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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 28.05.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-189505283
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-18950528
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-18950528
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
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Jahr
1895
-
Monat
1895-05
- Tag 1895-05-28
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Monat
1895-05
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Jahr
1895
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Regelung der privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei und der I Binnenschifffahrt, dann die dem Reichstage erst im letzten Theile seiner Session zugegangenen Entwürfe, welche sich auf die Be-^ kämpfung des Sklavenhandels, auf die Fürsorge für Wittwen und Waisen des Soldatenstandes, weiter auf die Ergänzung, resp. Abänderung der Zuckersteuer- und des Branntweinsteuer gesetzes und des Jnvalidenfondsgesetzes beziehen. Außerdem genehmigte das Haus noch verschiedene kleinere Gesetzentwürfe und erledigte daneben eine ganze Reihe von Initiativanträgen; der wichtigste Antrag, der die Getreideverstaatlichung betreffende Antrag Kanitz, blieb freilich in der Kommission stecken. Die Session weist demnach immerhin positive Ergebnisse genug auf, aber da gerade die hervorragendsten Vorlagen nicht zu Stande gekommen find, so muß sie doch mit zu den unfruchtbarsten Tagungen der deutschen Volksvertreter gezählt werden. Auch die unerquicklichen Reichstags-Vorgänge 'm der Frage der Bis marck-Ehrung, weiter die fast chronisch gewesene Beschlußun fähigkeit des Hauses und mancherlei tiefgehende Verstimmungen anläßlich der Thätigkeit der Reichsboten werfen ein recht un freundliches Licht auf die abgeschlossene Thätigkeit des Reichs parlaments, gut darum, daß diese Session endlich der Ver gangenheit angehört. Den Wahlen für die Einzellandtage wird mit Ausnahme desjenigen für Preußen außerhalb des eigenen Landes verhältnißmäßig nur geringes Interesse entgegengebracht. Mit Unrecht, denn die Fortschritte, welche die Sozialdemokratie in den Einzelstaaten macht, verdienen auch vom Reichsstandpunkte Beachtung. Ganz überrascht war man, als bei den diesmaligen Wahlen in Altenburg zwei ländliche Wahlkreise von den So zialdemokraten erobert wurden. In nicht zu langer Zeit stehen jetzt in zwei Staaten (Königreich Sachsen und Großherzogthum Baden) Wahlen für die Landtage bevor, die ganz besonderes Interesse beanspruchen dürften. Aus der badischen Kammer scheiden 32 Mitglieder, darunter 2 Sozialdemokraten, 1 Sozial demokrat bleibt in der Kammer. Die Führer der badischen Sozialdemokraten Dreesbach und Dr. Rüdt haben sich bekannt lich gegenseitig auf das wüthendste bekämpft; alle Versuche, „die feindlichen Brüder" zu versöhnen, schlugen fehl; trotz Par tiebeschlüsse tobte der Kampf ruhig weiter. Jetzt kurz vor den Wahlen ist eine Einigung erfolgt, und mit doppelter Energie haben sich die Sozialdemokraten in die Agitation gestürzt; sie hoffen, mindestens 6 Mann stark wiederzukommen. Die Na- toinalliberalen haben bekanntlich eine ganz knappe Majorität in der Kammer; sie ist verloren, wenn sie auch nur zwei Sitze an die Sozialdemokraten abgeben. Die Agitation der anderen Par teien ist sehr spät ausgenommen worden. — Bei uns im Königreich ist die Sozialdemokratie regulativ stärker als im Reichs tage, ungefähr