Suche löschen...
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und Umgegenden : 07.02.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782021922-189502076
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782021922-18950207
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782021922-18950207
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn ...
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-02
- Tag 1895-02-07
-
Monat
1895-02
-
Jahr
1895
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
klatschte in die Hände, da fliegt ein ganzes Volk Vögel nach druck machten, war der Arzt betreffs der Zahlungsfähigkeit des klatschte in die Hände, da fliegt ein ganzes Volk Vögel nach Fruchthändlers ziemlich mißtrauisch geworden. - „Kannst! einem Baume auf. In meiner Witt feur' ich ab, und richtig, Du mich denn auch bezahlen?" fragte der Franzose ! da habe ich die Burschen alle an den Baum genagelt, wo sie den ihm gänzlich unbekannten Griechen, der zur Ant- ' nun wie toll mit den Flügeln schlagen. Zn freudigem Er- wort einige Goldstücke auf dm gebrechlichen Tisch rollen ließ,! staunen betracht' ich noch die ganze Bescheerung, da — sollte ein wirklicher feiner Freund hatte, brannte Suppe allein Vertheidigung. schwer erkrankt und Dr. G. mußte herbeigerufen werden. Beim Eintritt in die Wohnung des Griechen, die mit wenigen Möbeln ausgestattet war und kaum die nothdürftigsten Haus- geräthe enthielt, so daß die Wohnräume einen ärmlichen Ein- Künstler ist, fabrizirte Banknoten, welche fein auswärts unterbrachte. Als dieser Geld genug er durch und ließ den betrogenen Lorenz die ausessen. Man packte ihn, ich übernahm seine (Fortsetzung folgt.) Vermischtes. * Eine recht interessante Uctheilsbegründung verkündete der Vorsitzende des Schöffengerichts in Erfurt: Der Fleischer geselle Hermann Arends aus Erfurt, hatte auf öffentlicher Straße im Beisein anderer Leute eine junge, anständige Dame in gemeinster Weise beschimpft. Das Schöffengericht verur- theilte den rohen Menschen wegen Erregung öffentlichen Aerger- nisses zu 3 Monaten Gefängniß und begründete die Höhe des Strafmaßes wie folgt: Der Angeklagte gebrauchte so gemeine und unfläthige Redensarten gegen eine schutzlose Dame, daß der Gerichtshof bedauert, daß das Gesetz nicht eine andere Strafe als Gefängniß gegen den Angeklagten zulosse; denn in diesem Falle ist sicher eine Prügelstrafe am Platze. ' Das Honorar des Arztes. Man schreibt aus Kon stantinopel: Ein interessanter Prozeß, den ein hiesiger franzö sischer Arzt gegen einen in guten Verhältnissen lebenden, aber als großen Geizkragen wohlbekannten griechischen Fruchthänoler, Namens Kosti, führt, soll sich demnächst vor der ersten Straf kammer des Stambuler Landgerichtes abspielen. Die Frau des genannten Kyrie Kosti war nämlich vor einigen Wochen hatte Recht, auch er durste sich glücklich preisen, da er Alles gefunden, was er vom Leben hätte erwarten können, eine liebe volle Umgebung und eine behagliche Häuslichkeit. Als Andreas Spehr heute den Freiherrn von Lasperg er blickte, ging eine Art Lächeln über das häßliche Antlitz. Er streckte ihm die große Hand entgegen und rief: „Ziehen Sie Len Stuhl heran, Herr v. Lasperg, nehmen's wohl nicht übel, wenn ich Ihnen meine Reverenz schuldig bleibe." Er lachte im tiefsten Baß. „Eine Schuld wäre mal etwas Neues beim Notar Spehr," erwiderte der Freiherr trocken, indem er einen alten