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Erscheint « wöchentlich dreimal u. zwar Dienst tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. ( Blk. 30 j)f., durch die j)ost bezogen s Mk. 55j)f. Einzelne Numniern >0 j)f. Tharandt, Dossrn, Sikbentehn nad die UMgende«. Imtsötatt Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags (2 Uhr angenommen. )nsertionspreis sOpf. pro dreige spaltene Eorpuszeile. für die Agl. AmtshauptmannschafL Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandts Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. Dienstag- den 1«. September No. 107. 1805. Bekanntmachung. Die in Gemäßheit von Artikel II § 6 der Allerhöchsten Verordnung vom 21. Juni 1887 — Reichsgesetzblatt Seite 24b flg. — nach dem Durchschnitte der höchsten Tages preise des Hauptmarktortes Meißen im Monate Juli d. I. festgesetzte und um fünf vom Hundert erhöhte Vergütung fitt die von den Gemeinden resp. Ouartierwirthen innerhalb der Amts hauptmannschaft im Monate August d. I. an Militärpferde zur Verabreichung gelangte Marschfourage beträgt 7 Mk. 35 Pf. für 50 Kilo Hafer, 3 , 15 „ „ 50 „ Heu, 2 „ 10 „ „ 50 „ Stroh. Meißen, am 6. September 1895. Königliche Amtshauptmannschaft. von Schroeter. Donnerstag, den 12. ds. Mts., Nachmittags 6 Uhr öffentliche Stadtgemeinderathssitzung. Wilsdruff, am 9. September 1895. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Die Spaltung unter der englischen Arbeiterschaft. Schon seit längerer Zeit haben mächtige Störungen unter den englischen Arbeitern mit einander um den bestimmenden und maßgebenden Einfluß auf die gesammte künftige Haltung der Arbeiterschaft Englands gerungen. Auf der einen Seite befinden sich die „Alten", d. h. die Gewerkoereine der gelernten Arbeiter, welche trotz mancherlei radikaler und selbst sozialdemokratischer Anwandlungen noch nichts oom Uebcrgang zum eigentlichen So zialismus wissen wollen, auf der anderen Seite stehen ihnen die „Neuen" gegenüber, welche die sich offen und entschieden zur rothen Fahne bekennenden Gewerkvereine Englands umfassen. Zwischen den Vertretern beider Richtungen ist es nun auf dem soeben in Cardiff versammelt gewesenen Gewerkoereins-Congreß zu einem erstmaligen entscheidenden Zusammenstöße gekommen, welcher mit dem Siege der älteren, also im Grunde antisozia listischen, Strömung der englischen Arbeiterschaft geendet hat. Dieser Sieg drückt sich hauptsächlich durch die mit 604 gegen 357 Stimmen erfolgte Genehmigung emer neuen Geschäfts ordnung für die gewerkvereinlichen Congresse aus, welcher Be schluß seiner Tendenz nach gegen die professionellen sozialistischen Agitatoren und auf die Stärkung der Stellung der älteren Ge werkverein- gegenüber den Beschlüssen des Congresse gemünzt ist. Der Annahme der neuen Geschäftsordnung gingen mehr stündige überaus lärmende heftige Debatten voraus, welche hin länglich Zeugniß von der auf beiden Seiten vorhandenen ge- r-izten Stimmung ablegten. Mit dieser gegen die versuchte sozialdemokratische Gängelung der englischen Arbeiterschaft ausgefallenen Entscheidung von Car diff ist ein scharfer Riß unter der Arbeiterschaft eines des her vorragendsten Industriestaates der Welt gekommen, denn es wird sich nunmehr die Scheidung zwischen den im Großen und Ganzen noch auf den Boden der heutigen Staats- und Gesell schaftordnung stehenden Arbeitern und ihrem den sozialistischen Ideen huldigenden Kameraden zweifellos noch klarer und schärfer vollziehen. Vor Allem hat hierbei wiederum der die eng lische Arbeiterschaft im Allgemeinen noch immer beseelende ge sunde politische Sinn gezeigt, der von den zweifelhaften Bildern des sozialistischen Zukunftsstaates nichts wissen will und sich lieber an die gegebenen realen Verhältnisse hält. Auch hier liegt es ja nur im ureigensten Interesse der in den Gewerkvereinen organisirten Arbeiter selber, wenn sich die Führer der alten Ver eine der versuchten sozialistischen Ueberfluthung derselben jetzt energisch und erfolgreich entgegenstemmen, denn die Gewerkoer