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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 18.07.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-189507180
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-18950718
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-18950718
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
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Jahr
1895
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Monat
1895-07
- Tag 1895-07-18
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Monat
1895-07
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Jahr
1895
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Strophe rühmend anerkennen. Der zweite Teil des Kon zertes brachte als Anfang den Hochzeitsmarsch aus dem „Sommernachtstraum" von Mendelssohn. Auch dieser Orchestersatz (Herr Bundesliedermeister Gerhardt) gelangte zu tadelloser Wiedergabe. Hierauf dirigierten Herr Lieder meister Hientzsch-Wilsdruff „Frühlingsglaube" und Herr Liedermeister Hillig-Wilsdruff „Die Heimat"; beide Lieder wurden den Intentionen des Komponisten (Rud. Tschirch) gemäß ausgeführt. Die Einsätze der einzelnen Stimmen un ersten Liede waren sicher und befriedigten die Hörer, während in dem letzten Liede, das weniger musikalische Schwierigkeiten bot, die ganze Wehmut einer nach der Heimat verlangenden Seele sich austönte. Nun folgte mit Orchesterbegleitung unter Leitung des Herrn Bundeslieder meisters Gerhardt der Festgesang von Zedtler „Gott schirme dich, mein Vaterland!" In pietätvollen: Gedenken an den früheren Wilsdruffer Kantor Zedtler, der in diesen: Werke sein über alles geliebtes deutsches Vaterland, dessen Er stehen zu schauen ihn: leider nicht vergönnt war, verherrlicht, war diese Nummer in das Programm ausgenommen worden, und war die Wiedergabe des Stückes, auch die der schwierigen 4. Strophe eine so vorzügliche, das; laute Bravorufe die Mitwirkendeu belohnte. Die beiden letzten Lieder des 2. Teils: „Trinkmusik" vou H. Mohr (Direktion Herr Lieder meister Hientzsch-Wilsdruff) und „Abendfeier" -von Kreutzer (Direktion Herr Liedermeister Franke-Oschatz) wurden sinn gemäß vorgetragen, nur wurde der Anfang des letzten Liedes nicht ulleZretto, sondern mväsraro genommen, was indessen den: Liede keineswegs zum Nachteil gereichte. Der dritte Teil des Kouzertes begann mit dem patriotischen Marschpotpourri von Römisch, in welchem 15 deutsche Volks lieder geschickt zu eiuem Ganzen zusammengestellt waren; es wurde unter der Leitung des Herrn Bundesliedermeisters korrekt vorgetragen und beifällig anfgenommen. Die beiden nächsten Lieder, „Sängerabschied" von Zedtler und „Lebe wohl" von Silcher", d:e die gleichen Gedanken musikalisch zum Ausdruck bringen, wurden von den Herren Lieder meister Fiedler-Meißen und Liedermeister Reimann-Großen hain dirigiert und von dem Chore stimmnngsvoll vorge tragen. Noch einmal trat der Bundesliedermeister vor das Pult, diesmal, un: Ed. Grieg's „Landerkeunuug" mit Or chesterbegleitung zu dirigieren. Dieses Werk, das nunmehr die Runde durch fast alle Gesangvereine gemacht hat, haben wir selbst in den leistungsfäh:gsten Vereinen kaum besser gehört. Besonders wuchtig uud klanglich schön nahmen sich die Unisonostellen aus. Das klassische „Countat" von Mendelssohn, von Herrn Liedermeister Scheffler-Riesa, und das „Abendgebet" von Jul. Otto, vou Herrn Liedermeister