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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 05.06.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-189506056
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-18950605
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-18950605
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
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Jahr
1895
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Monat
1895-06
- Tag 1895-06-05
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Monat
1895-06
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Jahr
1895
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kadettenkorps und gehört dem preußischen Heere als Chef des zweiten schlesischen Husarenregimenis Graf Goetzen an. Zur deutschen Flotte steht er noch in keiner Beziehung, dürfte ober, wie man in hiesigen Hofkreisen wissen will, aus Anlaß seiner Theilnahme an der Kanalfeier vom Kaiser L 1a suits der deutschen Marine gestellt werden, eine Auszeichnung, die auch den anderen prinzlichen Gästen zugedacht ist. Von gut unterrichteter Seite wird dem „Hirsch'schen Tele graphenbureau" mitgetheilt, ein preußischer Minister habe sich gelegentlich einer Unterredung dahin geäußert, daß die Regierung nicht beabsichtige, den Reichstag aufzulösen, falls nach seinem Zusammentritt die Ablehnung irgend einer Vorlage die Gelegen heit dazu biete. Der Reichstag werde vielmehr, so äußerte sich der betreffende Minister, in seiner jetzigen Zusammensetzung noch manche nützliche Arbeit erledigen, und zwar im Einver nehmen mit der Regierung. Bei Wiederbeginn der Session werde der Reichstag eine Reihe von Vorlagen, z. B. das Börsen reformgesetz, den Gesetzentwurf gegen den unlauteren Wettbe werb, die Gewerbenovelle w., vorfinden und auch höchstwahr scheinlich annehmen. Die Finanzreform werde erst dann wieder dem Reichstage vorgelegt werden, wenn die Einzelstaaten, durch ihre eigene Finanzlage gedrängt, von Neuem auf Regelung des Finanzverhältnisse« zum Reiche bestehen würden. Keinenfalls werde dem Reichstage in der nächsten Session ein der Umsturz vorlage ähnlicher Gesetzentwurf oder ein sonstiges militärisch zu gespitztes Ausnahmegesetz vorgelegt werden. Vom Bundesrathe sind in dessen letzter Wochenplenar sitzung vor Pfingsten die noch für die jüngste Reichstagssesston bestimmt gewesenen Entwürfe einer Bir senreso rm- und eines Depotgesetzes genehmigt worden. Der letzte Entwurf verdankt seinen Ursprung der in den letzten Jahre in einer ganzen Reihe eclatanten Fälle erhärteten Thatsache, daß das Vertrauen des Publikums bei Hinterlegung von Werthpapieren bei Bankiers und Kaufleuten nicht selten gröblich getäuscht und mißbraucht wird. Immer bestimmter hat sich daher aus weiteren Kreisen der Ruf nach gesetzgeberischen Maßnahmen zum befielen Schutze des Publikums gegenüber gewissenlosen Verwaltern und Be wahrern fremder Werthpapiere und das jetzt von Bundesrath genehmigte Depotsgesetz ist eben bestimmt, diesen berechtigten Wunsche nachzukommen. Was das Börsenreformgesetz anbe langt, so entspricht dasselbe ebenfalls einer schon längst erhobenen Forderung aus der Mitte der Bevölkerung und aus den Kreisen der soliden Geschäfts- und Handelswelt. Im Börsentreiben haben sich mehr und mehr bedenkliche Mißbräuche eingeschlossen welche das solide Börsengeschäft ernstlich zu gefährden drohen und zugleich geeignet sind, das Vertrauen des großen Publikums