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„Wir wollen es hoffen, wenn der brave Georg sich jetzt nur eine tüchtige Frau erwählt, welche ihn trotz des Gebrechen lieb hat, und nicht, wie's auf dem Lande leider Sitte ist, nach Geld freit, dann erst will ich ihn für ebenso gescheit als ver nünftig und gut halten." „Sein Gebrechen, womit Sie doch nur den lahmen Fuß meinen, Herr Notar," versetzte Dorothee vorwurfsvoll, „müßte ihm von seiner Frau als höchster Schmuck angerechnet werden." Dicht vor Rundhe'm bedeutete er dem Kutscher, nach dem Kamphofe zu fahren und ihr Erscheinen bewirkte dort keine geringe Aufregung. Der Notar ließ das Gesinde mit der Wirthschafterin an der Spitze zusammenrufen und kündigte ihnen das große Er- eigniß emer neuen Herrschaft an. Anfangs schien keiner es recht glauben zu wollen, als aber Dorothee es ebenfalls be stätigte, da brachen alle in Jubel aus. Nur die neue Wirth schafterin schüttelte höhnisch den Kopf und verließ die Stube. Sie konnte es aber nicht hindern, daß der Notar mit seiner Begleiterin die frühere Kammer derselben, welche sie jetzt bewohnte, betrat, die Thür ihr vor der Nase verschloß und das Schlüsselloch mit seinem Taschentuch verdeckte. Ohne Zögern schritt Dorothee jetzt auf die Holzwand zu und schob, auf den Knopf drückend, ein Niereck zur Seite. Hier stand die Chatulle, welche Hellmann mit einem fröhlichen „Heureka!" begrüßte. „Wir nehmen sie gleich mit," sagte er, „sie ist am besten bei mir verwahrt." Er nahm sie aus ihrem Versteck. Dorothee verschloß die geheimnißvolle Wand, deren Vorhandensein in einem Bauern hause ihm wie eine Verzauberung erschien und beide verließen das Haus, von den fröhlichen Leuten mit einem Hurrah begleitet. Dann brachte er Dorothee nach Hause und fuhr mit seiner Beute triumphirend heim. Das junge Mädchen aber konnte mit ihrer überraschenden Mittheilung nur die Kranke erfreuen, weil Peter schmunzelnd erklärte, vom Herrn Notar ins Vertrauen gezogen zu sein und Herrn Georg schon vor Wochen als den Erben seines väterlichen Hofes hätte begrüßen können, aber er verstehe ein Geheimniß zu bewahren nnd habe sich schon längst wie ein König auf den heutigen Tag gefreut. „Sie sind doch ein guter Mensch, lieber Peter," sagte Dorothee ihm bewegt die Hand drückend, „am Ende haben Sie es auch gewußt, daß die selige Tante mir —" „Sechstausend Thaler vermacht hat?" fiel Peter lachend ein, „ja, das habe ich auch längst gewußt." Sie ging in ihre Kammer, resignirt ihre Hoffnungen ein sargend. Jetzt wäre cs eine recht wahnsinnige Vermessenheit gewesen, an ein solches Glück sich zu klammern. „O, wären wir beide ganz arm geblieben," seufzte sie, „oder könnte mein Geld ihm die Wege ebnen!" Das arme Herz wurde in diesem Kampfe selbstsüchtig und an sich irre weit es den Weg der Entsagung nicht finden konnte, auf welchem als einziger Stern die Pflichttreue glänzt. „Gott sei Dank," sagte Frau Haas zu ihrem Sohne, „nun hab' ich nichts mehr zu fürchten, Peter! — Hast Du nicht gehört, daß sie lieber Peter zu Dir sagte? Greif zu, sie nimmt Dich mit ihren 6000 Thalern. Jemine, was für ein Haufen Geld, aber ich glaub nicht daran." „Du bist eine alte, närrische Frau," lachte Peter, der heute nicht böse wurde, „aber nimm Dich in Acht, sonst geht sie weg. Mund halten, Mütterchen, hast ihr ja auch kein Wort von der Erbschaft gesagt." „Weil ich es für eine Lurre von dem Affkaten hielt." Zwanzigstes Kapitel. Weihnachtsabend, alter Zauberklang, der immer wieder die Herzen gefangen nimmt, und sein göttliches Gebot: Friede auf Erden! in Palast und Hütte trägt. In dem Stübchen dec kranken Frau Haas glänzte ein Christbaum, wie ihre Augen ihn unter diesem Dache noch nie gesehen hatten. „Jesus, wie viele Lichter," staunte sie, „die ganze Stube steht wie der leibhaftige Himmel aus. O, daß ich so was noch erleben darf, es ist zu schön!" Dorothee hörte nicht darauf, sie starrte wie abwesend in den Lichterglanz und Thräne um Thräne rann ihr selber unbe wußt über die bleichen Wangen. Unter dem Baum prangte Peters Shawl, die seidene Börse aber lag drinnen in ihrer Kammer. Für sie hatte Keiner eine Gabe der Liebe, des treuen Gedenkens. „Allein, ganz allein!" zitterte es kaum hörbar von ihren Lippen. „Nun brennen die Lichter auf und der Peter ist nicht da," klagte die Kranke. „Da bin