Stuhl heranzog und sich ihm gegenüber niederließ. „Freue mich, Ihr Gläubiger zu sein. Doch Scherz bei Seite, was macht Ihre kleine, hübsche Pflegetochter?" „Wollen Sie die Toni heirathen?" „Ei," schalt Lasperg, „wenn sie wich möchte, würde ich sie vom Fl^ck wegheirathen, Sie Bärenhäuter!" „Na, na, nur nicht so kühn," stieß der Anwalt kichernd hervor, „ich könnte Sie beim Woct nehmen und meinem Töch terchen eine brillante Partie sichern. Wollen mir wohl eine Karte zum Rennen bringen oder mich als Jockey für Ihre Vestalin engogiren?" Der Freiherr sah den wunderlichen Mann prüfend an. So heiter und zum Scherzen aufgelegt hatte er den sonst stets ernsten und wortkargen Notar noch nie gesehen. „Haben Sie daö große Loos in der Lotterie gewonnen, Freund Spehr, oder eine große Erbschaft gemacht? Am Ende gehen Sie auf Freiersfüßen und haben heute daö Jawort erhalten." Der Notar streifte mit einem wehmüthigen Blick seine mit einer Decke umhüllten unteren Gliedmaßen und memte dann langsam: „Es wäre ein erbaulicher Anblick, mich auf Freieröfüßen zu sehen. Nein, -nein bester Freiherr, dergleichen Dinge wie der schnöde Mammon oder gar eine Heirath liegen mir fern, ich bin heute vergnügt, weil ich mit dem rechten Fuße zuerst — doch nein, wozu die albernen Witze, sie stehen mir nicht zu Gesicht. Ich freue mich, weil ich einem armen Kerl, der nun schon fünf Jahre für einen Jugendstreich im Zuchthaus büßt die Erlassung dec letzten Hälfte seiner Straf zeit erbettelt habe. Der König hat meinem Gesuche nachge geben, soeben, bevor Sie eintraten, war die Frau bei mir, ein braves Weib, das für ihre drei Kinder wacker gearbeitet hat. Sehen Sie, Herr v. Lasperg," fuhr er 'n lebhafter Bewegung fort, „der Mann ist ein sehr geschickter Lylograph, verdiente viel und durfte sich deshalb den eigenen Herd schon erlauben. Der Mann besaß eine enorme Bildungsfähigkeit, er strebte nach oben, wobei die Frau, ein sehr hübsches, braves aber be- > schränktes Weib, ihm nicht förderlich sein konnte, was im Grunde für einen solchen Mann nicht viel bedeutet, da es umgekehrt weit verhängnißvoller ist. Ein ung'bildeter Mann zieht stets die Frau zu sich herab, mag sie noch so hoch stehen, das ist einmal so. Nun, also, mein Lylograph, er heißt Lorenz, er reichte bald eine gewisse Stufe wissenschaftlicher und gesellschaft licher Bildung, welche ihm andere Kreise zugänglich machte. Er mußte deshalb auch anders auftrelen. Der Chef des Ge schäfts zeichnete ihn aus, und so lernte er auch den Sohn des selben kennen, einen Jngenier, der ein wüstes Leben führte und sich deshalb stets in Geldverlegenheit befand. Diese Bekannt schaft wurde sein Unglück. Der feine Freund und Gönner verführte ihn zu Ausgaben, die seine Einnahmen überstiegen, schließlich aber auch noch zum Spiel, womit sein Schicksal be siegelt war. Natürlich verlor ec beständig, da der Verführer das Glück an sich zu fesseln wußte. Unser Mann aus dem Volke Härte sich unzweifelhaft den W.g zur Höhe gebahnt, da er Alles dazu besaß, Genie, Bildungsfähigkeit, eisernen Fleiß, riesenhafte Ausdauer, aber leider auch eine Ader jenes Leicht sinns, welcher im entscheidenden Augenblick die nöthige Ueber- legung verliert und in's Unendliche hinausschießt. Ich möchte es die Achillesferse menschlicher Vollkommenheit, den Fallstrick der Natur nennen, den wir zeitig genug erkennen und über winden sollen. In den Händen dieses gebildeten Schurken