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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 25.07.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-189507258
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-18950725
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-18950725
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
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Jahr
1895
-
Monat
1895-07
- Tag 1895-07-25
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Monat
1895-07
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Jahr
1895
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ein Schutz- und Trutzbündniß anbot. Während man noch! über die Echtheit oder Unechtheit des Aktenstückes, welches die französische Raubpolitik in das klarste Licht stellte, stritt, gab Bismarck die Erläuterung: jener Vertragsentwurf bilde nur einen der vielen Vorschläge, mit denen Preußen seit dem Be ginn des dänischen Streites durch amtliche und auheramtliche französische Agenten heimgesucht worden. Er gab der Ueber- zeugung Ausdruck, daß es selbst im letzten Augenblicke, nach Vollendung der Rüstungen, möglich gewesen sein würde, auf Kosten Belgiens Frieden zu schließen; er fügte hinzu, daß er nicht früher mit diesen Dingen hervorgetreten, daß er sie dila torisch behandelt im Interesse des Friedens, da eine Aenderung der französischen Politik immerhin in dem Bereich des Mög lichen gelegen habe. Am 29. Juli veröffentlichte Bismarck einen weiteren Vorschlag Napoleons an Preußen (1866), laut welchem der französische Kaiser nicht mehr und nicht weniger als die Annexion des linken Rheinufers durch Frankreich im Sinne gehabe hatte, während Preußen sich durch Wegnahme eines Theiles von Süddeutschland schadlos halten sollte. In Deutschland flammte die Entrüstung auf, während in Frank reich sich die ertappten Ränkeschmiede vergebens in dem Netze krümmten, in das sie sich verstrickt hatten. Zwar suchten sie sich durch allerlei klägliche Mittel weißzuwaschen, — es würie zu weit führen, die verschiedenen Reden und Gegenreden anzu führen und es genügt doch wohl das Wort eines Bismarck, uw nicht an der Wahrheit der ganzen Sache zu zweifeln, — allein Bismarck legte u. A. den Vertragsentwurf von 1867 vor und dieser erwies sich auf Papier der französischen Gesandschaft ge schrieben und die Handschrift Benedetti's wurde von den Mu- gliedern deö diplomatischen Korps rekognoseirt. Es war ein meisterhafter Schachzug Bismarck'scher Politik und man hätte glauben sollen, daß jetzt endlich der Welt die Augen über Frankreichs Politik geöffnet seien; wir werden aber sehen, daß trotzdem die Sympathien der Völker grötztentheils auf der Seile Frankreichs waren und daß Deutschland erst durch allein und ohne fremde Hilfe erfochtene Siege, durch einen beispiellos sieg reichen Feldzug gegen die bislang unbcsieglichste Nation sich die Achtung der Völker erringen mußte. Am 31. Juli verließ König Wilhelm Berlin, nachdem er noch eine Amnestie für alle politischen Vergehen erlassen; mit ihm ging das mobile Kriegsministerium und der Kanzler des norddeutschen Bundes, Graf Bismarck. Er-senkung und Häusereinstiiye in Vrür. Ein blühendes deuischeS Gemeinwesen ist von einem schweren Unglück heimgesucht worden. Aus der Tiefe, aus der die Stadt Brüx Glück und Reichthum schöpfte, ist das Ver derben zu ihr aufgestiegen. Der Grund, auf dem sich ein neuer Theil der Stadt erhob, ist eingebrochen und versunken, und in Trümmern liegt die Reihe stattlicher Bürgerhäuser, die er trug. Man