Zschelletzschky-Oschatz dirigiert, verdienen in ihrer Aus führung dasselbe Lob und vollendeten das Konzert zu einen: wohlgelungenen Ganzen. Dem Herrn Bundeslieder meister war es darum ein Herzensbedürfnis, allen Mit wirkenden hieraus für ihre Unterstützung zu danken; um gekehrt wurde in ein auf den Bundesvorstand und dessen Liedermeister ausgebrachtes harmonisches Hoch laut und rückhaltslos eingestimmt. Das Konzert, dem, wie wir sehen, ein feingewähltes Programm zu Grunde gelegen, indem außer schwierigen Kompositionen auch urkrastige deutsche Volkslieder berück sichtigt worden waren, war um 6 Uhr zu Ende. Leider war die Aufmerksamkeit des Publikums seit der 2. Hälfte des 2. Teiles eine geteilte, da es durch den aufs neue mit großer Heftigkeit herniederströmenden Regen gezwungen war, die Plätze zu verlassen und unter den: Dach der Zelte oder dem des Schießhauses Unterkunft zu suchen. Die Sänger in der Festhalle jedoch standen in der mit Brettern und Dachpappe überwölbten Festhalte trocken und sangen mit gleicher Bravour bis zu Ende. Das auf 8 Uhr angesetzte Jnstrumentalkonzert, dessen Aufführung man sich aus den: Festplatze an einen: warmen Sommerabend so genußreich gedacht hatte, mußte wegen des unerbittlichen Jupiter Pluvius, der obendrein noch den Boden des Festplatzes stark aufgeweicht hatte, in: Saale des Schützenhauses abgehalten werden. Beinahe vereinzelt saßen die Anwesenden, und machte das Konzert bezüglich seines Besuchs den Eindruck eines aus irgend einen: Grunde sehr schwach besuchten Abonnementskonzertes, aber nicht den Emdruck eines Konzerte» an: Abende eines Sängersestes. Im grellsten Gegen; atz hierzu standen die Leistungen der Kapelle, die, durch ihre bisherigen Darbietungen schon vor teilhaft bekannt, neue Lorbeeren pflückte. Im Interesse der mcht Anwesenden seien in folgenden: nnr die Vortrags stücke genannt: 1. Deutscher-Sängerfest-Marsch von E. Römisch; 2. Ouvertüre z. Op. „Titus" von Mozart; 3. Manzanillo-Scene a. d- Op. „Die Afrikanerin" von G. Meyerbeer; 4. „Wintermärchen", Walzer von Czibulka; 5. Ouvertüre zu „Reiselust" von E. Römisch; 6. „Am Meer", Lied von Schubert; 7. „Amors Liebespfeil," Ga votte von Friedemann; 8. „Bunt durcheinander", Potpourri von A. Franz; ö. „Die Königstrompeter." Polka für 2 Trompeten, Solo von I. Gottlöber. Der dritte Festtag, der 15. Juli, lud die Mitglieder der drei hiesigen Gesangvereine, die noch im Orte weilenden Sänger, sowie die Festjungfrauen, die Quartiergeber und die bei den Festlichkeiten in selbstlosester Weise thätig ge wesene Feuerwehr zu eiuem abends 8 Uhr beginnenden Balle nach dem Hotel „Löwe" ein, welcher Einladung zahlreich entsprochen wurde uud wodurch die im große:: und ganzen wohlgelungenen Tage des Festes ihren Ab- schlutz fanden. Aus Deutschlands großer Zeit. Erinnerungen zum 25jährigen Jubiläum des Krieges 1870/71. Von Eugen Rahden. (Nachdruck verboten.) 