war der Sohn des Volkes verloren. Er sollte Geld anschaffen und wußte nicht, woher es nehmen, die Schulden des Haushalts hatten jsich nebenbei vermehrt, die Frau jammerte ihm die Ohren voll, von allen Seiten drängten die Gläubiger heran, da hatte der Versucher leichtes Spiel. Mein guter Lorenz, der, wie bemerkt, ein ausgezeichneter Lylograph und in seinem Fache Doch dieser setzte ihr mit juristischer Klarheit auseinander, baß sie die Spmdenry er der Empfänger sei, da er andern falls in ,einer körperlichen Hilflosigkeit fremder, herzloser Selbst sucht preu-gegeben sei, tue ihn hungern lassen nach liebevoller, behaglicher Häuslichkeit, ihn berauben und plündern und schließ en lind nerl-nmdon Nach Verlauf einiger Tage starb jedoch die Patientin. Kaum war sie zur ewigen Ruh gebettet, als der Doktor erschien, um das versprochene Honorar in Empfang zu nehmen; aber Kyrie Kosti machte nicht die geringste Miene, den Beutel zu ziehen und den Franzosen für seine ärztliche Kunst zu belohnen. — „Hast Du denn meine Kathinka geheilt, Jatros?" fragte der Fruchthändler den Doktor. — „Leider nicht! Aber was habe ich mich nicht bemüht, alles mögliche versucht und angewendet, um sie zu retten!" — „Hast Du sie umgebracht, Jatros?" — „Gott behüte!" ruft der Franzose entsetzt aus: „Wofür hälft Du mich, Kosti? Ich Deine Frau umbringen? Ich meine Patientin zur ewigen Ruh' befördern?" — „Ja, siehst Du, Doktorchen, meinte schmunzelnd der alte Grieche, „dann hast Du aber auch kein Geld zu beanspruchen. Ich versprach, Dich zu belohnen, sobald Du meine Frau heilen oder um bringen würdest. Du hast aber weder das eine noch das andere gethan! Adiosses, Doktorchen, nimms mir nicht übel; aber ich halte stets Wort'" - Dr. G. hatte natürlich hierauf nichts Eiligeres zu thun, als spornstreichs auf das französische Kon sulat zu laufen, die Hilfe des Konsuls anzurufen und unver züglich den Griechen gerichtlich zu belangen. Dem Ausgang des sonderbaren Prozesses, der vor der ersten Strafkammer ent schieden werden soll, wird mit Spannung entgegengesehen. * Aus Sturmes Noth. Folgende Begebenheit, die sich, so romanhaft sie auch klingt, unlängst an unserer Nordseeküste ereignet haben soll, theilt man aus Schleswig-Holstein mit. An einem eiskalten stürmischen Morgen wurden die Leute in dem nicht weit vom Strande gelegenen Fischerdorf durch einen Ka nonenschuß auf See geweckt. Alle wußten, was das zu be- veuten hatte, und begaben sich in größter Eile an den Strand. Etwa eme halbe Viertelmeile von der Küste saß ein Schiff auf dem Riff, rettungslos verloren. Die Besatzung war in die Masten geklettert und hatte sich an das Tauwerk festgeklammert, um nicht von den Wellen fortgespült zu werden. „Rettungs boot klar!" Und das Boot wurde ausgebracht, aber sein be herzter Führer Harro war nicht da, er hatte sich früh morgens in das Nachbardorf begeben. Es war unmöglich, auf ibn zu warten; jede Minute ließ voraussehen, daß das Schiff in Trümmern zerschlagen werde. Acht Mann ruderten hinaus in den rasenden Sturm. Sie erreichten das Wrack und schafften die armen ermatteten Schiffbrüchigen in das Boot. Aber einer blieb zurück. Hoch oben im Mast hing er, schwer und steif in Folge der Kälte, und sie wagten nicht, ihn herabzuholen, denn das Boot war überladen, der Sturm nahm zu und ihrer Aller Leben stand auf dem Spiel. Als sie an ans Land kamen, war Harro da. Er fragte, ob man sie Alle habe, und