist an das Kaiserliche Gesundheitsamt zu Berlin einzusenden. — Dann Warein gegangen ein Buch mit Abbildungen zur Verhütung von Unfällen seitens der land- und forstwirthschaftlichen Be- rufsgenoffenschait. Das Büchlein, welches als äußerst in struktiv bezeichnet wird, ist der Bibliothek einverleibt worden, gleichfalls eine Broschüre über Bereitung von Obst- und Beerenweinen von Müller. Von dem Umschreiben des Pro fessor Deichmüller-Dresden, Auffindung prähistorischer Funde betreffend, wird Kenntniß genommen. Mitgetheilt wird ferner, daß in Nr. 5 der Kreisvereinsmittheilungen über einen Vortrag des Rittergutspachters Lohse-Ober- reinsberg „Geflügelzucht betr.", referirt ist. Der Vorsitzende regt an, im nächsten Jahre eine Exkursion zur Besichtigung der Vorrichtungen für Geflügelzucht dorthin zu unternehmen. Auch regt Herr Andrä an, die Besitzung des Oberst Frei herrn von Wangenheim bei Weißenborn zu besichtigen, die eine ganz interessante Station für Anbau der l^ikysns sylvestris fei. Den Verkauf des landwirthschaftlichen Ka lenders, dessen Vertrieb Herr Geschäftsführer Beyrich hier übernommen hat, wird vom Professor Endler-Meißen re- digirt. Apotheker Tzschaschel empfiehlt frisch vergifteten Strychninweizen zur Mäusevertilgung. Beim Rückblick auf das verflossene Erntejahr kam der Vorsitzende zu den Mit- theilungen, daß wohl die Landwirthe, welche ihren ausge winterten Weizen umackerten, noch die besten Erfolge auf jenen Schlägen durch Neusaat erzielt hätten. Die Roggen ernte war in diesem Jahre sowohl im Stroh, als auch im Schutt recht gut. Sommergetreide brachte eine gute Mittel ernte, das Futter war gut. Kartoffeln waren ausgezeichnet. Es erscheint dem Herrn Oekonomierath, als ob der Anbau der Speisckartoffel mehr und mehr zurückgehe. Man scheine es mehr auf eine Massenkartoffel zur Bereitung von Stärkemehl und Brennspiritus abgesehen zu haben. — Eine Diskussion folgte diesen Ausführungen nicht. 10 Minuten vor 5 Uhr nahm der Vorsitzende das Wort zu seinem äußerst interessanten Thema: Industrie- oder Agrarstaat oder Die Bedeutung der Landwirthschaft im Wirthfchastslcben Deutschlands. (Fortsetzung folgt in nächster Nummer.) — Uhren auf Abzahlung. Wenige andere Waaren werden so zahlreich auf dem Wege der Abzahlung vertrieben, wie Taschenuhren, Regulatoren und andere Uhren. Aber auch bei keinen anderen Waaren ist der Abnehmer so wenig im Stande, die Güte der ihm durch den Händler gewöhnlich aufgedrungenen Gegenstände zu beurtheilen, wie gerade hier. Erst wenn er einige Raten bezahlt hat und sich noch immer nicht als uneingeschränkten Besitzer der Uhr fühlen darf, erwachen seine Zweifel; er erkundigt sich bei Sachverständigen, erfährt, daß er gründlich herein gefallen ist und verweigert nun dem Händler weitere Zahlungen, in der Hoffnung, das Recht auf seiner Seite zu haben. Darin irrt er sich jedoch in den meisten Fällen. Die Verträge, die er unbedachterweise unterschrieben hat, sind wie die deutsche Uhrmacherzeitung mittheilt, meistens so geschickt ab gefaßt, daß ihm selten ein Ausweg winkt und der Hereingefallene schließlich auch noch Gefahr läuft, Gerichiskosten zu zahlen. Viele kleine Leute erleiden so empfindliche Geldausgaben, und es ist eine dankenswerthe Aufgabe der Presfe, immer wieder darauf hinzuweisen, daß man Gegenstände, die der Laie nicht selbst ohne Weiteres auf ihren Werth prüfen kann, nur von bekannten reellen Geschäften beziehen sollte. — Die neueste Mode für diesen Winter will, daß die Herren seidene und gestickte Westen tragen, damit sie „dekorativ" wirken. Diese Modeneuerung soll in allge meiner Langeweile, in dem Ueberdruß an dunkelen Ge weben und in dem gebieterischen Wunsch, „heiter auszu sehen", ihren Ursprung haben. - Die Loose der 7. Sächsischen Pferdezucht- Lotterie (Ziehung am 10. Dezember d. I.) erfreuen sich diesmal wiederum einer kolossalen Nachfrage und ist der Hauptgrund wohl allein nur darin zu suchen, daß die hierfür angekauften ostpreußischen Pferde aus durchgängig starkknochigen Gebrauchspferden, die zur Zucht geeignet sind, bestehen. Im Laufe der vergangenen Woche sind dieselben durch den Kriegsminister, Excellenz Edler von der Planitz, als