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Lin Schuh aus einer Riesen-Aansne. (Unberechtigter Abdruck unterlagt.) Photographie gezeichnetes Bild dem Leser eine sehr deut liche Vorstellung. Der dichte Rauch des abgefeuerten Schusses hat vor der Mündung eine kugelige Gestalt mit gefurchter Oberfläche angenommen, so daß er einer halben Melone gleicht, und erst Weiler vom Rohr ab dehnt er sich zu der bekannten wolkigen Gestalt aus. Die in der Nähe, zum Theil unter einem gepanzerten Unterstände stehenden Auf dem Kruppschen Schießstande in Meppen erregt ein Rtesengeschütz stets die allgemeine Aufmerksam keit der Besucher, und mit Staunen erblicken sie das ge waltige, in einer schweren, komplizirt konstruirten Lafette ruhende Rohr, dessen ehernen Donuer jedoch nur Wenige vernommen haben. Welch imposanter Anblick ein aus demselben abgefeuerter Schuß, der das schwere Geschoß über 22 Kilometer weit zu schleudern vermag, auf den Zuschauer macht, davon giebt unser nach einer Moment- Alls dtllMll Men m Mllt. Reisebriefe von Paul Lindenberg. (Nachdruck verboten.) XIII. Von EAischehir nach Koma. — Erinnerungen alter Zeit. - JnWim- Kabrahissar. — Besuch von Akschehir. — Das Grab des türkischen Till Eulmspiegels. — Reste prächtiger Bauten. — In einer Teppich-Fabrik. — Billige,Preise. — Nach Koma. Von Eskischehir nach Konia führt die Bahn durch uraltes Kulturland, und doch ist man hier, von den Halte plätzen und ihren wenigen europäischen Bewohnern ab- gesehen, fern von jeder Berührung mit dein Abendlande. Weite, von Bergzügen begrenzte einsame Steppen wechseln mit üppig stehenden Weizenfeldern, dann wieder leuchten die blauen Flächen von Seen auf mit zahllosem Wasser- gethier, am Ufer entdeckt man Schaaren von Pelikanen, in den dichten Gebüschen nisten zierliche Webervögel, schmale Flußläufe winden sich von den Gebirgen her durch die Ebene und zum Theil noch gut erhaltene römische Brückenbauten deuten die einstige Heerstraße an, auf der auch die deutschen Kreuzfahrer unter Barbarossa gen Konia gezogen sind. Hirten von prächtigem Aussehen in faltigen Gewändern mit schweren, buntverzierten Mänteln darüber beaufsichtigen die Herden kerniger Büffel, unterstützt darin von starken und kühnen Wolfshunden, die mit wilden Sätzen und Hellem Gekläff dem Zuge nach- hasten, dessen mit Büffelfängern versehene Lokomotive mehrfach gellende Pfiffe ertönen läßt, um diesen oder jenen kampfmuthigen Stier von den Geleisen zu vertreiben. Allmählich schließen sich die Gebirge enger zusammen, in ihren Ausläufern zur Ebene hin bemerken wir au ver schiedenen Stellen dunkle Höhlenöffnungen, es sind die Grabkammern phrygischer Könige, aber auch sonst fehlt's nicht an Merkzeichen verschiedener Zeiten: manch' von Menschenhänden aufgcschichteter Hügel ragt längs unseres Eisenweges empor, das Grab eines Heerführers, eines Großen andeutcnd, und seltene Funde würden Dem wahr scheinlich beschicken sein, der hier der Erde ihre Geheimnisse entlockt. Gewaltig, beherrschend tritt mehr und mehr zur linken Seite der Murad Dagh in die Erscheinung, glitz ernder Schnee glänzt von seinen dunklen, zerissenen, keck zu den Wolken hinaufstrebenden Felshäuptern hernieder, Wölfe, Bären, Leoparden Haufen in seinen zerklüfteten Schluchten, Adler ziehen ihre Kreise hoch oben unter dem blauen Himmelszelt, in dem krischen Frühlingsgrün der Niederungen liegen kleinere und größere Ortschaften, malerisch sich häufig hinanziehend zu den Bergvorsprüngen, so Kutahia, in dessen Nähe sich ein köstlicher, aus Hadria- nischer Zeit stammender Marmor-Tempel des Zeus be- finoet, und Afiun-Karahissar, wo wir kurze Rast nahmen. Hier merkte man bereits, daß unsere Reise einen offiziellen Anstrich bekam, war doch der Pascha von Konia Personen, halten sich bei weit geöffnetem Munde die Ohren zu, um die Schall- und Lustdruckwirkung nicht für ihr Trommelfell verderblich werden zu lassen. von unserem Kommen benachrichtigt worden