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WmM für Wkuff ThmM. Nossen. Mtnlthn md die UmMN-en. MtsölM Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 145. Sonnabend, den 7. Dezember 18S5. Erscheint wöchentlich dreimal u. zwarpienA tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. s Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen s Mk.55pf. Einzelne Nummern sO Pf. Inserate werden Montags, Mittwoch« freitags bis spätestens Mittag- (2 Uhr angenommen. Insertionspreis fO Pf. pro dreigr- spaltene Lorpuszeile. für die Ugl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Bekanntmachung. Mit Schluß dieses Jahres haben aus dem hiesigen Stadtgemeinderathe die Stadtverordneten Herr Drechslermeister Larl Gotthold Oswald Hoffmann, Herr Cigarrensabrikant Friedrich Gustav Runze und Herr Postverwalter a. D. Johann Larl Eduard Weitz auszuscheiden und ist deshalb eine Ergänzungswahl zu veranstalten. Zu wählen sind ein angesessener Stadtverordneter und zwei unangesessene Stadtverordnete sowie ein angesessener Stadtverordneten-Ersatzmann und ein unangesessener Stadtverordneten - Ersatzmann. Als Wahltag ist Dienstag, -er 1b. Dezember dieses Jahres bestimmt. Unter Hinweis auf die Bestimmungen in dm §8 45, 46, 53 und 54 der Städteordnung vom 24. April 1873 und mit Bezugnahme auf die im hiesigen Rathhause aushängende Wahlliste werden daher sämmtliche stimmberechtigte Bürger hiesiger Stadt aufgefordert, an dem gedachten Wahltage in der Zeit von Bormittags S bis Mittags 1 Uhr auf dem hiesigen Rathhause im Sitzungszimmer vor dem Wahlausschüsse bei Verlust deS Wahlrechts für gegenwärtigen Fall persönlich ihre Stimmzettel, auf welche zwei ansässige und drei nnansässige Bürger, welche wählbar, so zu verzeichnen sind, daß über deren Person kein Zweifel übrig bleibt, abzugeben. Hiernächst ist noch zu bemerken, daß bei dem Stadtgemeinderathe die Herren Stadtverordneten Restaurateur Carl Hermann Reiche, Schuldirektor Friedrich Ernst Gerhardt, Stadtgutsbesitzer Moritz Richard wätzel, Thierarzt Gustav Adolf Hermann Beeger, Lohgerbermeister und Fabrikant Johannes Richard Bruno Bretschneider und Kürschnermeister Otto Rudolf Apringsklee verbleiben und daher dieselben gleich den Herren Stadträthen und den städtischen Beamten nicht gewählt werden können, sowie, daß die am Eingänge dieser Be kanntmachung gedachten, aus dem Stadtgemeinderathe auöscheidenden Herren Stadtverordneten wieder wählbar sind. Stimmzettel werden ausgegeben. Wilsdruff, am 29. November 1895. Der Bürgermeister. Ficker. Tagesgeschichte. Der Kaiser traf am Mittwoch früh von seinem Besuche in Breslau wieder im Neuen Palais bei Potsdam ein. Das bedeutsamste Moment des Kaiserbesuches in der schlesischen Hauptstadt bildete die Rede des Monarchen beim Festmahle des Offizierkorps des Leib-Kürassier-Regiments anläßlich der Erinnerungsfeier an die Schlacht von Loigny. Ausgehend von den großen Erinnerungstagen der deutschen Armee auS der Zeit des Krieges von 1870, feierte der Kaiser den kamerad schaftlichen Geist im vaterländischen Heere in warmen Worten, um dann klar und scharf zu betonen, wie er, der Kaiser be stimmt und sicher auf seine Armee für jeden Fall rechne. Der erlauchte Redner verlieh diesem Hinweise dadurch noch eine be sondere Bedeutung, daß er hervorhob, wie man sich im Lande immer mehr hinter Schlagworte und Parteirücksichten zurück- ziebe, eine Anspielung, die wobl keiner näheren Auslegung be darf. Nach der Tafel im Offiziers-Casino stattete der Kaiser dem Fürst-Bischof Dr. Kopp einen Besuch ab. Am Dienstag Vormittag ließ der Kaiser die Garnison alarmiren, um 1 Uhr nahm er das Frühstück be>m Oberprästdenten Fürsten Hatzfeld ein unv Abends dinirte er bei den