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WmM für Mskuff Erscheint wSchsntlich dreimal u. zwar Diens tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. s M. 30 j)f., durch die j)ost bezogen I Mk.55j)f. Einzelne Nummern sO Pf. Thmndt, Mm, Menleh« Md die AmgeMde». Imlsölsll Inserate werden Montags, Mittwochs mH freitags bis spätestens Mittags s2 Uhr angenommen. Insertionspreis s 0 Pf. pro dreige spaltene Eorpuszeile. für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruffs sowie für das Rgl. Forstreniamt zu Tharandt Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 123. Donnerstag, den 17. Oktober 18SS. Bekanntmachung. Von dem von ^osse'schen Leitfaden für die Gemeindeoorstände und Gutsvorsteher ist im Auftrage des Königlichen Ministeriums des Jnnnern ein neue (6.) Auflage erschienen. Da in derselben auf die seit dem Erscheinen der fünften Auflage im Jahre 1884 ergangenen Gesetze Rücksicht genommen worden ist, so wird die Anschaffung dieser 6ten Auf lage den Herren Gutsvorstehern und Gemeindevorständen beziehentlich auf Kosten der Gemeindekasse hiermit empfohlen. Meisten, am 3. Oktober 1895. Königliche Amtshauptmannschaft. von Schroeter. Bekanntmachung. Mit Geld bis zu 60 Mark — oder Haft bis zu 14 Tagen wird bestraft, wer in den hiesigen Saubach Asche, Schutt oder anderen Unrath schüttet oder wirft. Wilsdruff, am 15. October 1895. Der Bürgermeister. Ficker. Tagesgeschichte. Am Sonntag hat der russische Minister des Auswärtigen, Fürst Lobanoff, eine Audienz bei Sr. Majestät dem deutschen Kaiser zu Hubertusstock gehabt und gleichzeitig war mit ihm der deutsche Reichskanzler dort awesend. Das wird ein ergiebiges Thema für die Politiker besonders in Frankreich ab geben. Selten sind an die Reise eines Ministers so aus schweifende Hoffnungen von einem fremden Volke geknüft worden, wie von der französischen Presse an den Aufenthalt des Fürsten Lobanow in Frankreich. Seine Unterredungen mit Herrn Ha no- taux, sein Besuch bei dem Präsidenten der Republik wurden ge radezu als Beweise der russisch-französischen Allianz aufgefaht und ausgebeutet, und die sonderbare Begeisterung freier Republi kaner für den Zar machte sich in den geschmacklosesten Aus brüchen Luft. Die alte Leier der Revanche ward gedämpft, aber doch hörbar gerührt, und aus ihren Klängen tönte ver nehmlich Ein Akkord heraus. Fürst Lobanow war durch Deutsch land gefahren, ohne sich dem deutschen Kaiser vorzustellen. Daß dies durch einen Zufall, durch die Abwesenheit Wilhelms II. von Berlin, auf die natürlichste Weise erklärt war, focht die Franzosen ebensowenig an wie der Umstand, daß Fürst Lobanow zur Erholung und nicht zu politischen Zwecken nach Frankreich gekommen war. Sie schwelgten förmlich in dem Gedanken, der leitende russische Staatsmann habe eine Begegnung mit dem deutschen Kaiser vermieden, und sie zogen aus der falschen Prä misse die künsten Folgerungen. Man wird daher in Paris sehr unangenehm von der Nachricht überrascht sein, daß Fürst Loba now in Hubertusstock von Kaiser Wilhelm II. empfangen worden 'st. Außerbalb Frankreichs bringt diese Mittheilung umgekehrt einen guten Eindruck hervor. Die Audienz des Fürsten Loba now bei dem deutschen Kaiser ist kein bloßer Höflichkeitsbesuch, sonst würde der Reichskanzler Fürst Hohenlohe nicht nach dem Jagdschlösse Hubertusstock entboten worden sein. Seine An wesenheit