auch von der Remontirungs-Commisston be sichtigt worden, und haben allseitigen Beifall gefunden, sodaß seitens der Commission die Geneigtheit ausgesprochen wurde, etwaigen Gewinnern, welche keine Verwendung dafür haben, solche für die Remonte-Depots abzunehmen. Die weiteren zur Lotterie angekauften Industrie-Gegen stände haben durch die Reihe der Jahre das Publikum überzeugt, daß nur durchaus praktische Gewinne zur Aus zahlung gelangen, und fo kann man wohl mit Recht be haupten, daß die obige Lotterie des Dresdener Rennver eins sich steigender Sympathien erfreut. An auswärtige Gewinner wird ohne Anrechnung der Verpackung der be treffende Gewinn übersandt. — Loose a 1 Mark — 11 Stück — 10 Mark (siehe heutiges Inserat dieser Zeitung) solange der Vorrath reicht, durch das Sekretariat des Dresdener Rennvereins, Dresden, Viktoriastr. 26, zu be ziehen, oder in den allerorts durch Plakate kenntlichen Verkaufsstellen zu haben. Auf Inlianenhöh. Roman von Emilie Heinrichs. (21) (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Guten Morgen, mein junger Freund!" rief der Justizrath, dem Gefangenen die Hand schüttelnd. „Sie haben nach mir verlangt, aber ich wäre heute so wie so zu Ihnen gekommen, um Ihren Vertheidiger vorzustellen, Herr Rechtsanwalt Dr. jur. Herbert aus Berlin —" Harald verbeugte sich stumm gegen den Fremden. Sein bleiches Gesicht trug den Ausdruck schmerzlicher Enttäuschung. „Sie werden mich also nicht Vertheidigen, Herr Justiz rath ?" stieß er dann fast heftig hervor. „Nein, mein Lieber, doch werde ich meinem als Vertheidiger hochberühmten Herrn Kollegen assistiren. Sie wifsen, Freund Dähn, daß ein doppelt gesträhnter Faden besser hält. Mir fehlt jene glänzende Redegabe, die den halben Sieg bedingt. Freuen Sie sich also, daß dieser Vertheidiger Ihre Sache führen will. Bei mir, als Ihrem Freunde, wäre sie schlecht aufgehoben." „Verzeihen Sie mir, Herr Doktor!" sagte Harald jetzt beschämt und in seiner warmen, ehrlichen Weise. „Ich danke Ihnen von Herzen für Ihre menschen freundliche Bereitwilligkeit, meine am Ende durch die Verkettung unheimlichster Beweisstücke schon von vorn herein verlorene Sache zu führen. Diese schreckliche Er- kenntniß ist mir erst seit gestern in ihrem vollen Umfang ganz klar geworden." „Da Sie sich an dem Ihnen zur Last gelegten Ver brechen schuldlos fühlen, so dürfen Sie auch nicht von vornherein die Flinte in's Korn werfen, Herr Dähn!" versetzte der Rechtsanwalt ihm die Hand reichend. „Aller dings wird Ihre Sache etwas zu eilig betrieben, wie mir scheint, da sie schon in der in wenigen Wochen eröffneten Schwurgerichts-Session verhandelt werden soll. Vielleicht, wenn's Ihnen recht ist, können wir durch den Hinweis auf einen anderen Thäter einen Aufschub erlangen, zumal die Wahrscheinlichkeit eines Justiz-Mords vorliegt." „Ich würde unbedingt dazu rathen," stimmte der Justizrath eifrig bei. Harald schüttelte den Kopf. „Nein," sprach er ruhig und fest, „dieses unbestimmte Harren und Bangen würde mich aufreiben, mich geistig zerstören, obwohl ich an Gottes Gerechtigkeit glaube und damit auch an die endliche Lösung des unheimlichen Räthsels. Möge das Urtheil des Gerichts lauten wie es will, ich bin auf Alles gefaßt, ja, selbst wenn es sein muß, auf den Tod!" „Das heißt also: nicht mehr kämpfen, sondern resigniren," rief der Justizrath unmuthig. „Hoffnung ist aber das beste Lebenselixir der Menschheit, in Ihrer Lage also doppelt empfehlenswerth, mein junger Freund! Hoffnung verleiht Muth und dieser weckt den Kampf Hab' ich Recht, lieber Doktor?" „Ich widerspreche nicht, Herr Justizrath," versetzte der Rechtsanwalt nachdenklich, „kann meinen Klienten aber auch nicht Unrecht geben, da wir ihm keine Bürg schaft dafür leisten können, daß der wirkliche Mörder bis zur nächsten Schwurgerichts-Session entdeckt fein wird. Ich kann die Verantwortung für die etwaigen Folgen nicht auf mich nehmen." „Nun gut, des Menschen Wille ist sein Himmelreich," sprach der alte Justizrath mit einem unterdrückten Seuf zer, „obwohl Zeit gewinnen oft Alles gewinnen heißt. Meine Zeit ist aber nun um, lieber Doktor, wenn Sie mit Ihrem Klienten noch etwas plaudern wollen, dann