zur Börse zu erschüttern. Dieser Wahrnehmung hat sich auch die Reichsregierung nicht verschließen können und darum den Gesetzentwurf zur Bekämpfung der unlauteren und schwindel haften Bestrebungen an der Börse ausarbeiten lassen. Die wiederholt umgeänderte Vorlage weist in ihrer nunmehr fest stehenden Gestalt eine Reihe von Bestimmungen auf, die zur Beseitigung der crassesten Auswüchse des Börsentreibens wohl geeignet erscheinen und dürfte mit Besonderen die Einbeziehung der Börse unter die Oberaufsicht des Staates ihre wohlthätigen Wirkungen nach sich ziehen. — Im Uebrigen hat derBundeS- rath in der erwähnten Sitzung noch zu einer ganzen Anzahl von Reichstagsbeschlüssen Stellung genommen. Es wurden in der Fassung des Reichstages definitiv gutgeheißen die Vorlagen des Reichstages über den Beistand bei Einziehung von Abgaben und Vollstreckung von Vermvgensstrafen, über die Regelung der prioatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt und der Flößerei, sowie die Novelle zum Zuckersteuergesetz. K Berlin, 31. Mai. Bei lebendigem Leibe verbrannt ist der in der Pappel-Allee 3 wohnhaft gewesene Restaurateur Kurig, der dortselbst eine Kellerwirthschaft betrieb. Kurig, ein Mann im Alter von 32 Jahren, der in äußerst glücklichen Familien verhältnissen lebte, begab sich Montag Nachmittag, um Spiri tuosen zurecht zu machen, in seinem nach dem Hofe belegenen Lagerkeller. Kaum war eine halbe Stunde verflossen, als vom Keller her ein fürchterliches Hilsegeschrei ertönte. Frau Kurig und das Dienstmädchen eilten sofort nach dem Keller, dort bot sich ihnen ein entsetzenerregendes Bild. Kurig war in ein Flammenmeer gehüllt; rings um ihnen loderten die Spirituö- flammen. Das Dienstmädchen, das gerade Wasser in einen Eimer gelassen, reichte diesen der Frau hin, die ihn über ihren brennenden Mann ausstürzte. Durch irgend welche Bewegung wurde in diesem gefährlichen Moment noch ein volles Spiritus gefäß umgestoßen, so daß eine neue Feuersäule entstand. Alle Löschversuche der zum Tode erschreckten Frau erwiesen sich er folglos. Der brennende Mann stürzte schließlich, sinnlos vor Schmerzen, aus dem Keller heraus und rannte einer lodernden Fackel gleich über den Hof; hinter einer Thür versuchte er dann von neuem sich die brennenden Kleider vom Leibe zu reißen. Dort fand man ihn, halb zusammen gesunken und mit furcht baren Brandwunden bedeckt. Er starb am Dienstag. Daß der Zukunftstaat, wie unserer Sozialdemokraten ihn erträumen, vor 800 Jahren in China schon einmal ver wirklicht gewesen, aber natürlich jämmerlich gescheitert ist, dürfte nicht allgemein bekannt sein. In der letzten Sitzung der fran zösischen Akademie hielt Löon Caubert hierüber einen Vortrag. Im elften Jahrhundert gab es in China einen redlichen, ge bildeten Mann Namens Ouang-Ngam-Che, der zugleicht ein bedeutender Redner war. In der Absicht, das goldene Zeit alter wieder herbeizuführen, hatte er eine Reihe von Reformen ausgedacht, welche noch heute Grundlagen unseres Sozialismus sind: Verstaatlichung von Grund und Boden und seinen Er zeugnissen, Einführung der Staatsmonopole u. s. w. China hatte schwere Schicksalsschläge, Erdbeben, Hungersnoth und Ueberschwemmung eben überstanden und verlangt Reformen. Kaiser Chennsong berief daher Quang-Ngam-Che an die Spitze des Ministeriums, da dieser als Friedensrichter und Bezirks vorsteher einen großen Ruf erlangt hatte. Das Eigenthum an Grundbesitz wurde aufgehoben und dieser vom Staate