verleiht der Audienz des russischen Staatsmannes po litische Bedeutung, und man darf wohl annehmen, daß zwischen ihm und dem Fürsten Lobanow die brennende Frage des Augen blicks zur Erörterung gekouimen sei. Das Interesse, welches Deutschland an den orientalischen Angelegenheiten nimmt, ist nur ein mittelbares, aber angesichts der gegenwärtigen Lage im Orient kann sich keine Großmacht ernster Erwägung derselben entziehen. Die Enttäuschung, welche die Audienz des Fürsten Lobanow den Franzosen bereiten mag, ist nebensächlich im Ver gleiche mit der Thatsachc selbst, daß der Leiter der auswärtigen Politik Rußlands und der deutsche Reichskanzler sich begegnen und aller Wahrscheinlichkeit nach über die orientalischen Dinge zu verständigen suchen. Bis jetzt haben die Mächte des Drei bundes sich dem diplomatischen Feldzuge, den England im Ver- eine mit Frankreich und Rußland gegen die Türkei führt, voll ständig fern gehalten. Wohl haben alle fremden Botschafter in Konstantinopel sich an dem Kollektioschritte betheiligt, der aus Anlaß der blutigen Vorfälle vom 30. September bei der Pforte unternommen ward. Allein die Diplomatie Deutschlands, Oester reichs und Italiens hat dafür Sorge getragen, daß ihre Theil- nahme "icht falsch ausgelegt werde. Sie hat die ausdrückliche Erklärung verbreiten lassen, daß ihre Ermahnungen an die türkische Regierung, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten und Leben und Eigenthum ihrer christlichen Unterthancn zu schützen, nicht den Anschluß an die englische Politik in der armenischen Frage bedeuteten. Sie hat der Pforte wohl gerochen, das eng lische Reformprojekt anzunehmen, aber sie hat im Uebrigen eine von der englischen Politik sehr abstechende Zurückhaltung be obachtet. Auch unter den drei Mächten, welche die Reformen für die armenischen Provinzen begehren, herrscht keine volle Ein tracht. England setzt der Türkei das Messer an die Kehle, während Rußland die Reformforderungen für Armenien nur mit sichtlicher Lauheit unterstützt. Die Rollen im Orient sind völlig vertauscht. England wirft sich zum Beschützer der Christen in der Türkei auf und trachtet Rußland bei ihnen auszustechen; Rußland selbst secundirt dem alten Nebenbuhler, der ihm die traditionelle Mission aus der Hand winden will, nur des An standes halber, nur zögernd und widerwillig. Lord Salisbury geht in der armenischen Frage mit Volldampf voraus, in Peters burg legt man die Bremse an. Rußland ist also heute der jenige Staat, welcher in Bezug auf orientalische Angelegenheiten am leichtesten eine allgemeine europäische Uebereinstimmung er zielen kann. Vor fünfzehn Jahren hätte diese Behauptung mehr als paradox geklungen; heute entspricht sie der Wirklichkeit. Rußland bildet die mäßigende Kraft in der ganzen gegen die Türkei gerichteten Campagne. Daß es nicht aus Edelmuth, sondern aus Eifersucht auf England so handelt, ist für die po litische Mathematik gleichgiltig. Die Gefahr, welche im Orient emporzuwachsen scheint, kann vielleicht nur dadurch beschworen werden, daß sämmtliche Großmächte einig vorgehen. Bis jetzt sondern sie sich trotz der gemeinsamen Vorstellungen der Bot schafter in Konstantinopel in zwei Gruppen. Auf der einen Seite England, Frankreich und Rußland, auf der anderen die Dreibundstaaten. Diese Gegenüberstellung hat angesichts der Möglichkeit, daß der nächste Frühling neue Unruhen in der