den sechsten Theil der Sitze hat sie inne, was ja allerdings angesichts unserer industriellen Entwickelung noch kein übermäßig hoher Prozentsatz ist. Seit Wochen entfaltet die Partei die lebhafteste Agitation für diese Wahlen; die kleinen Bauern werden mit allen möglichen Mitteln bearbeitet. Am 4. und 5. Juni werden in Döbeln die Sozialdemokraten Sach sens ihren Parteitag abhalten und die Kandidatenfrage zum Abschluß bringen. Die Führer tragen sich mit der Hoffnung, daß sie 20 Mann stark in der neuen Kammer erscheinen werden. Nun, wir wollens abwarten. Wenn freilich unter den Ord nungsparteien die alte Uneinigkeit wieder einreißt, dann kann eS passiren, daß die sozialdemokratischen Hoffnungen sich erfüllen. Petersburg, 24. Mai. In der Stadt Wischnij-Wolot- schok (Gouvernement Twer) wüthete eine heftige Feuerbrunst. Gegen 200 Häuser des ärmsten Theiles der Stadt sind einge äschert und daher viele Personen obdachlos. Kaufleute erlitten große Verluste. Der Schaden ist sehr bedeutend. Paris erlebte vorige Woche ein Ereigniß, welches seit 35 Jahren nicht dagewesen war, nämlich die Hochzeit eines Rot schild. Der Bräutigam war Baron Henri von Rotschild, Sohn des Barons James von Rotschild, der vor 14 Jahren starb, und Neffe des Barons Arthur von Rothschild in London, sowie der Herzogin von Grammont und der Fürstin von Wagram. Die Braut war Fräulein Mathilde von Weißweiler. Herr Henri von Rotschild hat sich dem ärztlichen Beruf gewidmet, ist 23 Jahre alt und gegenwärtig Assistenzarzt am Necker-Spital. Die Hochzeit hatte einen großen Theil der Pariser Aristokratie zusammengeführt. Die Hochzeitsgeschenke waren ebenso fürstlich, als mannigfaltig. Sie bilden eine kleine Ausstellung, bei welcher außer der kostbarsten Arbeiten der Pariser Goldschmiedekunst und den Meisterwerken der Porzellanmanufaktur in Ssvres, außer Gemälden hervorragender Maler und Schmuckgegenständen aller Art, auch mehrere werthvollc Pferde und eine Anzahl Wagen nicht fehlten. Der Werth dieser Geschenke wird auf über 6 Millionen Francs geschätzt, sodaß diese Hochzeit einen merklichen Einfluß auf die Thätigkeit der Pariser Industrie übte. Ueber- dies haben gelegentlich derselben die Pariser Armen bedeutende Geldgeschenke erhalten. Das Erdbeben in der Pronin; Florenz. Vallombrosa, 20. Mai 1895. Es war Sonnabend, den 18. Mai, abends 8V4 Uhr. Wir befanden uns im Speisezimmer, in lebhaftem Gespräche begriffen, das sich hauptsächlich um die bevorstehenden Wahlen drehte. Da die Debatte zu lebhaft zu werden drohte, so machte einer der Kollegen den Vorschlag, die Politik beiseite zu lassen und ein Spielchen zu machen. Das große Sopha in der Ecke war einladend genug, um diesem Vorschläge Folge zu leisten. Alle erhoben sich und ließen sich am Spieltische nieder. Da — es war genau 8 Uhr und 53 Minuten — wir hatten eben die Karten aus dem Kasten genommen, entstand ein Sausen in der Luft, und der Boden begann sich unter unseren Füßen zu bewegen. Ein Dutzend zur Erde fallender Gläser und Flaschen, der von der Decke und den Wänden fliegende Kalk belehrte uns sogleich, daß ein Erdbeben stattgefunden habe. Ich selbst hatte in meinem Leben vier- bis fünfmal Ge legenheit gehabt, dieses Phänomen zu beobachten. Einige Kollegen jedoch, denen ein Erdbeben etwas ganz Neues war, saßen geisterblcich da, und es vergingen mehrere Minuten, ehe sie imstande waren, ein Wort hervorzubringen. Es ist >n der That etwas Unheimliches, so ein Erdbeben! Das Herz fängt von der ungewohnten Bewegung