und hatte nach den einzelnen Plätzen Befehle erlassen, die Fremd linge mit den „gebührenden Ehren" zu empfangen Sechs Gendarmen mit scharrenden Rossen, die Karabiner auf die Schenkel gestützt, harrten unserer und sprengten unseren Gefährten voran, vorsündfluthlichen Rumpelkästen, bei denen man im Zweifel war, ob man sich nicht lieber legen statt fetzen sollte. Mächtige spitze Basaltfelsen ragen unver mittelt vor der Stadt auf, die beschirmt wird von einem gleichen Kegel, auf welchem mau in schwindelnder Höhe noch alte Festungswerke bemerkt, aus jener Zeit stammend, wo die Seldschuken-Fürsten in Konia herrschten, etwa dem XII. Jahrhundert. Die Stadt selbst, mit etwa 30000 Einwohnern, dehnt sich weit aus, überall stößt man auf volkreiches, arbeitsames Leben, besonders in dem Bazar, in dessen holzüberdeckten Gängen eine Werkstätte neben der anderen liegt und man den mühseligen Arbeiten der Silberschmicde zusehen kann, die kunstvollen Filigran- Schmucksachen, sowie silbereingelegte Tischchen, Spazierstöcke, Koranständer usw. Herstellen. Sehr bedeutend ist die Ausfuhr von Weizen und Gerste neben Opium, denn aus gedehnte Felder glühen blutigrolh vom Mohn, dessen ver- gessenheitbringenden, schlummerspendenden Saft die vom Fetsgestein abprallende grelle Sonne kocht. — Im Fluge geht's weiter, bis das Dampfroß von Neuem seinen schnellen Lauf hemmt, seitlich des gewaltigen Sultan Dagh, von dessen kühnem Haupte gleichfalls junger Schnee herniedergrüßt. Wir sind in Akschehir angelangt, der „weißen Staot", und weiß leuchten am Fuße des Ge birges die Kuppeln und Minarehs ihrer Moscheen aus lauschigem Grün heraus. Auch hier wieder Gendarmen, die uns erwarten, und auch hier wieder furchtbare Kar räthen, in denen man schlimm herumgeschüttelt wird, aber bei den kleinasiatischen Landstraßen trifft's besonders zu von dem: „besser schlecht fahren, als stolz laufen", zumal es die Maisonne sehr gut meint uud es eine tüchtige Strecke von der Station bis zur Stadt hin ist. Unterwegs halten wir an einem von niedriger Mauer umzogenen türkischen Friedhöfe, den Eingang deuten zwei übereinander gelegte Felssteine an, auf die mau hinauf- und dann über die Mauer hinwegturnt, so gut es jeder kann, zwischen den verfallenen Gräbern streben wir einem türkischen Heilig- thume zu, das sich dort in Form einer nach Moscheenstile erbauten kleinen Kapelle erhebt, die das Grab des türki schen Till Eulenspiegels, Nasr-eddin-Chodjas, umschließt, eines übermüthischen Ränkeschmiedes und Spaßmachers, der hier Anfang des XIV. Jahrhunderts starb, dessen oft sehr gewagte Schwänke aber noch heute Arm und Reich, Groß und Klein derosmanischen Welt erheitern. Inner halb des Steinbaues sieht man unter einer schon recht zermürbten hölzernen Rotunde den massigen, zum Theil mit grünen Tüchern verhängten Granitsarkophag, an welchem zur Erquickung der müden Pilger, Krüge mit Wasser stehen, während die frommen Beter den Sarg wie sein Holzgitter mit zahllosen, von ihren Kleidungen her rührenden Tnchfetzen umwunden haben: der biedere Eulen spiegel soll sie von ihren Gebrechen befreien, ihm, der ein so lustiges Dasein geführt, kann's ja im Tode nicht auf einige tausend Krankheiten mehr oder weniger ankommen! Akschehir, heute 20000 Bewohner bergend, eine Stadt mit elenden Gassen und kleinen Häuschen, muß früher wohlhabend und mächtig gewesen sein, wobei man nicht erst auf die römisch-griechische Zeit, von der noch manch' marmorne Zeugen erhalten sind, zurückzugehen braucht. Noch unter den Seldschukeu-Herrschern, deren ikonische Dynastie vom Ende des elften bis zum Beginn des vier zehnten Jahrhunderts regierte, muß sich die Stadt großer Blüthe erfreut haben, davon erzählen uns die Reste präch tiger Moscheen-, Schul- und Grabbauten mit leider wenig erhalten gebliebenen, schimmernden Fayencen und kunst vollen Stalaktiten-Verzierungeu, gelegentlich mit Verwen dung antiker Marmorsäulen und Reliefs, die am besten den