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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 26.10.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-189510266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-18951026
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-18951026
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
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Jahr
1895
-
Monat
1895-10
- Tag 1895-10-26
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Monat
1895-10
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Jahr
1895
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Oktober 1879 erfolgte in Leipzig die Eröffnung des Reichsge richtes, zu dessen Präsidenten der hochverdiente nationale Poli tiker Dr. Martin Eduard Simson berufen wurde. In ausge zeichneter Weise leitete dieser Mann das ihm anvertraute hoch wichtige Institut, bis ihn Altersrücksichten im Jahre 1891 zum Rücktritte veranlaßten, worauf der Kaiser den bisherigen Staats sekretär im Reichsjustizamte von Oehlschläger zum neuen Reichs- gerichtspräfidenten ernannte. Seit dem Inkrafttreten des Reichsgerichtes sind demnach 16 Jahre verflossen und in diesem Zeiträume hat der höchste deutsche Gerichtshof die Hoffnungen und Erwartungen, welche in der Nation auf ihn gesetzt wurden, voll erfüllt, er hat sich durch seine Thätigkeit als einen unbeugsamen Hort deutschen Rechtes, als eine Leuchte deutscher Gerechtigkeit und Wissenschaft lichkeit erwiesen. Gewißlich darf darum das deutsche Volk der Zuversicht leben, daß das Reichsgericht auch in seinem neuen Heim voll und ganz seine hohe Aufgabe erfüllen und auch ferner hin das ihm zugewendete Vertrauen der weitesten Volkskreise rechtfertigen werde. Ein bedeutungsvoller Zufall fügt es, daß das neue Reichsgerichtshaus in demselben Jahre -ingeweiht wird, in welchem der Entwurf des allgemeinen bürgerlichen Gesetz buches zur Vorlage für den Reichstag endlich fertiggestellt worden ist — als ein glückliches Omen sei es darum begrüßt, daß die Weihe des stolzen Justizpalastes des Reiches in Leipzigs Mauern gewissermaßen am Vorabend des Tages vor sich geht, am welchem das gemeinsame bürgerliche Recht als nationales Band die deutschen Stämme umschlingen wird! Aus dem Gustav-Adolf-Verein. (Fortsetzung.) Wie groß ist das Trümmerfeld, auf dem der Gustav- Adolf-Verein zu bauen und zu stützen hat, wie zahlreich die verstreuten Ueberreste einst so blühender evangelischer Gemeinden, welche der Verein zu schützen hat, daß sie nicht dem Seelenfange Roms und seiner Pionier? zur Beute werden. Als Luther einst die reform. Bewegung entfachte und das Feuer anzündete mit seiner Begeisterung für die Wahrheit, die aus dem Berg mannssohn den großen Propheten und Helden machte, da eroberte sich der reformatorische Gedanke wie im Sturme die Länder und die Völker, und der jungen Kirche wurden Kinder geboren, wie der Thau aus der Morgenröthe; um 1550 war^„ von ganz Deutschland evangelisch, in Ermland und Köln hatten die Erzbischöfe selbst die Reformation eingcführt; im Straßburger Münster ward das Evangelium verkündigt; in Frankreichblühten 4000 evangelische Gemeinden und der Präsident des französischen Parlaments schrieb 1560 an den König von Frankreich, daß die Mehrzahl der Mitglieder des Parlaments Lutheraner seien. In Oesterreich war die Mehrzahl der Einwohner von Wien Protestantischund fastkeins der bekanntesten