4. Nächste Ereignisse und Kriegserklärung. (Fortsetzung.) Erst bei seiner Ankunft in Berlin hatte König Wilhelm erfahren, was sich am selben Tage in Paris zugetragen. Die lärmenden Kundgebungen der so leicht entzündlichen Pariser hatten se:t dem 12. Juli nicht mehr aufgehört, die Rufe einzelner verständlger Personen und selbst einer Grupp- von 400 Per sonen ,eö leb- der Friede" verhallten in den Rufen der Tausende »nach Berlin". Das deutsche Gesandtschaftshotel in Paris sah sich Angriffen und Beschimpfungen ausgesetzt, das Gleiche war in anderen französischen Städten den Konsulaten gegenüber der Fall. Am 15. Juli Mittags 2 Uhr bestieg Ollivier die Tribüne des gesetzgebenden Körpers und verlas im Namen der Regie rung eine Darlegung der Sachlage, die von Verdrehungen und Entstellungen wimmelte, daß der König von Preußen den weiteren Empfang des französischen Botschafters abgelehnt und daß die französische Regierung, um dieser Weigerung einen un zweideutigen Charakter zu geben, sie offiziell den europäischen Kabinetten mitgetheilt habe. „Wir haben nichts versäumt, um einen Krieg zu vermeiden; wir werden uns jetzt rüsten, den Krieg auszuhalten, den man uns anbietetI" (Soviel Worte, soviel Lügen.) Und nun entwickelt sich im Anschluß an diese Erklärungen ein wüster Kciegstaumel, in welchem die sogenannten Volksvertreter Alles und Jedes zu bewilligen bereit sind, ohne sich auch nur im Geringsten von der Wahrheit der ausgestellten Behauptungen zu überzeugen. Redensarten, nichts wie Redens arten werden gewechselt, fortgesetzt ist von „Depeschen" die Rede, die kein Mensch zu sehen bekommt, an die man aber nichtsdestoweniger glaubt und deutlich erkennbar zieht sich durch das ganze Lügengewebe die Absicht, nur nicht auf den Kern der Sache einzugehen, in der Angst, die Vernunft könne doch zum Durchbruch kommen. Vergeblich sind die Reden eines Gambetta und Thiers, die wenigstens die Urkunden sehen wollen, auf Grund deren man sich in einen Krieg stürze; sie werden überschrieen, es wird ihnen sogar zum Vorwurf gemacht, sie seien preußische Agenten. Eine Kommission zur Prüfung der Sache wird eingesetzt. Diese Muster-Kommission Hirt die Minister, sie verlangt von dem Herzog von Gramont dieMit- theilung der Aktenstücke an die Kammer, aber sie selbst liest sie nicht, sie hat sie „gesehen", der „Herr Herzog von Gramont hat sie gelesen", „es sind Aktenstücke auf dem Tische liegen geblieben", so kehren sie in die Kammer zurück. Auj's Neue verlangt Gambetta die Vorlegung der Depeschen, namentlich derjenigen Bismarck's an alle europäischen Kabinette. „Die Kommission hat diese Depesche gesehen," entgegnet der Herzog oon Gramont, — daß sie dieselbe gelesen, wagte auch er nichi m tagen, denn in Wahrheit existirte eine solche Depesche nicht, vielmehr nur die von Bismarck redigirte Depe,che des Wolff ichen Bureaus. — Gambetta wiederholt seine Forderung, worauf Ollivier erwidert: „Ich kann nur wiederholen, daß wir die Mittheilung der in Rede stehenden Note von allen unsecen iplomatischen Agenten empfangen haben," und als man von links den Wortlaut zu hören begehrt, da brüskirt er diese Forderung mit den Worten: „Wir oc sichern die beleidigende Tyatsache auf unsere Ehre, das muß genügen; der Worte sind genug gewechselt, es gilt zu handeln!" Und so geschieht es. Oer Kredit von 50 Millionen Franks wird mit allen gegen 10 Slimmen genehmigt: der Krieg wird erklärt. Im Senat ging die Sache einfacher zu. Man plagte sich nicht lange mit Redensarten, man stimmte einfach der Negie rung zu. In einer Anrede an den Kaiser sagte der Senals- p äsident Rouher, einer der Wenigen, die in alle Fäden der h.trigue eingeweiht waren: „Ew. Majestät zieht das Schwert, as Vaterland ist mit Ihnen, zitternd vor Unwillen und Stolz. Hastiger Ungeduld widerstehend hat der Kaiser zu warten ge engt, aber seit vier Jahren hat er die Ausrüstung unserer Soldaten zur höchsten