der Erde ganz gehörig an zu hämmern, und es vergehen zuweilen Stunden, bis die Unruhe beseitigt ist. Die Erschütterung des Bodens hatte 4^ Sekunden ge dauert, und gleich darauf vernahm man in den Korridoren der Forstakademie ein Lärmen und Schreien, ein Hin- und Her laufen von Personen. Im oberen Quartier, das von Ken Studenten bewohnt wird, ging es noch unruhiger zu. Mehrere Calabresen, die Erdbeben in ihrer Heimath erlebt hatten schrien wie die Besessenen, und verlangten, ins Freie gelassen zu werden, was das Reglement jedoch wegen der vorgerückten Stunde nicht erlaubte. Es hielt Mühe, die vielen aufgeregten Gemüther zu beruhigen, zumal gegen 11 Uhr ein zweiter, wenngleich bedeutend schwächerer Stoß erfolgte. Fast alle ver brachten die Nacht außerhalb des Bettes, bereit, bei der ersten Gefahr das Weite zu suchen. Die nächsten beiden Stöße wurden hier oben wenig bemerkt. Glücklicherweise war in der Akademie wenig Schaden entstanden; in mehreren Zimmern war nur der Kalk von den Wänden gefallen; in anderen Räumlichkeiten zeigten die Mauern mehr oder weniger starke Riffe. Dem Assistenten der Botanik hatte eine von der Wand fallende Botanisirtrommel eine werthvolle Käfersammlung in bedenkliche Unordnung gebracht. Im ganzen jedoch war das Unheil zu ertragen. Es kam uns allen aber der Gedanke: Wie wird es unten im Thale aussehen, wenn das Erdbeben uns, die wir 1000 Meter über dem Meeresspiegel wohnen, so arg geschüttelt hat? Es scheint, als ob die bösen Geister, die dort unten in der Erde Hausen, gar keine Ruhe finden können. Leider zu oft zeigen sie den armen Erdenbewohnern, daß sie sterblich sind, und sich jeden Augenblick auf ihr Ende gefaßt machen können. Am nächsten Morgen fuhr ich mit dem ersten Zuge nach Florenz, um Näheres über das Erdbeben zu erfahren. Vorher hatte der Telegraph bereits gemeldet, daß dasselbe in der Provinz allenthalben großen Schaden angerichtet hatte. Um 2 Uhr mittags kam ich in Florenz an. Auf dem Centralbahnhofe waren zwei rangirende Güterzüge entgleist. Ueberall begegneten mir aufgeregte, übernächtige Personen; alles sprach von dem Erdbeben, das sowohl in der Stadt, als auch in der Campagna in außerordentlich starker Welse auf getreten war. Der erste Stoß war am heftigsten gewesen: sämmtliche Uhren, worunter die alte Rathhausuhr, waren etwa 7 Minuten vor 9 Uhr stehen geblieben; die Glocken hatten angefangen zu läuten und alles war ins Freie gestürzt, um sich vor den nachfolgenden Erschütterungen zu retten. Die Plätze und öffentlichen Gärten waren angefüllt von Jung und Alt. Sämmtliche Droschken der Stadt waren besetzt und selbst die Pferdebahnwagen wurden während der Nacht als interimistische Wohnungen benutzt. Die große Panik der Florentiner Be völkerung läßt sich daraus erklären, daß etwa seit 80 Jahren in Toskana kein Erdbeben stattgefunden hat. Es war somit etwas Neues, Ungewohntes und deshalb um so beunruhigender. Die Erinnerung an die schrecklichen Vorgänge in Süditalien hatten dann die Phantasie noch mehr aufgeregt. Ganz Florenz hat in der Nacht vom 18. zum 19. Mai im Freien übernachtet, was bei der empfindlichen Kälte, die auch in unserer Provinz seit einigen Wochen herrscht, höchst unangenehm war. Die Aristokratie hat ihre großen steinernen Paläste in der Nacht verlassen und sich auf die Landhäuser zurückgezogen. Etwa 30000 Häuser sind in Florenz mehr oder weniger beschädigt. Der Sicherheitsdienst, der vom Militär und den pompisri (Feuerwehr) ausgeführt wird, läßt nichts