Wechsel der Jahrhunderte überstanden haben. Der einzige Kunstzwcig, der heute hier noch gepflegt wird, ist die Herstellung von Teppichen, jenen farbenfreud igen Gebilden, die in unsere nordischen Wohnungen einen Abglanz billigen von der mannigfaltigen Pracht des Orients. Nur darf man diese Pracht nicht dort suchen, wo jene Teppiche entstehen, wie wir uns in Akschehir über zeugen konnten: ein aus weißen Lehmziegeln erbautes Haus mit nur cstum Erdgeschoß und scheunenartigen Räumen darin, auf laugen, schmalen Holzbäuken sitzen je fünf Mädchen im Alter von sechs bis acht Jahren und stricken nach einem ciugerahmtcn, vor ihnen hängenden Muster- blait den Teppich, der oben und unten über Nollen geht und sich daher leicht ab- und aufwickeln läßt! Dreißig Pfennig pro Tag bekommen die emsigen kleinen Arbeiter innen, die uns neugierig anstarren, während die Händchen die von einem Gestell heruiederbaumelndeu Wollkuäuel hurtig abwickeln. Und das ist noch garnicht schlecht be zahlt, die Leute hier,, wie ja überhaupi im gesammten Osten, leben unendlich mäßig und bescheiden, wobei die Preise wirklich „fabelhaft" billig sind, wie unsere Hausfrauen bestätigen werden: ein Huhn kostet zwei Piaster (der Piaster zu 1? Pfennig), ein Rebhuhn einen, ein Hase drei, zwei stattliche Fische einen, drei Pfund Rindfleisch zwei, zwölf Eier einen, drei Pfund Hainmelfleisch zwei, drei Pfund Butter acht und Gemüse für sechs Personen, aus eine Woche reichend, acht Piaster. Was, meine liebe Leserin, da ließe sich mit dem gewohnten Wirthschaftsgelde ein schöner Schmugroschen machen2 — Die Umgebung Akschehir'S ist sehr fruchtbar; rausch ende Bäche ergießen sich von den Bergen herab in die Ebene und durchfließen sogar die Stadt, richtige Wasser straßen bildend, die zu beiden Seiten nur schmale Pfade mit entsetzlichem Pflaster für die Fußgänger lassen, während die Lenker der Wagen, die Reiter, die Heelden den feuchten Weg vorziehen und munter durch die Fluthen patschen. — Hinter Akschehir führt die Bahn wieder durch end lose Ebenen, nur von Hirten mit ihren Hcerden belebt, unberührt vom Pfluge, der hier sür die Saat ergiebigsten Boden aufwersen würde. Selten, daß man kleinere Dorfschaften erblickt mit niedrigen Lehmhüuschen, znm Theil umrahmt von sattem Grün als Zeichen, daß es nicht an lebenspendendem Wasser fehlt. Aber auch heiße Quellen dringen an vielen Stellen hervor, wie in Jlghün, dessen Thermen schon znr Zeit Justiuian's berühmt und vielbesucht waren. Denn nirgends fehlts an Anklängen ans Alterthum, Gräber, Reste von Bädern und Tempeln, von Städten und Kastellen sieht man von der Bahn aus, die ja meist längs der einstigen Heer- und Karawanen- straße geht und sich aus der Tiefe hinaufwiudct zu einem 1300 Meter über dem Meere (etwa in der Brennerhöhe) liegenden Felsplateau, nm von dort in die fruchtbare Ebene von Konia hinabzuleiten. „MeineHerren, wir sind bald m Koma,' so mahnte unser liebenswürdiger, geheimräthlicher Reisechef. Wir verstanden den Wink, Jeder verfügte sich in seine Wagen- abtheilung, um, je nach den mitgenommenen Sachen, sich möglichst' gut herauszustaffireu, sei's auch nur, um die Kravatte zu wechseln uud die Handschuhe hervorzukrameu; die dunkelblaue türkische Marschall-Uniform mit den gol denen Aojutantenschnüren legte nufer militärischer, seinen die Leibesfülle nur knapp umschließenden schwarzen Bra tenrock unser präsideutlicher Begleiter an, sich zugleich damit in „eine Würde eine Höhe" hüllend, die das Mädchen aus der Fremde neidisch gemacht hätte, uud die wie bei letzterer, jede Vertraulichkeit ausschloß, in erster Linie bei den französisch sprechenden Türken .... Wie sagt das Berliner Lied: „so'n bischen Französisch ist doch ganz wunderschön," selbst in Klein-Asien und zumal wenn man Eisenbahn-Präsident ist! Jie HWm M MliM. Roman von Emmy von Borgstede. (6) (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Das Haus des Bauquiers Floris vau Straaten liegt