Adelsgeschlechter war katholisch geblieben, ganz Böhmen mar evangelisch; in Ungarn kam auf 32 Einwohner nur noch 1 Katholik, ja selbst in Italien blähten evangelische Gemeinden auf. Wie ist's heute? Die Gegenreformation kam und mobilisierte ihre Sturmkolonnen geistlicher und weltlicher Macht; mit Kerker und Schaffet, Feuer und Schwert, Folter und Scheiterhaufen wurde die Reformation bekämpft; den Evangelischen wurden die Kirchen genommen, die Bibeln verbrannt, die Prediger und Lehrer vertrieben, die Stand haften eingekerkert und gepeinigt oder erbarmungslos von Haus und Heimath verjagt; es ist dies eins der traurigsten Blätter in der Weltgeschichte, einer der unverwischbaren Schandflecke menschlicher Bosheit und Grausamkeit. Wie ein Orkan über das fruchtbare Gefilde dahinbraust, Alles vor sich niederwerfend, die Werke von Menschenhand zertrümmernd, so wütheten die Feinde der Reformation in deutschen Landen und bedeckten sie in kurzer Zeit mit den Trümmern evangelischer Kirchen und Gemeinden. 5 Königsgeschlechter, 3 Kurfürsten 32 Herzöge, 54 regierende Fürsten, Markgrafen und Grafen sind unsrer Kirche verloren gegangen; Schlesien war um 1600 ganz evangelisch, und ein schlesischer Bischof mußte 1609 durch seine zum Fürsten tag reisenden Abgeordneten sagen lassen: „Die Augsburgische Confession ist in Schlesien so ausgebreitet, daß keine Stadt noch Dorf wäre, vier ausgenommen, da nicht die Kirchen mit der Augsburgischen Confession verwandten Predigern besetzt sind. Da ertheilte Kaiser Ferdinand II., von den Jesuiten auf gestachelt, dem Grafen Hannibal von Dohna den Befehl, mit seinen Lichtensteiner Dragonern die Ketzer zu strafen. In der Stadt Glogau fingen sie an; mit gezogenen Säbeln ging es von Haus zu Haus; man schleppte die Unglücklichen an den Haaren zur Messe, peitschte sie mit Ruthen, zerrte sie zum Galgen. 1300 Kirchen wurden den Evangelischen genommen; ähnlich ging es in Oesterreich her, und es ist ein Wunder, daß dort evangelische Gemeinden die furchtbaren Stürme überstehen, jene entsetzlichen Verfolgungen überleben konnten; ein blühendes evangelisches Leben gab es einst auch in Frankreich; der Friede von St. Germain 1570 hatte den Hugenotten, d. h. den Evangelischen, Sicherheit für Person und Eigenthum, Ge wissens- und Cultusfreiheit gebracht, da tönte am 24. August 1572, am Bartholomäustag, die Glocke der Kirche von St. Germain, und ihr gellender Ton zeigte den Beginn des furcht barsten Blutbades an, das je die Straßen von Paris befleckt hat, der Pariser Bluthochzeit. Von Paris pflanzte sich das Gemetzel bis in die Provinzen fort; gegen 50000 Evangelische sind ihm zum Opfer gefallen, kein Älter, kein Geschlecht wurde geschont; auf die Pariser Bluthochzeit folgten die berüchtigten Dragonaden Ludwigs XIV., welche die evangelische Kirche vollends ausrvttetm. Frankreich ist seitdem, statt ein Land der Reformation, das Land der Revolution geworden und geblieben; in Spanien rottete die Inquisition die evangelisch- Kirche aus, über 34000 Ketzer fielen bis in unser Jahchundert hinein der Inquisition auf dem Scheiterhaufen zum Opfer, gegen 290000 wurden lebenslänglich eingekerkert oder auf die Galeeren verschickt. In allen den genannten Ländern, zu dem noch Italien mit den Waldensergemeinden hinzukommt, haben sich Ueberreste der evangelischen Kirche bis auf den heutigen Tag erhalten und durch Einwanderung Evangelischer vermehrt. Und nicht