zu wünschen übrig. Zum Glück hat man in der Stadt selbst kein Menschenleben zu beklagen, obgleich viele Personen ver wundet wurden. Weit schlimmer sieht es in der Campagna aus. Ich konnte darüber folgende authentische Nachrichten einholen: In der nicht weit von Florenz liegenden Gemeinde Grassina ist der vom Erdbeben verursachte Schaden ganz bedeutend. Die Bewohner wurden von einer unsäglichen Panik ergriffen. Ganze Familien irrten wie geistesabwesend auf den Felbern umher. Gegen 40 Häuser sind ganz eingefallen. Viele Bauern wurden verletzt, eine Anzahl Todte zog man aus den Trümmern hervor, andere haben bis jetzt noch mcht geborgen werden können Von Florenz aus trafen der Prinz von Neapel, der Präfekt, der Bürgermeister und eine Feuerwehrkolonne ein, um tröstend und helfend einzugreifen. In Lapeggi, wo sich die historische Villa Medici befindet, ist der Schaden ebenfalls groß; auch hier verschiedene Todte und viele Verwundete. Ebenso in Tavernuzzo, Montebuoni, Sangaggio und wie die Ortschaften alle heißen mögen. Wir finden fast überall das gleiche Bild der Zerstörung, die gleiche Bestürzung und Ängst, daß sich die Erdstöße wiederholen könnten. In den anliegenden Provinzen ist das Erdbeben wohl fast überall verspürt worden, doch hat dasselbe, wie es scheint, nur in der Provinz Florenz Schaden angerichtet. Hoffen wir, daß wir von weiterem Unheil befreit bleiben mögen. Professor H. Krusekopf. Vaterländisches. Wilsdruff, 27. Mai. Gestern fand in Krögis die diesjährige Bezirksversammlung der König!. Sächs. Militär vereine der Amtöhauptmannschaft Meißen statt. Der Vorsitzende, Bezirksvorsteher Rentzsch, eröffnete die sehr gut von (allen neun undzwanzig) Vereinen beschickte Versammlung gegen 11 Uhr. Besondere Auszeichnung erfuhr die Versammlung durch die An wesenheit der Herren Amtshauptmann von Schröter, Oberst Seung-Meißen, Rittmeister Steiger Leutewitz, Premierlieutenant Steiger-Löthain, Rittergutsbesitzer Oehmichen-Barnitz, Wolf- Deila und Pastor Friedrich-Krögis. Zunächst begrüßte der Ge meindevorstand des Ortes die Erschienenen, alsdann nahm Ver einsvorsteher Kamerad Walther-Krögis das Wort, um die Ehrengäste und Kameraden herzlich willlommen zu heißen. Weiter gab der Bezirksvorsteher seiner Freude dahin Ausdruck, daß die Herren Ehrengäste erschienen waren, worauf Amtshaupt- mann v. Schröter herzlich dankte, betonend, daß er immer ein lebhaftes Interesse für die Militärvereine gehabt habe. Von den Verhandlungen sei heute nur so viel gesagt, daß die Be zirksversammlung nächstes Jahr in Wilsdruff gehalten wird. Wir werden uns gestatten, in nächster Nummer ausführlichen Bericht der bis V45 Uhr tagenden Versammlung zu bringen. — Recht liebenswürdiger und angenehmer Besuch hatte sich vorigen Sonnabend Abend in unserem Wilsdruff einge sunden. 23 Herren vom Dresdner Turnlehrerver ein unternahmen von Dresden aus eine Partie über Nieder wartha, Weistropp, Kleinschönberg, Neudeckmühle nach Wils druff, woselbst sie von Mitgliedern des Turnvereins auf das herzlichste begrüßt wurden. Die Herren stärkten sich zunächst in der einladenden Veranda des Hotels zum Adler mit echten Bieren und Speisen und zogen alsbald nach der Pflegestätte der Turnerei, nach der städtischen Turnhalle. Hiersclbst ent wickelte sich alsbald ein lebhaftes Bild, denn die Dresdner Herren Turner legten in Gemeinschaft mit den unsrigen ein beredtes Zeugniß ihres turnerischen Könnens ab. Sowohl die Frei übungen wie das Geräthturnen erregte lebhaftes