so hörte er denn von dem Letzten im Mast. „Ich werde ihn holen!" rief er, „geht Ihr mit?" Aber sie wollten nicht, sie meinten, es sei unmöglich. Harro sprang ins Boot: „Dann gehe ich allein." In diesem Augenblick erscheint seine Mutter am Strand. Sie bittet ihn: „Gehe nicht! Dein Vater blieb draußen .... und Uwe!" Uwe war ihr jüngster Sohn von dem sie seit Jahren nichts gehört hatte. „Gehe nicht! Deiner Mutter zur Liebe!" „Und der draußen .... bist Du dessen sicher, daß auch er nicht noch eine Mutter hat?" Da schwieg die Alte, und vier Mann sprangen mit Harro in das Boot. Das Wrack stand schon ganz unter Wasser, als sie hinaus kamen und es hielt schwer, sich dem Schiffe zu nähern. End lich gelingt es. Harro selbst klettert hinauf in die Wanten, um den fast erfrorenen Burschen herunter zu holen. Nun liegt er im Boot, und landeinwärts gehts. Und als man dem Ufer so nahe ist, daß Harros kräftige Stimme durch Sturm und Bran dung dringen kann, da winkt und ruft er: „Sag's der Mutter, es ist Uwe!" * Ein seltsames Jagdabenteuer berichtet das „Salzw. Wochenblatt" aus der Ortschaft R. bei Salzwedel. Vor län gerer Zeit hatte ein Einwohner ein Schwein geschlachtet, und beim Wurstmachen war eine stattliche Blutwurst aus der Mulde hinter den Koffer gefallen. Einige Wochen später vermißt „Mutter" einen Gegenstand und sucht nach diesem auch hinter dem Koffer, wo sie ein großes Thier mit grauem Pelze in ge krümmter Haltung sitzen sieht. Das Angstgeschrei ruft „Vatern" herbei, der schnell entschlossen sein Gewehr ergreift und dem unbekannten Thier eins aufbrennt. Ringsum spritzte geronnenes schwarzes Blut, und ohne einen Laut von sich zu geben, ver endete das grimmige Thier — daß sich bei näherem Zusehen als eine harmlose Wurst herausstellte, deren Haut dick mit Schim mel bezogen war. * Eine Blutthat ist jüngst in Wien verübt worden. Der Advokat Steinau fand Freitag Nachmittag seinen Kompagnon, den Advokaten Dr. Rothziegel, in der auf dem Rudolfsplatze gelegenen Kanzlei tödtlich verwundet vor. Rothziegel hatte 9 Stiche in der Brust und Wunden am Hinterkopf, auch waren die Pulsadern durchschnitten. Er verschied während des Trans ports in das Spital, ohne daß Bewußtsein wieder erlangt zu haben. Die Aerzte erklären, daß ein Selbstmord ausgeschloffen sei, da die Wunden nur von fremder Hand herrühren könnten. Von dem Thäter fehlte indeß jede Spur; auch ist im Bureau nichts gestohlen und kein Kasten erbrochen worden. Von einer Seite wird angenommen, daß eine Racheact vorliege, doch ist auch nicht ausgeschlossen, daß der Mörder verscheucht wurde, ehe er den Raub ausführen konnte. Als verdächtig ist der Bureau chef Rothziegel's, Gustav Eichinger, verhaftet worden. * Eine Jagdgeschichte. Ein amerikanischer Farmer — diese Leute sprechen auch ein vortreffliches Jägerlatein — er zählt Folgendes: „Ich ärgerte mich furchtbar über die geflügel ten Diebe (die Vögel), die meinem Getreide ungeheuren Schaden zufügten. Erst stellte ich nach Möglichkeit Vogelscheuchen auf, zuletzt griff ich zur Flinte, lud diese mit Pulver und Schrot, und da hättet Ihr sehen sollen, wie ich das Raubgesindel de- cunirte. Kommt da eines Tages mein Sohn von Felde gelaufen und ruft: „Vater es sind wieder Hunderte von Vögeln im Korn!" — Ich, meine Flinte herunterheißen und tüchtig Pulver einfüllen — das war eins: doch das verflixte Schrot könnt' ich nicht gleich finden und stopfte eine Hand