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01-Frühausgabe Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 06.04.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-18950406010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-1895040601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-1895040601
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
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Jahr
1895
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Monat
1895-04
- Tag 1895-04-06
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Monat
1895-04
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Jahr
1895
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Zur inneren Lage fragt die „LeipzigerZeitung", was aus der vollen „Klärung" geworden sei, die nach der Meinung gewisser Heißsporne die Abstimmung des Reichstages über den Antrag auf Beglückwünschung des Fürsten Bismarck bringen werde. Und sie antwortet: „Centrum ist Trumpf. Zusammen mit der preußischen Rechten beherrscht es wieder die Situation! und vom gehofften Cartell sind wir wieder weiter entfernt denn jemals. Das Centrum hat den Konservativen zur Verweisung des Antrags Kanitz an eine Kommission verhalfen, hat mit den Konservativen» zusammen die Annahme der Umsturzvorlage durch die Kommission in der Fassung des Centrums durchgesetzt, hat den sozialdemokratischen Antrag auf Besprechung des kaiserlichen Telegramms vom 23. März mit Geschick vereitelt und ist allem Anscheine nach damit beschäftigt, auch die Tabakfabrikatsteuer für die Regierung zu retten. Auch die dritte große Vorlage, die Finanzreform, wird es für die Regierung möglicher Weise noch in Sicherheit bringen. Man steht, in allen Stücken das Gegentheil ist eingetroffen von dem, was man vom 23. v. M. erhoffte. Begeisterungsfähigkeit allein macht noch nicht zum po litischen Seher. Am sichersten calculirt und die besten Ge schäfte macht heutigen Tages die begeisterungsloseste aller Par teien, das Centrum. Das wird leider wohl noch lange so bleiben." Diese Ausführungen treffen den Nagel auf den Kopf. Centrum ist Trumpf, und wird es so lange bleiben, als sich Regierung und Parteien wechselseitig um seine Gunst bewerben. So nimmt es das Gute, von welcher Seite es kommt, um schließlich Alle im Stich zu lassen. Zur Börsenreform frage. Nachdem unter dem 23. Dezember 1893 der „Reichsanzeiger" den Bericht über die Ver handlungen der Börsenequete-Commission veröffentlicht hatte, war man an den zuständigen behördlichen Stellen an die Sichtung des überreichten Materials zugegangen, welches für dicBörsen- reformfragc vorlag. An die Sichtung schloß sich dann die erste Feststellung des Börsenreform-Gesetzentwurfes, die unter Hinzu ziehung von Commissarien aus den betheiligten anderen Ressorts im Reichsamte des Innern vor sich ging. Dieser Entwurf wurde hierauf im preußischen Staatsministerium längere Zeit erörtert und ist nunmehr in der danach festgestellten endgültigen Form an den Bundesrath gelangt. Bei den Vorbereitungen zur Vorlegung des Entwurfs an die eine gesetzgebende Körper schaft des Reichs ist mithin eine geraume Zeit verflossen. Der Bundesrath dürfte nun aber schon in seiner nächsten Plenar sitzung sich mit demselben beschäftigen, allerdings vorläufig nur, um ihn an die betreffende Ausschüsse zur Vorberathung zu über weisen. Es verlautet, daß die Arbeiten so gefördert werden sollen, daß der Börsenreformgesetzentwurf noch in der gegenwärtigen Tagung dem Reichstage sorgelegt werden kann. Berlin, 2. April. In