ich, Mutter!" tönte seine lustige Stimme von der Schwelle her, der Tausend, ist das aber ein Staatsbaum, so was hast Du in Deinem Häuschen noch nicht gesehen, was? Hier ist auch ein Päckchen für Sie angekommen, Mamsell Dorothee, der Briefträger gab es mir." Mechanisch nahm sie es entgegen, besah die Adresse und öffnete es unruhig. Ein großes Bild und ein Kistchen kamen zum Vorschein. Sie warf auf ersteres einen Blick und mußte einen Aufschrei unterdrücken. — Zitternd zündete sie eine Lampe an, um in ihre Kammer zu gehen, als Peter die Bitte hin warf, ob sie nicht erst einmal in der Küche nach der Abend suppe sehen wolle. Sie nickte ihm erregt zu, weil sie kein Wort hervorbringen konnte und schlüpfte hinaus, schien aber die Suppe, welche auf dem Herd brodelte, bereits vergessen zu haben, als sie die Küche betrat. Ihre zitternde Hand hielt das Bild, von welchem sie kein Auge verwandte, Las sie endlich an ihr Herz, an ihre Lippen drückte, während sie das Kästchen un beachtet auf den Tisch stellte. „O Georg," schluchzte sie plötzlich auf, „Dein Bild sitzt hier drinnen," sie legte die Hand auf's Herz, „ich würde Dich doch nie vergessen. Gott schenke Dir alles Glück und eine Frau, die Dich so lieb hat, wie ich, aber wissen sollst Du es niemals von mir." „O, darauf hoffe ich doch stark," tönte es leise an ihr Ohr, und sich jäh umwendend, blickte sie in Georgs freude strahlende Augen. Nnd dann fühlte sie sich von seinen Armen umschlungen und hörte wie im seligen Traum zärtliche LiebeS- worte. O, wie sie sich fürchtete, aus diesem Traume, denn ein solcher konnte es doch nur sein, zur einsam-öden Wirklichkeit zu erwachen. Er hatte ihr den Brautkuß gegeben, das unbeachtete Kästchen geöffnet und einen schlichten Goldreif hervorgezogen, den er ihr an den Goldfinger der linken Hand steckte. „Siehst Du, wie genau er paßt?" sagte er triumphirend, „das hatte der Hexenmeister Peter Haas vollbracht, der Dir aus Scherz einen unechten Ring, den er im Garten gefunden haben wollte, vor einigen Tagen an diesen Finger gesteckt hatte. Du bist böse geworden —" „Weil ich den Scherz nicht passend von ihm fand," er widerte sie leise. „O, Georg kann's denn wahr sein?" setzte sie, ihn angstvoll anbbckend, hinzu, „wirst Du, der reiche Mann, es nie bereuen? Was werden die Menschen dazu sagen?" „Daß der Georg Kamp weiser gehandelt hat als sein un glücklicher Vater, das werden sie sagen, mein Lieb!" sprach der junge Mann mit feierlichem Ernst. „Ich habe Deine Liebe erprobt, Dein goldenes Herz erkannt und weiß, daß darin kein anderes Bild gewohnt hat als das meine. Oder fürchtest Du, daß cs irgend einem bösen Geiste je gelingen könnte, Zwietracht zwischen uns zu säen?" „O, nie nie," rief sie, an seine Brust sich schmiegend. „Ich habe Dich schon geliebt, ehe ich Dich kannte —" „Und mich furchtlos vertheidigt," fiel er gerührt ein, „so bleibe Du mein guter Engel bis an's Ende, Du Treue, Gute, deren Besitz mich reicher macht als alle Güter meines Vaters. Sieh her, auch ich trage schon einen Ring mit Deinem Namens zug und dem Datum dieses Tages. „Ei, warst Du Deiner Sache so sicher bei mir?" fragte sie neckisch. „Ja, mein Schatz," lachte er, ihr zärtlich in's Auge blickend. „Du hattest doch schon dem armen heimathlofcn Krüppel Dein Herz geschenkt, wie solltest Du den Erben vom Kamphofe ausschlagen?" „Wer weiß, ob der arme Georg mir nicht lieber gewesen wäre," meinte sie nachdenklich. „O Dorothee," erwiderte er bewegt, „Dir und dem braven Peter habe ich mein Erbe zu verdanken, — ich denke, es ist genug für meinen Stolz. Von Dir aber Geld anzunehmen, das hätte ich nicht vermocht, und an dieser Klippe wäre unfehl bar unser Glück gescheitert. Danken wir dem gütigen Gott für diese Wendung unseres Schicksals." Drinnen im Stübchen hatte Peter die Lichter des Tannen baumes ausgelöscht, der eigenthümliche Weihnachtsgeruch durch zog den kleinen Raum, und die Kranke verlangte wie immer nach ihrer Pflegerin, welche alle Pflichten vergessen zu haben schien. Da öffnete sich die Thür uud sic erschien am Arm des Geliebten, der sie feierlich als seine Braut vorstellte. Pctcr schmunzelte mit einem humoristischen Blick auf die alte Frau, welche mit offenem Munde auf das Paar starrte. „Geld zu Geld," murmelte sie endlich, „die Mamsel konnte einen armen Mann nehmen." (Schluß folgt.)