Interesse. Hierauf begaben sich die Herren nach dem „Hotel Löwe", u« sich nach kräftiger Ausarbeitung und heißem Schweiß an einem Gläschen „Echten" und kräftigen Speisen zu laben. Eine An zahl Wilsdruffer Herren hatten sich auch hiersclbst eingefunden und so manches ernste wie heitere Wort wurde hier zum Besten gegeben. In später Nachtstunde trennten sich die Herren nur ungern von unserer Stadt, woselbst ihnen, wie man aus ihrem Munde vernehmen konnte, ein äußerst liebenswürdiger Empfang zu theil geworden war. — Kesselsdorf, 27. Mai. Der hiesige Gesangverein unternahm am gestrigen Sonntag in 3 Omnibussen der Firma Wiedemann-Wilsdruff eine Partie nach der Sächsischen Schweiz. Die Aussicht war, wie man versicherte, in den Nachmittags stunden eine äußerst prächtige und war das Wetter so recht an genehm zum Wandern. — Der Aufenthalt in den beiden hiesigen Gärten des oberen, wie des unteren Gasthofs ist jetzt in den Sommermonaten einen äußerst angenehmer Die Bewirthung beiderseits liegt in guten Händen und ist der Besuch auf das angelegentlichste zu empfehlen. Im Gasthof zur Krone wird in der nächsten Zeit ein Konzert vom Wilsdruffer Stadtmusikchor stattfindcn. — Unserm König Albert ist während seines Aufent haltes im Schloß in Sybillenort (Schlesien) Anfang Mai ein anonymer Drohbrief, welcher den Poststempel „Dresden- Neustadt" trug, zugegangen. Der Brief, welcher eine unehrer bietige Anrede aufwies und in zusammenhangslosen unflätigen Worten den erlauchten Monarchen mit Höllenmaschine, Dyna mit, Pulver und Dolch bedrohte, war mit verstellter Hand schrift geschrieben. Trotzdem ist es der Polizei bald gelungen, den bübischen Urheber des schändlichen Schreiben zu ermitteln, zu verhaften und zu überführen. Es ist ein aus Dresden ge bürtiger 20jähriger arbeitsscheuer Handarbeiter, welcher ein eifriger Besucher sozialdemokratischer Versammlungen war. Ein ernsterer Hintergrund zu den in dem Schmähbriefe ausgesprochenen Drohungen ist wohl nicht vorhanden, dennoch erregt das Bubenstück bei dergroßen Popularität König Alberts allgemeine Entrüstung, die sich weit über die Grenzen Sachsens hinaus äußert. Jedenfalls wartet des schändlichen Briefschreibers eine exemplarische Bestrafung. — Dem im Bureau des Landeskulturrathes zusammenge stellten Bericht über den Saatenstand im Königreich Sachsen Mitte Mai 1895 entnehmen wir folgende allgemeine Ueber- sicht: Die Witterung in der Berichtszeit — Mitte April bis Mitte Mai — kann im Allgemeinen eine sehr günstige und fruchtbare genannt werden, nur in den beiden ersten Maiwochen machten sich in einigen Bezirken scharfe, austrocknende Ostwinde ungünstig bemerkbar, während es den Frühjahrssaaten zumeist an den nöthigen Niederschlägen, die erst am Schlüsse der Be richtszeit in reichem Maße cintraten, fehlte. Für die verspätete Frühjahrsbestellung war das Wetter äußerst günstig, so daß dieselbe rasch und bestens beendet werden konnte; nur mildem Kartoffellegen ist man in den meisten Bezirken noch im Rück stände. Die günstige Witterung hat die erhoffte Besserung des Standes des Winterroggen nur vereinzelt gebracht, dagegen denselben in mehreren Bezirken sogar verschlechtert, so daß es angebracht gewesen wäre, noch mehr Fläche umzupflügen, wenn es nicht an Zeit und oft auch an Geld gefehlt hätte. Nach dem nunmehr die Angaben über die umzeackerten Flächen ver vollständigt werden konnten, ergiebt sich, daß der Umfang der selben bedeutender ist, als er irn vorigen Bericht geschätzt worden war, besonders