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Höchst wahrscheinlich hätte Orvieto nie mehr etwas von ihr erfahren, wenn sie nicht durch einen wunderbaren Zufall von seiner Abwesenheit in Deutschland gehört hätte und dem Ersuchen Bauers, mit nach Moselkern zu kommen, nur zu gern gefolgt wäre. Bauer reiste, wie Ihnen bekannt, viel umher, um Einkäufe für das Fest zu besorgen, und dachte naturgemäß immerwährend an die noch nicht gelöste Frage ^betreffs der Darstellerin der „Revolution." Da traf er auf dem Bahnhof zu Coblenz Julia und erschrak fest über die portraitartige Aehnlichkeit der auffallend eleganten und noch immer schönen Dame mit der Figur der „Revolution" auf Orvieto's Bild. Bald hatte sich Bauer mit der dem Künstlervolke nun einmal eigentümlichen Leichtlebigkeit derselben vor gestellt und ihr die Bitte an's Herz gelegt, bei der Auf führung der als lebende Bilder gedachten und zu einer Art romantisch-historischen Festspiels gewordenen Ovation für den Fürsten mitzuwirken. Julia hatte den Bittsteller im ersten Moment aus gelacht, war aber allmählich durch die Wärme und das bei aller Bescheidenheit lebhafte Zureden Bauers für die Sache unwillkürlich ein wenig interessiert worden. Als Bauer aber von der auffallenden Aehnlichkeit der „Revolution" mit ihr erzählte, durchzuckte es sie wie eine höhere Eingebung, daß der Maler unv ihr zürnender, für sie verschollener Bruder ein und derselbe sein könnten. Die eingehendste Personalbeschreibung bestätigte die Ver mutung, und sie beschloß sofort, mit nach Moselkern zu gehen und alles aufzubieten, um Alfonso wieder zu ge winnen. Als einzige Bedingung für ihre Mitw rkung stellte sie die Forderung, daß sie bis zur Darstellung selbst absolut verborgen bleiben müsse, um auf einen Schlag alles zu gewinnen, wenn noch etwas zu gewinnen war. Das weitere wissen Sie. Das Erscheinen Julias gereichte Oktavia zum Heile; denn diese sand in den traurigsten Stunden ihres Lebens Trost und Stütze an der Mutter. Die beiden Frauen scheinen zu harmonieren, denn Oktavias Briefe sprechen eine wunderbare Zufriedenheit aus. Julias Charakter hat sich veredelt; sie hat den Ein gang zu ihres Bmders Herzen wiedergefunden, in welchem freilich eine mächtigere Herrscherin thronte. Letztere hat jedoch, wie er glaubt, den Thron ver schmäht. Auf „Nimmerwiedersehn" verläßt Alfonso morgen seine Vaterstadt, in der er so viel bitteres Leid erfahren. Um jede Brücke hinter sich abzureißen, hat er den Befehl gegeben, das väterliche Haus nach seiner Abreise zu ver steigern und den Erlös Oktavia zuzusenden." Mit keiner Silbe hatte Eva die Erzählung ihres Freundes unterbrochen. Bald in freudiger Hoffnung, bald in vernichtender Verzweiflung war sie an seiner Seite dahingeschritten. Doch über alles ging in dieser Stunde der Freudenjubel, daß der Geliebte, welchen sie für un wiederbringlich verloren gehalten, nun fo rein und groß vor ihren Äugen stand. „O mein Freund," sagte sie leise und innig, als Norman schwieg, „wie soll ich Ihnen danken für den Liebesdienst, denn Sie mir erwiesen haben!" „Ich bin reichlich belohnt, wenn ich ein wenig zu Ihrem Glücke beitragen konnte," entgegnete Veltheim mit Wärme; „bildet doch Ihr Lebensglück das hauptsächlichste Interesse meines Daseins." Er blieb stehen und reichte