hat an keine Gefahr gedacht, als in Brüx der erste Grundstein zu dem Häuserkomplex gelegt wurde, der nun ein wüster Schutthaufen ist. Niemand ahnte das Unheil, das die Tiefe barg. Niemand sah das Unglück kommen, das die Früchte jahrelanger Mühen, das harterrungenen Besitz und und frohe Hoffnungen vernichtet hat. Aber so schwer auch die Katastrophe ist, die über das muthig vorwärtsstrebende, arbeitsame Brüx hereingebrochen ist, muß man bei all dem Unglück dem Himmel danken, daß es beim Schlimmen geblieben und nicht zum Schlimmsten gekommen ist. Die heimgesuchte Stadt kann sich aufrichten an dem Tröste, daß die Katastrophe kein Menschenleben gefordert hat. Materieller Schaden ist gut zu machen, für Verluste an Hab und Gut kann Ersatz geschaffen werden, und die wackere Stadt Brüx, die immer bereit war, zu helfen, wo es zu helfen galt, die allzeit patriotischen Sinn bethätigt hat, darf hoffen, daß nun auch ihr geholfen wird. Die werkthätige Antheilnahme und Unterstützung deutscher Ge meinden wird ihr nicht fehlen und auch der Staat wird die Pflicht erfüllen, die er hierzu thunhat. Ueber die Katastrophe liegen nachstehende Meldungen vor: Die Nacht zum 20. Juli war eine stürmische, regnerische Gewitternacht. Gegen halb 10 Uhr erloschen plötzlich in der ganzen Stadt die Gasflammen. Anfangs glaubte man, daß in der Gasanstalt ein Unglück ge schehen sei, später jedoch, als Nachrichten aus der Bahnhof straße eintrafen, welche besagten, daß sich dort ein Loch von etwa 30 Meter Durchmesser gebildet habe, vermuthete man, daß ein sogenannter »alter Bau" zur Grube gegangen sei, wie dies in der hiesigen Gegend nicht selten verkommt. Als jedoch außer dem Hintergebäude des Kiekelschen Hauses in der Bahn hofstraße auch noch drei kleinere Häuser in der Gasstraße ein stürzten und hierbei aus dem Erdspalt in der Bahnhofstraße Wasser hervorquoll, war man sich darüber klar, daß man es mit dem Abflüsse eines Schwimmsandlagers zu thun habe, und nun erst erkannte man das Schreckliche der Situation in seinem ganzen Umfange. Die Annahme fand leider sehr bald ihre Bestätigung durch die Nachricht, daß am Annaschachte der Brüxer Bcrgbaugesellschaft, demselben Schachte, in welchem sich im Oktober 1890 die bekannte Grubenkatastrophe ereignet hatte, welcher 22 Bergleute zum Opfer gefallen waren, ein vehementer Wassereinbruch mit Schwimmsand erfolgt sei. Auf diese Nachricht hin wurde sofort die Delogierung sämmtlicher Häuser der Bahnhofstraße verfügt und der Abschließnngscordon durch die unterdessen auf der Unglücksstätte erschienene Cavalleric- Eskadron bedeute id erweitert. Wie richtig die geäußerten Be fürchtungen waren, daß unter diesen Umständen die Katastrophe einen großen Umfang annehmen könne, zeigten die von 10 Uhr abends an mit unheimlicher Raschheit aufeinander folgenden Ereignisse. Unmittelbar nach 10 Uhr entstand ein großes Loch auf dem Platze vor dem Hotel Siegl und ein zweites Loch in der Neuen Verbindungsstraße. Etwa um halb 11 Uhr stürzte das zwei Stock hohe Eckhaus des Herrn Dr. Richter aus Prag, des Schwiegervaters des Prager Universitätsprofessors Dr. Grünert, welch letzterer seit Beginn der Ferien hier weilt, mit einem Schlage zusammen. Um 11 Uhr nachts stürzte unter doonerähnlichem Krachen der zweistöckige Vorderbau des Kiekelschen Hauses in der Bahnhofstraße ein. Nach etwa einer halben Stunde schlugen aus den Trümmern dieses Hauses Flammen empor, die sich zu mächtiger Lohe entfalteten, da an ein Löschen mit Rücksicht auf die im Interesse der Sicherheit des Lebens