nur aus Oesterreich, dem Schmerzenskinde des Gustav-Adolf-Vereins, aus Frankreich, Belgien, Spanien, Italien, sondern auch aus Rußland, dem Orient, Persien, Aegypten, Südamerika, der Capkolonie u. s. w. strecken evangelische Christen die Hände hilfeflehend nach dem Gustav-Adolf-Verein aus und rufen: Komm herüber und hilf uns! und der Gustao-Adolf-Verein kommt und hilft. (Fortsetzung folgt.) Tagesgeschichte. Im ersten Jubeljahre der deutschen Einheit findet am heutigen Sonnabend die glanzvolle Einweihung des neuen Reichsgerichtsgebäudes in Leipzig statt. Es ist dieses Zusammentreffen wohl nur ein Zufall, aber ein bedeutsamer, denn für alle patriotischen Kreise unseres Volkes muß der Ge danke, daß gerade inmitten der Silberfeier der großen Ereig nisse von 1870 sich die Weihe des Reichsjustizpalastes in Leipzigs Mauern vollzieht, ein überaus erhebender sein. Bringt doch das Prachtgebäude, in welchem der höchste Gerichtshof Deutsch lands nun seit einigen Wochen sein Heim aufgeschlagen hat, abermals die erfolgte nationale und politische Einigung unseres Gesammtvaterlandes zum bleibenden symbolischen Ausdruck, ist doch mit ihm aufs Neue ein herrliches und gewaltiges Monu ment deutscher Einheit, Macht und Größe errichtet worden. Darum werden gewiß alle deutschen Patrioten im Geiste leb haften Antheil an der bedeutungsvollen Feier nehmen, welche am 26. Oktober in dem altehrwürdigen Leipzig vor sich geht und sicherlich wird der Wunsch zu dem festlichen Ereignisse ein allgemeiner sein, daß auch im neuen Reichsgerichtsgebäude nur ein guter Stern über den Beschlüssen des obersten deutschen Ge richtshofes leuchten möge. — Der Einweihung des neuen Reichs gerichtsgebäudes wird von fürstlichen Gästen außer dem Kaiser und König Albert von Sachsen voraussichtlich nur noch Prinz Georg von Sachsen beiwohne.r. Die beiden Monarchen treffen, wie bekannt, in der zwölften Vormittagsstunde des 26. Oktober kurz hintereinander auf dem Dresdner Bahnhof in Leipzig ein und begeben sich dann gemeinsam durch die hierzu bestimmten Einzugsstraßen nach dem Festgebäude. Hier findet sofort nach Ankunft der erlauchten Festgäste die feierliche Schluß steinlegung nach dem festgesetzten Programm in Gegenwart des Reichskanzlers, der Bundesrathsbevollmächtigten, der Herren des Reichstagspräsidiums, der Chefs der Reichsämter, der Mitglieder des Bundesrathsausschusses für Justizwesen, der Vertreter des sächsischen Staatsministeriums und der Leipziger Behörden, der Mitglieder des Reichsgerichtes u. f. w. statt. Nach einer Be sichtigung des Gebäudes nehmen die Majestäten sowie die vor nehmsten übrigen Festgäste ein Frühstück in den Repräsentations räumen der Wohnung des Reichsgerichtspräsidenten ein, der Kaiser und der König fahren hierauf nach dem Bayrischen Ba hnr Hofe und reisen von letzteren gemeinschaftlich wiederab. Während König Albert nach Dresden resp. Pillnitz zurückreist, gedenkt Kaiser Wilhelm, wie verlautet, von Leipzig aus zunächst an einer Jagd in Liebenberg, der Besitzung des deutschen Boschafters in Wien, Grafen Eulenburg, theilzunehmen. Die „Könische Zeitung" schreibt an der Spitze ihrer jüngsten Abendnummer: Die einfache thatsächliche Meldung des „Reichs-Anz.", daß Prinz und Prinzessin Heinrich zum Besuch beim Kaiser und der Kaiserin im Neuen Palais abgestiegen seien, habe, nachdem das Prinz lich? Paar sonst immer im Palais der Kaiserin Friedrich abgestiegen, offenbar