emigungen schließen gar manche gute und segensreiche Ein richtungen für ihre Mitglieder in sich ein, welche Wohlthaten aber bei einer Hinüberleitung der Gewerkoereine in das rein sozialdemokratische Fahrwasser sicherlich verloren gehen würden. Für die neue unionistischc Regierung in England unter Lord Salisbury dürfte angesichts der auf dem Gewerkoereins- congreß zu Cardiff hervorgetretenen Spaltung unter der Arbeiter- schaft geboten sein, diesen Vorgängen nicht gleichgültig zuzusehen. Zwar wollen auch die alten antisozialistischen Gewerkoereine eigentlich ebensowenig von den großen politischen Parteien des Landes, den Unionisten und den Rad'kal-Liberalen, etwas wissen, als die sozialdemokratischen Elemente der Arbeiterschaft, immer hin würde daS Ministerium Salisbury nur klug handeln, wenn es den „Alten" mögligst entgegenkäme. Es kann doch sicherlich nur im Interesse des englischen Staates liegen, wenn jene Richtung innerhalb der Arbeiterpartei des Londes, welche gegen die Sozialdemokraten Front macht, von Seiten der Re gierung nach Kräften gestützt und gefördert wird. Hierzu würde Ich vor Allem die Durchführung einer wirklich praktischen Ar- reitergesetzgebung, einer zeitgemäßen gesunden Sozialpolitik em pfehlen, und eS könnte für die Salisbury'sche Regierung lediglich von Vortheil sein, wenn sie mit einem solchen festen sozialpolitischen Programm baldigst vor die Arbeiterschaft treten würde. Aus Deutschlands grotzer Zeit. Erinnerungen zum 25jährigen Jubiläum des Krieges 1870/71. Von Eugen Rohden. (Nachdruck verboten) 19. Die September-Wochen I. (Fortsetzung.) Am Mittag des 4. September traten die Deputirten wieder zusammen. Graf Palikao brachte einen Antrag der Regierung ein, ein Conseil der Regierung und der nationalen Vertheidigung einzusetzen; Thiers und Andere wollten eine Regierungs- und Vertheidigungskommisston und baldmöglichst die Berufung einer neuen konstituirenden Versammlung; Jules Favre und Genossen bestanden auf ihrem Absetzungsantrage und sie wußten, daß sie mit Hilfe des Pariser Volkes die Ab setzung erzwingen konnten. Während die Deputirten sich in ihre Bureaus zurückzigen, um über die Anträge zu berathen, überwältigte die andrängende Fluth des Volkes, gegen welches das Militär die Waffen zu erheben nicht gewagt hatte, den schwachen Widerstand: in die Vorsäle und auf 'ne Tribünen ergoß sich die Menge. Als die Sitzung wieder eröffnet wurde, machten zwar Gambetta, Jules Favre und Andere den Versuch; die Ruhe herzustellen, allein schon hatten sich die Volksmengen unter die Deputirten im Saale gemischt und von einer Debatte und Abstimmung konnte keine Rede mehr sein. Die Deputirten vorloren sich allmählich aus dem Saale, in dem nun mehr oder weniger harmloser Unfug getrieben wurde. Die große Menge aber und die Deputirten der Linken zogen nach dem Stadt hause, wo letztere zu einer „Regierung der nationalen Verthei digung" zusammentraten. Trochu, der Gouverneur von Paris, wurde zum Präsidenten ernannt; neben ihm erschienen als die Männer der neuen Regierung die Führer der Opposition aus Napoleons Zeiten: Emanuel Arago, Cremieux, Jules Favre, Gambetta, Glais-Bizon, Pelletan, Picard, Jules Simon und der am Nachmittag aus dem Gefängniß befreite Rochefort. Thiers weigerte den Eintritt in die neue Regierung. Es war eine durchaus unblutige Revolution, die sich ab spielte. Die kaiserliche Regierung setzte derselben nur sehr schwache Demonstrationen entgegen und auf so schwachen Füßen hatte bereits das kaiserliche Regime gestanden, daß sich Nie mand fand, der für Napoleon und seine Gemahlin auch nur einen Pistolenschuß abfeuerte. Die Kaiserin, als sie sah und von ihren wenigen Getreuen darin bestärkt wurde, daß Alles verloren sei, verließ die Tuilerien, erreichte glücklich und uner kannt einen Hafenort bei Trouville und wurde von einer eng lischen Dacht nach England gebracht. Die Mehrzahl des gesetzgebenden Körpers hatte sich in einem Saale des Hotels ihres Präsidenten zusammengefvnden und empfing dort von Jules Simon und Jules Favre die Kunde von der Bildung der neuen Regierung; die beiden stellten den Deputirten anheim, die neue Ordnung der Dinge zu sanktioniren, indeß werde es auch ohne diese Genehmigung gehen. Gegen Abend trennte sich die Versammlung ohne Beschluß, den Dingen ihren Lauf lassend und ohne wieder zusammenzu treten. Der französische Senat aber wartete vergeblich auf irgend welche Nachricht; die neue Regierung kümmerte sich ein ¬ fach nicht um ihn und so gingen denn die Mitglieder nach Hause, um nicht mehr wiederzukommen. 