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Zweites Blatt. Wochenblatt ßr Msbmß Tharandt, Wa, Äebealchn nnd die Umgegenden. Imlsblull für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den ^tadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Psg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion Martin Berger daselbst. ZUM Palmsonntag. Die christliche Kirche feiert heute den Palmsonntag. Derselbe erinnert an den Einzug des Herrn in Jerusalem. Mit sudelndem Zuruf empfing ihn damals die Menge des Volks, das m der. Straßen der Stadt sich drängte. Es ehrte ihn wie einen König, der nach einem siegreichen Kampf, in dein er die Feinde überwunden, in das Vater land heimkehrt; sie hieben Zweige von den Bäumen und streueten sie ihm auf den Weg. Im Süden, wo unter einem glücklicheren Himmel stolz und hoch die Palme steht, mögen Palmenwedel zu diesen, Zweck verwendet worden sein wie heute noch in Italien und Spanien an diesem Sonntag die Schaar der Gläubigen die Kirche mit Palm zweigen schmückt. Im kälteren Norden müssen die Zweige der früh blühenden Weide oder andere Fluhlmgsboten die Palmen ersetzen. Mit diesen schmücken wir am Palm sonntag, indem wir des Einzuges des Herrn m Jerusalem gedenken, unsere Häuser, mit diesen wird an manchen Orten auch die Kirche geschmückt. Ein Brauch aber fit ganz allgemein in protestantischen Ländern und zerchnet hier den Palmsonntag vor allen anderen Sonntagen des Jahres aus. Die Kirche sammelt an diesem Tage das, Heran wachsende Geschlecht, die Schaar der werdenden Jünglinge und Jungfrauen zu einer ernsten Feier in ihren Gottes häusern. Der Palmsonntag ist zum Konfirmationstag ge worden, an welchem unsere Knaben und Mädchen, das Taufgelübde erneuernd und bekräftigend, in die Gemeinde und unter die Schaar der erwachsenen Christen ausge nommen, an deren Rechten und Pflichten betheiligt werden Diese feierliche Handlung gerade auf den Palmsonntag zu legen, hat einen guten Sinn. Wie jene Palmen, wie jene grünenden Zweige, mit denen die alte Kirche am Palmsonntag den Tempel schmückte, sind sie gleichsam „Erst linge des Jahres und em „heilger Frühling", und dies zwar in einem noch viel höheren und besseren Sinne als lene Kinder der Statur. Unsere Knaben und Mädchen sind Menschenblüthen, die unsere Herzen erfreuen und erwärmen und köstliche Frucht verheißen, dafern Gottes Gnade über sie wacht und sie erzogen werden im Aufblick zu ihm. Diese also weihen wir dem Herrn, so oft wir seines Ein zuges in Jerusalem gedenken, und wir vertrauen, daß ihnen durch diese ernste Feier der Bluth und die Kraft gegeben werde, heiliger Entschlüsse voll in das Leben hinaus zutreten, hinein in den Kampf, der dort ihrer wartet, und den nur derjenige mit Ehren bestehen zu können hoffen darf, welcher allzeit Gott vor Augen nnd im Herzen hat und seine Gebote zu einer festen Richtschnur seines Handelns macht. Auf der Jugend beruht die Hoffnung der Zukunft. Je nach dem sie geräth oder mißräth, je nach dem sie heranwächst zu einem frommen oder gottlosen Geschlecht, wird unsere Zukunft beschaffen sein. Gesunder, starker Keim bringt gesunde, kräftige Pflanze. Eine Blüthe, die den Wurm in sich birgt, reift nimmer zur köstlichen Frucht aus. Auch körperliches Gedeihen und ein gesunder Leib verbürgt im Menschen noch nicht den Erfolg; wichtiger für das, was er leisten und der Gefammthsit der Menschen nützen oder schaden mag, ist die Beschaffenheit seiner Seele. Auch diese reift langsam zur Vollkommenheit heran; un endlich wichtig für ihre spätere Entwickelung sind die Ein drücke der Kindheit. Durch Lehre und Beispiel muß sie gebildet werden. Uralt ist die Klage, daß die Söhne den Vätern nicht gleich seien, jede folgende Generation der vorhergehenden nicht ebenbürtig