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Erscheint wSchentlich dreimal u. zwar Diens tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. s Blk. 30 j)f., durch die Post bezogen j Mk. 55 Pf. Einzelne Numniern jO Pf. TharM Uchn, Menleh» lind die AnWende». —-r— ImtsklM Inserate werden Montags, Mittwochs und freitags bis spätestens Mittags s2 Uhr angenommen. )nsertionspreis s O pf. pro dreige spaltene Lorpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Druck und Berlag von Martin Berger in Firma H Ä. L-rger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Rekakl.on H. A Berger daselbst. No. 49. Donnerstag- den 25. April 1895. Die Sozialdemokratie und die „kleinen Leute". Man weiß, dah die sozialdemokratischen Agitatoren alles aufbieten, um durch Versprechungen oder auch durch Drohungen die »kleinen Leute" für ihre Partei einzufangen. Den Jammer und die Noth dieser durch die Manchesterschaft so schwer be drückten Erwerb-klasse'' verstehen die Sozialdemokraten trefflich zu schildern und deren berechtigte Unzufriedenheit noch immer mehr zu schüren. Aber auch an Versprechungen fehlt es nicht, aus denen die „kleinen Leute' ersehen sollen, wie gut es gehen würde, wenn die Sozialdemokratie erst am Ruder wäre. Solche Versprechungen sind aber leicht zu machen; denn die Sozialdemokraten wissen ganz genau, daß sie sie doch nie mals halten können. Bevor der so „segensreiche" Sozialisten staat in's Leben zu treten vermöchte, müssen ja gerade erst die „kleinen Leute", die selbstständigen Elemente unter den Klein gewerbetreibenden, vernichtet — oder, wie der sozialdemokratische Kunstausdruck lautet — proletarifirt werden. Es ist schon oft genug darauf hingewiesen worden, daß die Sozialdemokratie gerade den „kleinen Leuten" gegenüber eine ganz schamlos zweideutige Rolle spielt. Während die sozial demokratischen Agitatoren die Kleingewerbtreibenden und die von diesen abhängigen Existenzen umschmeicheln, ihren Klagen rühr- same Worte verleihen und ihren Wünschen Erfüllung verheißen, geht die ganze politische Aktion der sozialdemokratischen Partei darauf aus, die Lage jener Ecwerbsklassen zu verschlechtern und sie schließlich dem Ruin zu überantworten. Wer ist denn neben dem Manchesterliberalismus, der für einen allmächtigen Großkapitalismus kämpft und . . . fällt, der Hauptgegner der Organisationsbestcebungen des Handwerks, der Beschneidung unreeller, großkapitalistischer Auswüchse im Erwerbsleben, der Einengung der Böcsenallmacht, der Ein schränkung der ausländischen Konkurrenz? Die Sozialdemo kratie. Leistet aber heute die sozialdemokratische Partei ihrer „Vorfrucht" Hilfe, um das Manchesterthum für eine Zeit lang noch aufrecht zu erhalten und dem Großkapitalismus noch für einige Jahre freie Bahn zu gewähren, so sind das nichts als Henkersdienste. Alle die schönen Worte der Sozialdemokratie, die den heutigen Berufsständen so viel Wohlwollen und „Verständniß" entgegenbringen, sind eben nichts als Worte. Es sind Ver tröstungen, damit jene „kleinen Leute" geduldig durch den von Liberalismus und Sozialdemokratie unterstützten Großkapitalis- mus so weit sich rupfen lasten, bis sie eben, besitzlos und er werbslos geworden, das richtige Kanonenfutter für die Sozial demokratie, die es dann nur noch mit der Expropriirung weniger Besitzenden zu thun hätte, geworden sein würden. Ein Theil der „kleinen Leute", auf deren Existenz die Sozialdemokratie angewiesen ist: Gastwirthe, Cigarrenhändler, Spezeristen rc., wird allerdings von den Sozialdemokraten be günstigt — so weit dieser Theil der Partei sich blind ver schrieben hat. Diese Begünstigung aber geschieht auf Kosten Tausender anderer Berufsgeuossen und muß außerdem durch thatkräftige und baare Unterstützung der Parteiorganisation