eu ropäischen Türkei bringen könnte, etwas Unheimliches. Soll der europäische Friede nicht bösen Zufällen preisgegeben werden, so thut ein Zusammenschluß der Mächte noth. Verständigen sie sich rechtzeitig, dann mag im Orient was immer geschehen, die Ruhe Europas wird nicht darunter leiden. Wenn zwischen Rußland und Deutschland ein Uebereinkommen erzielt würde, wäre dies dec erste Schritt zu gemeinsamer Arbeit der Mächte im Orient. Dürste man den Besuch des Fürsten Lobanow in Hubertuöstock in dem Sinne auffassen, daß er eine Lutsnts coräials der Großstaaten gegenüber allen Ereignissen im Orient anbahnen solle, dann wäre der gestrige Tag von großer und guter Bedeutung für die friedliche Entwicklung der nächsten Zukunft. Straßburg, 14. Oktober. Se. Maj. der Kaiser hat gestern aus Hubertusstock folgendes Telegramm an den Statt halter gerichtet: „Erfahre soeben aus Zeitungen die Kunde des abscheulichen Mordes an dem Fabrikherrn Schwartz in Mühl hausen. Ich bitte daher Ew. Durchlaucht in Meinem und der Kaiserin Namen, Unser innigstes Beileid der unglücklichen Wittwe auszusprechen. Wieder ein Opfer mehr der von den Sozialisten angefachten Revolutionsbewegung. Wenn unser Volk sich doch ermannte. Wilhelm." Kürzel, 15. Oktober. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin mit Gefolge sind heute vormittag 9 Uhr 10 Min. mittels Sonderzuges hier eingetroffen. Die Sonne hatte eben die Wolken dnrchvrochen, sodaß der Himmel heiter war. In der Umgebung des Bahnhofes hatte sich eine zahlreiche Menschen menge angesammelt. In der Nähe der Empfangshalle hatten die Schulen, die Kriegervereine und die Feuerwehr Aufstellung genommen. Auf dem Bahnsteig erwarteten der Bezirkspräsident, der Kreisdirektor und Eisenbahnbetriebsdirektor Kecker aus Metz, der Bürgermeister und der kowmandirende General des 16. Armeekorps, Graf Haeseler, die Majestäten. Eine Ehrmkom- pagnie war nicht aufgestellt. Se. Majestät der Kaiser trug die Uniform des Königs-Infanterieregiments No. 145 und über der selben den grauen Mantel, Ihre Majestät die Kaiserin ein mit Pelz verbrämtes Reisekostüm. Vier weiß gekleidete junge Damen mit Schärpen in den deutschen Farben überreichten Ihrer Majestät Sträuße, welche Allerhöchstdieselbe dankend entgegennahm, indem Ihre Majestät jeder der Damen huldvollst die Hand reichte. Se. Majestät begrüßte den Bezirkspräsidenten Freiherrn von Hammerstein, den Kreisdirektor Gundlach, sowie den komman- direnden General Grafen von Haeseler nacheinander auf das Freundlichste und nahm sodann die Vorstellung des Bürger meisters entgegen. Hierauf erfolgte die Abfahrt nach Urville unter lebhaften Hurrahrufen der überaus zahlreich anwesenden Bevölkerung und der Schulkinder, welche Blumen in den vier spännigen Wagen Ihrer Majestäten warfen. Im Dorfe waren die Häuser reich beflaggt. Urville, 15. August. Der Kaiser und die Kaiserin trafen, zu Wagen aus Kürzel kommend, in bestem Wohlsein hier ein. Die Kaiserin war sichtlich überrascht von den herrlichen Park anlagen, welche das kaiserliche Schloß umgeben. Metz, 15. Oktober. Der Kaiser und die Kaiserin trafen nachmittags 4 Uhr 30 Min. hier ein und begaben sich, auf dem ganzen Wege von endlosem Jubel begrüßt, nach der Kathedrale. Alle Häuser hatten festlich geflaggt. Die Majestäten besichtigten hierauf, geführt von dem Baurath Tornow und dem General vikar, weil der Bischof Fleck