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Wo« L Wk-ss Beilage zu No. 49. Donnerstag, den 25. April 1895. Wetten nnd Wagen. Original-Roman von E. von Linden. Uebersetzungsrechl Vorbehalten. «Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Sollte der alte Konrad dort noch was zu schaffen haben? Er ging geräuschlos hinüber, probirre die Hausthür, sie war ver schlossen. Dann schlich er nach einer Seitenpsorte, die in der Regel von den Hausgenossen benutzt wurde und fand diese nur angelebnt. Als ein rascher Schritt auf der Straße näher kam , drückte sich Meinhardt in den Schatten. „Busch!" dachte er erfreut, ließ ihn aber noch bis zu einer Ecke gehen, wo er ihn einholte und verständigte. Sie postirten sich zu beiden Seiten der Pforte, mutzten aber eine halbe Stunde warten, bis sie behutsame Schritte vernahmen. Eine dunkle Gestalt trat heraus, vorsichtig umherspähend. „Kommen Sie, es ist Alles sicher, nichts zu sehen," flüsterte diese, worauf eine zweite erschien. „Der Zug kommt in einer Viertelstunde, halten Sie sich Das Schluhwort verhallte in einem Doppelschrei, da sie sich beide im selben Augenblick ergriffen und an den Händen gefesselt fühlten. „Ruhig," gebot Meinhardt, als sie sich mit Kopf und Füßen zu wehren suchten, „oder wir schließen Euch krumm, gegen Schreien hilft der Knebel. Einstweilen in den Garten zurück, Busch!" „Raubgesindel!" schnob der eine Gefesselte, „was fällt Euch ein, uns wie Spitzbuben zu behandeln? Ich muß nach dem Bahnhof." „Damit hat's jetzt Zeit, mein lieber Schaffer," sagte Meinhardt, welcher rasch ein Streichholz entzündet und Beiden in'ö Gesicht geleuchtet hatte. „Ah, guten Abend, oder vielmehr, es ist ja nach Mitternacht, guten Morgen, Herr Baron! Haben Sie so spät noch den Herrn Notar besucht?" „Ja, zweifeln Sie etwa daran?" fragte. Baron Horst, denn dieser war es, mit heiserer Stimme. Ec hatte mit Ent setzen bei dem kurzen Lichtschein den Detektiv erkannt und schien sich jetzt lieber dem Notar auf Gnade oder Ungnade überliefern zu wollen. „Führen Eie mich auf der Stelle zu ihm." „Das soll geschehen, da die Hofthür jedenfalls offen sein wird," erwiderte Meinhardt kurz. Er wollte noch etwas hinzu setzen, besann sich aber und schritt voran, während Busch den Zug beschloß. Die Hofthür war in der That offen. Meinhardt trat ins Haus, als die andern ihm folgen wollten, reichte er seinem Unterbeamten den geladenen Revolver, welchen er stets bei sich trug und sagte dann mit scharfer Stimme: „Bleiben Sie hier, bei dem geringsten Fluchtversuch schießen Sie!" Er kannte das Innere des Hauses sehr genau. Das Eldgcschoß enthielt ein großes Gesellschaftszimmer mit einem Gaideroberaum, das gemeinschaftliche Schlafzimmer der beiden Damen des Hauses, ein reizend emgerichttis Zimmer für Toni und die Küchenräume, sowie eine Mägdekammer. Das erste Stock bestand außer einem gen-emschafüicben Wohnzimmer, wo der Notar seine Mahlzeiten einnahm, aus einem Arbeite- und Schlafzimmer, womit Konrads Stube in Verbindung stand, der Schreibstube und einem kleinen heizbaren Zimmer für den zweiten Schreiber Schaffer. Meinhardt hatte ein Wachslicht angezündet und schritt fast unhörbar die Treppe nach dem ersten Stock hinauf. Er wußte, wo Konrad schlief und lächelte befriedigt, als er die Thür un verschlossen fand. Ebenso geräuschlos trat er ans Bett des Faktotum, das fürchterlich schnarchte. „Konrad!" rief in diesem Augenblick der Notar, „wach' auf, Schlafratte, der Klingelzug muß abgerissen sein. Herrgott, schnarcht der Kerl, man wird verrückt davon." „Konrad schnarchte unverdrossen weiter, worauf Meinhardt seines Gebieters Schlafzimmer, dessen Verbindungöthür in der Nacht stets offen stand, betrat. „Erschrecken Sie nicht, Herr Notar!" sagte Meinhardt, sich mit dem Lichte in der Hand dem Bette nähernd. „Ich bins, Meinhardt!" „Zum Henker ja, daß sehe ich," knurrte der Notar, ihn mit wert