der vergangenen Nacht gegen 2 Uhr fiel im Thiergarten in der Gegend der Zelte ein Schuß, der mehrere patrouillirende Schutzmänner anlockte. Als die Beamten der Straße „In den Zelten" ziemlich nahe gekommen waren, sahen sie eine Feuersäule emporlodern, eilten hinzu und waren Zeuge eines fürchterlichen Schauspiels. Auf einer Bank im Thiergarten saß ein Mann, dessen Kleider am ganzen Körper in Hellen Flammen standen. Die Schutzmänner konnten ihn nicht anfassen und waren zunächst bemüht, die Flammen durch Ausweisen von Erde und mit Wasser zu löschen. Das gelang indeß nicht. Die ganze Kleidung des Mannes brannte bis auf die Stiefel und die Strümpfe vom Körper herunter, so daß die Oberfläche angekohlt war und eine schwarze Färbung zeigte. Bei näherer Besichtigung ergab sich, daß der Mann, der kein Lebenszeichen mehr von sich gab, einen Schuß in die Herzgegend erhalten hatte. Da nun ein mit noch fünf Patronen geladener Revolver neben der Leiche lag, so steht fest, daß sich der Mann selbst getödtet hat. Die Waffe muß bei der Abgabe des Schusses so nahe an die Kleidung gebracht worden sein, daß das zugleich mit dem Geschoß aus dem Laufe des Revol vers auSströmende entzündete Pulver zunächst den Rock und dann die übrigen Kleidungsstücke in Brand gesetzt hat. Wer der Selbst mörder ist, hat sich noch nichtfeststellen lassen. Das Aussehen ist auch so entstellt, daß eine Rekognoszirung wohl kaum statt finden kann. Es kann nur noch angegeben werden, daß der Unbekannte einen blond und grau gemischten Vollbart getragen und anscheinend eine Glatze gehabt hat. Die Leiche ist von den Schutzmännern beschlagnahmt worden. Lemberg, 3. April. In ganz Galizien herrscht seit gestern starker Schneefall. Die Felder sind neuerdings meter hoch mit Schnee bedeckt. Die Feldarbeiten werden dadurch em pfindlich verzögert. Warschau, 4. April. Hier wurde eine geheime nihili stische Druckerei entdeckt; infolge dessen sind zahlreiche Verhaft ungen vorgenommen worden. Paris, 2. April. Die größeren Zeitungen bringen die ausführlichsten Berichte über den gestrigen Empfang der Depu tationen in Friedrichsruh und über die Feier in Berlin. Der allgemeine Eindruck geht hier dahin, daß hinter Fürst Bismarck trotz der Reichstags-Abstimmung und vereinzelten Protesten doch die ungeheuere patriotische Mehrheit des deutschen Volkes steht, und daß in Deutschland zwar Niemand Frankreich angreifen will, aber ganz Deutschland wie ein Mann zusammenstehen wird, sollte Deutschland angegriffen werden. Die Nachrichten aus Belgien lauten im höchsten Grade bedenklich. Die politische Lage ist an und für sich sehr ge spannt. Auf den dringenden Wunsch des Königs Leopold, der die schweren finanziellen Lasten für den Kongostaat aus eigener Tasche nicht mehr zu bestreiten vermag, hat sich das klerikale Ministerium de Burlet entschlossen, die Annexion des Kongo- stattes — anstatt, wie früher bestimmt war, im Jahre 1900 — bereits jetzt bei den Kammern zu beantragen. Doch stößt die Regierungsvorlage nicht nur auf die entschiedenste Gegner schaft unter den Sozialisten, die ja bei den vorjährigen Kammer wahlen als zweitstärkste Parteigruppe aus der Wahlurne hervor begangen waren, sondern auf fast ebenso lebhaften Widerstand im Schoße der klerikalen Kammermehrheit selbst. Das Ministerium hat bereits wiederholt mit seinem Rücktritt gedroht, und selbst die Abdankung des Königs ist in den Bereich der Möglichkeit gerückt worden, ohne jedoch die widersprechenden Klerikalen zur Botmäßigkeit zurückzuführen, so daß die Entscheidung über