an die Familien vertheilt, was nicht schwer fiel, da durch die Unglücks fälle nahezu die Hälfte der Einwohner vernichtet und somit Grundbesitz zur Genüge vorhanden war. Die Bestellung der Aecker wurde nach einem bestimmten Plan geregelt. Das Er gebniß sollte nach Abzug dessen, was die Familie zum Essen und zur neuen Aussaat brauchte, an den Staat abliefcrt werden. Leute, die sie mit der Viehzucht beschäftigten, sollten ihre jungen Thiere, die sich zum eigenen Dienst nicht brauchten, an den Staat abliesern, desgleichen sollten Andere die Wälder abholzen. UM Brennholz für sich und ihre Mitbürger zu gewinnen. So lange die Sache neu war, ging Alles sehr gut. Nach Verlauf einiger Monate aber hielt es der Bauer, der vom Staate das Korn zur Aussaat erhalten hatte, für bequemer, es direkt auf zuessen. Die Viehzüchter hatten das Interesse daran verloren, Vieh großzuziehen, und die Leute, die zum Holzfällen bestimmt waren, schlugen nicht mehr nieder, als sie selbst brauchten. Die Frauen, die von aller Arbeit frei sein sollten, sahen sich ge zwungen, Hand mit anzulegen, wenn sie nicht Hungers sterben wollten. Der eine Bauer sagte, sein Boden sei nicht ertrags fähig, der andere, sein Nachbar habe ein größeres Stück Land als er. Kurz, die Klagen häuften sich immer mehr, die Hungers noth kehrte zurück und Quang-Ngam-Che mußte gehen. Der Reformvorschlag war undurchführbar. In Oesterreich weist der politische Barometer schon wieder auf Sturm, obwohl doch kaum erst die Kalnoky-Krisis beendigt worden ist. Die Auflösung des Wiener Gemeinderathes infolge der Nichtzustandekommens der Wahl eines neuen Ober bürgermeisters hat durch die sie begleitenden Umstände den Charakter einer Maßnahme weittragender politischer Bedeutung erlangt. Denn die Neuwahlen zum Gemeinderathe der österreichischen Hauptstadt werden sich zu einer Kraftprobe zwischen dem öster reichischen Liberalismus überhaupt und dem immer zuversicht licher auftretenden Antisemitismus und weiter mit den Parteien, die letzteren aus politischen Gründen unterstützen, gestalten, der Ausgang des bevorstehenden Wahlkampfes in Wien dürfte darum zweifellos auch auf die gesammte innere Lage in Oesterreich zurückwirken. Mit den Wiener Vorfällen hängt n auch die auf getauchten Ministerkrisisgerüchte zusammen, welche wissen wollen, Ministerpräsident Fürst Windischgraetz beabsichtige zu demissio- niren; ein solcher Schritt des leitenden Staatsmannes wäre aber wohl gleichbedeutend mit dem Zusammenbruche des Coa- litionskabinets und weiter der Coalition im Abgeordnetenhause. — Der ungarische Ministerpräsident Baron Banffy weilte kurz vor Pfingsten abermals in Wien, wo er mit dem neuen Minister des Auswärtigen Grafen Goluchowski und mit dem Minister präsidenten Fürsten Windischgraetz längere Zeit konferirt hatte. Paris, 31. Mai. Der Senator Beaumanoir (Royalist) interpellirte die Regierung über die auswärtige Politik und hob oabei hervor, Europa würde sich erleichtert fühlen, wenn die Besorgnisse verschwänden, die sich als die Folgen des Frank furter Verlages ergeben. Aber die Verwirklichung dieses Traumes scheine nicht nahe bevorzustehen. Die französische Flotte gehöre nicht nach Kiel. Redner betonte, er zolle dem wahrhaft könig lichen Verhalten des Kaisers Wilhelm volle Anerkennung. Er sei überzeugt, daß das französische Geschwader mit aller Zuvor kommenheit empfangen werde; allein der Nord-Ostsee-Kanal sei durchaus ein kriegerisches Werk. Man opfere den