erbprmzlich meiningen'schen Herrschaften, worauf die Rückreise nach Potsdam erfolgte. Die wirthschaftliche Vereinigung de« Reichstags ist wieder zusammengetreten. Sie hielt am Dienstag ihre erste Sitzung ab, in derselben wurde der abgeändertc Antrag des Grafen Kanitz in Betreff der Verstaatlichung des Getreide handels einstimmig genehmigt. Während der Alte in Friedrichsruh am Dienstag nach Tisch seine lange Pfeife sich angesteckt hat, wird er vergnüglich ge schmunzelt und vielleicht der Worte des großen Humoristen Wil helm Busch sich erinnert haben: „Ja so was kommt von so was/ — Die kaiserliche Gnadensonne lat dem zusammentre tenden Reichstage nicht geschienen und grau wie der Himmel war die Stimmung, unter welcher die Eröffnung des Reichs tages sich geschäftsmäßig mit einer höchst geschäftsmäßigen Thronrede vollzog. Der Thronsessel im Weißen Saale des Kofferschlosses zeigte sich verhüllt, nicht zahlreich war die Ver sammlung, die sich eingefunden hatte und wenn nicht die Kon servativen ein starkes Kontingent gestellt hätten, so wäre nicht einmal die erste Nachmittagsoersammlung beschlußfähig gewesen; 208 Köpfe fanden sich in dem Riesenbauwerk zusammen. In der Thronrede wurde der „bismarckfeindliche" Reichölag zunächst, wohl nicht ohne Absichtlichkeit, darauf hingewiesen, daß seine „Arbeit in die Tage der Erinnerung an die große Zeit" falle, auch von der Weisheit der Staatsmänner, die zu des Reiches „Begründung" geführt haben, ist die Rede; der Name Bismarck brauchte nicht erst genannt zu werden, er klingt deutlich genug guS allen einleitenden Sätzen heraus. Den angekündigten Vor lagen, die durchweg den beiden Gebieten der Justiz- und Wirth- schaftsgesetzgebung angehören, ist mit Ausnahme etwa der No velle zur Gewerbeordnung, entgegengesehen worden. Von der Militärstrafprozeßordnunz, die man erwartet hatte, ist nicht die Rede, während der Finanzreform, obwohl sie weder erwartet war, noch angekündigt wird, Erwähnung geschieht, allerdings in einer Weise, mit der wenig oder gar nichts „anzufangen" ist. Ein Zuckersteuergesetz wird noch in Aussicht gestellt und nicht ohne Betonung der Schwierigkeit der zu lösenden Auf gabe, von Erwägungen der Regierungen berichlet. Die Stelle der Thronrede über den Handwerkskammerentwurf behebt jeden etwa noch vorhandenen Zweifel daran, daß die Errichtung des „Unterbaues" der Handwerksorganisation in dieser Tagung nicht Gegenstand der Berathung sein wird. Bei der Er wähnung der Lörsenreformvorlage wird — nicht in glücklich gewählter Form, aber verständlich und dabei zutreffend — her- oorgehoben, daß durch einen Mißbrauch der Börseneinrichtungen auch Volkskreffe, die sich Börsengeschäften fernhalten, insbesondere die Landwirthe, geschädigt werden können. Längere Zeit ver weilt die Thronrede bei der Sonntagsruhe, nicht ohne in einer keiner Mißdeutung ausgesetzten Wendung den Entschluß des Festhaltens an dieser Errungenschaft der sozialpolitischen Gesetz gebung kundzugeben. Hinsichtlich der Einschränkung der Ar beitszeit in gesundheitsgefährdenden Betrieben wird nicht klar, ob ein Vorgehen in naher Zukunft beabsichtigt ist. Es kommt hier nicht ein Akt der Gesetzgebung, sondern eine Entschließung des Bundesrathes in Betracht, dem die Befugniß bcigelegt ist, für solche Gewerbe, in welchen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorzuschreiben und die zur Durchführung erforderlichen Anordnungen zu treffen. Die Stelle über die auswärtige Politik beschränkt sich diesmal nicht auf die übliche knappe Kennzeichnung der Lage unter dem Gesichtspunkt der Friedensaussichten, sondern denkt der besonderen im asiatischen und europäischen Osten schwebenden Fragen und des Antheils Deutschlands an