theuer erkauft und fortlaufend bezahlt werden. In, Großen und Ganzen aber haben die „kleinen Leute" von der Sozial demokratie nur Nachtheil zu gewärtigen. Wie weit die Sozialdemokraten in dieser Schädigung der „kleinen Leute" gehen zu können glauben, hat sich erst in diesen Tagen wieder gezeigt. Die Berliner Parteileitung hat nämlich für die Verbreitung der sozialdemokialischen Zeitungen und Schriften eigene Parteispchitionen für jeden Wahlkreis errichtet. Daß durch diese Einrichtung Hunderte von „kleinen Leuten", die in der Reichshauptstadt von dem mühseligen und kargen Gewerbe der Zeitungs'pedition leben, geschädigt werden, kümmert die „Genossen" nicht. Sie handeln hier ganz nach den manchesterlichen großkapitalistischen Grundsätzen, die sie doch sonst so gut zu bekämpfen verstehen. Es soll eben dadurch— wie durch alle sozialdemokratischen Unternehmungen — nicht allein Geld für die „Partei", d. h. für die an der Krippe sitzenden Mitglieder herausgeschlagen, sondern es soll dadurch auch ein weiterer Schritt zur „Pcoletaristrung" der „kleinen" Leute gethan werden. Dieses neueste Parteiunternehmen der Sozialdemokratie charaktecistrt deren Doppelzüngigkeit bei der Agitation unter den „kleinen Leuten" so scharf, daß dadurch wohl auch blöden Augen erkennbar gemacht ist, in welchen Sumpf die sozialdemokratischen Agitaioren die „kleinen Leute" zu locken bestrebt sind. Tagesgeschichte. Welcher Werths chätzung sich Fürst Bismarck selbst be, fremden Völkern erfreut, zeigen u. a. folgende nachträgliche M'tlheilungen zur Feier des 80. Geburtstages des Altreichs kanzlers. Die in Mexiko erscheinende Zeitung „El Universal" widmete zum 1. April einen Abschnitt der Zeitung ausschließlich dem Fürsten Bismarck mit dem Bemerken, man biete diese Fest nummer der deutschen Kolonie in Mexiko als Ehrengabe an, als „einen Beweis der Zuneigung und Bewundrung, den sich die Deutschen in Mexiko zu erringen gewußt hätten." — In Rio de Janeiro fand am 1. April eine großartige von der deutschen Kolonie veranstaltete Festfeier statt. Die etwa 15000 Milreis betragenden Kosten waren im Haudumdrehen gezeichnet. Auch Nichtdeutsche und Hunderte von Brasiliern nahmen daran Theil. An der Feier betheiligten sich die einheimischen Be hörden; die brasilischen Zeitungen brachten Aufsätze über Bis marck sowie sein Bildniß. Nach dem Fest wurde eine „Ent rüstungsversammlung" abgehalten, um gegen den Beschluß des Reichstages am 23. März Verwahrung einzulegen. Am Vor tag fand ein Fest in der deutschen Schule statt, zu dem auch die bra silianischen Kinder wochenlang mit heißem Bemühen die „Wacht am Rhein" eingeübt hatten. Der „Reichs-Anzeiger" schreibt: „Von den „Berl. Pol. Nachr." und dem „Hamburger Korrespondenten" werden An deutungen verbreitet, als ob an maßgebender Stelle eine Zu rückziehung der Umsturzvorlage aus den Berathungen des Reichstages in Aussicht genommen worden wäre. Es ist dem gegenüber darauf hmzuweisen, daß die Einbringung bcr Vor lage auf einem Beschluß der verbündeten Regierungen beruht. Eine Entschießung des BundesratHS, durch die jener frühere Beschluß rückgängig gemacht würde, steht nicht in Frage. Die verbündeten Regierungen dürfen an der Erwartung festhalten, daß es in den weiteren Berathungen des Reichstages gelingen wiro, der durch die Commijsionsberathungen erheblich umge stalteten Vorlage eine Form zu verschaffen, welchen von den ver bündeten Regierungen bei der Einbringung verfolgten Absichten gerecht wird. Petersburg. Das Resultat vertraulicher Anfragen, die von hier aus wegen einer Revision des japanisch-chinesischen Friedens Vertrages an die Mächte gerichtet worden, ist kein für o>e hiesige Regierung befriedigendes. England verhält sich ab solut ablehnend, Frankreich