den Kongostaat bisher nicht gefällt werden konnte. Nicht minder schwere Kämpfe bringt die Berathung des neuen Gemeidewahl- gesetzes mit sich. Die Regierung will nur denjenigen Staats bürgern das Gemeindewahlrecht zugestehen, die mindestens 30 Jahre alt und in der Gemeinde 3 Jahre ansässig sind; eine 2. Stimme sollen die mindestens 35 Jahre alten Familien väter erhalten, wenn sie einen gewissen, je nach der Größe der Gemeinde von 20 bis 5 Franks abgestusten Betrag an direkten Steuern leisten. Eine weitere Stimme ist für jeden Inhaber eines Grundstückes von mindestens 120 Franks Katasterwerh in Aussicht genommen, und endlich sollen denjenigen Wählern die eine gewisse Bildung nachzuweisen vermögen, zwei weitere Wahlstimmen zukommen, jedoch darf kein Wähler mehr als vier Stimmen abgeben. Die ausgesprochene Tendenz dieses Wahlgesetzes ist, den immer mehr an Zahl und Macht zu nehmenden Sozialisten die Beherrschung der lokalen Verwaltungs behörden unmöglich zu machen. Die Sozialisten stellen nun diesem Gesetzentwürfe die Forderung des allgemeinen gleichen Wahlrechts für alle über 21 Jahre alten Belgier entgegen und verquicken die wüste Agitation, die sie für diese ihre Forderung überall in Scene setzen, noch mit sozialen Bestrebungen auf dem Gebiete des ja thatsächlich noch recht im argen liegenden Arbeiterschutzes. In verschiedenen Theilversammlungen und zu letzt in einem sozialistischen „Arbeiter"kongresse haben sie be schlossen, für den Fall, daß ihre Forderung abgelehnt wird, sofort in allen Jndustriebezirken die Arbeit niederzulegen. Für wie bedrohlich die Lage auch in den amtlichen Kreisen ange sehen wird, zeigt die Meldung, daß die Regierung 7000 Mann Milizen einberufen hat. Namentlich in Frankreich beobachtet man diese sozialistische Bewegung mit großer Besorgniß, ja, man spricht bereits von einer auf den Garantieverträgen be ruhenden bewaffneten Besatzung, springt doch nur allzu leicht ein Funken unter die Berg- und Industriearbeiter der Nord- dcpartements, wo Stoff genug für neue Katastrophen angehäuft ist. Doch auch England ist für solche Bewegungen neuerdings sehr empfänglich, wie u. a. die Riesenausstände der Kohlen gräber und der Hafenarbeiter in den letzten Jahren, sowie der jetzt ausgebrochene Schuhmacherausstand beweisen. Jedenfalls stehen für Belgien überaus bewegte Zeiten bevor. Pest, 2. April. In den ersten Morgenstunden des heutigen Tages wurde ein Dynamit-Attentat gegen das Denk mal des bei der Vertheidigung von Ofen gegen Görgei ge fallenen österreichischen Generals Hentzi verübt. Das Denkmal blieb indeß unbeschädigt, weil nur auf einer Seite eine Bombe niedergelegt worden war; dagegen wurden die Fenster der in der Umgebung gelegenen Gebäude, darunter in der Hofreitschule, im Palais des Erzherzogs Josef, im Ministerprästdium, im Zeughauss und im Landesvertheidigungsministerium, zertrümmert. Die Detonation wurde in der ganzen Stadt gehört und für ein Hochwassersignal gehalten. Ein Polizist hatte wahrgenommen, wie ein eleganter Mann bei dem Denkmal etwas anzündele. Er hatte ihn verfolgt, jedoch nicht erreichen können. Während der Verfolgung geschah die Detonation. Die Polizei glaubt, daß es sich um einen bübischen Aprilscherz, nicht um ein Atten tat handle, da die Detonation weder durch eine Dynamitbombe, noch durch eine Dynamitpatrone hecvorgerufen wurde, sondern durch einen starken Feuerwerkskörper, der dem Denkmal nicht gefährlich werden konnte. Der Attentäter ist verhaftet. Er heißt Adorjan Syeles und ist Redakteur eines berüchtigten Wochen