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Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar Dienst tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertel), ( Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen s Mk. 55 Pf. Einzelne Nummern s0 Pf. Thllllilldt. DD, Mtnleh» lind die UiMMdtü. Imlsblull Inserate werden Montags, Mittwochs «end Freitags bis spätestens Mittags (2 Uhr angenommen. Insertionspreis sO pf. pro dreige spaltene Lorpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannschast Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. Sonnabend, den 9. November No. 133 1895. Aus Deutschlands großer Zeit. Erinnerungen zum 25jährigen Jubiläum des Krieges 1870/71. Von Eugen Rahden. (Nachdruck verboten) Der Festungskrieg II. (Fortsetzung). Sehr tapfer hielt sich die Festung Neubreisach. Diese war zwar nur klein, jedoch gut vertheidigt und besonders stark durch das bis an den Rhein vorgeschobene Fort Mortier. Generalmajor von Schmeling ließ die Festung am 7. und 8. Oktober beschießen, aber obwohl einige Brände entstanden, ver weigerte der Kommandant Oberst von Kerfor die Uebergabc. Da man sich zunächst mit Schlettstadt beschäftigen mußte, wurden vor Neubreisach nur geringe Truppen zur Beobachtung zurückgelassen. Die Besatzung von Neubreisach machte im Oktober mehrere glückliche Ausfälle, konnte jedoch die vollständige Ein schließung am 27. Oktober nicht hindern. Die deutschen Arbeiten konnten in Folge des steinigen Bodens nur langsam fortschreiten. Am 2. November wurde ein energisches Feuer auf Fort und Festung eröffnet, allein auch die Festung antwortete tapfer und wies einen Handstreich tapfer ab. Am 6. November kapitulirte das Fort, da nur ein Geschütz noch brauchbar war. Die Festung kapitulirte erst am 10. November, nachdem mehrere Straßen bis auf die Umfassungsmauern zerstört waren und d-r Kommandant von den Einwohnern um die Uebergabe be stürmt wurde. Beiden Besatzungen wurde der Abzug mit kriegerischen Ehren gewährt. Am 24. November fiel die nördlich von Metz gelegene Festung Diedenh ofen. Sie war, weil sie von den umliegenden Höhen mit Feuer bestrichen werden konnte, nicht sonderlich ver- theidigungsfähig. Am 12. November wurde die Festung ein geschlossen, indessen erschwerten auch hier schlechtes Wetter und felsiger Boden sehr die Arbeiten. Am 22. November in der Frühe begann das Bombardement, auf welches die Festung an fänglich sehr lebhaft antwortete. Sehr bald aber war die Garnison so sehr mit dem Löschen der Brände beschäftigt, daß fast keine Vertheidigung mehr stattfand. Die Verheerungen in der Stadt waren schrecklich. Um die Wirkung der Bomben abzuschwächen, riß man das Pflaster auf und leitete Wasser >n die Straßen. Am 23. November erschien die weiße Fahne auf einem Thurme. Ein preußischer Parlamentär begab sich in die Stadt, aber zu seinem Erstaunen bat der Kommandant, Oberst Turnier nur um freien Abzug der Weiber und Kinder, was ihm abgeschlagen wurde. Das Bombardement wurde wieder anfgenommen und der Stadt drohte völliger Untergang. Erst am 24. November abends wurde die Kapitulation unterzeichnet. Die Garnison, 120 Offiziere und 4000 Mann, wurden kriegs gefangen nach Deutschland abgeführt; 199 Geschütze und große Vorräthe wurden erbeutet. Drei Tage darauf fiel La Fsre, 3 Meilen nordwestlich von Laon gelegen, wichtig durch den westlich liegenden Eisen bahnknotenpunkt Tergnier. Die Festung konnte an einen längeren Widerstand nicht denken, da im Osten sich ein be herrschender Höhenzug hindehntc. Am 15. November begann die Einschließung. Am 19. November kam es vor der Festung zu einem dreistündigen Gefecht, das mit dem Rückzug der Franzosen endete. Am 