aufgerissenen Augen verwundert anstarrend, „spielen Sie mal zur Abwechslung Einbrecher!" „Das nicht, aber ich habe soeben zwei von dieser Sorte abgesaßt." Der Notar schnitt eine fürchterliche Grimasse und deutete dann auf eine Lampe. „Zünden Sie die erst mal an, mein Lieber! So, jetzt ist es vernünftig hell um uns. Und drinnen schnarcht das Murmelthier von Konrad lustig drauf los. Leuchten Sie mal hierher, Meinhardt, was giebts mit dem Klingelzug?" „Ist abgeschnitten, Herr Notar!" „Sieh, sieh, also einer der Hausgelegenheit kennt. Dort," er deutete mit dem Finger auf die Bettwand, „auf dem Brett steht ein Körbchen, sehen Sie nach, ob meine Schlüssel noch , darin liegen." Das Körbchen war leer. „Also ein HauSdieb," fragte der Notar leise. „Ja, es ist Schaffer, der mit Baron Horst in Verbindung getreten ist, eS wird dem Testament gegolten haben. Horst will mit Ihnen sprechen, Herr Notar! Ich habe ihn noch nicht unter sucht." „Sie haben natürlich Hülfe gehabt, Meinhardt?" „Zufällig kam einer unserer Leute daher, als ich hier oben Licht bemerkte und die Seitenpforte offen stand. Er hält sie unten im Schach." „Wutz er, daß sie Einbrecher sind?" fragte Spehr. „Nun, ich habe ihnen Handschellen anlegen müssen, doch weiß er nalürlich nichts Bestimmtes." „Ich will aufstehcn, wecken Sic Konrad." „Lieber nicht, Herr Notar, lassen Sie den armen Teufel schlafen, der Eine ist sein Neffe." „Als ob >ch's nicht wüßte," stieß Spehr heftig hervor, „doch gut, bringen Sie mir die Hallunken her, können Ihren Beamten aber draußen lassen." Meinhardt zündete sein Wachslicht an und ging leise fort. Er ließ sich von Busch den Revolver einhändigen und bedeutete ihm hier unten zu warten. Dann befahl er den beiden Ge- fesielten, voran zu gehen. Der Notar hatte sich mühsam aufrecht gesetzt. Sein durchbohrend scharfer Blick ruhte zuerst auf Schaffer, der sofort in Thränen ausbrach. „Feiger Wicht!" murmelte er. „Sie haben mir zu einer sehr ungeeigneten Stunde einen Besuch gemacht, Herr Baron!" wandte er sich dann an diesen, „ich will Sie nicht um den Zweck desselben befragen, vielleicht finden wir das Resultat in Ihren Taschen. Bitte, Herr Meinhardt!" „Rühren Sie mich nicht an " schrie Horst, zurückweichend. „Ruhig, soll ich andere Mittel anwenden? Danken Sie Gott, daß wir Sie nicht sofort weggebracht haben." Er packte ihn fest an und griff in seine Brusttasche, worin sich nur ein großes versiegeltes Papier befand mit der Aufschrift: „Das Testament des Grafen von Runeck." Mein hardt überreichte es dem Notar, der beim Anblick desselben zum ersten Mole die Fassung verlor und die Augen schloß, während der Detektiv ruhig die Durchsuchung fortsetzte. Bei Horst fand sich nichts Gravirendes weiter vor. Schaffer aber hatte Grund genug zum Zittern und Jammern. „Maulhalten!" schrie ihn der Notar, der sich wieder ge faßt halte, wüthend an, „hast dem alten Onkel Konrad wohl einen Schlaftrunk gegeben, daß er nicht erwacht." Meinhardt stieß einen langgezogenen Pfiff aus, als er einige Kleinodien hervorzog, wurde aber plötzlich zu einem bei chm ganz ungewöhnlichen Kernfluch veranlaßt, als er aus einer inneren Tasche des Reisemantels ein Kistchen hervorzog und auch dies sammt den Kleinodien vor den Notar hinlegte. „Aus des ehrlichen Schaffer's Taschen, erkennen Sie es, Herr Notar?" „Das Eigentbum des Sennor Tecrendo," schrie Spehr mit wildem Augenrvllen und furchtbar verzerrten Zügen. „Buben, Schurken, sind keine Schlösser vor Euch sicher? Bin ich von Spionen und Horchern umgeben gewesen? Gesteh', Elender, daß Du Dich schon länger dazu hast herabwürdigen lassen und welchen Judaslohn Du dafür erhalten hast. Ge steh' die Wahrheit voll und offen." „Der Baron hat mich erst zum Spiel verführt," schluchzte Schaffer, „ich verlor fortwährend und wurde ihm große Summen schuldig, die ich nicht bezahlen konnte. Um Nachsicht zu er halten, mußte ich ihm