erforderliche Absperrung des gesammten Rutschgebietes nicht ge dacht werden konnte. Kurz nach Mitternacht ging der ganz- rückwärtige Theil des umfangreichen Gebäudekomplexes des Spediteurs Siegl in die Tiefe. Herr Siegl, ein Mann in den siebziger Jahren, der seit Wochen schwer erkrankt ist, war von den Angehörigen, die durchwegs nur das nackte Leben retten konnten, schon zu Beginn der Katastrophe, nur mit einem Schlafrock begleitet, in das Hotel Adler gebracht worden, Gleich-! zeitig mit dem rückwärtigen Theile des Hotels Siegel, der durch die Flammen des Kiekelschen Hauffs gleichfalls in Brand gesteckt wurde, stürzte das zweistöckige Haus des Herrn Waschirowsky in der Johnsdorfer Straße ein, dasselbe verschwand buchstäblich mit Stumpf und Stiel vom Erdboden, nur der Dachfirst des selben ist zu sehen. Die in diesem Hause wohnende Frau Klein, die an einer Bauchfellentzündung krank darniederliegt, eilte barfuß und nur mit Hemd und Unterrock begleitet, beim Eintritte der Katastrophe in die innere Stadt. Nach dem Ein stürze des Waschirowskyschen Hauses trat eine Pause ein, nur in der oberen Bahnhofsstraße gegenüber dem Dwektionsge- bäude der nordböhmischen Kohlenwerksgesellschaft, dann in der Johnsdorfer Straße und in der neuen Verb'ndungsstraße ent standen breite R-sse; ebenso wurden große Risse in dem zwei stöckigen Direkt!onsgebäude der nordböhmischen Kohlenwerksge- sellschast und in dem gegenüber liegenden zweistöckigen Gebäude des Herrn Hyle bemerkbar. Gleichzeitig stürzte ein Theil des Dammes der Aussig-Teplitzer Eisenbahn in der Richtung gegen Tschausch und eines der in der Nähe befindlichen Wächter häuser ein. Welche Szenen sich unterdessen in der stockfinsteren Nacht, deren Schrecken durch den sortwährend in Strömen nieder gehenden Regen noch fürchterlicher wurden, in den Straßen der Stadt abspielten, läßt sich nicht beschreiben. Infolge des Um standes, daß die Gasanstalt innerhalb des vom Unglücke be troffenen Gebietes liegt und daß durch die Erdsenkungen mehrere Hauptrohre gebrochen waren, mußte, um Explosionen zu ver hüten, das gesammte Gas abgesperrt werden. Die infolgedessen fehlende und gerade für gestern Nacht so nothwendige Straßen beleuchtung wurde einigermaßen dadurch ersetzt, daß die Be wohner in allen den Straßen zugekehrten Fenstern Kerzen und Lampen angezündet hielten. Bei dieser das Schreckliche dec Situation charakterisirenden Illumination bemerkte man Hunderte von Personen halbnackt, vielfach nur mit Hemd und Hose ober einem Rocke bekleidet, viele barfuß, von der UrglückSstätte in die innere Stadt flüchten, um für die Nacht Unterkommen und Schutz vor dem unaufhörlich niedergehenden Regen zu finde,. Einzelne von ihnen trugen einiges rasch zusammengeraffies Bel - zeug auf dem Rücken. In kurzer Zeit waren sämmtliche Ga>t Häuser der inneren Stadt überfüllt. Der Bürgermeister ordnen an, daß die Schulen als Obdach eingeräumt werden und die Brauerei stellte ihren Malzboden zur Verfügung. Hier und bei ihren Verwandten und Bekannten fanden die meisten Flüch tigen Unterkunft. Endlich brach der heiß ersehnte Morgen des Sonnabend an, mit ihm aber auch ein Fortschreiten der Ver heerungen. Bis 9 Uhr früh stürzten weiter ein das Gasthaus „Zum Goldenen Kreuz", in dessen Stalle 80 Schweine ein gesperrt waren, die sämmtlich mit in die Tiefe gingen, und das Haus des Herrn Fischer in der Bahnhofstraße. Der größte Theil des Direktionsgebävdes der Brüxer Bergbaugesellschaft in der Neuen Verbindungsstraße, die Häuser der Herren Vogel, Fischer und Obchocensky in der Johnsdorfer Straße, sowie mehrere andere Häuser haben Sprünge bekommen, darunterauch die Volksschule zu St. Wenzel. Mit dem eingestürzten großen Administrationsgebäude der Brüxer Kohlenbergbaugesellschaft sind auch die großen eisernen Kassen, sowie die gesammte Comptoir einrichtung verloren. Der Spediteur Sigl büßte 50,000 fl. in Werthpapieren ein. Durch das Feuer in den Trümmern des Kiekel'schen Hauses ist das Haus des Bergdirektors Fitz in Brand geratheti. 