blattes. Er wurde bereits wegen Majestätsbeleidigung zu sechsmonatlichem Kerker verurtheilt. Die auf den Hauptstellen des ostasiatischen Kriegs chauplatze eingetretene Waffenruhe wird durch schechte Wit terung, sowie durch Krankheit im japanischen Heere wesentlich unterstützt. Ueber den Verlauf der neuen Friedensunterhand ungen zwischen Japan und China wird noch nichts Zuverläs- iges berichtet, nur heißt es, daß die großen Forderungen der Japaner die Hoffnungen auf baldigen Abschluß des Friedens wesentlich beeinträchtigen. Der geschlossene Waffenstillstand läuft bekanntlich am 20. April wieder ab. Vaterländisches. Wilsdruff. Von geschätzter Seite, einem warmen Freunde der hiesigen Schule, wird uns Folgendes geschrieben: „Wenn auch von einem gewiß sich nur vorübergehend hier auf haltenden Anhänger der rothen Internationale gelegentlich einer Arbeiterversammlung im hiesigen Schiebhause über unsere Schule und ihre Lehrer ein ganz und gar absprechendes Urtheil abgegeben wurde, das dahin lautete, daß in hiesiger Schule überhaupt nichts geleistet werde, so sei dieser durchaus unwahren und gehässigen Behauptung mit einem kurzen Berichte begegnet, den der Einsender nach mehrmaligem Besuche der Examina und der ausgestellten Schülcrarbeiten gewonnen hat. Jeder, der unbefangen urtheilt, muß von dem vorzüglichen Stande der hiesigen Schule überzeugt werden. Es ist eine Freude, zu sehen, wie jeder einzelne Lehrer mit dem Direktor an der Spitze treu und fleißig gearbeitet hat, und wie wiederum jedes einzelne Kind, durch fleißiges Arbeiten seines Lehrers mit viel Kennt nissen ausgerüstet, bemüht ist, das zu zeigen, was es in sich ausgenommen hat. Geradezu staunenerregend sind die während des Jahres angefertigten Schülerarbeitcn. Die erlangten Fertig keiten im Bunt-, Freihand-und Kartenzeichnen, die Anfertig ungen deutscher Aufsätze sind bewundernswerth. Und wie fleißig haben die Machen unter Leitung ihrer Lehrerin ge arbeitet! Jedes einzelne Stück zeigt Sauberkeit und Fleiß, und manche von den größeren Schülerinnen ausgelegten Hand arbeiten sind wahre Meisterstücke. Wie wacker haben ferner Knaben und Mädchen geturnt und gesungen! Wenn darum der Einsender es für seine Pflicht hält, auch an dieser Stelle dem Herrn Direktor und den Herren Lehrern, sowie dem Fräu lein Ida Preußer, als Lehrerin des weiblichen Handarbeitunter richtes, öffentlich Dank auszusprechen, so entledigt sich derselbe nicht nur einer ihm angenehmen Pflicht, sondern er hat gewiß die Saiten mancher Herzen berührt, die Gleiches fühlen und denen er somit aus dem Herzen gesprochen hat. Unser größter Dank, den wir darbringen, soll darin bestehen, daß wir die Examina fleißiger besuchen, als wie es in diesem Jahre bei der einfachen Fortbildungs- und der 2. Bürgerschule zu ver spüren war. x. — Nächsten Montag, den 8. April, Abends 8 Uhr findet im Saale des Hotels zum weißen Adler hierselbst eine Wähler versammlung statt, in welcher der Kandidat der konserva tiven Partei, des Bundes der Landwirthe und der national liberalen Partei im 6. sächsischen Reichstagswahlkreise, Herr Rittergutspachter Andrä-Limbach, sich den Wählern vorstellen und sein Programm entwickeln wird. Dazu sind alle reichs treuen Wähler freundlichst eingeladen. — Mittwoch, den 10. April, Abends 8 Uhr wird Herr Andrä im Gasthof zur Krone in Kesselsdorf sprechen. — Der heutigen Nummer ist als Beilage beigegeben ein Prospekt der hiesigen Firma Franz Koch, worauf wir noch besonders aufmerksam machen. — Braunsdorf. Der hierorts seit 1866 bestehende