25. November begann das Bombardement aus 24 Geschützen. Viele Häuser, auch Militärgebäude geriethen in Brand; ein großer Theil der Stadt stand m Flammen, die Batterien der Festung waren zusammengeschossen, die Vorräthe vernichtet, die Bevölkerung, der weder Keller noch Kasematten zu Gebote standen, war in höchster Verzweiflung. Da kapitulirte der Commandant, Fregattenkapitän Blanche, nach 30stündiger Beschießung. Am 27. November fand der Einzug der preußischen Truppen statt. Zum Schluß dieser Aufzählung sei die Einnahme der Citadelle von Amiens erwähnt, die am 30. November erfolgte, auf welche aber näher einzugehen wir bei den Kämpfen um Amiens Gelegenheit haben werden. 38 Lagerlcben, Aappenwesen 187071 I. Da viele ganze Darstellung des großen Kriegs sich nicht in Einzelheiten verlieren, vielmehr in großen Zügen ein Ge- sammtbild der großen Zeit DeutlchlandS geben soll, kann es auch nicht die Absicht dieses Kapitels sein, die Einzelheiten des Lebens der braven deutschen Truppen im Felde zu beschreiben; vielmehr soll nur gezeigt werden, mit welcher Sorgfalt die rückwärtigen Verbindungen nach der Heimath geschaffen und wie durch diese da« glückliche Ende des Krieges herbeigeführt wurde, wie es der gleiche Umstand war, der den deutschen Truppen das Aushalten im Feld- und die beständige siegreiche Schlagfertigkeit ermöglichte. Denn es ist eine Thatsache, bei den Kriegen unseres Jahrhunderts, daß es keineswegs nur auf die Tapferkeit und den Sieg im Felde ankommt, daß vielmehr zur Erhaltung des Sieges und weiteren Ausnutzung desselben die richtige Gesammt-Organisation und die Erhaltung der Schlag fertigkeit erforderlich ist. Zur Erhaltung dieser gehört aber die rationelle Verpflegung der Truppen. Napoleons I. Feldzug nach Rußland nahm nicht durch die ihm entgegenkommende feindliche Macht seinen schlimmen Ausgang, sondern weil er die rückwärtigen Verbindungen nicht zu sichern gewußt, weil seine Heere an dem Mangel von Nahrung und Bekleidung zu Grunde gingen. Die erste Sorge der deutschen Heeresleitung von dem Augenblicke, da man in Feindes Land eingedrungcn war, ihre Verbindung mit der Heimath und die dahin führenden Straßen zu sichern. Bereits Ende August hatte König Wilhelm den Generallieutenant Graf von Bismarck-Bohlen zum General- gouverneur von Elsaß, von Lothringen aber General von Bonin ernannt. Ein drittes Generalgouvernement wurde später in Reims und ein viertes endlich in Versailles errichtet. Den Generalgouverneuren waren Civilkommissare unterstellt. Die Schwierigkeiten, die sich ihrer Verwaltung entgegenstellten, waren nicht gering. Die französischen Beamten weigerten sich größten- tbeils, den Deutschen Dienste zu leisten. Man mußte deutsche Beamte kommen lassen; aber diese fanden gewöhnlich nur, wenn militärische Hilfe zur Stelle war, Gehorsam. Jndeß versuchten die Gouverneure trotzdem Handel und Industrie wieder zu be leben und sie richteten den Postdienst wieder ein. Die geregelten Verwaltungen der besetzten Landestheile bildeten die feste Basis für die Thätigkeit dec Etappeninspektionen. An der Spitze des ganzen Etappenwesens stand der General quartiermeister Generallieutenant von Podbielöki, der zum königlichen großen Hauptquartiere gehörte. Es war eine Riesen aufgabe, die ihm zu lösen oblag; mit der Sorge für die Etappen, war auch die für den Ersatz, die Verpflegung, die Lazarethe, Posten und Telegraphen verbunden; aber seine peinliche Ge wissenhaftigkeit, seine Wachsamkeit und Umsicht, seine uner schütterliche Ruhe und Geistesgegenwart überwanden alle Schwierigkeiten, die sich ihm entzegentürmten; ihm hatte die ungeheure Menschenmenge, die in Frankreich unter Waffen stand, es zu verdanken, daß