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Wochenblatt für Wilsdruff Beilage zu No. 110. Donnerstag, den 13. Dezember 1894. Doktor Luther aber weinte still Der Und wie er wieder nach dem Lenchen schaut, lag es tot als bleiche Himmelsbraut; von Und Der berunterzufallen drohte. Du bist ja heute auf den Vater so grimmig, bemerkte Karl leichthin, der müßig auf dem Sopha lag und den Rauch einer Cigarre vor sich hin blies. Hab' auch alle Ursache dazu, und Ihr wcrdet's auch sein, wenn Ihr die Geschichte erfahrt; S' ist zum toll werden! Er wollte von Neuem auf den Tisch schlagen, aber die kleine Frau fiel ihm lachend in den Arm. Du kannst schon erzählen, ohne daß all' meine hübschen Sachen in die Brüche gehen! Wißler sah seine Schwägerin nur grimmig an. Laß' nur die Späße ... mir ist nicht zum Lachen. Ich möchte bersten vor Wuth! Eö ist zu schändlich! Er ließ sich auf den nächsten Stuhl nieder, als ob ihm vor Zorn der Alhem verginge. Jo, was ist denn eigentlich heute? Hast Du zu schwer weinte überlaut. Da sprach mit Schmerzen Luther: „Liebes Weib, o halte stille den Kreis der gewagtesten Bauspekulation hineingezogen worden' und man zahlte dort für Ländereien die übertriebensten Preise. Dem Drechslermeister wurde ebenfalls für sein Grundstück eine bedeutende Summe gezahlt, und Schlönert, der bisher in ziem lich bescheidenen Verhällwssm gelebt hatte, sah sich mit einem Schlage in einen reichen Mann veiwandelt. Dennoch schien es, als ob Meister Schlönert über seinen unerwarteten Glückswech sel wenig Freude habe; er ging seitdem stiller, düsterer als je seines Weges und zeigte auch nicht die mindeste Neigung den Zuschnitt seines Lebens seinen jetzigen, so überaus günstigen Ver? bältnissen anzupassen. Er hielt noch eifriger als je jeden Psenmg fest, und den Seinen war es völlig unmöglich, ihn zur Herausgabe irgend einer Summe zu veranlassen. Doch unserm Herrgott, gnädig ist sein Wille! Bedenke nur, wohin dein Kind gekommen, Der Heiland hat es in sein Reich genommen; Es ward erfüllt, was du im Traum geschaut: Die Engel holten sich die Himmelsbraut." Und als nun in dem Sarg sein Lenchen lag, Da sah er's lange an und sprach: „Du liebes Kind, wie wohl ist dir geschehn, Bald ruft der Herr, dann wirst du auferstchn Zur ew'gen Seligkeit, zur Himmelswonne Und leuchten wie ein Stern, ja wie die Sonne. Im Geiste bin ich fröhlich, doch das Herz Ist trauervoll, das Scheiden macht ihm Schmerz. Es ist doch wunderbar, es fest zu wissen, Daß sie im Frieden ruht, und trauern müssen." Und als das Volk kam, um mit ihm zu klagen Und Lenchen nach der Ruhestatt zu tragen, Rief er gefaßt: „Laßt euer Trauern sein, Zum Himmel schickt ich eine Heil'ze ein. Ich gab sie ihm, wie er sie mir gegeben; Wer also stirbl, der hat das ew'ge Leben." nicht verstanden hätte, ihn ein wenig zu zügeln, wäre es mit dem etwas leichtsinnigen jungen Mann schon rascher herabgegangen. Sie hielt durch ihre große Sparsamkeit, durch ihren bescheidenen, wirthschaftlichen Sinn Alles zusammen, und sie fand sich auch jetzt ebenso leicht in ihr Schicksal, wie ihr gutmüthiger Schwa ger, trotzdem ihre Verhältnisse ziemlich drückend waren. Noch schlimmer stand es mit dem Schwiegersohn des Drechs lermeister-. Gustav Wißler hatte die einzige Tochter des alten Schlönert geheirathet und bis vor einem Jahre eine kleine Schank- wirthschaft betrieben, die ihn jedoch auf keinen grünen Zweig gebracht, weil er stets sein bester eigener Kunde gewesen. Zu seinem Unglück war ihm die Frau plötzlich gestorben und hatte ihm drei kleine Kinder hinterlassen. Mildem Verlust der treuen Lebensgefährtin war vollends das Geschäft noch mehr zurück ge gangen, hatte sich Wißler noch mehr seiner Leidenschaft des Trunkes überlassen, und von Gläubigern gedrängt, mußte er endlich seine Schankwirthschaft gänzlich aufgeben. Er sah sich schon am Rande des Abgrundes; da trat bei seinem Schwieger vater jener unerwartete