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Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar Diens tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertel), s Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen j Mk. 55 Pf. Einzelne Numniern sO Pf. ThmM, Doftn, Menlkhg md die UMMden. Kinlsölull Inserate werden Montags, Mittwochs und freitags bis spätestens Mittags Uhr angenommen. Insertionspreis s O pf. pro dreige spaltene Eorpuszeile. für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt Druck und Verlag von artin Berger in Firma H A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 79. Sonnabend, de« 6. Juli 1895. Aus dem Donaureiche. Der Cabinets- und Systemswechsel in Oesterreich, welcher an die Stelle des Coalitionsministeriums Windischgrätz zunächst ein reines Geschäfts- und Beamtenministerium unter dem Grasen Kielmannsegg gesetzt hat, scheint vorerst ohne weitere Erschütter ungen für Cisleithanien bleiben zu sollen. Die größeren Parteien des Abgeordnetenhauses haben sich ohne Umschweife zur par lamentarischen Unterstützung der neuen Regierung bereit erklärt, um keine Stockung in der Abwickelung der nöthigsten Geschäfte eintretcn zu lassen, während die im Parlamente von den her vorragendsten Vertretern der Regierung, dem Ministerpräsidenten Grafen Kielmannsegg und dem Finanzminister Böhm von Bawerk abgegebenen Erklärungen von den Volksvertretern mit entschiedenem Beifall ausgenommen worden sind. Von der an geblich geplant gewesenen Auflösung des Abgeordnetenhauses ist um so weniger die Rede mehr, als ja in Anbetracht der ent gegenkommenden Haltung des Hauses gegenüber dem Cabinet KielmannSegg zunächst kein zwingender Anlaß zu einem solchen Schritte gegeben ist. Was die heikele Frage des Cillier slovenischen Gymnasiums anbelangt, so ist sie vorläufig wieder in den Hintergrund getreten, sie würde auch, da nun der Sturz der Coalitionsregierung erfolgt ist, wohl kaum noch einen be sonderen Einfluß auf den weiteren Verlauf der Dinge ausüben. Aber freilich, das gegenwärtige Provisorium wird doch nur eine gewisse Zeit bestehen, über kurz oder lang muß für das Kirlmannseggfiche Geschäftskabinet wieder em politisches Mi nisterium eintreten. Nach welcher Richtung hin dasselbe gravitiren würde, das läßt sich zur Zeit natürlich noch nicht bestimmt sagen, indessen dürften die Deutsch-Liberalen gut thun, für sich nicht allzuviel von der bevorstehenden abermaligen Wendung der Dinge zu erhoffen. Die Einflüsse der Wiener Hofpartei hinter den Coutissen sind auch heute noch sehr mächtig, sie würden bei der Bildung eines neuen politischen Cabinets sicherlich mit allem Hochdruck dahin geltend gemacht werden, daß wieder ein reactionäreS Regime mit slavischem Anstrich zu Stande kommt. Das liberale Deutschthum wird daher weise handeln, wenn es schon jetzt die kommenden Dinge unter diesem Ge sichtspunkte betrachtet, und sich darauf gefaßt macht, wieder in die vollständige Opposition einschwenken zu wüsten. Um so entschlossener aber muß die deutsch-liberale Partei den heran nahenden Ereignissen entgegensetzen, als der jetzt erfolgte Rück tritt ihres ersten Führers, des gewesenen Finanzministers Dr v. Plener, aus dem parlamentarischen Leben sie vor die Noth wendigkeit stellt, sich ein neues Haupt zu geben, eine Entscheidung, von welcher nicht nur für die Vereinigte Linke, sondern auch überhaupt für die politische Konstellation in Oesterreich viel abhängt. Erheblich klarer, wie in Cisleithanien gestaltet sich in Ungarn die nächste politische Zukunft. Das Zugeständniß eines liberalen Pairschub im Oberhause seitens der Krone und die Genehmigung des Inkrafttretens der neuen Kirchengesetze für den 1. Oktober durch den Kaiser bedeuten zwei bemerkens- werthe Erfolge des Ministeriums