voll Drahtnägel nach. Jetzt schleich ich mich dicht an das Komfeld heran, „Ja, ja, ich weiß wohl," rief Waldenrath lächelnd, „eine Leidenschaft muß der Mensch haben, wenn er nicht verknöchern soll. Du hast ja auch für die Hinterbliebenen Deines verun- unglückten Jockeys wie ein Vatec gesorgt, also Deine Pflicht erfüllt. Alle Welt spricht freilich von Graf Rustorg's Alman- sor, dessen Siege für unzweifelhaft gelten, ich habe bereits von fabelhaft hohen Wetten gehört. Von Deiner Vestalin ist keine Rede mehr." „Desto besser," erwiderte der Freiherr, „mir ist jedes Wetten und Wagen, das an Hazard erinnert in tiefter Seele verhaßt. Ich will meine Vestalin zurückziehen." „Oho, doch nicht gar verkaufen?" „Fällt mir nicht ein, würde sie lieber verschenken. So, ich bin am Ziel, Adieu, lieber Freund!" „Gott befohlen, Felix!" Sie drückten sich die Hände und der Arzt eilte mit jugendlicher Raschheit weiter, während Las perg in ein altersgraues Gebäude trat, an dessen Thür ein er blindetes Schild die Firma: Andreas Spehr, Rechtsanwalt und Notar" trug. Er schien mit der Lokalität genau bekannt zu sein, denn ohne sich weiter im Flur uinzusehen, stieg er eine schmale und gewundene Treppe hinauf und klopfte dann auf dem großen Vorsaal an eine der vielen darauf mündenden Thüren Ein krächzendes „Herein" ertönte. Der Freiherr rrat in ein großes, getäfeltes Zimmer, von einigen altmodischen Möbeln, Akten-Repositorien und Schränken angefüllt. Aus einem alten mit Leder überzogenen Polster sessel erhob sich jetzt eine wunderliche Gestalt die mehr einem abschreckend häßlichen Kobold, einem Ungethüm glich, als einem Menschen. Auf dem unförmlich großen Kopf starrte das Haar borstenartig empor, die kleinen klugen Augen waren von grauen überhängenden Brauen fast ganz verdeckt, sie waren das einzige Anziehende in dem Gesicht mit der dicken, sogenannten Kar toffelnase, dem großen Mund und spitzen Kinn, das aufwärts bis zu den Ohren von einem grauen, dünnen Barte umgeben war. Der Kopf war noch menschlich zu nennen gegen die verkrüppelte Gestalt, welche sich nicht vorwärts bewegen konnte, da die unteren Extremitäten eine leblose, völlig formlose Masse bildeten. Und doch war dieser Krüppel der gesuchteste und vielbeschäftigste Anwalt und Notar in Stadt und Umgegend, weil sein unförmlicher Kopf den größten Verstand, die schärfste Geschäftskenntniß und Beurtheilung aller Rechtsverhältnisse be saß und weil mit diesen Eigenschaften eine pedantische Redlich keit Hand in Hand ging. Wenn Andreas Spehr eine Sache annahm, dann war alle Welt schon von vornherein von ihrer Gerechtigkeit überzeugt, da er jeden zweifelhaften oder unklaren Fall abwies und sich auch niemals mit der Vertheidigung ehr-, loser Verbrecher befaßte. Ja, so wunderlich cs auch bei seiner abschreckenden Per sönlichkeit erscheinen mochte, ihn als Vertheidiger vor öffent lichem Gerichte fungiren zu sehen, so war eö doch Thatsache, daß sich jeder Angeklagte glücklich preisen durfte, dessen Ver theidigung er übernahm, da er nur dem BemitleidenSwerthen seinen Beistand angedeihen ließ. Giebt es doch leider unzählige Fälle, wo von der Leidenschaft zum Verbrecher nur ein Schritt ist, und wo ein Augenblick den auf der Höhe sittlicher Kraft Stehenden in den Abgrund stürzen, ihn auf die Anklagebank führen kann. Wer da fest stehet, der sehe wohl zu, daß er nicht falle! Solcher Schwachen, die mehr beklagenswerth als