republikani schen Stolz, von dem man so oft spreche. Elsaß-Lothringen werde wissen wollen, ob die Regierungspolitik, nach Kiel zu gehen, eine Politik des Verzichtes sei. (Lärm links.) Frank reich wolle den Krieg nicht. Aber welche Rolle werde es in Kiel spielen? Was haben wir in Japan zu thun? Unterhäll Frankreich seine gewaltigen Heere für ausländische Interessen? Werden wir die Politik ewiger Täuschungen fortsetzen? Die russische Flotte geht nach Kiel; aber die französischen Schiffe werden von den russischen getrennt sein. Die Feier werde am Jahrestage der Schlacht von Waterloo stattfinden. Anstatt veutsche, englische und russische Politik zu treiben, würde es besser sein, eine französische Politik zu machen. Frankreichs Freund schaft sei em kostbarer Schatz, den man nicht zum Gegenstände geheimer Verträge machen darf. Andere Nationen verheimlichen ihre Bündnißverträge nicht; wir müssen dasselbe thun. Vaterländisches. Wilsdruff. Aus Anlaß der am Sonntag den 9. Juni in Grumbach stattfindenden Fahnenweihe des dortigen Militärvereins verkehren auf der Bahnlinie Potschappel- Wilsdruff zwei Personcnzüge von Potschappel nach Wils druff und umgekehrt in folgendem Fahrplane: Abfahrt von Potschappel 11 Uhr 20 Min. Vorm., Ankunft in Wilsdruff 12 Uhr 12 Min. Nachm. und zurück Abfahrt von Wilsdruff 9 Uhr 28 Min. Nachm., Ankunft in Potschappel 10 Uhr 19 Min. Nachm. Zur Benutzung des Sonderzuges, welcher an allen Verkehrsstellen der Linien hält, berechtigen die ge wöhnlichen Fahrkarten. — Unkersdorf. Am Trinitatisfest, Sonntag, den 9. Juni, findet hierselbst bas I a h r e s f e st des Naustadt-Weis- tropper Zweigvereins der ev.-luth. Mission unter den Heiden statt. Der Festgottesdienst beginnt nachm. 2 Uhr; nach Be endigung desselben findet im hiesigen Gasthof eine Nachver- sammluug statt, in welcher mehrere Herren Pastoren Mit- theilungen aus dem Arbeitsgebiet der Mission machen w.rden. — Es wird vielfach darüber Klage geführt, daß Kinder, wie Erwachsene Getreidefelder und Wiesen betreten, um Blu men zu pflücken, wodurch den Besitzern oft nicht unerhebliche Schäden entstehen. Es sei deshalb wiederholt darauf hinge- w'esen, daß § 368, Abs. 9 des Reichsstrafgesetzbuches derartige Uebertretungsfälle mit Geldstrafe bis zu 60 Mk. bedroht, an deren Stelle im Unvermögensfalle entsprechende Haft tritt. Eltern haben für ihre Kinder aufzukommen, wenn dieselben das 12. Lebensjahr noch nicht überschritten haben. — Die Gefährlichkeit der Insektenstiche ist mit Eintritt der warmen Tage wieder besonders zu berücksichtigen, nicht etwa wegen ihres eigenen Giftes, sondern besonders wegen ihres Be suchs von allen möglichen verwesenden Stoffen und Weiter- vcrschleppung des Leichengiftes. Es ist darum rathsam, beiden Fußtouren auch der Vorsicht zu gedenken und stets ein Fläsch chen Salmiakgeist mit sich zu führen, um mit solchem schnell die Stichstelle einzureiben, da dadurch das Gift neutralisirt und unwirksam wird. — Am 31. Mai endete die am 1. November begonnene Schonzeit für Krebse, während vom 10. Juni ab die Ausübung der Fischerei in fließenden Gewässern bezüglich der in § 3 der Verordnung vom 28. Oktober 1878 genannten Süßwasserfische freigegeben ist. Wer die Fischerei ausüben will, ohne an der Stelle, wo er dies thut, entweder als Fischereiberechtigter oder als Pachter zur Ausübung der Fischerei befugt zu sein, muß jedoch mit einer von dem Fischereiberechtigten oder Pachter aus gestellten, ortspolizeilich