Banffy, mit welchen dasselbe seine Gesammtstellung sehr wesentlich gestärkt steht. Beide Akte, die bevorstehende Vermehrung der liberal gesinnten Magnaten im Oberhause, wie die kaiserliche Billigung des Jnslebentretens der neuen Kirchenzesetze zum nächsten Herbst charakteristren sich als unverkennbare Demonstrationen von allerhöchster Stell: für das durch Baron Banffy repräsentirte liberale Regime, als eclatante Vertrauensbeweise der Krone für das jetzige ungarische Cabinet. Letzteres erhält nunmehr auch im Magnatenhause -'ne zuverlässige Mehrheit und außerdem erfährt sein Ansehen >m ganzen Lande dadurch eine besondere Kräftigung, daß die ° umstrittenen Kirchengesetze über die Cwilehe u. s. w. mit Billigung des Kaisers vom 1. Oktober praktische Geltung erlangen Mrden. Hiermit ebnen sich die Wege für das Mi nisterium Banffy in ganz unerwarteter Weise und das Ungar- land kann jetzt nach langen inneren politischen Kämpfen auf eine Periode der Ruhe und Sammlung rechnen, während sich im benachbarten Oesterreich allem Anscheine nach neue Stürme vorbereiten. ' Tagesgeschichte. Der Wunsch unseres Kaisers, die persönlichen Beziehungen zum russischen Herrscherhause aufs beste zu pflegen und da durch mittelbar auch dem politischen Interesse des Reiches zu dienen, hat während der Hamburg-Kieler Feste nicht nur in der Stellung des Großadmirals der ruistschen Flotte, des Groß fürsten Alexis Alexandrvwitsch, a la suite der deutschen Marine, sondern, wie man erst jetzt erfährt, auch in der Verleihung des Schwarzen Adlerordens an den Großfürst Kyrill Wladimirowisch einen signifikanten Ausdruck gefunden. Trotzdem kann es kaum mehr einem Zweifel unterliegen, daß die deutsche Politik speziell in der ostastatischen Frage sich von der russischen getrennt hat. Die Schuld an der Sprengung dieses Dreibundes trägt aller dings bekanntlich nicht das deutsche Reich, sondern Rußland, das, nachdem ihm die Kastanien aus dem Feuer geholt waren, des Kompagniegeschäftes überdrüssig war und namentlich die Frucht der gemeinschaftlichen Intervention allein genießen oder sie doch höchstens mit Frankreich theilen zu wollen schien. Nun ist aber bekanntlich die mit Umgehung Deutschlands cingeleitete russisch-französische Finanzaktion vorerst auf den Sand gerathen, und man hat augenblicklich die beunruhigende Empfindung, als könnte es zu einer neuen ernsteren ostastatischen Verwicklung kommen, wenn Rußland sich nicht entschließe, von der Ver wirklichung seiner finanzpolitischen Pläne in Ostasten vorläufig abzustehen. In Berliner politischen Kreisen wird nämlich, wie der gewöhnlich gut unterrichtete Berliner Gewährsmann der „Pol. Korr." mittheilt, die Thatsache, daß Japan in der jüngsten Zeit im Gegensatz zu seiner bisherigen entgegenkommenden Haltung bezüglich der Regelung der noch schwebenden Punkte der ostasiatischen Frage ein- sehr reservirte Stellung einnimmt und daß die diplomatischen Vertreter des genannten Staates inbetreff der Räumung der Halbinsel Liao-tung und Koreas ausweichende und zweideutige Erklärungen abgeben, mit dem russisch-chinesischen Anleiheprojekt in Verbindung gebracht und- als ein Faktor betrachtet, den Rußland bei der von ihm ge planten Operation um so weniger außer acht lassen dürfe, als nunmehr auch China dem russischen Plane mit äußerstem Miß trauen gegsnüberstehe. Wenn Rußland unter diesen Umständen auf der Durchführung seiner Pläne beharren sollte, würde man sich in Berlin zu der Annahme gezwungen sehen, daß man in Petersburg gewillt sei, sich über alle Rücksichten auf die Stellung Rußlands in Europa hinwegzusetzen. Die schwerwiegenden Hindernisse, die sich jetzt den russischen Projekten in Ostasien entgegenstellen, zeigen nach dem Urtheil der maßgebenden Berliner Kreise unwiderleglich, daß, so