20. Die September-Wochen H. Nachdem die Männer der neuen Regierung die Ministerien unter sich vertheilt hatten, beeilten sie sich, die Republik dem übrigen Europa vormstellen. Das geschah durch ein Rund schreiben des Ministers des Auswärtigen Jules Favre an die diplomatischen Agenten Frankreichs vom 6. September. In diesem Schriftstück, das es mit der Wahrheit ebensowenig genau nahm, wie die kaiserliche Regierung vordem, wurde zunächst be tont, daß die jetzigen Männer der Regierung „lau* den Krieg verworfen hätten", daß man aber, „wenn der König von Preußen den scheußlichen Krieg fortsetzen wolle, der ihm wenigstens ebenso verhängnißvoll werden könne wie Frankreich, die Heraus forderung annehme." „Wir treten keinen Fuß breit Erde, keinen Stein unserer Festungen ab," hieß es weiter, „ein ehr loser Friede wäre ein Vernichtungskrieg nach kurzer Frist. Nach den Forts die Brustwehren, nach den Brustwehren die Barri kaden. Paris kann sich drei Monate halten und siegen und wenn es unterläge, so würde Frankreich, auf seinen Ruf auf stehend, es rächen; es würde den Kampf fortsetzen und der Angreifer würde dabei zu Grunde gehen. Das ist's, was Europa wissen muß." Diese schönen Redensarten konnten in Europa Niemand täuschen, am wenigsten Deutschland. Wenn es etwa darauf abgesehen war, Deutschland zu veranlassen, die Hand zum Frieden zu bieten, wenn man in Paris glaubte, allenfalls mit einer anständigen Kriegsentschädigung loszukommen, so halte man ohne die Energie und Zielbewußtheit eines Bismarck und Moltke gerechnet, welche die Stimmung in Deutschland ganz genau kannten. Diesmal wenigstens wollte und sollte man nicht mit leeren Händen heim kommen und wenn jemals, so war es jetzt an der Zeit, die im tiefsten Frieden ehemals dem ohnmächtigen Deutschland geraubten Länder sich wieder zu holen. Und dagegen halfen nun einmal keine Bravaden, kein Augen rollen und keine Sentimentalitäten. Hatte man aber in Paris an die Unterstützung Europas appellirt, indem man erklärte, Europa könne die Zerstückelung Frankreichs, den Angriff auf die „heilige Stadt" Paris nicht zulassen, so täuschte sich eben die Republik gerade so, wie sich Kaiser Napoleon getäuscht hatte. War man wohl hier und da, wie wir gesehen haben, vor dem Tage von Sedan nicht abgeneigt gewesen, im günstigen Augen blicke Frankreich beizustehen, so war jetzt oavon gar keine Rede mehr, nachdem man es mit einer Regierung zu thun hatte, die, ebenso wie sie sich aus eigener Machtvollkommenheit ernannt hatte, jeden Augenblick durch die Macht der Straßenmenge hin weggefegt werden konnte. In England blieb man kühl bis an's Herz hinan und fand es ebenso natürlich, daß Deutsch land Elsaß-Lothringen beanspruchte, wie man es erklärlich ge funden hätte, wenn Frankreich im Falle des Sieges das Rhein land sich angeeignet hätte. In Rußland sah der Kaiser nach wie vor wohlwollend zu und m Wien war es nach dem Tage von Sedan selbst für einen Grafen von Beust nicht mehr mög lich, sich tinzumischen, umsoweniger, als die deutschen Elemente Oesterreichs offen mit dem siegreichen Deutschland sympathifirten und das zu erhoffende neue deutsche Reich mit Freuden begrüßten. Italien aber, das beständig gezaudert hatte, das anfangs nicht ungern dem französischen Kaiser Hilfe geleistet hätte, konnte jetzt, nachdem ihm die französischen Niederlagen und der Sturz des Kaiserreiches den Weg nach Rom ebneten, nicht mehr mit der Republik gemeinsame Sache machen. Es ist hier nicht de^