den Zweck gehabt, die unausgesetzt von den fremdländischen Zeitungen verbreitete Nachricht, daß zwischen dem Kaiser und dem Prinzen Heinrich eine Verstimmung vorhanden sei, schlagend zu widerlegen. Das Verhältniß zwischen beiden habe nie eine Trübung erfahren und sei immer das beste und innigste gewesen. Wie erst nachträglich bekannt wird, hat der Kaiser am 16. Oktober in Metz bei der Mittagstafel im Offizierscasino des Königs-Jnfanierie-Regiments eine längere und scharf accen- tuirte Ansprache gehalten. Der Kaiser führte nach dem „Hamb. Corresp." dabei ungefähr Folgendes aus: Er rede unter dem Eindruck, den der Ritt über die Schlachtfelder am Morgen auf ihn gemacht habe. Es sei ihm dabei klar geworden, daß Das, wovon die Denkmäler dort reden, nur erreicht werden konnte durch stramme Zucht, Treue und aufopfernde Tapferkeit sowie blinden Gehorsam. Er erwarte im Frieden Handhabung eiserner Disciplin auch bei Ausbildung der Rekruten, im Kriege das Einsetzen der eigenen Person, um das zu erhalten, was die Väter errungen haben. Es ist eben nur die altpreußische rück sichtslose Offensive, mit der wir etwas erreichen können. Der Colonia lrath tritt, als Vorläufer der Reichstags session, am 28. Oktober zu seiner neuen Session zusammen. Neben der Feststellung der Etats für die verschiedenen Schutz gebiete wird sich die genannte Körperschaft auch noch mit einigen anderen Aufgaben zu befassen haben, wozu u. A. die Berathung oer ausgearbeiteten Vorlage über die Vorbildung der in den Schutzgebieten zur Verwendung kommenden Beamten und Offi zieren gehört. Die Vorlage bezweckt, daß künftig keine Personen m den deutschen Schutzgebieten mehr Anstellung finden, welche sich nicht zuvor eine genügende Kenntniß der in ihrem künftigen Wirkungskreise herrschenden Sprache, Sitten und Gebräuche an geeignet haben. Wie nothwendig eine derartige Bedingung ist, dies liegt angesichts einer ganzen Reihe von bedauerlichen Vor gängen in unseren Colonien auf der Hand. Marburg. Wie gemeldet, war der Kaufmann N. N. Hahn in Borken wegen Unterschlagung von 40000 Mk. während seiner Thätigkeit als Verwalter der dortigen DarlehnS- kajse verhaftet worden und in das hiesige Untersuchungsgefäng- niß gebracht. Die Kassenreviston hat jedoch die traurige Lhat- sache gezeitigt, daß das Defizit sich als bedeutend höher, näm- 200 000 Mk. herauSstellte. Eine Reihe von Personen soll ganz erhebliche Summen verloren haben. Zwanzigtausend Mark für die Sozialdemokratie hat Friedrich Engels testamentarisch vermacht. Die „Genossen" Bebel und und Singer, als Testamentsvollstrecker ernannt, sind nur die nominellen Erben. In einem aus dem Engelschen Nachlasse aufgefundenen Schreiben an die beiden genannten „Genossen" heißt es: „Die tausend Pfund, die ich Euch zu Wahlzwecken ver macht habe, mußte ich in dieser Form vermachen. . . . Sorgt also vor allem, daß ihr das Geld bekommt, und wenn Ihr es habt, daß es nicht den Preußen in die Hände fällt. Und wenn Ihr über diese Punkte Beschluß faßt, so trinkt eine Flasche guten Wein dazu. Solches thut zu meinem Gedächtniß!" Wenn Herr Engels, den die deutsche Arbeiterschaft nach dem Parteikommando als ihren „Vater" verehren soll, die angegebene beträchtliche Summe einer Unterstützungskasse vermacht, oder zur Begründung eines Arbeitslosenfonds festgelegt hätte, so würde er sich in weit höherem Grade als „Arbeiterfreund" gezeigt haben, als er dies dadurch