zeigt-keine große Lust, sich überhaupt hineinzumischcn, es sei denn in Gemeinschaft mit den anderen Großstaaten, Deutschland will Japan nicht durch Drohungen gezwungen sehen und Amerika nimmt ganz entschieden für Japan Parte,. Die hiesige Presse hat daher an die Weisung erhalten, die Forderungen Rußlands zwar a s berechtigt hinzustellen, aber nicht darauf zu bestehen, vaß dieses ev. auf eigene Hand vor gehen sollte. Das wäre auch durchaus keine einfache kriegerische Promenade; denn in Tokio ist man nicht gewillt, vor dem Zarenreiche zu Kreuze zu kriegen. Man weiß dort recht gut, daß Rußland mindestens 2--300000 Mann nach Asien senden müßte, um auch nur die Chance eines Erfolges zu habe, und derartige Anstrengungen zu machen stände in keinem Verhältmß zu den zu erreichenden Vortheilen. Paris, 22. April. In einer in der vergangenen Nacht abzehaltenen, von etwa 5000 Personen besuchten Versammlung der Angestellten der Omnibusgesellschaft wurde der allgemeine Streik beschlossen. Derselbe wird begründet mit den Fragen wegen des Lohnes und der verabschiedeten Beamten, denen die Gesellschaft jede Genugthuung verweigert. Die Kriegsbeute, welche die Japaner gemacht haben, ist sehr bedeutend. Wie eine japanische Zusammenstellung an- giebt, hatten sie im ersten Theile des Krieges, bis nach der Einnahme von Port Arthur, nicht weniger als 607 Geschütze im Werthe von 8 Millionen Mark erbeutet. In Port Arthur allein fanden sie 330 Geschütze. An Handwaffen auf Schuß Hieb und Stich erbeuteten sie 7400 Stück im Werthc von 120,000 Mark; dann 60 Millionen Patronen im Welche auf 400,000 M. Reis gewannen die Japaner für 200M0 M.; dann 368 Pferde für 8000 M., für 120,000 M. 3326 Zelte und 4 Millionen Mark in Metallgeld; ferner 447 Fahnen, 15 Dschunken, 3 Dampfer, 2 Segelschiffe, die drei Kriegsschiffe „Tsoa-Kiang", „Mmtsee" und „Haitscheng" für 4,500,000 M. Für erbeutete Wagen, Werkzeuge, Maschinen, Torpedos, Pulver und Gewänder joll der ungefähre Werth 17 Millionen betragen, der Gesammtwerth der Beute an fahrender Habe etwa 36 Millionen Mark. Die Opfer und Mühen sind freilich auch groß gewesen. Bis nach der Einnahme von Port Arthur haben 17 größere und kleinnere Gefechte stattgefunden mit einem Ge- sammtoerlust von 418 Todten und 1665 Verwundeten; die Chinesen verloren 6620 Todte und 9500 Verwundete. Die klug berechnete Feuertaktik der Japaner erklärt diesen Unterschied. In der zweiten Hälfte des Krieges haben die Japaner besonders bei Wei-Hai-Wei große Beute gemacht. Sie gewannen vier Kanonenboote, mehrere Torpedoboote und fünf große Schiffe, nämlich den Panzer „Tschenyen", die Kreuzer „Tschiyen", „Pingyen", „Kuanting" und „Kuangki". Da diese Schiffe nur wenig gelitten haben, werden sie in die japanische Flotte eingereit werden. Bei Wei-Hai-Wei liegt noch der Panzer „Tingyen" geborsten auf dem Meeresgrund, ebenso, wenn auch heiler, der Kreuzer „Oneyen", und der Kreuzer „Laiyen" ist gekentert. Die Kriegsbeute der Japaner ist demnach sehr statt lich und ihr Menschenverlust vcrhältnißmäßig sehr gering. Vaterländisches. Wilsdruff. Seit einer langen Reihe von Jahren hat das Sachsenvolk die Geburtstage seiner Könige in festlicher Weise begangen, und auch der 23. April, der Tag, an dem Se. Maj. König Albert das Licht der Welt erblickte, ist seit der Thronbesteigung des erhabenen Monarchen stets durch be sondere Veranstaltungen ausgezeichnet worden. So auch in diesem Jahre wiederum in unserer Stadt. In früher Mor genstunde brachte uns unsere Stadtkapelle die Frühreveille; königliche, städtische und Privatgebäude legten Flaggenschmuck an. Auf erfolgte Einladung seitens der Schulbehörde hatten sich 10 Uhr Vormittags eine Anzahl Einwohner in der Turn halle eingefunden, um dem daselbst mit den oberen Schul