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mit dem alttestamentarischen Namen befand sich nicht mehr in der Blülhe der Jugend und war den Dreißig sicherlich nicht mehr allzufern. Sie war stark und groß, und auch ihre Gesichtszüge hatten etwas Derbes und Männliches. „Was wünschest Du, Pa?" fragte sie einlretend. „Hier, liebes Kind, hat uns Gott einen müden und hungrigen Bruder ins Hans geschickt," entgegnete der Bürger meister mit dem ihm eigenen freundlichen Humor, „um unsere Mildthätigkeit auf die Probe zu stellen. Zeigen wir ihm, daß wir gute Christen sind." Lea nickte, betrachtete den Fremden mit ihren kleinen grauen Augen in unverhohlener Neugierde und verschwand, um nach einer Weile mit einem Tablet voll Speisen wiederzukehren. Wenn man von der Reichlichkeit und guten Oualitätdes Gebotenen auf den Eindruck schließen konnte, den der Fremde auf sie hervorgebracht, so mußte derselbe ein außerordentlich vor- theilhafter gewesen sein. Es war eine ganze Anzahl von Herrlichkeiten, bei deren Anblick die Augen des in der That ausgehungerten jungen Mannes un willkürlich aufleuchte ten: gekochte Eier und Schinken, ein Beef steak und zum Nach tisch ein ganzerFrucht- Pie. Dazu eine Tasse Kaffee mit einem Aroma, das dem Deutschen verführe risch in die Nase zog. Fritz Hammer ließ sich nicht lange nöthigen, und in überraschend kurzer Zeit war der größte Theil der von Miß Lea anfgetragc- nen Speisen ver schwunden. „So," sagte der Bürgermeister, „dem Magen ist sein Recht geworden. Nun lassen Sie uns weiter sehen. Ich habe schon eine Idee, wie Ihnen ge holfen werden kann. Sie haben in Ihrem Vaterlande eine gute Schulbildung ge nossen, nicht wahr?" „Ich habe dort das Gymnasium ab- solvirt." „Das ist soviel wie bei uns die Li^b-sobool — nicht, Fremder?" „Ich glaube, ja." „Nun, dann sind Sie ja für unsere Verhältnisse hier im Westen ein wahrer Gelehrter, und ich glaube, ich habe in Ihnen den rechten Mann gefunden, den ich suche. Wir haben nämlich vor einer Woche den von unserer Gemeinde an gestellten Lehrer verloren. Er war ein Hitzkopf und hatte eines Tages sich von seinem Zorn Hinreißen lassen, seine Hand auf der Backe eines seiner Schüler allzudeutlich abzufärben. Unsere Boys aber haben ein lebhaft entwickeltes Ehrgefühl und verstehen in dieser Hinsicht keinen Spaß. Der Lümmel ging hin, stahl den Revolver seines Vaters und knallte den zählen sollen. Denn Sie werden nun am Ende Bedenken tragen, der Nachfolger des Getödtcten zu werden." „Nicht im geringsten," rief Fritz Hammer halb freudig, halb zweifelnd, „wenn ich nicht befürchten müßte, daß ich Ihren Ansprüchen nicht genüge. Ich habe nie im Leben unterrichtet." „Dann iverden Sie es lernen, junger Mann. Meine Tochter und ich selbst, wir werden Ihnen in der ersten Zeit zur Seite stehen. Also abgemacht. Wollen Sie?" Fritz Hammer schlug mit einem leisen Gefühl des Bangens in die ihm freundlich entgegengestreckte Hand ein. Freilich, soviel hatte er schon erfahren: in Amerika hatte das Sprichwort: „Wem Gott giebt ein Amt, dem giebt er auch Verstand —" noch weit mehr Geltung, als irgendanderswo. Schon die nächsten Tage bewiesen, daß ihm sein Wohlthäter nicht zuviel zuge- muthet hatte. Mit seinen Schülern und Schülerinnen kam Fritz Hammer sehr gut aus. Der frische, junge Lehrer, der so gar nichts Pedan tisches an sich harte, gefiel den Abc- Schützen offenbar vor trefflich. ' (Fortsetzung folgt.) Gin Jestessen. (Zu dem Bilde S. I.) „Hei, das ist etwas für meinen Schnabel!" jauchzt der Sepp. Wie appetitlich aber auch die Knödel aussehen, die das drall^ Weibchen da auf den Tisch bringt, und wie ihr Duft den hungrigen Männern lieblich um die Nase zieht! Das ist wahr haftig ein Festessen! Mögen sie es sich wohl schmecken lassen, ver dient haben sie es ohne Zweifel. Die Debardeuse. Eine pikante Maske, diese flotte Debardeuse. Das bauschige, nach Matrosenart halsfreie Batisthemd, die mit Krausen und Schlcifchen verzierten Sammet pantalons, das kokett in die Puderlocken gedrückte Mützchen er innern nur noch in den Grundzügen an den Ursprung des Kostüms, die malerische Tracht der Schiffsauslader in den Häfen von Marseille und Toulon. Dieselbe mag, im Originale von den Hafenarbeitern getragen, sehr wenig von dem graziösen Chik gehabt haben, den wir jetzt an ihr bewundern. Erst die Pariserin brachte sie als weibliches Maskenkostüm en vo^us und stattete sie mit jenem unnachahmlichen koketten Reiz aus, die den Frauen an der Seine eine freundliche Fee in die Wiege legte. Von Paris aus hat sich dann diese Maske rasch auf allen Karnevals der civilisirten Welt eingebürgert, denn sie läßt nicht nur die Vorzüge einer weiblichen Erscheinung mit koketter Selbstverständlichkeit ans Licht treten, sondern ist auch praktisch und bequem beim Tanzen und überhaupt bei jeder Art von ungezwungener Bewegung, welche die Maskenfreiheit dem schönen Geschlechte gestattet. Die Debardeuse. Nach dem Gemälde von I. Costa. Unvorsichtigen nieder. Doch ich hätte Ihnen das nicht er