Männergesangverein „Eichenkranz" begeht kommenden Sonntag im hiesigen Kühnel'schen Gasthof einen Lieder-Abend, wozu von Seiten der bewährten Leitung ein reichhaltiges Programm auf gestellt worden ist. — Mohorn. Das 80jährige Geburtsfest des Fürsten Bismarck wurde im hiesigen Gasthof unter allgemeiner Bethei ligung, bestehend in Festkommers, gefeiert. Alle Vereine waren vertreten und tbaten ihr Möglichstes, was zur Hebung der Feier beitrug. Der Festtag wurde durch eine Reveille, ausge führt vom Musikkorps der freiwilligen Feuerwehr, eingelcitet, ebenso hatte der Ort zahlreichen Flaggenschmuck angelegt. — Es ist die Zeit der „Maikätzchen" gekommen, die viel fach abgerissen und wieder weggeworfen werden. Zur Ver meidung von Unannehmlichkeiten bemerken wir, daß nach dem neuen Feld- und Forstschutzgesetz vom 24. April v. I. nicht unter 2 Tagen Haft bestraft wird, wer unbefugt Blätter rc. von Bäumen und Sträuchern streift, Zweige abbricht rc. — Auf dem Bahnhofe von Miltitz ereignete sich Diens tag Vormittag gegen '/2IO Uhr ein bedauernswerther Unfall dadurch, daß ab laufende Wagen infolge falscher Weichenstellung in die Flanke des dort haltenden Güterzuges Döbeln-Dresden fuhren. Dabei ist ein in Döbeln stationirter Schaffner erheb lich verletzt worden; auch der sonst dadurch entstandene Material schaden soll nicht gering sein. — Zum bleibenden Andenken an den Herrn Oberbürger meister Dr. St üb el und in dankbarer Anerkennung seiner un vergänglichen hohen Verdienste um die Verwaltung und die Ent wickelung der Stadt Dresden ist von dem Rathe und den Stadtverordneten einmüthig mit der Summe von 30000 Mk. unter dem Namen „Stübel-Stiftung" eine Stiftung errichtet worden. Herr Oberbürgermeister Dr. Stübel hat die ihm überlassene Bestimmung über den Zweck und die Verwaltung der Stiftung noch in letzter Stunde seine Lebens getroffen, und zwar dahin, daß die Erträgnisse der Stiftungssumme zur Unter stützung von Unterbeamten des Raths zu Dresden in Krankheit sowie zur Wiederherstellung und Kräftigung der Gesundheit ver wendet werden sollen. Einem letztem Wunsche des Verstorbenen entsprechend sind gestern von Frau Oberbürgermeister Dr. Stübel dem Rathe zur Erhöhung der Stiftungssumme noch 20000 Mark übergeben worden. Durch diese hochherzige Zuwendung wird der Zweck, welchem die Stiftung nach der eigenen Bestimmung des Verstorbenen dienen soll, in reichstem Maße gefördert und hierdurch wie schon durch die Bestimmung der Stiftung aufs Neue bekundet, ein wie fürsorgender, wohlwollender Vorgesetzter der Verstorbene seinen Beamten bis zur letzten Lebensstundc gewesen ist. Die Stiftung, über welche in Gemäßheit der Be stimmungen des hohen Verklärten eine noch von den Stadt verordneten zu vollziehende Stiftungsurkunde ausgefertigt worden ist, ist am Geburtstage des unvergeßlichen Oberbürgermeisters Dr. Stübel ins Leben treten. — Recht zu beherzigen ist, was Herr Schuldirektor Uhlig in Löbtau über das Sitzenbleiben zurückgebliebener und kranker Kinder in dem diesjährigen Osterprogramme sagt; es heißt da selbst: Es ist für Eltern, Kinder und Lehrer schmerzlich, wenn am Ende des Schuljahres das Kind das Klassenziel nicht er reicht hat und deshalb nicht in die nächst höhere Klaffe versetzt werden kann. Jeder Bauverständige weiß, daß ein Gebäude, welches auf unsicherm Grunde ruht, Risse zeigt und möglicher weise einstürzt; je höher man nun auf mangelhaftem Grunde baut, desto bedenklicher wird dec Zustand des Grunves. Der Grund muß gesichert, sachverständig unterfahren und Pfeiler