beglaubigten Fischkarte (Angelkarte) ver sehen sein und hat dieselbe bei Ausübung der Fischerei stets mit sich zu führen. — Wie ein sozialdemokratischer Agitator heim geschickt wurde, darüber bringen die „Grim. Nachr." fol gende Erzählung: „In dem großen, viel besuchten Gasthof zu .... gab es etwas zu hören. Herr Schulze, ein soziali stischer Redner, hielt eine große Wahlrede. Heft wie der mit den Armen und Beinen focht und den Mund recht voll nahm mit zündenden Schlagworten, wie „Ausbeutung der Arbeiter," „kapitalististe Produktionsweise" u. s. w. Zum Schluß erhob er seine Stimme noch einmal zu ungewöhnlicher Kraftanstreng ung: „Darum sage ich Euch, Genossen, es wird nicht eher besser in der Welt, ehe wir nicht loskommen von dem Drucke der Junker und Pfaffen!" Donnernder Beifall! Herr Schulze setzt sich mit siegesbewußtem Lächeln. Als die „Diskussion" beginnt, meldet sich einer aus dem Hintergründe zum Worte. „Pfarrer L.!" murmelte es im Saale. Pfarrer L. war ein schlagfertiger Mann. Alle hingen mit Spannung an seinem Munde. Und er begann: „Herr Schulze hat zuletzt von dem Drucke der Junker und Pfaffen geredet. Was nun die Junker betrifft, so habe ich eigentlich zu wenig mit Adeligen zu thun gehabt, um bcurtheilen zu können, ob sie die Leute drücken. Einige habe ich kennen gelernt, das waren recht menschenfreund liche Herren. Wahrscheinlich hat Herr Schulze in seiner Eigen schaft als Arbeiter mehr als ich in höheren Adelskreisen verkehrt, vielleicht ist er so freundlich und nenntuns nachher die Junker mit Namen, unter deren Druck er zu leiden gehabt hat! — Aber nun die Pfaffen. Ich gehöre ja selbst zu dieser verwerf lichen Menschenklasse. Und da muß ich leider mit dem Ge ständnisse beginnen: Ich habe Herrn Schulze auch gedrückt!" Allgemeines „Aha!" „Ich habe ihn wiederholt gedrückt," fuhr L. unbeirrt fort. „Es sind nun 4 Jahre her, da starb seine Frau. Ich habe ihr damals eine christliche Leichenrede gehalten, und da mir das Herz warm war, auch dem betrübten Gatten in herzlicher Theilnahme die Hand gedrückt. Das war der erste Druck. Darnach über eine Zeit hörte ich, daß Herr Schulze wegen sozialistischer Umtriebe aus der Arbeit entlassen worden und nun mit seinen hilflosen Würmern in arge Noth gerathen sei. Da bin ich wieder zu ihm gegangen und habe ihm abermals die Hand gedrückt und auch etwas in die Hand, soweit meine Mittel reichten. Das war der zweite Druck! Und 4 Wochen darauf klopfte es an meine Thüre, und herein tritt Herr Schulze und bittet, ob ich nicht ein gutes Wort für ihn einlegen wolle bei dem Herrn, daß er doch wieder in Ar beit käme. Da habe ich ihm abermals herzlich die Hand ge drückt und versprochen, daß ich es versuchen wolle. Und ich freue mich, daß er auf meine Befürwortung wieder angenommen worden ist. Das war der dritte Druck! Und darum, meine Herren, stehe ich heute als armer Sünder vor Herrn Schulze und muß vor Ihnen Allen bekennen: Ich habe ihn wiederholt gedrückt!" Ein Lächeln ging durch den Saal; Aller Augen waren auf Herrn Schulze gerichtet. Der aber saß da, als wenn etwas wie feurige Kohlen auf seinem Haupte brenne. Endlich stand er auf und sagte: „Ja, wenn sie alle wären wie Sie!" — Weiter wußte er nichts mehr. — Am Mittwoch spielte sich in Kleinburgk eine aufregende Szene ab. Ein Musikschüler, der sich eine strafbare Handlung zu Schulden hatte kommen lassen und seiner Verhaftung ent gegensah, trank in selbstmörderischer Absicht Carbol und stieg dann auf