wenig eine einseitige Ordnung der ostasiatischen Angelegenheiten durch Japan sich als durch führbar erwiesen hat, ebensowenig auch das einseitige Vorgehen einer europäischen Macht imstande wäre, jene Verhältnisse zu regeln, die das Interesse aller großen europäischen Staaten leb haft berühren. Man hält denn auch nach wie voran der Er wartung fest, daß Rußland in richtiger Erkenntniß seiner wahren Interessen den Absichten entsagen werde, die es gegenwärtig in Ostasien verfolgt. Prinz Ludwig von Bayern, der älteste Sohn des Prinz-Regenten, hat an Bord des Schulschiffes „Stein" eine Reise von Kiel aus zum Besuche der nordischen Höfe angetreten. Beunruhigende Nachrichten über den Gesundheitszustand des Fürsten Bismarck waren dieser Tage durch Hamburger Blätter verbreitet worden und hatten begreiflicher Weise in weiten Kreisen große Besorgnisse hervorgerufen. Indessen erweisen sich die Meldungen als unbegründet. Fürst Bismarck befindet sich ganz wohl, er unternahm am Dienstag einen Spaziergang und später trotz des strömenden Regens eine zweistündige Ausfahrt im offenen Wagen. Das Befinden des Altreichskanzlers war lediglich durch die Anstrengungen der Besuche und Empfänge der letzten Zeit etwas beeinträchtigt worden. Die Währungsfrage macht wieder einmal von sich reden. In Berlin hat zwischen bekannten deutschen Anhängern der Doppelwährung und Mitgliedern der französischen Bi metallistenliga eine Besprechung stattgefunden, deren Resultate in einer Anzahl Forderungen im Sinne des internationalen Bimetallismus niedergelegt worden sind. Eine weiterreichende Bedeutung dürfte der Vorgang allerdings schwerlich erlangen. Ferner verdient eine Demonstration der sächsischen Doppel- währungsfieunde immerhin Erwähnung. 82 Vorstände land- wirthschaftlicher Vereine des Königreichs Sachsen haben von Ostrau aus dem Staatssekretär des Auswärtigen v. Marschall ein Telegramm zugesandt, in welchem unter Hinweis auf den Cabinetswechsel in England die Hoffnung ausgesprochen wird, baß nunmehr unter der Initiative des Herrn v. Marschall ein kräftiger Vorstoß zu Gunsten des internationalen Bimetallismus erfolgen werde. Auf die etwaige Antwort des Staatssekretärs darf man einigermaßen gespannt sein. Berlin. An den Anschlagsäulen befindet sich heute folgende Bekanntmachung: „1000 M. Belohnung. Ein Verbrechen gegen das Leben des Polizeiobersten Krause ist durch die Auf merksamkeit der Postbehörde vereitelt worden. In der Nacht zum Sonntag gegen 2 Uhr lief mit den Postsendungen des fahrplanmäßigen schlesischen Nachtzuges auf dem Packet-Postamt Oranienburgerstraße eine 0,75 m lange, 40 cm hohe Kiste in Papierumhüllung unter Adresse: Herrn Oberst Krause, NO. Alexanderplatz 2" ein. Die Kiste ist am 2S. Juni zwischen 7 und 8 Uhr nachmittags in Fürstenwalde aufgegeben, als Absender C. Becker genannt. Der Auftraggeber der unfrankirten Kiste wird von dem diensthabenden Postschaffner als ein junger Mann von kleiner schlanker Gestalt, mit frischem, bartlosen Gesicht, blonden Haaren, im Alter von 19 —20 Jahren be schrieben. Bekleidet war derselbe in anständiger Weise mit hell grauem Stoffanzuge, einem weichen schwarzen Filzhute mit breitem schwarzen Bande. Obige Belohnung wird demjenigen zugesichert, welcher zur Ermittelung des Thäters beiträgt. Meldungen nimmt jedes Polizei-Revierbureau, sowie die Kri minalpolizei, Zimmer 42, jederzeit entgegen. Der Polizeipräsident v. Windheim." Als letztes der fremdländischen Schiffe, die zur Canalfeier nach Kiel gekommen waren, ist am Dienstag Vormittag der amerikanische Kreuzer» San Francisco" von dort abgesegelt. Kassel, 2. Juli. Ein schweres Gewitter, verbunden mit Wirbelsturm und Hagelschlag, so furchtbar verheerend und zerstörend, wie keines seit Menschengedenken, ist, wie schon ge