18 Häuser sind zerstört und untergegangen. Die politische Behörde verfügte die Delogirung sämmtlicher Häuser des Stadltheiles gegen den Bahnhof der Aussig-Teplitzer Eisenbahn zu bis zur Durchquerung dieser Bahn durch den Bielafluß (gegen 100 Häuser). Infolgedessen steht es gegen wärtig in der Bahnhofstraße aus, wie wenn die Bevölkerung vor einem nahenden Feinde flüchten würde. Seit Sonntag Nachmittags 5 Uhr haben die Senkungen aufgehört. Der Brand ist bereits gelöscht. Der Gesammi- schaden wird auf 2 Millionen geschätzt. Es mußten 2400 Per sonen in öffentlichen Gebäuden untergebracht werden. Tiefen Eindruck machen auf die Bevölkerung die durch Maueranschläge veröffentlichten Trostworte des Kaisers und des Statthalters. Es habe sich ein Hilfskomitee gebildet, das einen Aufruf in der. Zeitungen erließ, worin um Unterstützungen der Noth leidenden gebeten wird. Die Feuerwehren von Brüx und den Nachbarorten arbeiten noch unaushörlich und sind insbesondere bemüht, unter den Trümmern den vermißten Schlosserlehrling auszufinden. Von allen Seiten laufen Beileidskunvgebungen in Brüx massenhaft ein. Es herrscht ein enormer Menfchen- andrang. Zehn Personen werden vermißt. D-e Stadt ist nicht nur ohne Gas, sondern auch ohne Wasser, auch die Wasserleitung ist zerstört. Ueber die Ursache wird gemeldet: Die Gegend um Brüx ist als sehr schwimmsandreich bekannt, was auch zur Folge hatte, daß trotz des erwiesenen Vorhanden- iems von Braunkohlenlagern im Norden der Stadt auf weite Flächen hin eine Schachtabteufung nicht versucht wurde. Man erklärt sich das Eindringen des Schwimmsandes dadurch, daß der oberhalb des Kohlenflötzes im „Anna-Schachte" gelagerte Schwimmsand an einer Stelle angezapft wurde und in die Grube drang. Der unterhalb des Stadtgebietes gelagerte Schwimmsand rückte nach und so bildeten sich Hohlräume, die zum Einsturz der Häuser führten. Der Leiter des Ackerbau ministeriums hat anläßlich der Nachrichten über den Schwimm sandeinbruch im „Anna"-Hilfsscbachte in Brüx und den hier durch erfolgten Einsturz mehrerer Häuser den Oberbergrath des Ackerbauministeriums Friedrich Zechner nach Brüx entsendet um sich an Ort und Stelle über die Sachlage zu informiren und die durch dieselbe gebotenen Vorkehrungen einzuleiten. Die an den Stillstand der Erdrutschungen geknüpften Hoffnungen scheinen sich nach einer dem „Leipziger Tageblatt" zugegangenen Drahtnachricht nicht zu erfüllen. Die Unglücks stätte, deren Betreten einzelnen Personen, besonders den Bericht erstattern der heimischen und auswärtigen Presse, mit einem Passirschein der Bezirkshauptmannschaft in Begleitung eines Feuerwehrmannes oder eines Polizisten gestattet war, mußte neuerlich für Jedermann abgesperrt werden, da sich zwischen dem Bahndamm des Bahnhofes der Aussig-Teplitzer Bahn und der Bahnhofstraße ein ungeheuer großes Loch gebildet hat, wobei ein Wächterhaus in die Tiefe stürzte. Nach vorläufiger kommisstoneller Erhebung dürfte die Gesammtzahl der der Katastrophe zum Opfer fallenden Häuser vierzig betragen, da nebst den bereits eingestürzten viele demolirt werden müssen. Nach amtlichen Erhebungen sind 26 Häuser ganz einge stürzt; in denselben befanden sich 236 Familien mit 1012 Per sonen. 