versprechen, zu spioniren, ob vielleicht noch ein heimliches Testament, wie gemunkelt werde, vorhanden sei. Ich benutzte dazu ein Loch, d^s sich in der Kabinetwand dicht hinter dem Stuhl des Herrn Notars befindet, ich entdeckte es kurz vorher, als eine Maus daraus sprang. Wenn ich das Ohr daran legte, konnte ich jedes Wort, das im Zimmer ge sprochen wurde, deutlich verstehen." „Und hast dies ausgiebig benutzt," rief Spehr verächtlich, „Du hörtest also auch dann zu, wie von dem Versteck des Testaments die Rede war und hast Dir meine Erklärung gut emgeprägt, wie ich sehe. Hast Brief - Kouverts gestohlen —" „Ja, Herr Notar, aber nur einmal." „Ist auch genug, infamer Räuber! Aber Du hast auch meine Handschrift gefälscht." „Ja, Herr Notar, seien Sie gnädig gegen mich." „Du hörtest, wie mir dieses fremde Eigenthum anvertraut wurde," fuhr der Notar mit gesteigerter Heftigkeit fort, „und machtest sofort den Plan, es mir zu stehlen, was gleichbedeutend mit der V rnichtung meiner Ehre und Existenz war. Schurke, wie kannst Du auf Erbarmen bei mir hoffen? Führen Sie die Räuber in's Gefängniß, lieber Meinhardt, ich mag sie nicht mehr sehen." „Erst will ich den Konrad doch lieber wecken, sein liebens würdiger Neffe hat ihm sicherlich ein Schlafmittel gegeben. Ist es nicht so, mein Bursche? Gestehe!" „Ja," erwiderte Schaffer, kaum hörbar. „Ach Gott," brach er wieder in Thränen aus, „er wird den Tod davon haben." „Fübren Sie den sauberen Burschen erst fort," nahm der Notar nach kurzem Nachdenken wieder das Wort, die Idee, daß Konrad, der ihm ganz unentbehrlich geworden war, davon den Tod haben könne, erschien ihm ungeheuerlicher, als die Be strafung der Schuldigen. „Wenn Sie vielleicht vorhaben, den Schaffer frei aus- zehen zu lassen," rief Horst, der die Szene genau beobachtet halte, „lo haben Sie nicht mit mir gerechnet, er ist ebenso schuldig, wie ich, mitgefangen — mitgehangen!" „Sie wissen doch, was Ihrer wartet?" fragte Spehr finster. „Haben Sie eine blasse Idee vom Zuchthause, mein Herr Baron? Der Tod wäre in Ihrer Lage eine Wohlthat dagegen." „Möglich, so lange man indessen lebt, ist man, und ich liebe das Dasein Nur eins wiederhole ich, wird mein Mit schuldiger frei, dann muß auch ich es werden. Was haben Sie schließlich von unserer Bestrafung, Herr Notar," setzte er in bitterem Tone hinzu, „wenn wir Beide auswandern könnten, wären wir aus der Luft —" „Ich glaube, Ihr Maß der Schuld ist gerüttelt voll," sagte Meinhardt, „denken Sie an Turf, an die Kugel, an diese Nacht. Das Gesetz hat ein Recht an die Verbrecher. Doch will ich dem H rrn Notar in seiner Entschließung nicht hinderlich sein." „Spehr nickte ihm ingrimmig zu und sagte: „Dann sperren Sie die Räuber einstweilen in meine Schreiberstube ein und kommen wieder zu mir. W.ckm Sie den Konrad nicht." Meinhardt gehorchte, als er wieder zurückkehrte, streckte ihm der Notar beide Hände entgegen und seine Stimme hatte einen seltsam weichen Klang. „Ich danke Ihnen, mein lieber, lieber Freund!" sagte er, „Sie haben mir in dieser Nacht mehr als mein Leben gerettet." „Und ich, Herr Notar, werde sie als eine der glücklichsten meines Lebens verzeichnen. Was haben Sie über die beiden Subjekte beschlossen?" „Ja, sehen Sie, lieber Meinhardt, ich fürchte, daß mir der Kamerad zu Grunde geht, wenn wir die Gerechtigkeit walten lassen. Ich kann den Alten aber nicht entbehren, wissen Sie." „Ich weiß, Herr Notar, dies allein bewog mich auch, sie hierher zu bringen, Wir müssen sie also laufen lassen, unter der Bedingung, auszuwandern. Das wird aber ein Stück Geld kosten, da die Schufte die Ueberfahrt nicht zahlen können. Ich denke mir aber, daß ich diese Sache selber in's Reine bringe, wenigstens mit Horst. Ihr Schreiber mag vorerst in den alten Verhältnissen bleiben, bis ich die Ueberfahrtkarten für sie besorgt habe, und der Horst mag ebenfalls gehen, wenn er einen uns vor