thut, daß er die sozialdemo kratische Parteikrippe füllt, aus der für die „einfachen" Arbeiter bekanntlich niemals etwas abfällt. Der am Dienstag erfolgte Wiederzusammentritt des öster reichischen Reichsrathes Hal das erwartete Regierungöpro- gramm des neuen Ministeriums Baden! gezeitigt. Dasselbe weist folgende Hauptpunkte auf: Wiederherstellung des Natio- nalitäten-Friedens in Oesterreich unter Wahrung des Staats gedankens und der historischen Stellung des deutschen Elements, Verständigung in der „böhmischen Frage", Bekämpfung der auf den Umsturz in der Gesellschaftsordnung zielenden Bestrebungen, Betonung des religiösen Moments im Staatsleben, Verfolgung, wirthschaftlicher und sozialer Reformen, Erneuerung des Aus-- gleichs mit Ungarn, Wiederaufnahme der Wahlreform, Durch führung der Steuerreform. Die neue Regierung will sich auf keine besondere Partei stützen, sie gedenkt vielmehr zu führen nicht aber sich führen zu lassen. Diese vom Ministerpräsiden ten Grafen Badem im Abgeordnetenhause und dann im Herren hause verlesene programmatische Erklärung wurde in beiden Häusern mit lebhaftem Beifall ausgenommen, in der That sind es auch schöne und erstrebenswerthe Ziele, welche sich die neue Regierung gesteckt hat. Hoffentlich gelingt es auch dem Kabinet Baden!, sein verheißungsvolles Programm auszuführen und so mit Oesterreich den inneren Frieden wiederzugeben. Das Unterbleiben des Besuches König Karls von Portugal am römischen Hofe hat halb und halb einen Ab bruch in den diplomatischen Beziehungen zwischen Italien und Portugal herbeigeführt. Wenigstens ist in der Unterredung, welche der italienische Geschäftsträger in Lissabon mit dem portu giesischen Minister des Auswärtigen wegen des Nichtzustande kommens des Besuches des Königs Karl in Rom hatte, von ersteren offen erklärt worden, daß sich die italienische Gesandt schaft bis auf Weiteres auf Erledigung der laufenden Geschäfte beschränken würde. Am 22. Oktober begann in Fr ankr eich die außerordentliche Herbsttagung des französischen Parlamentes. Die Deputirten- kammer wird ihre Berathungen aufnchmen, trotzdem, daß gerade die nöthigste Arbeit, die Erledigung des Budgets jetzt noch nicht geschehen kann, weil die Berichte der Budgetkommission nicht so weit vorgeschritten sind, um die Plenarberathung zu gestatten. In den ersten Sitzungen werden sich daher die De- putirten mit den eingegangenen dreißig Interpellationen be schäftigen, die sich alle auf dem Gebiete der inneren und äußeren Politik bewegen. Von den angemeldeien Anfragen an die Re gierung behandeln allein sechs den Feldzug auf Madagaskar, der ja zum Glücke des jetzigen Kabinets gerade vor der Er öffnung der Kammern zu einem für Frankreich günstigen Ab schlusse gelangt ist. Hätte er mit einem Mißerfolg geendet, so wäre der Sturz des Kabinets Ribot wahrscheinlich unver meidlich gewesen. Es bleiben der Opposition ohnehin noch genug Angriffspunkte wegen der mehr als mangelhaften Aus führung der Expedition, die Tausenden von Soldaten das Leben kostete, weil nicht die geeigneten Vorkehrungen für die Ver pflegung und Vorsichtsmaßregeln gegen das Klimafieber getroffen waren. Die Kammer wird aber auch einiges über die zukünftige Verwaltung des Hovareiches hören wollen und sie hat ja noch die Sanktion der provisorisch getroffenen Maßregeln der Beseh ls« Haber der Expeditionsarmee zu ertheilen. Auch die Südbahn angelegenheit drohte für das