18 Häuser sind theilweise eingestürzt; dieselben waren von 25 Familien mit 411 Pirsonen bewohnt. 39 Häuser > zeigten sehr bedenkliche Risse und Sprünge, so daß auch diese von den Bewohnern, 123 Familien mit 1039 Personen, ge» räumt werden mußten. Im Ganzen mußten 2462 Personen anderweit untergebracht werden. Tagesgeschichte. Der Reichstagsadgeordnete für Metz, Dr. Haas, läßt in einem protestlerischen Blatte mittheilen, daß er, obwohl er nach einer französischen Stadt übersiedelt und in Metz nur ein Absteigequartier behält, sein Reichstagsmandat so lange behalten werde, als es ihm gefalle. Die Ungenirtheit dieser Erklärung sollte den Bundesrath veranlassen, geeignete gesetz geberische Maßnahmen selbst auf die Gefahr hin vorzuberciten, daß sich die gegenwärnge Reichstagsmehrheit weigert, einem Rechtszustand, wie er durch die Eigenschaft des Dr. Haas als Mitglied des deutschen Reichstags gekennzeichnet wird, ein Ziel zu setzen. Es wäre schon ein Gewinn, wenn die Mehrheits- Parteien in die Nothwendigkeit versetzt würden, das Verhalten eines Abgeordneten, der seinen Sohn für die französische Re vanche erziehen läßt, für nicht vereinbar mit seiner Abgeordneten pflicht zu erklären. Pest, 20. Juli. Die ausschließlich von Deutschen be wohnte Zipser Gemeinde Marksdorf ist total niedergebrannt. Drei Personen sind in den Flammen umgekommen; zwei, die in einem Keller Zuflucht suchten, sind erstickt. Unter der Be völkerung herrscht das größte Elend. Alsbald nach der ersten Kunde von dem Mordanfalle auf Stambulow tauchte das Gerücht auf, Prinz Ferdinand von Bulgarien werde infolge dieses Ereignisses, von dessen mora lischer Verantwortung er sich nicht freisprechen könne, abdanken. Von anderer Seite wurde oorausgesagt, die Ermordung des um Bulgarien so hochverdiemen Staatsmannes müsse den Abbruch der best henven dplomalischen Beziehungen mit Bulgarien oder B rgerkneg im Fürsteiuhume oder irgendwelche andere für die Ruye Europas nachtheilige Folgen haben. Diese Prophezeih- mgen, die sich bisher wenigstens arg verfrüht erw'csen haben, lrten die „Hamb. Nach-." in einem Artikel: Zur bulgari- chen Frage enigcgen. Ihrer Meinung nach, die wegen der Fühlung, welche de „Hund. Nachr." mit Friedrichsruh haben, d^om e-e Be chn-ng finden dürfte, hat keine der oben ange- v iil^en Mö.> Dk Iteu viel Aussicht auf Verwirklichung. Sie i rre den: „Wa> wüte dm Prinzen Ferdinand veranlassen, die Ermordung Stambulows als Grund zur Abdankung zu be- trachlen? Daß er selbst oder sein Gouvernement die Schuld an dem Morde trüge, werden nach den letzten Nachrichten aus Sofia und Karlsbad auch die leidenschaftlichsten Freunde Stam bulows kaum noch behaupten wollen. Wenn also der Prinz keine anderen Gründe zur Abdankung hat, so halten wir diese nicht für wahrscheinlich, obwohl wir zugeben müssen, daß sein Fernbleiben von Sofia leicht anderer Deutung unterliegen kann. Einstweilen hat es jedenfalls nicht den Anschein, als ob der Tod Stambulows Bulgarien in innere oder äußere Schwierig keiten verwickeln werde, die den Bestand der Herrschaft des Prinzen Ferdinand gefährdeten, und wenn das Gegentheil der Fall wäre, so würde es sich erst zu zeigen haben, ob Prinz Ferdinand darin einen Anlaß zur Abdankung erblicken würde. Es hat während der letzten Jahre in Bulgarien Krisen gegeben, wo Abdankungsabsichten des nicht anerkannten „Fürsten" viel begreiflicher