den Bemühungen, dieselben zu lösen. Bemerkens- werth, übrigens aber durchaus den Ueberlieferungen entsprechend ist die Andeutung, daß die Regierung Deutschland nicht zu den an den Vorgängen in der Türkei in „erster Reihe" interessirten Mächten zählt. Berlin, 30. November. Der Kaiser und das Hand werk. In der gestrigen Delegirtenversammlung des Jnnungs- ausschusses in Berlin berichtete der Obermeister Faster über die Unterhaltung des Kaisers mit den vier Handwerksmeistern ge legentlich des Diners beim Finanzminister Or. Miquel. Faster sowie sein Kollege Herzog-Danzig haben versucht, dem Kaiser nach bestem Wissen und Können ein Bild von der Organisation zu geben, wie die Handwerker sie wünschen, und sie seien dabei besonders auf den Befähigungsnachweis eingegangcn. Der Kaiser habe sich besonder« für einzelne Details sehr interesstrt und sei im Allgemeinen über die Handwerkerbewegung sehr gut informirt gewesen. Er habe sogar darnach gefragt, ob die englische Bot schaft auch diesmal wieder den Berliner Schornsteinfegerlehr lingen einen Weihnachtstisch aufbauen werde, und als Herr Faster noch keine bestimmte Antwort geben konnte, habe der Kaiser ergänzend hinzugefügt: „Na, dann muß mit der eng lischen Botschaft Rücksprache genommen werden." Die Hand werkervertreter haben bei der dreiviertelstündigen Unterhaltung die Ueberzeugung gewonnen, daß sich der Kaiser für das Hand werk sehr interesstre und daß er die bis ins Kleinste gehenden Details bei den Vorträgen der Reffortminister über die Hand- werkerorganisation nicht vergessen wird. Diese Mittheilungen wurden von den Delegirten der Innungen mit lebhaftem Bei fall begrüßt und man stellte den Antrag, dem Kaiser sofort ein Danktelegramm zu übersenden. Hiervon wurde jedoch auf An rathen des Vorstandes wieder Abstand genommen, weil die Unter haltung mit dem Kaiser keine offizielle Audienz gewesen und der JnnungsauSschuß deshalb vielleicht nicht für befugt erachtet werden könne, ohne jeden offiziellen Anlaß dem Kaiser ein Dank telegramm zu übersenden. Herr Faster bemerkte noch, daß die Handwerker-Konferenz sich nicht für den Boetticherschen, sondern für den Entwurf des Ministers von Berlepsch ausgesprochen habe. Der vom Bundesrathe angenommene Gesetzentwurf be treffend die Errichtung von Handwerkerkammern deckt iich nunmehr in der amtlich veröffentlichten Gestalt in den meisten Be stimmungen mit dem bereits bekannten und von uns besprochenen ersten Entwurf, wie er vom Bundesrathe an dessen Ausschüsse verwiesen worden ist. Von den von den Ausschüssen vorge schlagenen und von der Plenarversammlung genehmigten Ab änderungen sind hervorzuheben: die für die Wählbarkeit festge setzte Bedingung eines dreijährigen (ursprünglich einjährigen) selbstständigen Gewerbebetriebes in dem betreffenden Handwerkir- kammerbezirke, sowie die Verlängerung der Wahlperioden von 4 auf 5 Jahre. Durch die erstgenannte Abänderung wird den beständigen Elementen ein noch größeres Uebergewicht gesichert und damit der Einfluß der sozialistischen Einflüsterungen mehr zugänglichen beweglichen Massen zurückyedrängt. Bei der Ver längerung der Wahlperioden war zweifellos neben den allge meinen zu Gunsten längerer Perioden sprechenden Beweggründen insbesondere auch die Erwägung ausschlaggebend, daß eine längere ungestörte Arbeit in den Kammern den Mitgliedern derselben eine genauere Kenntniß der einschlägigen Verhältnisse ermöglicht und somit ihrem Urtheil ein größeres Gewicht beilegt. Herr v. Köller, der preußische Minister des Inneren wird nächstens aus seinem Amte scheiden, bereits hat er einen Urlaub genommen, derselbe wird zweifellos zur definitiven De mission des Ministers hinüberleiten. Ernste Meinungsverschieden-