das Dach des von ihm bewohnten Hauses. Erhalte darauf gerechnet, daß das Gift rasch wirken und er im bewußt losen Zustande ab- und auf die Straße stürzen würde, um so seinen Tod zu beschleunigen und der Verhaftung durch die be reits nahenden Polizisten desto sicherer zu entgehen. Man sah den jungen Mann aber bald wieder in ein Dachfenster ein steigen. Als man in sein Zimmer eindrang, lag er in seinem Blute schwimmend am Boden. Er hatte sich mehrere tiefe Schnitte in den Hals beigebracht. Man brachte den jungen Menschen in das Stadlkrankenhaus nach Dresden, wo er am Donnerstag starb. — Dresden, 1. Juni. Se. Majestät der König wird am 18. Juni zur Eröffnungsfeier des Nordostseekanals abreisen. — Zu den Lanvtagswahlen. Im 5. städtischen Land tagswahlkreise (Dippoldiswalde, Glashütte, Dohna Berggieß hübel, Gottleuba rc.) hat man neben dem bisherigen Vertreter Geh. Hofrath Ackermann-Dresden einen Sozialdemokraten auf gestellt, den Buchdruckereibesitzer Schönfeld-Dresden. — Dresden, 1. Juni. Unvorsichtige Diebe. Ein auf der Eisenberger Straße wohnender Herr beobachtete gestern früh gegen 2 Uhr zwei verwegen aussehcnde und anscheinend stark angetrunkene Männer, die sich in der Nähe seiner Wohnung auf einem Platze herumzankten. Sie hatten in Tücher gewickelte Packete bei sich und schienen sich zu zanken, wer diese Hucken tragen solle. Schließlich öffneten sie eine solche, nahmen eine werthvolle geschnitzte Regulator-Uhr heraus und zerbrachen die selbe, indem sie sie zerschlugen und zertraten. Durch dieses auffallende Gebahren veranlaßt ging der Herr auf die Beiden zu und redete sie an, worauf dieselben grob wurden und mit Schlägen drohten. Er beobachtete sie weiter und verfolgte sie, bis er einen Kriminalgendarm traf, dem er die Sache mit- theilte. Er unterstützte den Beamten bei der Arretur, und als man sich dann die Effekten der beiden Strolche näher ansah, fand man Werthpapiere Aktien mit Coupons und Talons, so wie Sparkassenbücher im Betrage von ca. 20000 Mark vor. Sie wurden gefesselt und hinter Schloß und Riegel gebracht. Die Werthsachen sind vorgestern aus einer Villa in der Nähe Dresdens gestohlen worden. Dadurch, daß die Diebe sich dann betrunken und in diesem Zustande allerlei Thorheiten verübt haben, haben sie sich selbst verrathen. — Der dieSj. Verbandstag der sächs. Gewerbe- und Hand werkervereine findet den 9. und 10. d. M. in Bischofs werd« statt. Es liegen sehr interessante Verhandlungspunkte vor: Gefängnißarbeit, Submisstonsfrage, unlauterer Wettbewerb, Erweiterung der Unfallversicherung, Alters- und Jnvaliditäts- gesetz. Die Verwerthung der aus Konkursen und Pfändungen herrührenven Gegenstände nur am Wohnsitz des Schuldners. Längere Gültigkeit der Rückfahrkarten auf Staatseisenbahnen und noch vieles andere. — Mylau, 31. Mai. Durch das Anbrennen des Feuers mittels Petroleums ist hier abermals ein Menschenleben zu Grunde gegangen. Der ö'/z Jahre alte Schulknabe Franz Albert Grimm, Sohn des Färbereiarbeiters Franz Veit Grimm in der Ringstraße hier, sollte im Auftrage seiner Mutter unter dem Kessel im Waschhause Fever anzünden; da das Feuer aber nicht recht brennen wollte, goß er Petroleum in dasselbe, wo durch das Petroleum in der Kanne explodirte, so daß der Knabe gräßlich verbrannte. Heute früh 2 Uhr ist derselbe von seinen schrecklichen Schmerzen durch den Tod erlöst worden. — Leipzig, 31 Mai. Der Verband der Arbeitgeber
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