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UchckLAWW Tharandt. DD» Sitbenleha nad die Umgegenden. ImlsblnU für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich I Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruft. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. No. 14S. Donnerstag, Zen 9. Dezember 1897. Bekanntmachung. Freitag, den in. Dezember d. Nachmittags 2» Nhr öffentliche Stadtgemeinderathsfftznng. ^Tagesordnung: Einsprüche gegen den Stadtbauplan. Staatseisenbahn Wilsdruff-Nossen und die neu projectirten Straßen. Wilsdruff, am 8. Dezember 1897. lirni-8i«n, Bgmstr. Tagesgeschichte. Berlin, 6. Dezember. Ein parlamentarischer Bericht erstatter meldet: Bei dem gestrigen Empfange des Präsidiums des Reichstages wies der Kaiser auf die bedeutungsvollen Aufgaben der bevorstehenden Tagung des Reichstages hin und erinnerte daran, daß gerade gestern sein einziger Bruder von dem Großherzoge von Baden und der Kaiserin Abschied genommen habe, um demnächst in den asiatischen Meeren seine Kraft einzusetzen im Dienste des Vaterlandes. Der Kaiser betonte den entschiedenen Willen, den Missionen den kräftigsten Schutz angedeihen zu lassen, und äußerte sich eingehend über die chinesischen Ver hältnisse. Er gedachte anerkennend des Bischofs Anzer und kam auf die Vorgänge auf Haiti zu sprechen. Er streifte sodann die verschiedensten politischen und wirth- schaftlichen Fragen und wies auch auf die Bedeutung des Flottengesetzes hin. Er sagte, er vertraue darauf, daß die Berathungen des Reichstages zu gutem Eude führen und daß der Reichstag von der Nothwendigkeit der geforderten Vermehrung der Flotte sich überzeugen werde. Auf eine Zwischenbemerkung eines Mitgliedes des Präsidiums, daß iu parlamentarischen Kreisen Bedenken obwalteten, in der letzten Session der Legislaturperiode dem neuen Reichstage vorzugreifen und Schiffsbauten für einen längeren Zeit raum zu bewilligen, erklärte der Kaiser, der kommende Reichstag werde den gegenwärtigen keinesfalls desavouiren, wenn dieser die Ueberzeuguug gewonnen habe, daß die beantragte Flottenvermehrung in sieben Jahren ausgeführt werden möge Der Kaiser wies aus die allgemeine Welt, läge hln, welche keinen Aufschub zulasse. Die Audieuz währte über eine halbe Stunde. Unmittelbar hierauf wurden die Herren von der Kaiserin empfangen. Wie vorauszusehen war, beherrscht die Marin e- vorla gedie gesammteu Erörterungen der Presse. Treffend kennzeichnet die vom Kaiser verlesene Thronrede als das Ziel der Flottenverstärkung, Deutschland in den Stand zu setzen, „auch durch seine Rüstung zur See sein Ansehen nnter den Völkern der Erde zu behaupten". Denn uin die Erhaltung des Ansehens und der Stellung des deutschen Reiches handelt es sich, nm nichts Geringeres. Den Vaterlandsfreund muß es peinlich berühren, wenn angesichts einer Frage von solcher Bedeutung für das fernere Dasein des Reiches kleinliche staatsrechtliche Zänkereien über Ver kürzung des Budgetrechtes und dergleichen mehr sich breit machen. Da man den übrigen Beweisgründen der Marine vorlage nickt leicht beikommen kann, so stürzt man sich mit um so größeren Eifer auf die Forderung, daß der Reichs tag gleich der Regierung sich für sieben Jahre binden möge, wodurch der Flottenplan in bestimmter Frist zur Aus führung gebracht werden könne. Au diese Forderung lassen sich die schönsten Auslassungen über Budgetrecht und die Grundlagen des Parlamentarismus knüpfen, ohne daß man sich genöthigt sieht, der Frage ihrer Bedeutung und Tragweite noch sachlich näher zn treten. Was zunächst die grundsätzliche Seite der Frage anlangt so ist ja un leugbar mit der Annahme des Gesetzentwurfes, wonach bis Kun Jahre 1904 die Durchführung des darin enthaltenen Flottenplanes erfolgt sein muß, eine gewisse Bindung der Freiheit des Reichstages verknüpft. Daran ändert die Thatsache nichts, daß die Mittel für die Durchführung des Gesetzes