an sittlicher Tüchtigkeit und Kraft. Man rühmt die „alte, gute Zeit" und ersehnt sie zurück, man preist die Ahnen um ihres vermeintlich größeren Glückes willen. Wie weit diese Klage berechtigt ist, kann dahingestellt bleiben, schon der Umstand, daß sie schon aus dem grauen Alterthum zu uns herüberklingt, macht sie verdächtig. Sicher aber ist das Eine: Lehre und Beispiel der Erwachsenen bildet die Jugend, und jedes Volk hat die Jugend, die es verdient. Man klagt über die zunehmende Verwilderung und Verrohung der heutigen Jugend. Wer kann leugnen, daß diese Klage ihre theil- weise Berechtigung hat? Fragt nur nach in den Häusern und Familien, ihr werdet hier und da bald in heimlichen Seufzern, bald in lauten Klagen den bitteren Vorwurf gegen die Kinder erheben hören, daß sie es an Ehrerbietig keit gegen die Eltern fehlen lassen, daß sie ihren mahnenden Worten nicht folgen, ungehorsam und lieblos sind. Haltet Umschau Lei Bleistern und Lehrherren, sie klagen in gleicher Weise über Mangel an Pflichtgefühl, über Widersetzlichkeit und Uubotmäßigkeit, wenn nicht bei allen, so doch bei vielen von denen, die ihrer Obhut an vertraut sind. Und beobachtet ihr selbst das Treiben der Jugend, höheren und niederen Standes, außerhalb des Hauses und der Lehr- und Lernstätten, in der Oeffentlich- keit, bei erlaubten und oft auch unerlaubten Vergnügungen und wo sich sonst die Gelegenheit dazu findet, ihr werdet oft genug schauen, was jedem ernster Denkenden nur im höchsten Grade anstößig sein und ihn mit banger Sorge für die Zukunft unseres Volkes erfüllen muß. Denn Ge nußsucht auf der einen und Mangel an strengem Ehr- und Pflichtgefühl auf der anderen Seite haben offenbar in bedenklicher Weise auch schon bei der Jugend zugenommen. Jndeß es frommt nicht, Klage zu erheben. Besser ist's, an die eigene Brust zu schlagen und sich des An theils bewußt zu werden, den wir selbst an den betrübenden Erscheinungen der Gegenwart haben. Lehre und Beispiel der Erwachsenen bilden die Jugend, und diese zu erziehen ist ihre wichtigste und heiligste Aufgabe. Aber wie ost läßt man es gerade hieran fehlen. Es ist kein Zweifel, unsere Jugend würde besser sein, wenn wir selbst besser wären, wenn wir mit größerer Strenge, ein Jeder zunächst in dem engeren Kreis der Familie, dann aber auch außer halb derselben, die Kinder erziehen und zu allem Gute« sie anhalten würden. An der nöthigen Strenge fehlt es heutzutage nur zu oft. Unsere Kinder sollen es besser haben, als wir selbst es hatten, und über dieser scheinbar so wohlwollenden Absicht verzärteln und verweichlichen wir sie. Genässt werden jetzt von jungen Leuten vorwegge nommen, auf die sie billig auch im späteren Alter noch verzichten könnten, aber Niemand hindert sie daran und man sieht kaum scheel dazu. Ehedem hielten sich ältere ernste Männer für berechtigt, auch gegen solche junge Leute eiuzuschreiteu, die sie an sich nichts angingen, wenn sie No. 43 Sonnabend, dem 1b. April 18S7 Und wie dereinst in Salems Straßen Wogt es im Festesschmuck heran, Die Kirchen können kaum sie fassen, Jüngling und Mädchen, Weib und Mann; Die Herzen, voll von heil'gem Bangen, Bereit, den Heiland zu empfangen, Begrüßen froh ihn nah und fern: Gesegnet, der da kommt im Herrn! O schallet hell, ihr Festesglocken, Lobsingt mit euerm Klange Dem, Dem junge Christen heut frohlocken, Auch hier ist ja Jerusalem. In euern Herzen streut ihm Palmen, Erhebt des Dankes fromme Psalmen, Ihr, denen auf des Lebens Pfad Der niilde Fürst des Friedens naht! Umfangt ihn fest mit seinem Segen, Denn Friede thut der Menschheit noth In dieser Zeit, da allerwegen Der Geist der Zwietracht uns bedroht; Es weh'n nicht Palmen durch die Gassen Und mancher hat im finstern Hassen Vergessen, was er einst empfand, Da