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WM« ft WKW Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar Dienst tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. 4 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen s Mk.55pf. Einzelne Nummern f0 Pf. WmM Duffen, Menlchn md die AWtMtN. ImtsölM Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags (2 Uhr angenommen. Insertionspreis s O pf. pro dreige- fpaltene Lorpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannschast Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 121. Sonnabend, den 12. Oktober 18SS. Der Stadtrat h. Fieker, Brgmstr. Bekanntmachung. Herbstjahrmarkt wird Donnerstag, den 17. und Freitag, den 18. Oktober ds. Js. Wilsdruff, am 23. September 1895. Aus Deutschlands grotzer Zeit. Erinnerungen zum 25jährigen Jubiläum des Krieges 1870/71. Von Eugen Rahden. (Nachdruck verboten) 30. Der Krieg um Paris n. (Erste Kämpfe). General Trochu kannte den Werth der ihm unterstellten Pariser Vertheidigungstruppen ziemlich genau; er wußte, daß er der militärischen Tüchtigkeit dieser Truppen nicht eben viel zu trauen dürfe, und daß er trotz der ungeheueren Ueberlegenheit seiner Truppen den geschulten, kriegstüchtigen deutschen Truppen gegenüber nicht aufkommen könne. Aus dieser richtigen Er- kenntniß heraus ist es zu erklären, daß Trochu so lange Zeit vergehen ließ, ehe er einen energischen Vorstoß zur Durch brechung der Cernirungslinie machte. Bis gegen Ende Oktober und weiter noch suchte er den Ge.st seiner Truppen durch kleine Zusammenstöße mit dem Feinde zu heben, eine allerdings recht blutige Exerziermethode. Die Einschließungstruppen ließ er durch unablässiges Geschütz- und Gewehrfeuer, das selbst auf einzelne Posten, Pferde und Wagen abgegeben wurde, beun ruhigen; ein verschwenderisches Verfahren, das jedoch seinen Zweck erreichte, den Vorpostendienst und die Arbeiten der Be lagerer zu erschweren. Die Deutschen übten dann wohl eine scherzhafte Rache, indem sie Scheiben, Strohmänner, ausge- flopfte Bären und Reiter dagegen aufstellten. Am 22. September kam es im Süden von Paris, bei der Stadt Villejuif, zu einem kleinen Gefechte. Eine französische Division bemächtigte sich dieser Stadt und der südlich gelegenen Schanze Moulin Sogunt und drängte die deutschen Truppen, welche an einer anderen Schanze beschäftigt waren, zurück. Die Deutschen verloren dabei 50 Mann. Die Franzosen setzten sich dann zwischen Villejuif und der Schanze Haute Bouijeres fest. Im Anschluß an diesen kleinen Erfolg suchte General Vinoy die Erlaubniß nach, einen Ausfall zu machen, um die Einschließungstruppen noch weiter zurückzudrängen. Am 30. September leitete längeres Geschützfeuer und ein Scheinmanöver gen Clemart das Gefecht ein. Dann brachen die französischen Colonnen aus Villejuif und Vitry vor. In den Dörfern Thiais und Choisy standen die 22er, in Reserve die 62er und 2 Pionierkompagnien; die Dörfer L'Haye und Che villy waren von den 23ern besetzt. Gegen diese genannten Punkte richteten sich die stürmischen Angriffe der Franzosen. Diese Angriffe scheiterten aber alle an dem Schnellfeuer der deutschen Truppen und es gelang, den Feinden auch einzelne Gehöfte von Cbevilly zu nehmen. Als aber noch das 63. Regiment zur Unter stützung herbeikam, hielten die Franzosen nur noch in einem Gehöfte stand; auch dieses wurde nun von den deutschen Truppen erstürmt und wurden nun mehrere 100 Franzosen gefangen. Dann wurden die französischen Truppen auf allen Stellen so energisch zurückgetrieben, daß ihr Rückzug hinter die bekannten Schanzen in wilde Flucht ausartete. In diesem Gefecht von Chevilly verloren die Preußen 28 Offiziere und 713 Mann, d:c Franzosen über 2000 Mann. Die Franzosen hielten diese Gegend für so wichtig, daß sie nunmehr die Dörfer Vitly, Villejuif und Cachon mit in die Veriheidigunqslinie zogen und stark verschanzten. Auch am 13. Oktober kam es hier im Süden von Paris, bei Bagneux zum hartnäckigen Gefecht. Die Franzosen hatten von Truppenverschiebungen innerhalb des deutschen Cernirungs- gürtels gehört und Vinoy beschloß eine Rekoznoscirung gegen die Stellung des 2. bayrischen Corps, etwas westlich der eben genannten Ortschaften des vorigen Gefechtes. Das Gefecht wurde wieder durch Festungsgeschützfcuer eingelcitet, das jedoch zugleich die Bayern alarmirte. Das Dorf Bagneux wurde nach hartnäckigstem Widerstande seitens der