gewesen wären als jetzt; trotzdem ist der Prinz auf seinem Platze geblieben. Er besitzt ohne Zweifel Zähigkeit im Beharren auf seiner Position und würde aus ihr wahrscheinlich nur durch Gewalt zu beseitigen sein. Daß geschieht nicht, dazu ist, wie die Dinge liegen, jetzt kaum viel Aussicht. DaS fernere Geschick des Prinzen als Herrscher über Bulgarien wird zunächst wohl von der St. Petersburger Auffassung abhängig sein, und ehe hierüber nichts Maßgebliches bekannt ist, entbehren alle Vermuthungen über das Bleiben oder Gehen des Prinzen Ferdinand der Unterlage. Was die Zukunft Bulgariens im übrigen betrifft, so braucht man nicht in die Pläne eingeweiht zu sein, die zwischen St. Petersburg und Sofia schweben und durch die bulgarische Deputation in St. Petersburg gefördert werden mögen, um den Eindruck zu haben, daß ein Ausgleich des bisherigen Gegensatzes zwischen Rußland und Bulgarien an» gebahnt ist und daß die Beseitigung Stambulows diesem Aus gleichen wenigstens in der Zukunft zu statten kommen wird. Ob eine Anerkennung des Prinzen von Koburg als Fürsten von Bulgarien die Folge des Ausgleichs sein würde, lassen wir da hingestellt sein; jedenfalls liegt die Sache so, daß die Nichtan erkennung des Prinzen im wesentlichen auf dem Widerspruche Rußlands beruhte und daß mithin, wenn dieser wegfallen sollte, der Anerkennung des Prinzen wenigstens die bisherigen Hinder nisse nicht mehr im Wege stehen würden. Nach Artikel 3 des Berliner Vertrags wirb der gewählte Fürst von Bulgarien von der Pforte mit Zust mmung der Lertrauensmächte bestätigt. Diese sind Deutschland, Oesterreicb-Ungarn, Frankreich, Großbritonien, Italien, Rußland und die Türkei. Wenn Rußland seinen Widerspruch gegen dm Prinzen Ferdinand fallen ließe, so würde die Verweigerung der Anerkennung von selten einer anderen Macht kaum wabrscheinlich sein; m London und Wien, wo der Sitz eines etwaigen neuen Widerstandes wegen der Versöhnung des Prinzen mit Rußland allenfalls zu suchen wäre, bestehen anderweitige Gründe, welche zu Gunsten des Prinzen Ferdinand und seiner Anerkennung sprechen. Jedenfalls sind die Signatur mächte des Berliner Vertrages, also auch Oesterreich-Ungarn, England und die Türkei durch den Vertrag selbst genöthigt, sich zustimmend zu verhalten, wenn Prinz Ferdinand Rußland gegenüber politische Verpflichtungen übernehmen sollte, denn da durch würde lediglich einer berechtigten Forderung Rußlands entsprochen. Eine Meldung behauptet, der rustsche Botschafter, Herr«. Nelidow, hätte die hohe Pferte benachrichtigt, daß infolge der letzten Ereignisse in Sofia Rußland gezwungen werden könnte, aus seiner Bulgarien gegenüber bisher beobachteten Reserve her auszutreten und zur Herstellung der Ordnung in Bulgarien wirksam einzuschreiten. Die türkische Regierung soll diese Nach richt befriedigt und zustimmend ausgenommen haben, weil sie die gegenwärtige bulgarische Regierung nicht allen Ereignissen, die jetzt eintrcten könnten, gewachsen glaube. In den Kreisen der europäischen Diplomatie in Konstantinopel bezweilfelt man mit Recht diese Meldung, wenn man auch zugiebt, daß gerade der jetzige Zeitpunkt Ueberraschungen aller Art bringen dürfte. Vaterländisches. Wilsdruff, 24. Juli. Zum Zwecke der Unterstützung der Kaffe des Sängerbundes des Meißner Landes, die durch die Ungunst der Witterung am jüngstoerflossenen Sängerfeste ein bedeutendes Defizit erlitten hatte, gaben die hiesigen drei Gesangvereine am gestrigen Abend unter gütiger Mitwirkung
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