er vor dem Mare stand. Er hat den heil'gen Bund gebrochen In eitlem Wahn und ohne Scheu; Nur wer da hält, was er versprochen, Dem bleibet auch der Segen treu, Der hat für trübe Lebensstunden In seiner Brust den Trost gefunden, Das Wort bleibt allezeit sein Stern: Gesegnet, der da kommt im Herrn! O Tag der Palinen, schöne Bilder Weckst du aus langentschwund'ner Zeit, Das unruhvolle Herz wird milder, Die bange Seele still und weit: Horch! Jubelruf in allen Straßen, Palmzweige wehen durch die Gassen, Darüber goldner Sonnenschein — Hosianna, seht, der Herr zieht ein! Und ob uns auch die Palmen fehlen, Das Bild, es hat's uns angethan, Heut' lebt es auf in tausend Seelen, Sie seh'n den Friedensfürsten nah'n; Fehlt auch der Welt noch ihr Geschmeide Die grauen Kätzchen an der Weide Und weiße Glöckchen an dem Hag Verkündigen den Feiertag. dieselben Ungehöriges treiben sahen; heute möchte Derjenige schön ankommen, auch bei den Eltern der betreffenden Knaben, und nicht bloß bei diesem selbst, der einem unreifen Burschen von 12 oder 13 Jahren z. B. das Rauchen auf offener Straße verwehren würde. Keiner bekümmerte sich mehr um den Anderen, man läßt die Dinge gehen, wie sie gehen, und das Verderben nimmt überhand. Die Pflicht der Erziehung des Heranwachsenden Geschlechts, und zwar einer ernsten und strengen Erziehung, liegt aber nicht bloß den Nächstbetheiligien, der Familie, der Schule und der Lehrstätte ob, sondern bis zu einem gewissen Grade auch der Gesammtheit. Würde diese Pflicht wieder allgemein als solche erkannt und beherzigt werden, gewiß, es würde manches besser sein. Der Palmsonntag, dünkt uns, ist ge eignet, diese Mahnung wieder einmal auszusprechen. Tausende von angehenden Jünglingen und Jung frauen stehen heute, frommer Entschlüsse voll, im Heilig thum und geloben fortan ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen. Den meisten, wir dürfen hoffen allen, ist es zunächst ernst mit diesem Gelöbniß. Wissen sie doch, daß sie anders auch nicht wahrhaft glückliche Menschen werden können. Aber mit dem guten Willen allein ist's nicht ge- than; bald treten Versuchungen aller Art an sie heran und manchem, das wollen wer nicht verkennen, machen es die Umstände und die Verhältnisse, in die er mitten hinein versetzt wird, ungeheuer schwer, fest und treu auszuhalten. Jeder bedarf liebevoller Führung, freundlichen Rathes und einer Ueberwachung, bei der Milde und Strenge gleich mäßig zu ihrem Recht kommen. Daß diese ihnen allzeit zu Theil werden, Gottes Gnade über ihnen walten möge, das beten heute mit den Konfirmanden selbst deren Eltern in der Kirche; es ist der Wunsch, den auch wir für sie auf dem Herzen haben, ein Wunsch, den jeder wahre Menschenfreund theilen wird, denn diese Kinder alle, wer sie auch sein und wie sie heißen, mögen sie arm und gering sein, oder vornehm und reich, von einem höheren Stand punkt aus betrachtet, stehen sie uns alle gleich nahe, müssen sie uns alle gleich theuer sein; sie bilden ein Ganzes, sind die Hoffnung der Zukunft, eine Aussaat, für deren Wachsen und Gedeihen wir alle mit verantwortlich sind. Die Rache der Nihilistin. Original-Roman von A. Rochefort. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) 7. Kapitel. Eine Audienz beim Czaren. „Ich würde Sie schon eher besucht haben,' sagte der Fürst, als die Thür sich hinter Michael Puschkin geschloffen hatte, „aber meine Zeit war vollständig von Hofangelegenheilen in Anspruch genommen, und dann wünschte ich womöglich der Ueberbringer tröstlicher Nachrichten zu sein." „Es wäre uns unter allen Umständen eine Freude ge wesen, Sie zu sehen," erwiderte die Gräfin. „Elisabeth und ich, wir sehnten uns nach der Gelegenheit, Ihnen persönlich zu Ihrer woblverdienten Beförderung Glück zu wünschen."