Vollkommenheit gebracht und die Organi sation unserer Militärkcaft zu ihrer ganzen Macht erhoben; dank Ihrer Fürsorge steht Frankreich fertig da." Wie hier mit Redensarten, so berauschte man sich im Uebrigen in Frankreich an dem beginnenden kriegerischen Ge tümmel und nahm im Uebermuth die Freuden des Sieges voraus. Diensteifrige Präfekten meldeten den Enthusiasmus oer Gemeinden und die auswärtigen Agenten der französischen Regierung wußten zu melden, daß die Einberufung der preußischen Landwehr schwierig sei: „Einberufene weinen, große Furcht vor dm Franzosen, besonders den Turkos, man zwingt sie gewaltsam in die Waggons." Welchen Feldherren sich Deutschland gegenüber finden sollte, beweist ein Telegramm des Marschalls Bazaine aus Metz: „Die Preußen stellen die Krüppels in die Bureaus und lassen alle Leute von 19 bis 36 Jahren, welche gesund sind, marschiren." Das war in denselben Tagen, in denen der Major Krause vom preußischen Generalstab aus Zeitungsnachrichten und anderen Quellen eine vollständige Orärs äs LutuMs der französischen Armee zu- sammenstcllte, welche sich später mit geringer Ausnahme als zutreffend erwies. Bereits in der Nacht vom 15. zum 16. Juli hatte König Wilhelm den Reichstag des norddeutschen Bundes auf den l9. Juli nach Berlin berufen und die Mobilmachungsordre unterzeichnet, welche das Räderwerk der furchtbaren Maschine der norddeutschen Heeresorganisation in Bewegung setzte. Und schon war kein Zweifel mehr, daß der französische Angriff das zesammte Deutschland auf seinem Wege finden werde. Am 19. Juli Nachmittags 1 Uhr wurde die französische Kriegserklärung dem deutschen Bundeskanzler zugestellt; es war die erste amtliche Mitlheuuna, welche in der ganzen Angelegen heit die preußische Regierung erhielt. Es war ein klägliches Aktenstück, soviel Lügen als Worte. Die bereits erwähnten Verdrehungen und Entstellungen waren darin enthalten, nichts Neues. In einem Rundschreiben an die diplomatischen Agenten des norddeutschen Bundes hatte Bismarck die Sachlage klar gelegt und die Unwahrheiten nachgewiesen. Die beste Antwort war schon früher durch die Thronrede gegeben worden, mit welcher der König den Reichstag des norddeutschen Bundes eröffnet hatte. Sie war des erhabenen Momentes würdig. Mit kurzen Worten wies sie nach, daß die spanische Kandidatur eines deutschen Prinzen nur den Vor wand geboten, um in einer dem diplomatischen Verkehr seit lange unbekannten Weise den Kriegsfall festzustellen. „Hat Deutschland," fuhr der König fort, „derartige Vergewaltigungen seines Rechtes und seiner Ehre in früheren Jahrhunderten schweigend ertragen, so ertrug es sie nur, weil es in seiner Zerrissenheit nicht wußte, wie stark es war. Heute, wo das Band geistiger und rechtlicher Einigung, welches die Befreigungs- kriege zu knüpfen begannen, die deutschen Stämme je länger je inniger verbindet, heute, wo Deutschlands Rüstung dem Feinde keine Oeffnung mehr bietet, trägt Deutschland in sich selbst den Willen und die Kraft der Abwehr erneuter französischer Gewaltthat." Der König schloß: „Wir werden nach dem Bei spiele unserer Väter für unsere Freiheit und für unser Recht gegen die Gewaltthat fremder Eroberer kämpfen und in diesem Kampfe, in dem wir kein anderes Ziel verfolgen, als den Frieden Europas dauernd zu sichern, wird Gott mit uns sein, wie er mit unseren Vätern war." Mit einem Sturm des Beifalls wurde diese Rede ausgenommen