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in den letzten Tagen den besten Streich Deines Lebens, mir aber den größten Freundschaftsdienst erwiesen!" „Abwarten, Arnold, abwarten, noch ist nicht aller Tage Abend!" „AberMgen kannst Du mir —" „Nichts, gar nichts mehr, ich habe schon zu viel ver raten, und werde meine Fee wohl schon erzürnt haben." „Ah, sie wird nicht unversöhnlich sein!" „Das gnädige Fräulein lassen Herrn Vorbeck in den Salon bitten," meldete der Diener. Max sah lachend auf. „Herrn Vorbeck allein?" rief er. „Ja, das gnädige Fräulein hat ausdrücklich so gesagt." „Dann muß ich mich fügen," entgegnete Max, den Freund nach der Thüre schiebend. „Nur munter, Arnold, meine Fee ist kein Ungeheuer!" „Sicher nicht, wenn ich sehe, welche Wandlung sie an Dir vollbracht, Max. Ich kann mich nicht genug ver wundern! Sind es nicht erst Tage, seit wir uns trennten?" „Brauchtest Du längere Zeit in Deinem Gebirgs- städchen?" Sie waren an der Thüre zum Salon angelangt, welche der Diener öffnete und wenige Sekunden später trat Arnold in Hildegards kleinen Salon. — Ahnungslos dessen, was sie erwartete, hatte der alteHerr Fabricius seinen Gast in sein eignes Zimmer geführt, daß durch eine Thür mit einem kleinen Salon in Verbindung stand, der den Verkehr zwischen den Räumen der Tochter des Hauses und denen des Haus herrn vermittelte und erleichterte. Nach dem Tode seiner Frau, der rasch und unerwartet vor zwei Jahren er folgt war, hatten beide, die sich verlassen und verwaist gefühlt, diese Einrichtung getroffen, um jederzeit und ungestört sich gegeneinander aussprechen zu können. Die Zeit hatte die schmerzende Wunde wohl geheilt, wenigstens äußerlich merkte man es nicht mehr so sehr, wie hart sie der Verlust betroffen, und wenn auch Hilde gard oft der Mutter treue Liebe, ihren Rat, auch ihren Einfluß auf den Vater vermißte, so nahm sie alle Kräfte zusammen, um dem Vater, der nach langen Kämpfen endlich sich in das Unvermeidliche gefunden zu haben schien, nicht diese mühsam erlangte Ruhe wieder zu rauben. Vater und Tochter gingen ja, wie wir wissen, in ihren Ansichten weit auseinander. Der alte Fabricius hatte sich eine prosaischere Lebensauffassung angewöhnt, wie sie ja schon sein Beruf mit sich brachte, Hildegard dagegen, von der feinsinnigen Mutter mit großer Liebe und Gewissenhaftigkeit erzogen und gebildet, war dieser Prosa des Lebens recht abhold, so sehr, daß sie den Reichtum des Vaters meist für das größte Unglück ansah. Es war natürlich, daß ihrem Vater diese Ansichten nicht angenehm sein konnten. Er hatte ja nur für dieses Kind gearbeitet, nur um Hildegard das Leben so ruhig, so sorgenlos wie möglich zu gestalten, hatte er keine Mühe und Arbeit gescheut, selbst Nächte geopfert, wenn es sein mußte, und nun sollte dies alles umsonst gewesen sein? Dankte es ihm sein Kind nicht, daß er für sie ge arbeitet? Nein, sie that es nicht, anfangs fühlte er sich dadurch verletzt, in seinem Streben von derjenigen miß verstanden, die ihm allein übrig geblieben. Als aber Hildegard trotz ihrer, wie er meinte, barocken Ideen und ihren Utopien, das sie nimmer finden würde, ihm nach wie vor die größte Liebe und Verehrung bewies, als sie nur das Zischt beanspruchte, nach ihrer Faeon sich das Leben zu gestalten, da war er es auch zufrieden, hoffte er doch immer, daß eines Tages auch des schönen Mädchens Herz ein gewichtiges Wort mitreden würde. Daß dies Wort aber so ganz anders ausfallen würde, wie er es geträumt, nein, mit seinem Freunde ausgemacht, das ließ er sich freilich nicht träumen und Hildegard ebenso wie Max Herfurt durften ihm nicht grollen, daß er ihrer Ver bindung nicht gleich so fröhlich zustimmte, wie sie es wohl erwartet hatten, wie es auch Max, der doch immer neben seinem eigenen Vermögen auch eine hübsche Stellung besaß, verlangen durfte. — Die Portieren zurückschlagend, sagte Fabricius: „Ist es Ihnen recht, so gehen wir gleich zu meiner Tochter hinüber." Vorbeck stimmte mit einigen artigen Worten zu, aber der Ton ließ erraten, daß er durch irgend etwas verstimmt war. Fabricius hörte dies wohl. Einen Augen blick schwankte er, ob er die Verstimmung ignorieren oder dar auf eingehen sollte. Er besann sich je doch und blieb, einige Schritte zurücktretend, vor Vorbeck stehen. „Die Anwesenheit Max Herfurts hat Sie verstimmt, Vorbeck?" „Ja, ich kann es nicht leugnen, denn ich hatte gehofft, wir würden nun endlich ins Klare kommen. Statt dessen sollen wir mit einem Fremden unnütze Konversation machen, die auf der Oberfläche schwimmt, während jeder sich bemüht, kein Wörtchen von dem zu verraten, was uns eigentlich alle bewegt." „Herfurt ist doch der intimste Freund Ihres Sohnes und —" „Und hängt voller romantischer Ideen," fiel Vorbeck fast hart eil. „Das wäre doch so schlimm nicht," meinte Fabricius lächelnd. „Ich habe mich in den letzten Tagen überzeugt, daß die Idealisten, die wir prosaisch Denkenden früher so viel und so herb verspotteten, doch besser daran sind wie wir." Vorbeck lachte bitter auf. „Das hätte ich allerdings nicht erwartet, daß Sie, Fabricius, unserer Fahne abschwören und ins feindliche Lager retirieren würden." „Der Mensch ist niemals zu alt, mein lieber Vorbeck, zu lernen, und ich bin von jeher geneigt gewesen und habe es allzeit als meine Pflicht gehalten, einzugestehen, wenn ich anders, sei es auch aus feindlichem Lager, bester er achtete, als meine bisher geübten Grundsätze. Ich stehe daher durchaus nicht an, zu sagen, daß Hildegard, wenn sie mich auch nicht bekehrte, so doch mein Vorurteil größten teils besiegt hat." „Aber mein Himmel, wodurch denn?" A.: „Nun, haben Sie schon recht große Erfolge Ihrer literarischen Thätigkeit aufzuweisen?" B.: „O ja! — anfänglich hat mir die Redaktion gar nicht grüntwortet — jetzt bekomme ich schon alle meine Sachen zurück!"