Nachtheil sichernden Revers mit dem Bekennt- niß seiner Schuld ausgestellt hat. Sind Sie damit einver standen, Herr Notar?" „Freil'ch hin ich das, Sie sind ein Teufelskerl, den Revers aber diktire ich. Holen Sie die Schreibmaterialien aus meinem Zimmer und legen Sie sie dort auf den Tisch." Das war bald geschehen. Die beiden Raubgesellen mußten nach des Notars Diktat ein vollständiges Bekenntniß nieder schreiben und mit ihrer vollen Namensunterschrift versehen. Dann durfte Schaffer sich auf seineKammer begeben, während Meinhardt dem Baron hinunter leuchtete, Busch nach Hause sandte und zu dem Notar zurückkehrte. Der gewandte Detektiv reparirte jetzt erst den Klingelzug und ging dann in das Notariatszimmer, um die Einbrecher arbeit zu untersuchen und die geraubten Sachen wieder in den Schrank zu legen. Schreibtisch und Dokumentenschrank waren regelrecht durch die dazu gehörigen Schlüssel geöffnet, also keine Gewalt angewendet worden. Meinhardt verschloß beides wieder sorgfältig und brachte dem Notar die Schlüssel zurück, welche in dem Körbchen ihren gewohnten Platz fanden. „Gott sei Dank," sagte Spehr, einen tiefen Seufzer aus stoßend, „nun wird Konrad nichts Auffälliges, keine Spur der nächtlichen Schreckensszene mehr finden. Gute Nacht, lieber Meinhardt! Bitte nehmen Sie die Schlüssel mit," setzte er ängstlich hinzu, „sie sind bei Ihnen sicherer." „Soll ich bei Ihnen bleiben, Herr Notar?" „Nein, kommen Sie morgen zeitig mit den Schlüsseln, Sie wissen, eö ist der 31. Mai, ich muß nach Schloß Runeck. Sie können mich begkbiten." „Von Herzen gern, Herr Notar. Schlafen Sie wohl!" Einundrwanzigstes Kapitel. Ein herrlicher, sonniger Frühlingsmorgen war dieser letzte des Wonnemonats. Das alte Runeck - Schloß prangte im Schmuck frischer Maibüsche und duftigen Flieders, und Jakob Stelling in seinem altväterlichen Sonntagsstaat. Der Detektiv Meinhardt war schon frühmorgens, nachdem er dem Sennor Torrendo einen kurzen Besuch abgestattet und ihm das Eceigniß der letzten Nacht mitgetheilt hatte, zum Notar gegangen, um ihm die Schlüssel zu übergeben und ihn zu be nachrichtigen, daß er nicht mit ihm abreisen könne, aber jeden falls im Laufe des Tages nachkommen werde. Alles Uebrige möge er auf den nächsten Tag verschieben. „Aber ich habe einen Räuberhauptmann im Hause," hatte Spehr nachdenklich bemerkt. „Der nicht dergleichen mehr unternimmt," beruhigte ihn Meinhardt, „reisen Sie unbesorgt, Herr Notar, auf Ihren ersten Schreiber können Sie sich verlassen und außerdem soll Ihr Haus bewacht werden." „Sie sind mein guter Geist, mein Schutzengel, erbitten oder fordern Sie von mir, was Sie wollen, es soll Ihnen ge währt werden. Mein Wort darauf!" „Vielleicht wird dieser Augenblick bald kommen, wo es Sie aber gereuen wird, Ihr Wort verpfändet zu haben," sprach der Detektiv sehr ernst. Der Notar hielt seine Hand mit festem Druck. „Das ist unmöglich, mein lieber Meinhardt! Mich drückt jede Schuld, und bei Ihnen stecke ich zu tief darin." „Apropos," bemerkte Meinhardt, einen Brief hervorziehend, „Sennor Torrendo hat mir dies hier zur Besorgung übergeben. Der Brief kommt von jenem Manne, der unter dem Namen Hermann Spehr in Cuba gestorben isi." Der Notar las die Aufschrift: Frau Marie Steinert. „Das hat ihr Taugenichts von Mann geschrieben, ich werde ihn erst lesen, und wenn ich es für gut befinde, ihr irgend eine Mittheilung daraus machen. Der Hallunke wird uns die Nachricht von dem Erben gesandt haben." „Wird wohl so sein, Herr Notar, vielleicht erhalten Sie du Lösung des Räthsels heute in Schloß Runeck. Auf Wieder sehen!" Er eilte fort. (Fortsetzung folgt.) Meinen Mitmenschen. welche an Magenbeschwerden, Verdauungsschwäche, Appetit mangel rc. leiden, theile ich herzlich gern und unonlgoliliek mit, wie sehr ich selbst daran gelitten, und wie ich hiervon be reit wurde. Pastor a. D. «Kypke in Schreiberhau, (Ricsengeb.)