und mit stürmischem Zuruf wurde in der ersten Sitzung des Reichstages, die nach 3 Uhr eröffnet ward, die eben eingegangene, von Bismarck mit- getheilte Kriegserklärung ausgenommen. Am selben Tage wurde der Orden des eisernen Kreuzes erneuert; es sollte ohne Unterschied des Ranges oder Standes als Belohnung für Verdienste im wirklichen Kampfe oder daheim verliehen werden. Am folgenden Tage wurden dem Reichstage durch den Bundeskanzler Graf Bismarck die Aktenstücke mitgetheilt. Er hob horoor, daß, was die französische Regierung öffentlich als Note bezeichnet habe, die Mittheilung des Zeitungstelegramms an die Vertreter des Bundes bei einigen befreundeten Regie rungen gewesen sei; dem preußischen Botschafter in Poris oon Werther aber habe er, Bismarck, auf den Bericht in Betreff des berühmten Entschuldigungsschreibens geantwortet, daß der Botschafter die französischen Minister wohl nicht verstanden habe, so lächerlich sei ihm der Gedanke eines solchen Briefes erschienen. Die Antwortsadresse auf die Thronrede wurde ohne Diskussion einstimmig angenommen und dem König dann vor getragen. „Ew. Majestät und die verbündeten deutschen Regie rungen sehen uns, wie unsere Brüder im Süden bereit; es gilt unsere Ehre und unsere Freiheit, es gilt die Ruhe Europas und die Wohlfahrt der Völker," schloß diese Antwort. Am 21. Juli wurden die Gesetzesvorlagen, außerordentlicher Geld bedarf für Armee und Marine, 120 Millionen Thaler und anderes, was die Lage erheischte, sowie die Verlängerung der Legislaturperiode für die Dauer des Krieges angenommen. Tagesgeschichte. Was jüngst zwischen dem Reichsschatzsekretär und den Finanzministern Bayerns, Württembergs und Sach sens besprochen und beschlossen worden ist, darüber sind natür lich vorderhand nur Vermuthungen möglich. Es soll sich hier bei um eine neue Reichösteueroorlage, zunächst um einen an derweiten Tabaksteuerentwurf, gehandelt haben. Inzwischen ist von anderer Sene behauptet worden, diese Besprechungen hätten sich auf Wiedervorlegung der Reichsfinanzresormvorlage bezogen. Indessen wäre dazu eine neue Vereinbarung nicht erst erforder lich gewesen. Daß die Finanzminister der Einzelstaaten an dieser Vorlage festhalten und diese Reform für unumgänglich nothwendig halten, haben sie zum größten Theile bereits öffent lich im Reichstage erklärt. Aber die Voraussetzung zur Durch führung dieser Reform bildet eben die Erschließung einer neuen Rslchseinnahmenquelle, und deshalb halten wir unsere Annahme, daß sich in allererster Linie, wenn nicht ausschließlich hierauf die erwähnten Besprechungen bezogen hätten, für die weitaus glaubwürdigste. Daß der Plan, aus dem Tabak neue Ein nahmen für die Reichskasse zu gewinnen, auch nach dem miß glückten zweiten Versuche nicht aufgegeben ist, hat der Reichs schatzsekretär selbst bei der zweiten Lesung der letzten Tabak steuervorlage im Reichstage wiederholt erklärt. Eine neue Tabaksteuervorlage ist demnach mit Sicherheit zu erwarten, und es dürfte bald Näheres und Bestimmteres darüber verlauten. Ueber die Studienreise der deutschen Regierungs- kommissare nach Oesterreich will die „Dtsch. Tgsztg." erfahren haben, daß der Auftrag der Kommissare kurz vor ihrer Abreise eine wesentliche Veränderung erhalten hat: „Die Kommission hat nicht darüber Erhebungen anstellen sollen, wie sich die Handwerkerzwangsorganisation und der Befähigungs nachweis in Oesterreich während