ihr die Hand. Mit Staunen bemerkte Eva, daß sie an ihrer Wohnung angelangt waren. „Ich verschwende keine Worte, um Sie mit uns nach Hause zu locken, denn ich weiß, daß dieselben fruchtlos sein würden," sagte Normann. „Folgen Sie in diesem Augenblicke nur der Eingebung Ihres Herzens!" Ein warmer Händedruck, ein Gruß, — und Normann war in einer Seitenstraße verschwunden. (Fortsetzung folgt.) Humoristisches. Jeder: von seinem Standpunkte. Oberförster zum Waldarbeiter: „Nun, Hannes, nicht wahr, Ihr freut Euch auch wohl recht von Herzen über das Frühjahr?" Hannes: „Gewiß, gewiß, Herr Oberförster! Nun nimmt das alte dumme Schießen doch endlich mal ein Ende! Man war sich während der vergangenen Jagdzeit ja seines Lebens nicht mehr sicher!" Sonntagsjägerpech. Förster: Aber weshalb schossen Sie denn nicht, der Luchs war ja nur höchstens 15 Schritt von Ihnen ent fernt? — Ja, wenn er sich nur umgedreht hätte und auf der rechten Seite gekommen wäre, im linken Lauf hatte ich nämlich Rehposten. Berechtigter Zorn. Herr (der seine Schwiegermutter zur Bahn bringt): Was, der Zug hat eine halbe Stunde Verspätung? . . . gleich geben Sie mir mal das Beschwerdebuch: Ausreichende Kntschukdigung. Ein alter Junggeselle erhält die Aufforderung, seinen „Sohn" bei Vermeidung einer Geldstrafe zur Schule zu schicken. Er schreibt zurück: „Da ich keinen Sohn habe, kann derselbe auch morgen die Schule nicht bt suchen, was ich zu entschuldigen bitte." Moderne Dienllvolcu. Hausfrau (zum neuen Kindermädchen): „Es ist gut, ich werde Ihnen den Lohn geben, den Sie fordern, aber sie müssen die Kinder auch recht lieb haben!" — Kinder mädchen: „Ja, Madame, dann müssen Sie aber noch was zulegen!" Kine kleine Neberraschung. Gattin: „Zeige mir mal den Brief!" — Gatte: „Was denn für einen Brief?" — Gattin: „Den Du eben ausgemacht hast; ich sehe an der Handschrift, daß er von einer Dame ist, und Du wurdest blaß, als Du ihn gelesen; ich will ihn sehen, gieb ihn mir!" — Gatte: „Hier ist er, es ist — die Rechnung von Deiner Schneiderin!" Im Zweifel. Richter: „Sie sind der Beleidigung angeklagt. Sie sollen den Rentier Schmidt öffentlich ein Rhinozeros genannt haben." — Angeklagter: „Na, wer hat denn geklagt, der Schmidt oder das Rhinozeros?" Aögehalten. Fischereipächter (der ins Wasser gefallen und von einem in der Nähe befindlichen Angler herausgezogen worden ist): „Sie haben mir das Leben gerettet, hier haben Sie zehn Mark!" — „Das sind nur sieben!" — „Stimmt schon; drei Maik Strafe habe ich abgehalten, weil Sie hier in meiner Fischerei geangelt haben!" Auch ei« Märchen. „Mütterchen, hörst du gern Geschichten?" — „Ja, mein Kind!" — „Soll ich dir 'mal eine erzählen?" — „Nun!" - „Wirst du dich aber auch darüber freuen?" — „Gewiß, mein Kind!" — „Aber sie ist gar nicht lang!" — „Nun erzähl' nur!" — „Es war einmal eine — Wasserflasche -—- und die — und die hab' ich eben kaput gemacht!" Beruhigend. Fremder (auf dem Wege zur Kunstausstellung): „Aber, Kutscher, fahren Sie doch schneller! So kommen wir nicht zur Ausstellung!" — Kutscher: „Da brauch'n S' keine Angst z' haben. Die Kunstausstellung wird erst Ende September geschlossen." Nachdruck aus dem Inhalte dieses Blattes verboten. Gesetz vom 11. April 187V. Redaktion, Druck und Verlag von B. Angerstein, Wernigerode.