im oberen Erzgebirge und dem Vogt lande, wo auch manches Weizenfeld neu bestellt werden mußte. Abgesehen von diesem vereinzelt vorkommenden schlechten Stand des Weizens ist derselbe im Großen und Ganzen als günstig, in einigen Bezirken als sehr günstig zu bezeichnen. Ebensowenig wie der Wintcrroggen hat sich der Raps erholt; zu der schlechten Ueberwinterung gesellte sich sein fast alljährlicher Feind: der Glanzkäfer und setzte das Vernichtungswerk lheilweis so gründ lich fort, daß in einigen Bezirken 50—60 Prozent, ja sogar die ganze Anbaufläche neu bestellt werden mußte. Bei dieser fast jährlich wiederkehrenden Erscheinung ist es kein Wunder, wenn die Anbaufläche des Rapses von Jahr zu Jahr geringer wird. Besser und vielfach sehr günstig haben sich die Sommer saaten entwickelt, und da die nöthigen Niederschläge noch recht zeitig allenthalben eintraten, so ist berechtigte Hoffnung auf eine gute Ernte in den Sommerhalmfrüchten vorhanden. Viel versprechend ist allenthalben der Stand der Kleefelder und Wiesen; erstere liefern bereits reichliches Grünfutter, letztere lassen eine reiche Heuernte erhoffen. Nur in einigen Bezirken des Erzgebirges mußten bis zu 10 Prozent Bestände umge pflügt werden. In den Berichtsbezirken Bautzen, Kamenz, Meißen, Leipzig, Lorna, Oschatz und Rochlitz hat sich strich weise eine starke Maikäferplage eingestellt, worunter besonders die Kirsch- und Pflaumenbäume zu leiden haben, die theilweise ganz kahl gefressen worden sind. Bei dem vielfachen Auftreten von Gewittern sind auch vereinzelt Hagelschläge niedergegangen, die aber keinen Schaden verursachten. — Leipzig, 24. Mai. Der zweite Sonderzug dec Leipziger Bismarkfahrer gerieth während seiner Fahrt zweimal in die Ge fahr, zu verunglücken. Das eine Mal kurz vor Halle, das andere Mal hinter Station Köthen. Den „Leipziger Neuesten Nachrichten" berichtet hierüber ein Theilnehmer an der Fahrt: „Ich selbst saß in dem Wagen (2. Klasse Nr. 1569), der dir Ursache dazu gab. Wir waren gerade im Begriff, in Halle einzufahren. Plötzlich gab es einen furchtbaren Ruck, welcher uns kräftig in die Höhe schnellte und uns sofort zu derUeber- zeugung brachte, daß etwas mit unserm Wagen passirt sein mußte. Der Zug hielt und wir mußten aussteigen. Die Untersuchung des Wagens ergab, daß ein Achsengabelsteg, sowie die Zugstange unter unserem Wagen gebrochen waren; die Puffer waren ganz verbogen und das Kopfstück des einen derselben war losgerissen. Es herrschte unter sämmtlichen Mitfahrern eine nicht geringe Aufregung, die sich indeß bald legte, da Niemand verletzt war und wir glücklicher Weise nur mit einem derben Schrecken davongekommen waren. Der Wagen mußte auörangirt und ein neuer angehängt werden, was geraume Zeit in Anspruch nahm. Beim zweiten Unfall mußte der Zug ebenfalls mitten in der Fahrt halten, und zwar geschah dies, als wir kaum erst Cöthen verlassen hatten. Diesmal handelte es sich nm einen Defekt am Wagen Nr. 758, und zwar aber mals, wie ich höre, um einen Bruch der Zugstange. Auch dieser Wagen mußte ausrangirt werden, und es herrschte, wie leicht begreiflich, nunmehr die größte Besorgniß. Mußten wir doch befürchten, daß abermals ein Wagen einen Defekt erhalten und daß dann die Sache nicht so glimpflich ablaufen würde wie bisher. Infolge der beiden Unfälle kamen wir erst ^4 10 Uhr in Hamburg an und dankten Gott, daß wirZmtt heiler Haut davongekommen waren". Auch der am Himmelfahrtstag
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