ihres zwölfjährigen gesetzlichen Bestehens bewährt haben, sondern nur darüber, in welcher Weise die gewerbliche Organisation „funktionirt." Die Herren sollten sich nur anschen, wie die Genossenschaften gewerbsmäßig ausgestattet sind, worin bisher ihre berufliche Thätigkeit be standen und wie sich ihr Verkehr mit den verschiedenen Behör den abgewickelt hat. Dementsprechend Hot die Kommission einen ungefähren Ueberblick über die äußere Thätigkeit der Zwangsgenossenschaften gewonnen; die innere wirthfchaftliche und sccialpolitische Bedeutung der ganzen Institutionen blieb dagegen völlig unbeachtet, hauptsächlich wegen der ablehnenden Haltung, welche das öster-ichlsche Handelsministerium dem an fänglichen Plane der Kommission gegenüber eingenommen hatte." Das Bundesblatt klagt, daß hiernach das Ergebniß der Studien nur ein recht mäßiges gewesen sein könne. Zur Reform der staatlichen Beaufsichtigung der Privatirrenanstalten in Preußen veröffentlicht der Oberarzt der städtischen Irrenanstalt Herzberge, Or. Kortum, in der „Berl. Klin. Wchichr." einen sehr zeitgemäßen Aufsatz. Die richtige Handhabung durch wirklich qualifizirte, also durch genügend irrenärztlich oorgebildete Personen, war es hauptsäch lich, an welcher es mangelte und an welcher die bisherige Auf sicht hin und wieder scheiterte. Aber noch immer bleibt dann, wie Or. Kortum hervorhebt eine Lücke: „Für Preußen sind ja hinreichend sichere Verhältnisse geschaffen, wie steht es aber in den anderen Bundesstaaten? Weshalb regelt man in dem einigem Deutschland die Materie nicht einheitlich und schafft ein einheitliches Jrrengesetz, wie es andere Staaten schon be sitzen? Erst nachdem dies der Fall und erst nachdem auch die gleichfalls reformbedürftige staatliche Beaufsichtigung der öffent lichen Irrenanstalten in gleicher Weise, wie diejenige aller Krankenhäuser überhaupt, namentlich in Bezug auf bauliche und hyzieinische Verhältnisse, einheitlich geordnet und festgelegt ist, werden die immer wieder sich erhebenden Klagen allmählich mehr und mehr, wenn auch vollständig niemals verschwinden." Aus dem Großherzogthum Baden kommt di- Kunde von einer Genossenschaftsbildung in landwirthschaft- lichen Kreisen, der der „Schw. M." so viel praktischen Werth beizumessen geneigt ist, wie er den ganzen kostspieligen Lärm um den Antrag Kanitz für werthlos erachtet hatte. Die Landwirthe im Kreise Eppingen haben „unter fördernder Mitwirkung der Regierung" die erste badische Getreideab - satzgenossenschaft begründet. Das ist schon insofern erfreulich, als gerade der Eppinger Bezirk einen der beiden Ba dener gestellt hat, die noch vor einem halben Jahre im deutschen Landwirthschaftsrath für den Antrag Kanitz gestimmt haben. Die Gründung der Absatzgenossenschaft läßt den Schluß zu, daß man, unbeschadet aller etwa fortbestehenden Neigungen und grundsätzlichen Ansichten über die Einfuhrverstaatlichung und die 40 jährigen Durchschnittspreise, wenigstens praktisch ge nug war, das Unerreichbare nicht weiter zu verfolgen, sondern das Erreichbare jetzt mit fester Hand zu erfassen. Bern, 15. Juli. Auf dem Puschlaver See (Graubünden) ertranken anläßlich des Kirchfestes zwei Jünglinge und drei Mädchen. Drei andere Jünglinge konnten sich retten. Die jungen Leute hatten eine Sparzierfahrt auf dem See unter nommen, wobei das Boot umschlug und versank.
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