alle Räder der großen Verpflegungs maschine ineinander griffen, ihm das deutsche Publikum die stets schnelle und zuverlässige Versorgung mit telegraphischen Depeschen, die gewöhnlich mit seinem Namen unterzeichnet waren. Jrde der drei großen Armeen hatte in Frankreich eine Generaletappen-Jnspcktion; jede der letzteren hatte eine Festungs pionier-Compagnie, eine Eisenbahn- und eine Telegraphenab- theilung zu ihrer Verfügung. Die Generaletappeninspektionen wurden entsprechend dem Vorrücken der Armeen vorgelegt. An den größeren Etappenorten wurden Magazine, Lazarethe und Bäckereien angelegt. Die erste wichtigste Sorge war jedoch die Herstellung von Verbindungen. Zahlreiche Eisenbahnen mußten theils gebaut, theils wieder fahrbar gemacht werden; Eisenbahn brücken mußten hergestellt, Tunnels wieder gangbar gemacht werden. Man darf daher nicht vergessen, daß all' diesen Arbeiten besondere Schwierigkeiten durch die noch nicht genommenen Festungen erwuchsen. Mit geringeren Schwierigkeiten hatte die Herstellung der telegraphischen Verbindungen zu kämpfen. Der Dienst war zwischen der Feld-, Etappen- und Staatstelegraphie vertheilt. Die erstere begleitete die Feld-Armeen und verrichteten oft ihre Arbeit im feindlichen Feuer. Die zweite folgte der ersten und legte regelmäßige Linien mit Querverbindungen an; die Staats telegraphie endlich baute diese Linien fester aus. In Nancy, Epernoy und Lagny wurden Kriegstelegraphendirektionen ein gesetzt, um die Verbindung zwischen Armee und Heimath zu erleichtern; später wurde Versailles der Mittelpunkt des Te- legraphenverkehrs. Das Maximum der Leitungen betrug bei der Feld- und Etappentelegraphie 10830 Kilometer mit 407 Stationen, bei der Staatstelegraphie 12500 Kilometer mit 118 Stationen. Auch die Post folgte der Armee. Der Norddeutsche Bund stellte ein Feldoberpostamt für das große Hauptquartier, je ein Armeepostamt für jede Armee und 13 Feldpostämter mit je 3 Expeditionen für jedes Armeekorps; später wurden diese Post ämter noch wesentlich vermehrt. Bayern, Württemberg und Baden schickten ebenfalls in entsprechender Anzahl ihre Post ämter in'S Feld. Später wurde ein Kurierpostkurs mit festen Stationen und ein Fahrpostbetrieb vom 15. Oktober ab auch für Packele eingerichtet; zur Erleichterung des Dienstbetriebes wurden in Berlin besondere Feldpostübersichten aufgestellt und vertheilt. In Nancy trat schon am 27. August eine deutsche Postadministration in Thätigkeit, die allmählich 40 Landespost anstalten eröffnete; anfangs Oktober wurden Oberpostdirektionen in Straßburg und Nancy geöffnet; die Zahl der ihnen unter stellten Postanstalten wuchs auf 158. Kriegslazarethe wurden an 500 Orten errichtet. Sammel plätze für die Zurückschaffung der Kranken und Verwundeten waren Nancy und Lagny. Kranken- und Sanitätszüge, jeder zu etwa 200 Betten wurden eingerichtet; 2000 Civilärzte er hielten außer den Militärärzten Verwendung. Zur Deckung der Etappen dienten rund 60000 Mann, aus norddeutscher und süddeutscher Landwehr bestehend, diese Truppen, welche die Etappenlinien begehen mußten, hatten einen äußerst beschwerlichen und gefahrvollen Dienst. Auf sie richte ten sich ganz besonders die Angriffe der feindseligen Landbe völkerung und der Franktireurs. Oftmals wurde die Bahn linie unterbrochen, der Telegraph gestört, Truppenfahrzeuge und Postwagen angefalle.r. Es war eine schwere Zeit für die Be siegten, aber auch für die Sieger. Der Reichstag. Die Einberufung des Reichstages auf den 3. Dezember hat das allgemeine Interesse erneut der ersten parlamentarischen Körperschaft Deutschlands zugelenkt, welche seit dem Schluffe ihrer jüngsten Sommersession völlig in den Hintergrund ge treten