meldet, gestern in Hessen und Nachbargebiet niedergegangen. Nach den bis jetzt gemachten thatsächlichen Feststellungen hat sich der Gewittersturm über ganz Mitteldeutschland erstreckt und eine ungewöhnlich große Ausdehnung genommen. In dem Schloßparke zu Wilhelmshöhe, der mit so seltenen Pracht- Exemplaren erotischer Bäume versehen ist, sind ganze Strecken der herrlichsten Baumwiesen wie Strohhalme umgeknickt, viele Hunderte von Bäumen sperrten Weg und Steg, so daß der Verkehr völlig gehemmt war und Militär requirirt werden mußte, um die Wege frei zu machen. Die Straßenbahn zwischen Kassel und Wilhelmshöhe konnte mehrere Stunden nicht ver kehren. Auf Schritt und Tritt im Wilhelmshöher Parke, wie in den angrenzenden Waldungen, Obstpflanzungen, Alleen ic. bietet sich ein geradezu grauenhaftes Bild elementarer ZerstörungS- wu»h. Die nach den Kaskaden führende Tannenallee ist zer stört, die berühmte Rosenallee hinter Wilhelmshöhe ist strecken weise völlig verschwunden, Dutzende von Bäumen sind von der furchtbaren Windsbraut zu einem Klumpen zusammenge weht. Bei dem bekannten Ausflugsorte „Fuchslöcher" hört der Wald stellenweise ganz auf Wald zu sein, Hunderte von Buchen liegen hier im wilden Chaos aufgethürmt. Ein ganze Anzahl Häuser wurden abgedeckt und vom Sturme beschädigt, so Schuppen und Maschinenhalle der Straßenbahn. Die elektrische Be leuchtungsanlage in Wahlershausen, Wilhelmshöhe rc., welche noch nicht lange errichtet worden ist, wurde zerstört. Die Häuser am Kohlenbergwerk Hinterm Herkules sind abgedeckt. Die in der Nähe befindlichen Felder sind von einem furchtbaren Hagel wetter heimgesucht, alle Saaten und Früchte sind total ver nichtet, die gesammte Ernte ist zerstört. Noch nach mehreren Stunden bedeckten die in der Stärke von Taubeneiern nieder gegangenen Schloßen handhoch den Boden. Wirbelsturm und Hagelwetter haben namentlich die Gemarkungen von Hoof, Breitenbach, Dömberg, Sichelbach, Elmshagen, ferner Wilhelms thal, Mönchshcf, Kalben, Udenhausen, Burguffeln rc. furchtbar verwüstet. HiobSposten treffen von allen Seiten ein. Marseille, 3. Juli. In der großen Seidenspinnerei von La Patiniese streiken 600 Arbeiter, welche die Ausweisung der italienischen Arbeiter verlangen. In der Nähe von Chambery kam es zwischen Franzosen und Italienern zu blutigen Exzessen. Ein Italiener wurde getödtet, mehrere verwundet. Die Situation zwischen Bulgarien und der Pforte wegen der mazedonischen Ereignisse spitzt sich zu. Die bulgarische Regierung hat die türkischerseits verlangte Auflösung der ma zedonischen ComiteeS in Bulgarien abgelehnt und gleichzeitig eine wesentliche Verstärkung der an der türkischen Grenze stehenden Truppen verfügt. Vaterländisches. Wilsdruff. Unsere Stadt rückt nunmehr den festlichen Tagen des 14. Gausängerfestes des Sängerbundes des Meißner Landes immer näher und mit einer fieberhaften Thätigkeit ist man bemüht, all' die Vorbereitungen zu Ende zu führen. Außer achtzig den Wilsdruffer Gesangvereinen „Liedertafel", „Eängerkranz" und „Anakreon" angehörenden Sängern «erden von auswärts von den übrigen 24 Bundesgesangvereinen nach den Anmeldelisten circa 500 Sänger erwartet, die in einer auf der Schießwiese aufzustellenden imposanten Festhalle gemeinsam singen werden. Das Festprogramm haben wir vor Kurzem schon mitgetheilt, und kann man insbesondere dem Festkonzerte mit großer Spannung entgegensehen, da dieses nach Umfang und Inhalt von feinem musikalischen Verständniß zeugt. Die Massenchöre werden zweifelsohne ihre packende Wirkung nicht verfehlen und verweisen wir, was den Billetverkauf zu diesem Konzert anbetrifft, auf das heute nochmals zum Abdruck ge langende Inserat. Wie wir hören, finden die Billets bereits jetzt schon raschen Absatz und ist es deshalb besonders den Ein-