Ministerium ein empfindlicher Än- griffspunkt der Opposition zu werden, doch vermag der betreffende Minister auf Interpellation von gegnerischer Seite auf die ebenfalls zur rechten Zeit eingetretene Verurtheilunz des Senators Magniec hinzuweisen. Magnier hat bekanntlich den Sach verständigen, dec sich in seinen Schätzungen über den Bahn bau um 800000 Frank täuschte, nicht genannt, und so fehlt jeder sichere Anhaltspunkt für persönliche Anschuldigungen. Unter den weiteren Interpellationen wirb auch der Streik von Carmaux eine Rolle spielen. Die sozialdemokratischen Abge ordneten wollen gegen die Regierung Sturm laufen wegen der von ihr in dem Jndustriebezuke getroffenen Maßnahmen. Speziell über die Budgetdebatte wird aus Paris versichert, daß dem Ministerium Gefahr drohe, wenn der Budgetausschuß der Kammer an seinen bisher bekannt gewordenen Abstrichen fest hält, von denen die zuständigen Minister sagen, sie würden eine gänzliche Zerrüttung der ihnen anvertrauten Ressorts, des Kriegs und der Marine, der Kolonien und der öffentlichen Bauten, des Unterrichts und des Kultus bedeuten. Nur um Opposition zu machen und einem neuen Kabinette ihrer Richtung die Pfade zu ebnen, wollen viele Radikale die Berichterstatter unterstützen, welche mit schonungsloser Reformatorenhand ins Zeug gehen, ohne sich weiter darum zu kümmern, ob ihre Kreditherabsetzungen auch thunlich seien. Die beträchtlichsten gehen den Krieg und die Marine an, bei denen Cavaignac und Pclletan zusammen siebenundsiebzig Millionen ersparen wollen. Das ist allerdings des Redens werth, allein der Kriegsminister General Zurlinden behauptet, Cavaignac wisse nicht, was er sage und macht Miene, sein Portefeuille niederzulegen, wenn das Haus sich in technische Heeresfragen mischen wollte. Dann aber könnte das ganze Kabinet ins Wanken gerathen. vaterländisches Wilsdruff. Auch an dieser Stelle weisen wir darauf hin, daß nächsten Dienstag, den 29. Oktober, im Anschluß an den 11 Uhr 40 Min. Abends von Dresden-Altstadt abgehenden Personenzug ein Personensonderzug von Potschoppel nach Wils druff in folgendem Fahrplane verkehrt: Abfahrt in Potschoppel Nachts 12 Uhr 10 Min.; Ankunft in Wilsdruff Nachts 12 Uhr 58 Min. Zur Benutzung des Sonderzuges, welcher an allen Verkehcsstellen der Linie hält, berechtigen die gewöhnlichen Fabrkarten. — Gestern Donnerstag Abend hielt Herr Schuldirektor Gerhardt im hiesigen „Gemeinnützigen Verein" einen Vortrag über „Hans Sachs," den berühmtesten der deut schen Meistersängen. Der kleine Saal des „Hotels zum goldenen Löwen" war voll besetzt von Hörern welche dem interessanten Vortrag selbst mit größter Aufmerksamkeit folgten. Herr Schul direktor Gerhardt verstand es durch seine vorzügliche Vortrags weise ein lebendiges Bild aus dem Leben und Wirken des HanS Sachs zu entwickeln, weshalb ihm auch nach Schluß seines Vor trags lebhafter Beifall gezollt wurde. Aus dem Vortag selbst werden wir in nächster Nummer einen kurzen Auszug an dieser Stelle bringen. — Am vorigen Dienstag Abend wurde von Wilsdruff aus ein prächtiges Meteor beobachtet. Die herrliche Lichterscheinung tauchte plötzlich am Firmament auf, einen ziemlich Hellen bläu lichen Schein verbreitend und der lange Schweif sich am Ende in kleine Kugeln auflösend. Das Me teorbewegte sich in mäßiger Schnelligkeit in der Richtung von Ost nach West unserer Struth
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