war. Als damals, am 24. Mai, die Reichöboten nach fast einhalbjähriger Tagung auseinandergegangen waren, daath- m-te man im Lande förmlich auf, daß diese lange parlamen tarische Qual nunmehr ein Ende genommen, und dieses Ge fühl durfte vollberechtigt genannt werden. Denn kaum noch ist je eine Sitzungsperiode des Reichsparlaments so unfruchtbar verlaufen, als dies von jener Session gelten muß, die vom 5. Dezember 1894 bis zum 24. Mai 1895 dauerte, fastsämmt- liche wichtigeren Vorlagen scheiterten entweder während der Be- rathungen oder sie blieben unerledigt. An diesem höchst be dauerlichen Gesammtergebnisse der letzten Session trugen eben so die geschäftlichen Dispositionen her Negierung wie der Reichs tag selber die Schuld. Das Parlament wurde mit Vorlagen zum Theil hochwichtigeren Charakters sozusagen überschüttet, welche Ueberlastung des Parlamentes schon an sich bedenklich war. Dazu kam aber noch die außerordentlich verspätete Ein berufung des Reichstages und schließlich machte sich alsbald im Verlaufe der Session eine große Arbeitsunlust seitens der Abgeordneten bemerklich, immer und immer wieder mußte die Beschlußunfähigkeit des Hauses festgestellt werden, was Wunder, da es da mit seinen Arbeiten nichts weniger als flott vorwärts gehen wollte! Leider eröffnen sich auch für d'e bevorstehende neue Session des Reichstages kaum bessere Aussichten. Es steht bereits fest, daß derselbe sich abermals mit einem sehr reichhaltigen Be- rathungsmaterial zu beschäftigen haben wird, da zu dem parla mentarischen Arbeitsprogramm u. A. der Entwurf des allge meinen bürgerlichen Gesetzbuches, der Etat, die Gesetzentwürfe über die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes, über die Reform der Börse und den Schutz der Bankdepots, die Novellen zu den Justizgesetzen und zur Gewerbeordnung, das angekündigte Margarinegesetz und eine neue Zuckersteuer-Vorlage, ferner vor aussichtlich dir sozialpolitischen Entwürfe, betr. die Reform des Jnvaliditäts- und Altersversicherungögesetzes und betr. die Aus dehnung der Unfallversicherung auf das Handwerk, sowie zweifel los noch verschiedene andere Berathungsstoffe gehören werden. Dies dürfte wiederum des Guten viel zu viel sein, und die Gefahr, daß abermals ein großer Theil der Reichstagsaufgaben unerledigt bleibe, liegt um s» näher, als auch diesmal die Reichsboten erst zum Dezember einberufen worden sind. Nach allen bislang mit der parlamentarischen Vertretung der Nation gemachten Erfahrungen zu urtheilen, ist es aber nicht wahr scheinlich, daß der Reichstag die Fülle der ihn erwartenden Arbeiten und seine späte Einberufung zum Anlaß nehmen wird, sich um so hingebender seinen Pflichten zu widmen, weit eher ist anzunehmen, daß auch die neue Session unter dem bedauer lichen Uebclstande häufiger Beschlußunfähigkeit leiden wird. Trotz alledem könnte der Reichstag gewiß noch vieles Positives vor sich bringen, wenn nicht immer wieder gerade in wichtigen gesetzgeberischen Fragen der starre Fraktionsstandpunkt entweder von dieser oder von jener Seite hervorgekehrt würde. An diesem Doktrinarismus, an dieser Prinzipienreiterei sind im Parlamente schon oft nothwendige Reformen gescheitert, und es steht zu befürchten, daß auch in der herangenahten Wintersession so manche bemerkenswerthe gesetzgeberischen Vorschläge an dem kleinlichen Zank der Parteien untereinander scheitern werden. In den Parieiverhältnissen des Reichstages haben die seit Schluß der vorigen Session nothwendig gewordenen Ersatzwahlen keine einschneidenderen Veränderungen bemerkt, der Verlust oder der Gewinn von ein paar Mandaten für die eine oder die andere Partei kann da keine Rolle spielen. Immerhin verdient der