alljährlich im Etat ausgebracht werden und sonach der besonderen Beschlußfassung des Reichstages unterliegen sollen. Denn wenn auch im einzelnen Etat jahre die Forderung gekürzt werden sollte, so müßte doch der Gesammtbetrag bis zum Jahre 1904 bewilligt sein, da andernfalls der Flottenplan nicht ausgeführt sein kann, ^as alles soll rnhig zugegeben werden. Aber es handelt Nch hier um zwei Fragen: erstlich: ist die Erreichung des Zieles der Mannevorlage auf anderem Wege möglich, und des Budgetrechts von so großer praktischer Bedeutung, daß sie werth ist, die Erreichung jenes Zieles zn gefährdend Daß auch bei unseren heutigen Oppositions-Männern sich die größten Marine-Enthusiasten befinden, beweist ein glühender Hymnus des der freisinnigen Partei angehörigen Albert Träger auf die deutsche Flotte. Die erste Strophe lautet, wie wir den „Münch. Reuest. Nachr." entnehme», folgendermaßen: „Zur deutschen Flotte! tönt's durch's ganze Land, Und opferfreudig bietet jede Hand Die deutsche Steuer für das deutsche Steuern. Die Grenzen fallen zwischen Süd und Nord: Kein Hader mehr, kein brudcrmordend Schmähen, Die alte Zwietracht stürzt sich über Bord. Der Hauch der Einheit soll die Segel blähen: Die deutsche Flotte sei iu stolzer Wehre Ein einig Deutschland auf dem weiten Meere." Der Schluß der letzten Strophe lautet: Und so befehlen wir dem deutschen Gotte, Die deutsche Flagge und die deutsche Flotte." Die nach Ostasien bestimmte Marine-Infanterie, 1000 Mann, wird je zur Hälfte von Kiel nnd von Wilhelmshaven gestellt. In Wilhelmshaven sind schon die Dispositions-Urlauber einberufen. Der Kreuzer „Deutsch land" wird ain 8. Dezember nach Kiel abgehen zur Auf nahme des Prinzen Heinrich und seines Stabes. Ueber Haiti und die Stellung Deutschlands schreibt die „Post": „Ausländische Blätter beschäftigen sich neuerdings nur allzugern mit den angeblichen Absichten Deutschlands auf Haiti. Es fehlt dabei nicht an Ver dächtigungen der deutschen Politik, der auch diesmal ganz unverblümt Annexionsgelüste auf diese Insel zngeschrieben werden. Unter anderen sind auch französische Blätter mit dieser Beschuldigung schnell bei der Hand gewesen. Es ist ziemlich klar, daß derartige Behauptungen Erfindungen der betreffenden Korrespondenten sind. Zunächst ist es durchaus nicht ersichtlich, welches Interesse wir an einer Besetzung der Insel haben sollten Ihr Werth in politischer und wirthschaftlicher Hinsicht steht in keinem Verhältnisse zu den Ungelegenheiten, die wir uns dabei im Konflikt mit anderen Mächten zuziehen würden. Uns gelüstet es des halb iu Deutschland in keiner Weise, Beherrscher der korrumpirten Negerrepublik mit ihrer arbeitsscheuen Be völkerung zu werden. Ueber die Absichten der deutschen Reichsregierung ist auch den anderen Großmächten volle Klarheit gegeben worden. Daß Deutschland ein Recht auf volle Genugthuung für erlittene Unbill zu fordern hat, dürfte wohl auch kaum von einer der betreffenden Regierungen bestritten werden. Neuerdings ist allerdings viel von einer Stellungnahme der Vereinigten Staaten von Nordamerika gegen die deutschen Forderungen gefabelt worden. Auch hier haben jedoch die Lügen, wie stets, kurze Beine. Die Haltung der nordamerikanischen Regierung ist durchaus korrekt. Sie wünscht nichts, als durch Maß regeln zur See die Interessen ihrer Schutzbefohlenen gegen Uebergriffe zu Vertheidigen, und hat in keiner Weise die Neigung, das Vorgehen Deutschlands zn durchkreuzen. Was Deutschland verlangt, liegt klipp und klar am Tage. Wir wollen keinen Landerwecb, weder in größerem noch kleinerem Umfange, sondern nur Entschädigung für die gegen Lüders und sein Eigenthum begangenen Gewalt- thaten. Die dafür von der Republik zu entrichtende Summe dürfte allerdings einen Umfang erreichen, der den Kosten der maritimen Expedition Deutschlands zugleich mit entsprickt. Sollten die Beherrscher Haitis es für gut befinden, zunächst dem