lass' ich Sie zurück. Wir werden uns im Hotel ja noch Wiedersehen. Haben Sie vielleicht ein besonderes Anliegen, lieber Dähn?" setzte er hinzu, „dann rücken Sie nur da mit heraus." „Grüßen Sie den Physikus und die Seinen recht herzlich von mir," erwiderte Harald mit einem festen Händedruck. „Kann ich ihn nicht einmal wieder sehen, Herr Justizrath?" „Nur in seiner Eigenschaft als Arzt, da er nicht mit Ihnen verwandt ist. Anders wäre es mit Ihrem Stief vater und Ihrem Bruder." „Die ich nicht zu sehen verlange," fiel Harald mit gerunzelter Stirn ein, „nein, nein, aber den Arzt könnte ich am Ende mit Fug und Recht einmal konsultiren, oder bin ich an einen bestimmten Mediziner gebunden?" „Nein, ich werde für seinen Besuch Sorge tragen," erwiderte Kersten, „übrigens ist seine Tochter schwer er krankt, er fürchtet Nervenfieber." „Großer Gott, Marianne krank?" — rief der junge Mann bestürzt, „sie, die sich stets, soviel ich mich erinnere, der blühendsten Gesundheit erfreut hat. — Wie ist das so rasch gekommen?" „Nun, wie ich glaube, hat Angst oder Schrecken über Ihre Verhaftung sie niedergeworfen." „Neber die grauenhafte Beschuldigung, mein Gott, glaubt sie denn an meine Schuld?" Harald hatte diese Worte leise, wie mit großer An strengung hervorgebracht. „Was fällt Ihnen ein, mein Lieber? Sie haben keine besseren Vertheidigerinnen auf Erden, als die Frau Physikus und ihre Tochter. Pardon, Herr Doktor, Sie bilden natürlich die Ausnahme. Aber wahr ist es, die beiden Damen sind rührend in ihrer Fürsorge um Sie, und was Marianne anbetrifft, so würde sie vor Gericht ohne Zögern einen Eid für Ihre Unschuld ablegen." Ueber Harald's bleiches Gesicht flog ein schattenhaftes Lächeln. „Bringen Sie mir bald eine tröstliche Nachricht über die Kranke," bat er leise, worauf der Justizrach, Bejahung winkend, sich empfahl. Dr. Herbert blieb noch eine volle Stunde bei dem Gefangenen. „Vor allen Dingen nicht zaghaft oder resignirt werden, Herr Dähn!" sagte er dann, ihm zum Abschied die Hand reichend, „werfen Sie die Bücher bei Seite, und lassen Sie sich Zeichenmaterial bringen. Die Lektüre verwirrt das Denken, während die Arbeit erfrischend wirkt. Aller dings wäre mir nach unserer Unterredung ein Aufschub sehr lieb, doch fürchte ich, daß sowohl die Ungewißheit wie die längere Haft eine schlimme Wirkung, die wir um jeden Preis vermeiden müssen, bei Ihnen hervorbringen kann. Geistig frisch und stark, mit ungebeugtem Muth, so will ich Sie vor Gericht sehen." „Ich gelobe es Ihnen, Herr Doktor," erwiderte Ha rald, das Haupt stolz aufrichtend. „Sie sollen sich in mir nicht getäuscht sehen." Dr. Herbert versprach ihm die baldige Wiederholung seines Besuchs, da das tragische Geschick des jungen, ge nialen Architekten ihn lebhaft iuteressirte, während die feste Ucberzeugung seiner Schuldlosigkeit an dem begangenen Verbrechen ihm sein schweres Lertheidiger-Amt wesentlich erleichterte. Er fand den Justizrath, der einige materielle Geschäfte besorgt hatte, bereirs seiner ungeduldig wartend, da er mit dem nächsten Bahnzuge nach Schlestädt zurück- kehren wollte. „Die Akten befinden sich auch bereits auf Ihrem Zimmer, lieber Doktor," sagte Kersten, „was halten Sie von Ihrem Klienten? Schuldig, oder nicht schuldig?" „Nach meiner persönlichen Empfindung das Letztere," versetzte der Rechtsanwalt erregt, „nur muß ich aus den Akten erst mal sehen, was der Jurist dazu sagt. Apropes, Herr Justizrath, weshalb haben Sie mir den Stiefvater des jungen Dähn nicht ausführlicher geschildert?" „Weil ich das Ihrem Klienten überlasten wollte. Hat er's gethan?" „Selbstredend — er hat mir ein Charakterbild dieses Mannes entworfen^ das mich auf seine Bekanntschafl be gierig gemacht hat, wobei ich die Objektivität der inter- essanten Schilderung bewundern mußte. Haben Sie als alter Jurist denn nie daran gedacht, welche Interessen bei dem etwaigen Tode der Besitzerin von Julianenhöh für diesen Dr. Jonas und seinen Sohn auf dem Spiele standen?" Der Justizrath blickte den berühmten Rechtsanwalt etwas spöttisch durch seine Brillengläser an. „Von Interessen dieses ehrenwerthen Doktors und seines Sohnes kann überhaupt niemals die Rede sein,