bayrischen Jäger van den Franzosen genommen und befestigt. Dann entbrannte der Kampf in und um Chatillon, wo die Bayern ebenfalls trotz energischer Gegenwehr herausgedrängt wurden; indeß gelang es, das Dorf, nachdem Verstärkung eingetroffen war, wieder zu nehmen. Weiter rechts hatten die Franzosen das nur von Vorposten gehaltene Dorf Clamart besetzt; sie suchten auch die Höhe zu gewinnen, allein die Bayern schlugen diese Versuche ab. Das Gefecht hatte sich anfänglich so günstig für die Franzosen gestaltet, daß Vinoy bei Trochu anfragte, ob er Lagmux halten solle; er hatte aber die Antwort erhalten, der Zweck des Gefechtes sei nur eine Rekognoscirung. Um 3 Uhr nachmittags hatte sich di? Sachlage aber schon so geändert, daß Vinoy nichts übrig blieb, als sich unter dem Schutze der Geschütze des Forts zurückzuziehen. So wurde das Gefecht abgebrochen. Der kleinen Anzahl deutscher Truppen hatten 25000 Franzosen mit 80 Geschützen gegenübergestanden. Der Verlust betrug auf beiden Seiten je 400 Mann. Am selben Tage, dem 13. Oktober, legten die Franzosen das Schloß von St. Cloud, in dem die preußischen Vor posten standen, in Asche, eine Maßregel, die ganz nutzlos war. Noch heute suchen die Franzosen die Schuld für diese Barbarei den Deutschen zuzuschieben, hartnäckig die offenkundige That- sache übergehend, daß französische Granaten dieses ehrwürdige, historische Gebäude in Brand schaffen. Am 11. und 12. Oktober war es den deutschen Truppen gelungen, das ausbrechende Feuer zu bewältigen, aber am 13. Oktober griff der Brand infolge ununterbrochener Beschießung derartig um sich, daß das dort stehende 5. Jägerbataillon sich auf die Rettung der kost barsten Gegenstände beschränken mußte. Binnen 12 Stunden war das Schloß ein Trümmerbaufen. Dies wären die wichtigsten Ereignisse um Paris bis Mitte Oktober. Zu erwähnen ist noch, daß König Wilhelm am 5. Oktober sein Hauptquartier nach Versailles verlegte. Hier entwickelte sich über 5 Monate lang ein buntes, von emsiger Thätigkeit erfülltes, aber auch der herzlichen Theilnahme sich öffnendes Residenz- und Garnisonleben. Die Lage im Orient. Noch immer wird das allgemeine politische Tagesinteresse vorwiegend durch die blutigen Ereignisse in Anspruch genommen, deren Schauplatz die türkische Hauptstadt anläßlich der bewaff neten Adreß - Demonstration der Armenier kürzlich gewesen ist. Mit Recht haben die fremden Botschafter in Konstantinopel die stattgehabten Straßenkämpfe für ernst genug gehalten, um durch eine gemeinsame schriftliche Vorstellung die Pforte zu mahnen, ihre ganze Autorität zu gebrauchen, um wieder normale Ver hältnisse in der Hauptstadt zu schaffen. Die türkische Regierung, an deren Spitze jetzt als „neue Männer" eben infolge der Armenier - Revolte der Großvezier Kiamil Pascha und der Minister des Auswärtigen Said Pascha berufen worden sind, hat denn auch die bestimmte Zusage ertheilt, mit allen Kräften die öffent liche Ordnung in Stambul wieder Herstellen zu wollen. Im eigensten Interesse der Pforte liegt es allerdings auch, ihrer Zu sage mit allem Nachdruck nachzukommen, denn erneute Ausbrüche des mohammedanischen Fanatismus, wie er sich soeben bei der Bewältigung des armenischen Straßenaufruhrs abermals so drohend und häßlich gezeigt hat, könnten ia ihren vielleicht un absehbaren Folgen sehr leicht auf die Pforte zurückfallen. Es steht daher zu erwarten, daß die neue türkische Regierung Alles aufbieten wird, ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen und die fanatischen Elemente unter der türkischen Bevölkerung energisch im Zaune zu halten. Wenn dies, wie man hoffen darf, gelingt, so kann auch der weiteren Entwickelung der gesammten armenischen Ange legenheit mit einer gewissen Beruhigung entgegengesehen werden. Zwar giebt sich England gerade gegenüber den Stambuler Er eignissen den Anschein, als wolle es auf der strikten Durchführung der armenischen Reformen bestehen, wie Lord Salisbury soeben der Pforte ziemlich schroff hat erklären lassen. Aber da Ruß land und Frankreich offenbar bestrebt sind, sich allmählich aus dem Engagement in der armenischen Reform-Frage wieder zurück zuziehen und die Pforte keineswegs zu brüskiren, so wird es sich schließlich Lord Salisbury doch noch überlegen, ob er die Türkei wirklich zum Aeußersten treiben soll, ein derartiges Vor gehen würde zudem allen Ueberlieferungen der Orientpolitik Englands ins