deutschen Verlangen zu trotzen, so werden scharfe Maßregeln einer Verweigerung auf dem Fuße folgen, und zwar in der Weise, daß zunächst die Küstenbefestigungen, bei weiterem Widerstande die StaU ist anscheinend gegründete Hoffnung auf eine schnelle Unterwerfung der Republik unter den Willen Deutschlands vor Anwendung der stärksten Mittel vorhanden." Stuttgart, 6. Dezember. An die Studentenschaft Wiens ging folgendes Telegramm ab: „Die Studenten schaft der Königlich technischen Hochschule in Stuttgart sendet sämmtlichen deutschen Studirenden Oesterreichs ein brausendes „Hoch!" und einen herzlichen Glückwunsch zu den erstrittenen Erfolgen. Wo auch immer deutsche Herzen schlagen, sind sic freudig bewegt ob der Gewißheit, daß das deutsche Volk in Oesterreich in seinem Kampfe nicht nur für sein, sondern auch für unser Volksthum ringt. Mit deutschem Gruß für die Studentenschaft der Königlich technischen Hochschule Stuttgart: der Ausschuß. Dasselbe Telegramm giug auch an die Rektorate der Hochschulen Wien, Graz und Prag ab. Zu den Exzessen in Prag berichtet die offiziöse „Reichswehr": Die Untersuchung wegen der tschechischen Ausschreitungen ergab insbesondere bezüglich der Veran stalter der Bewegung geradezu sensationelle Anhaltspunkte. Das Hauptquartier der Führer, wo über die Art der planmäßig betriebenen Ausschreitungen berathen wurde, befand sich in einem Hause auf dem Wenzelsplatz. Die Behörde bewahrt strengstes Stillschweigen, ob und welche Papiere in diesem Hause beschlagnahmt wurden, doch wird bekannt, daß sich der Verdacht auf Personen erstreckt, die durch ihre gesellschaftliche Stelluug bisher hohes Ansehen genossen. Bereits in den nächsten Tagen wird man für die Ergebnisse der Untersuchung Anhaltspunkte finden durch eine Reihe von Verhaftungen. Unter denjenigen, auf die sich ganz bestimmt Verdachtsgründe lenken, sollen sich auch Persönlichkeiten befinden, die dermalen noch unter dem Schutze der Immunität (also Reichsrathsabgeordnete) stehen. Die Prager Polizei erhält fortgesetzt eine große Anzahl anonymer Anzeigen, in denen verschiedene Personen der Theilnahme an den Ausschreitungen oder der Anstiftung dazu beschuldigt werden. Das Prager tschechische Sozialistenorgan berichtet, daß bei den Krawallen auch der Laden des Kaufmanns Grab in Zizkow erbrochen und ausgeraubt wurde. Die Plünderer hatten hier sogar die eiserne Kasse auf die Straße geschleppt und mit Stemmeisen und Äexten auf gebrochen. In Zizkow wurde auch die Fabrik der Firma Schimmel u. Co. in Leipzig vollständig verwüstet. Ein aus Prager Tschechen rekrutirtes Bataillon des 28. Regiments soll gegen die Plünderhorden gänzlich versagt und die Aufrührer mit nationalen Zurufen begrüßt haben. Ein deutscher Professor, der mit seiner Familie aus Prag flüchtete, erzählt in der „Neuen Fr. Pr.": „Ich habe mehrmals mit angesehen, wie die Menge von Leuten, die den besser situirten Ständen angehören, auf gehetzt und durch lügenhafte Gerüchte aufgereizt wurde. Diese Leute verbreiteten, es seien in Reichenberg tschechischen Kindern die Augen ausgestochen worden, in Saaz habe man die tschechische Schule während des Unterrichts in Brand gesteckt, ein deutscher Student habe einen tschechischen Lehrer aufgehenkl, ein tschechischer Student sei erstochen worden rc. Den Bitten nm Schutzmaßregeln für deutsche Schulen nnd Gebäude wurde keine Folge gegeben. So bat ein Lehrer der deutschen Schule auf dem Tylplatze in Weinberge am Mittwoch zweimal vergebens, diese Schule zu schützen; dieselbe wurde in der Nacht fünfmal gestürmt und weit und breit wurde kein Sicherheitswachmann gesehen. In der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch erfolgte ein Angriff auf das deutsche Fmnz-Josefs-Kinderhospital; die Fenster wurden durch Steinwürfe zertrümmert und die kranken Kinder lagen jammernd der Kälte preisgegeben da. Am Deutschen Frauenheim wurden die Fenster eingeschlagen