erkrankt ist, eingehend die Sehens würdigkeiten der Kathedrale und fuhren sodann zum Bezirks- Präsidium. Von dort begaben sich die Majestäten wieder unter endlosen Hochrufen zum Bahnhof zur Rückkehr nach Courcelles. Der Reichstagsabgeordnete Liebknecht wurde wegen Majestätsbeleidigung, welche in seiner Rede zur Eröffnung des Breslauer Parteitages gefunden wurde, am Sonnabend früh vor den Untersuchungsrichter in Breslau geladen. Eine sozial demokratische Zeitung in Hannover hatte die betreffende Stelle aus der Rede wörtlich wiedergegeben, worauf sofort der Redakteur des Blattes wegen Majestätsbeleidigung verhaftet worden ist. Mittlerweile soll unterließ gegen Liebknecht die Untersuchung ein geleitet worden sein. Der „Vorwärts" fürchtet bereits, daß Liebknecht seinen 70. Geburtstag im Gefängnis feiern muß. Mühlhausen, 10. Oktober. Noch immer steht die ganze Stadt unter dem Banne der Mordthat. Daß hier ein wirk liches anarchistisches Verbrechen vorliegt, so scheußlich und gräß lich, wie nur je eines verübt wurde, das wird allgemein gesagt. Schon seit Wochen hatte der offenbar durch fanatische Reden aus dem seelischen Gleichgewicht herausgerissene Bursche den Plan gefaßt, Herrn Schwartz, den er als den Inbegriff des Kapitalis mus betrachtete, zu ermorden. Schon vor vier Wochen kaufte er sich in einem hiesigen Messergeschäft die Mordwaffe, einen Genickfänger, wie man sie zum Abfangen des Wildes gebraucht. Er scheint Versuche mit der Mordwaffe angestellt zu haben, denn vor etwa 14 Tagen erschien Meyer zum zweiten Male in dem Geschäft; er hatte bei seinen Versuchen die starke Klinge eingeritzt und wünschte nun, daß man ihm eine neue Klinge in das Heft mache. Für diese neue Klinge zahlte er 1 Mk., so daß mit den früher dafür verausgabten 2 Mk. die Mord waffe ihn 3 Mark kostete. Um die spitze, etwa 17 cm lange Klinge noch mörderischer zu gestalten, ließ er das Messer auf beiden Seiten, etwa bis zur Mitte, scharf schleifen. Daß er mit einem solchen Mordinstrument die Eingeweide so zerschnitt, daß an eine Heilung nicht gedacht werden konnte, liegt auf der Hand. Üeber die That erfährt man noch, daß Meyer dem von seinem Neubau herkommenden Fabrikanten mit den Worten entgegentrat, ob er in dem neuen Theil der Fabrik Arbeiter au- stellen werde. Noch bevor Herr Schwartz antworten konnre, stieß der Unmensch ihm das Messer in den Leib. Meyer war hi-r als roher, frecher Mensch bekannt. Seine braven Eltern hatte er schon längst verlassen. Er soll früher, bevor er den aufzreizenden Reden lauschte, ein sparsamer, ordentlicher Mensch gewesen sein, doch ist das in den letzten Jahren, wo er zur Sozialdemokratie überging, ganz anders mit ihm geworden; auch wurde er, der Eigenthum als Diebstahl ansah, schon mehrfach wegen Diebstahls bestraft. Der Eingang zu dem neuen Hause des Herrn Schwartz, in dessen Pförtnerwohnung die Leiche tags über noch lag, war den ganzen Tag von einer ernst dreinschau enden Menge umstanden; auch fuhren viele Wagen dort vor. Bekannte und Freunde wollten die Leiche des so schändlich Ge mordeten sehen. Auch in den Straßen sah man viele Gruppen, und wohin man hörte, sprach man das Verdammungsuriheil über die ruchlose That aus; daß dies nicht in letzter Linie von Arbeitern geschah, ja, daß diese sich oft noch weit^sch^ M» den Mörder äußerten, spricht laut dafür, dc^ M stand im ganzen nicht von anarchistischen