angesetzt werden. Genau so ist'ö auch beim Schulunterricht: das Befestigen und Sichern des Grundes hat hier den ver haßten Namen „Sitzenbleiben". Hat ein Kind das Klassenziel nicht erreicht, so darf es nicht versetzt werden, wenn dem Kinde durch den Schulunterricht eine festgefügte, lückenlose Vorbereitung fürs Leben ermöglicht werden soll. Die Versetzung solcher Kinder, die herzlich zu bedauern sind und die von den Erziehern, Eltern wie Lehrern, Beweise doppelter Liebe bedürfen, ist eine pädagogische Grausamkeit. Meist ist eine im letzten Schuljahre eingetcetene schwere Erkrankung, jahrelang andauernde Kränklich keit, Mangel an Auffassungsgabe und Anlagen, Mangel an Fleiß oder sonst ein ungünstiger Umstand die Ursache, daß eine Hemmung in der Lernthätigkeit und den Leistungen des Schul kindes eingetreten ist. Ueber dem Geiste solcher Kinder, die z. B. an heftiger Diphtherie gelitten haben, liegt Monate-, ja mit unter jahrelang ein die Entwickelung hindernder Nebel oder Schleier, wenn diese Kinder vorher auch lebensfrisch und wohl begabt waren; es scheint da die Ernährung des Gehirns, die gesunde und richtige Blutzusammensetzunz gestört zu sein. Da nun durchs Lernen Blut verbraucht und das Gehirn angestrengt wird, so bedürfen diese Kinder auf lange Zeit der sorgfältigen Schonung in der Schule. Wird nun ein "derartiges Kind ver setzt, so verlangt man, daß dieses schwache, durch schwere Krank heit erschöpfte Wesen, daß mitten in den Nachwehen seiner Leiden steht, sich wie seine gesunden Mitglieder anstrengen soll. Das ist Ueberanstrengung, die anheiloolle Folgen hat. Bleichsüchtige oder blutarme Kinder, solche, die den Veitstanz haben, oder die so abgemagert und erregt sind, daß schwere nervöse Leiden zu befürchten sind, ferner alle Kinder, die auf ärztliche Anordnung im letzten Schuljahre auf kürzere oder längere Zeit ganz oder theilweise vom Unterricht haben dispensirt werden müssen, sind von jeder Anstrengung dadurch zu schützen, daß sie vom Lehrer nicht versetzt werden, damit ihnen von der Schule Gelegenheit gegeben wird, sich zuerst körperlich gründlich zu erholen. Man beachte auch, daß der Mangel an Fleiß nicht immer aus Willens fehlern, der Nachlässigkeit oder dem Leichtsinn des Kindes her vorgeht, sondern daß er mitunter der Vorbote schwerer, körper licher Leiden ist, die mitunter erst jahrelang nach der Schulzeit zum Ausbruch kommen, und daß bei einem solchen Kinde die Anstrengungen möglichst so weit abgemindert werden müssen, daß der Körper durchaus nicht geschwächt werde, damit er wider standsfähig gegen die drohende Krankheit bleibt. Die Versetzung der Zurückgebliebenen ist auch ein Unrecht, was an den ge sunden und kräftigen Mitschülern begangen wird. Der Lehrer hat die Pflicht, alle Kinder einer Klasse möglichst zu fördern; sind nun in einer Klasse Zurückgebliebene, so erfordert deren Förderung bedeudend viel Zeit, die den anderen Kindern ent zogen wird, wodurch diese nicht nur in den Fortschritten, sondern auch nicht selten im Fleiß und Lerneifer geschädigt werden. Es ist dem Herrn Schuldirektor vorgekommen, daß er gezwungen war, auch solche Kinder nicht zu versetzen, die sich weit Über das Klassenziel entwickelt hatten, die jedoch körperlich so herunter ge kommen, blutarm, abgemagert und nervös erregt waren, daß ihnen eine einjährige, wenn auch unfreiwillige und den Eltern geradezu unbegreifliche Unterbrechung der Schularbeit, — denn das war in diesem Falle der eigentliche Kernpunkt des Sitzen-
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