vec- dammungSwürdig waren, nahm Andreas Spehr sich mit der ganzen Fülle seiner sittlichen Uebcrzeugung und glänzenden Bc- redtsamkeit an und oectheidigte sie mit einer Menschenliebe und Herzenswärme, von der seine häßliche Außenseite keine Spur zeigte, die derselben aber thatsächlich innewohnte. Daß bei solchen Gelegenheiten der Gerichtssaal einen ganz anderen An blick darbot, als sonst, läßt sich erweisen, weil Richter und Publikum gleicher Weise von doppeltem Interesse für die Ver handlung erfüllt waren, sobald der alte Spehr als Verthei diger fungirte, während der Staatsanwalt sich bewußt war, einen harten Standpunkt zu bekommen. Er war unverheirathet, hatte aber eine Verwandte und deren Tochter zu sich genommen, um seine Wirthschaft zu führen. Die Umstände, welche ihn dazu veranlaßt, und die Selbstverleugnung, die er dabei geübt hatte, zeigten seinen Charakter im glänzendsten Lichte. Andreas Spehr war als verwaister Knabe von dem Vater dieser Verwandten, dem Halb bruder seiner Mutter, erzogen, und von diesem nicht blos schlecht behandelt sondern auch seines Vermögens beraubt worden. Der halb verkrüppelte schwache Knabe war durch ihn zum vollstän digen Krüppel geschlagen und mußte sich auf der Universität buchstäblich durchhungern. Aber der starte Geist, welchen Gott ihm verliehen, siegte über alle Leiden und Beschwerden und ließ ihn das erstrebte Ziel erreichen. Da geschah es, daß der grausame Oheim starb und dem auf das Geld desselben spekulirenden Schwiegersohn nichts als Schulden hinterließ. Diese Täuschung mußte die Frau, welche nur um des erträumten Vermögens willen von ihm geheirathet worden war, arg entgelten. Sie war ein sanftes, schüchternes Wesen, eine Märtyrerin der Ehe, die jetzt Unerhörtes von ihrem Gatten zu erdulden hatte und schließlich von ihm ver lassen wurde. Ohne Andreas Spehr wäre sie mit ihrem kleinen Mädchen umgekommen. Er arbeitete für sie. theilte am An fang seinen noch kargen Verdienst mit den beiden Verlassenen, und nahm sie dann später, als seine Stellung sich befestigt hatte, in sein Haus, wo sie ihm die Wirthschaft führte und sein Leben durch Behaglichkeit und häusliche Ordnung zu ver schönern strebte. Daß der arme häßliche Krüppel sie einst ge liebt und sogar von dem Glück ihres Besitzes geiräumt hatte, ahnte sie nickt, er hatte diese Schwäche längst überwunden, und war jetzt glücklich, ihrer Schwesterliche sich zu erfreuen, ja, sogar ein Töchterchen zu besitzen, das ihn wie einen leiblichen Vater liebte und verhätsckelte. „Feurige Kohlen auf mein Haupt!" pflegte Frau Steinert anfangs oft demüchig zerknirscht zu sagen, wenn sie an seine Kindheit in ihrem Vaterhause dachte und an L:e ungeheuere Schuld, welch- ihr eigener Vater gegen den unglücklichen ver waisten Knaben auf sich geladen hatte. Es mochte ihr dann fast unmöglich erscheinen, die Wohlthaten des Gemißhandelten und Beraubten anzunehmen. indem er nachdrücklich betonte: „Das sollen sie haben, Jatros, man's glauben? — hat das Räubervolk durch seinen Flügel- fallö Sie meine Kathinka heilen oder umbringen!" — Durch schlag — den Baum ausgehoben und fliegt mir davon, und ^noecn uno iw«-»- den Anblick des Goldes einigermaßen beruhigt, nahm Dr. G. ich habe mit langer Nase das Nachsehen!" lich beklatschen und verleumden werde. Und Andreas Spehr hierauf die Frau des Fruchthändlers in ärztliche Behandlung.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)