klassen stattfindenden Schulaktus beizuwohnen. Aus froher Kindermunde erschallten hierselbst erhebende Gesänge, herrliche, unser Königshaus betreffende und gut zum Vortrag gebrachte Deklamationen. Herr Lehrer Crasselt, welcher zu dieser Feier die Festrede übernommen hatte, verstand es, in geistig durchdachten Worten auf das Trefflichste die hohen Eigen schaften unsere« geliebten Landcsfürsten an der Hand herrlicher Geschichtsbilder, sowohl den Erwachsenen wie den Kindern vor zuführen. Seine Her; und Gemüth erhebenden Ausführungen werden fortklingen in den Herzen aller seiner Hörer. Mit all gemeinem Gesang und innigem Gebet seitens des Herrn Schul direktor Gerhardt wurde diese erhebende Feier beendet und muß man nur mit großem Bedauern die Verwunderung auS- sprechen, daß dieser Schulaktus nicht einen noch regeren Anklang bei den Bewohnern unserer Stadt gefunden hatte; unsere Schulverwa'tung ist gewiß eine von denjenigen, welche solchen Veranstaltungen ihre volle Aufmerksamkeit zuwendet. In der 12. Vormittagsstunde spielte unsere Stadtkapelle auf dem Marklplatze herrrliche Weisen. Im Verlauf des Tages hatte sowohl unsere Stadtbehörde, wie auch der königl. sächs. Militärverein für Wilsdruff und Umgegend Glückwunschte legramme an Se. Maj. König Albert abgesandt, worau herz liche Erwiderungen seitens des geliebten Landesvaters eingingen Am Abend des Festtages aber hatten sich auf vorhergeganacm Einladung des königlich sächsischen Militäroereins für Wilsdruff und Umgegend die hiesigen Behörden, Mitglieder des vorge nannten Vereins und Einwohner aus Stadt und Land im Saale des Hotels zum Adler eingefunden, um zu Ehren desGe- burtstages unseres Landesfürsten theilzunehmen an dem Commers. Unsere Stadtkapelle unter der schneidigen Leitung ihres Dirigenten, des Herrn Musikdirektor Römisch, spielte zu diesem Kommers eine so treffliche Musik, daß sich die Kapelle oft zu Wieder holungen veranlaßt sah und die gebotenen Konzertstücke mit stürmischem Beifall ausgenommen wurden. Nach dem zwei Kon zertstücke die rechte Feststimmung erweckt hatten, ergriff Herr Amtsgerichtsrath Or. Gangloff das Wort zu einem Trink spruch auf Se. Maj. unserem König Albert. In anschaulicher, treffender Weise schilderte der verehrte Redner unseren König als ruhmgekrinten Heerführer und fürsorgcnden Landesvater, al ben Fürst des Friedens in seinem eigenen Lande, als den großen Patrioten, der mit seiner Treue zu Kaiser und Reich ein Vor bild ganz Deutschlands sei und ließ seine Rede in einem Hoch auf denselben ausklingen. Die Anwesenden stimmten begeistert ein und sangen, von den Sitzen erhoben, die von der Musik angestimmte Sachsenhymne. Daß der verehrte Redner den rechten Ton angeschlagen und so recht zu Herzen gesprochen hatte, bewies die nun folgende Festimmung. Zahlreiche Mit glieder der Gesangvereine Liedertafel, Sängerkranz und Anakreon trugen im weiteren Verlaufe des Abends durch gemeinschaftliche, großen Beifall findende Gesänge zum Wohlgelingen des Ganzen wesentlich bei. Se. Maj. den Kaiser Wilhelm II. feierte unser allgemein verehrter Herr Pastor Ficker in allbekannter, herzlicher Weise und fand das auf das Oberhaupt unseres Reiches auSge- brachte Hoch stürmischen Widerhall bei der Versammlung. Al« bald hierauf sprach der Vorstand des Militärverein«, Herr Cantor Hientzsch, allen Erschienenen und namentlich den werthen Fest rednern seinen Dank aus. Noch lange blieb man in fröhlichster Stimmung beisammen und ergötzte man sich namentlich an den gebotenen Konzertstücken. — Zum 23. April schreibt das „Vaterland": Was König Albert seinen Sachsen ist, läßt sich mit Worten kaum sagen, tief im Innersten aber fühlt eS Jeder, daß keiner würdiger ist als er, das Scepter zu tragen, daß Niemand besser, treuer