Gesicht schlagen. Wahrscheinlich hat man es aber in dem überaschenden und herausfordernden Auftreten Eng lands gegenüber der türkischen Regierung nur mit der üblichen Läcmerei John Bulls in Sachen, die ihm nicht nach Wunsch gehen, zu thun, hinter der gewöhnlich nichts Besonderes steckt. Vielleicht ist darum die Annahme gerechtfertigt, daß die drohen den Erklärungen des englischen Premiers in Konstantinopel lediglich den Rückzug auch Englands in der armenischen Frage maSkiren sollen. Im Nebligen scheint nicht nur bei den Nachrichten über die Metzeleien in Konstantinopel selber, sondern auch bei den Meldungen über Zusammenstöße zwischen Mohammedanern und Armeniern an anderen Orten eine gewisse Uebertreibung obgc- waltet zu haben, wie es aus neueren und zuverlässigen Berichten aus Konstantinopel hervorgeht. Die hier und da geäußerten Befürchtungen über die bedenklichen Rückwirkungen der Stam buler Ereignisse auf die türkischen Provinzen dürften daher über das Ziel hinausschießen, obgleich die Nachricht von der Armenier- Revolte in der Hauptstadt begreiflicher Weise auch unter der Provinzialbevölk-rung, der türkischen wie der christlichen Erregung hervorgerufen hat. Jedenfalls werden aber die Vertreter der Mächte am goldenen Horn auch fernerhin auf dem Posten sein müssen, um zu verhüten, daß aus den Vorgängen der letzten Woche vielleicht doch noch ernste Verwickelungen und Konflikte entstehen. Erfreulicherweise ist es den Bemühungen der euro päischen Diplomatie bereits bei der mazedonischen Bewegung wie gegenüber den gleichzeitigen Wühlereien und Aufregungen in Bulgarien gelungen, diese Vorgänge zu lokalisiren und schließ lich unschädlich für die Ruhe Europas zu machen. Hoffentlich wird dies auch angesichts der kritischen Lage der Fall sein, welche jetzt im türkischen Orient durch die armenischen Unruhen wieder entstanden ist. Tagesgeschichte. Das Handschreiben, durch welches der Kaiser von Rußland den ihm kürzlich vom kaiserlichen Flügeladjutanten Obersten v. Moltke überbrachten Brief des deutschen Kaisers beantwortet hat, soll, wie Londoner Blätter zu melden wissen, in äußerst freundschaftlichem Tone gehalten sein. Es soll einen Besuch des Czarenpaares am Berliner Hofe für nächsten Herbst in Aussicht stellen, woran sich eine Rundreise des russischen Herrscherpaares an den übrigen größeren europäischen Höfen an schließen würde. Die Bestätigung dieser Meldung bleibt natür lich noch abzuwarten, jedenfalls wirft aber der soeben gepflogene Briefwechsel zwischen Kaiser Wilhelm und Czar Nikolaus ein erfreuliches Licht auf das die beiden Herrscher verbindende persön liche Verhältniß, wie auf die zwischen ihren Höfen bestehenden Beziehungen. Der einjährige Urlaub, welchen Prinz Heinrich von Preußen gegenwärtig nach Beendigung der deutschen Flottenmanöver genießt, hat zu Gerüchten über angebliche ernste Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und seinem kaiserlichen Bruder Anlaß gegeben. Diese Gerüchte erweisen sich indessen als müßige Kombinationen, von unterrichteter Seite wird das gegenseitige persönliche Verhältniß der erlauchten Brüder als nach wie vor völlig ungetrübt und von herzlichster Natur bezeichnet. Der jetzige umfassende Urlaub des Prinzen Heinrich stand schon längst in Aussicht, und zwar hauptsächlich in Hinblick darauf, daß der Prinz bereits seit einer Reihe von Jahren anstrengen den Dienst gehabt hat und einer längeren Erholung bedurfte. Prinz Heinrich gedenkt im kommenden Herbst größere Reisen durch die Schweiz und Italien zu unternehmen. Anderseits verlautet allerdings, der Prinz wolle Indien, China und Japan besuchen. Die Vorboten der kommenden parlamentarischen Winterthätigkeit sind nunmehr in die Erscheinung getreten. Am Montag hielten zunächst die für die Vorberathung des Ent wurfes des bürgerlichen Gesetzbuches zuständigen Aus schüsse des Bundesrathes eine erstmalige Sitzung ab, welcher der Staatssekretär im Reichsjustizamte, Nieberling, persönlich prästdirte. Am Donnerstag ist dann auch die erste Plenarbe« rathung des Bundesrathes in dem begonnenen Winterhalbjahre nachgefolgt, es kamen meist Vorlagen formaler Natur und Ver waltungssachen zur Erörterung. Dazwischen trat am Dienstag das preußische Staatsministerium unter dem Vorsitz deS Fürsten Hohenlohe zu seiner ersten Sitzung nach den Sommerferien zu sammen. Es soll hierbei, wie eine noch unkontrollirbare Meldung