Glückswechsel ein, und er glaubte sich gerettet. Zu seiner grenzenlosen Enttäuschung wollte aber der alte Schlönert auch ihm gegenüber seine Grundsätze nicht auf geben und wenigstens einen Theil seines Schatzes dem Schwie gersohn opfern. Zwischen den beiden Männern kam es darüber zu den heftigsten Scenen, denn Gustav Wißler war eine leiden schaftliche, rohe Natur, die keine Schranken kannte. Wie oft mußte die Schwiegertochter dazwischen springen, um den alten Mann vor Thätlichkeiten zu schützen, wenn Wißler immer wüthender sein Erbtheil forderte, und der kleinen muthigen Frau gelang es dann wirklich den zornbebenden Schankwirth vor dem Aeußersten zurückzuhalten. Während Karl Schlönert das Erdgeschoß des ziemlich kleinen Häuschens inne hatte, bewohnte der Vater jetzt ganz allein den ersten Stock, und wenn Wißler bei dem Schwiegervater zum Besuche erschien, ries das heftige Klopfen des Letzteren stets die Schwiegertochter zur Hilfe herbei. Merkwürdig genug, die kleine Frau wußte dem sonst brutalen Menschen so zu imponieren, daß er sich grollend zurückzog. Er eilte dann gewöhnlich in heftiger Erregung hinunter und klagte dem Schwager sein Leid, der weit mehr mit ihm übereinstimmte und sich ebenfalls in Klagen über den unerhörten Geiz des Alten ergoß. Eines Tages erschien Gustav wieder zornglühend in dem Zimmer des Schwagers, aber dies Mal war er nicht erst oben oben gewesen um bei dem Schwiegervater einen erneuten Sturm zu versuchen. Er begann schon auf der Schwelle: Na, Schwägerin jetzt wirst Du dem Alten wohl auch nicht länger helfen! Das ist ja ein ganz nichtswürdiger Halunke! Ach, schrei doch nicht so . . . die Fenster stehen ja offen. und wie leicht kann er's hören! entgegnete die kleine Frau, die sogleich wußte, wem die Zornesworte eigentlich galten. Jcb werde ihm noch ganz andere Dinge ins Gesicht sagen, srief Wißler, denn einen solch' niederträchtigen Schurken gsebt's nicht mehr auf der Welt, und das ist die Wahrheit! Er schlug dabei sehr heftig auf den Tisch, der in seiner Nähe stand, daß alles darauf befindliche Geschirr klirrte und seiner Schwiegermutter ein großes Gartengrundstück geerbt, das in einem Nachbardorfe der preußischen Hauptstadt belegen war. Durch das rasche Aufblühen Berlins war auch dieses Dorf in Da lag es tot als bleiche Himmelsbraut; Die Mutter aber stand, ein Schwert im Herzen, Ich weiß nicht, was ich noch selbst brauche, war seine be ständige Antwort, wenn seine Kinder mit irgend welchen Wün schen an ihn heran traten, die sie verwirklicht sehen wollten und der alte Schlönert schlug jede Bitte um Geld hartnäckig ab. Der älteste Sohn fand sich ebne Murren in den wunder lichen Geiz seines Vaters. Fritz Schlönert hatte sich schon vor mehreren Jahren als Tischlermeister selbstständig gemacht und wenn er auch nicht in glänzenden Verhältnissen lebte, fühlte sich sein bescheidener Sinn dennoch ganz zufrieden. Wohl hatte seine Frau ihn jetzt zuweilen gedrängt, er möge doch dem Vater um Herausgabe einer hübschen Summe bitten um das Geschäft ver größern zu können, aber als der Alte davon nichts wissen wollte, wagte der gutmüthige Sohn nicht, den alten Mann weiter zu belästigen und er trieb lieber sein Handwerk in den alten be scheidenen Grenzen, als daß er den Vater noch ferner mit Bitten behelligt hätte. Anders verhielten sich der jüngste Sohn und der Schwie gersohn des alten Schlönert. Der Erstere hatte zwar das Drechö- lerhandwerk seines Vaters erlernt und vor einem Jahre das Geschäft übernommen, aber Fudern erwußte, daß seinem Vater plötzlich ein so bedeutendes Vermögen zugefallen war, zeigte er nicht mebr Lust, sein ehrliches Gewerbe fortzusetzen, vielmehr hegte er den Wunsch, jetzt das Leben eines Mannes zu führen, der ru arbeiten und zu sparen nicht mehr nöthig hat. Leider schwieg und fuhr dann fort: „Mein Gott vergieb, Ich hatte wohl mein Kind zu lieb, zu lieb!" Und sprach: „Der Geist ist willig, aber ach! Du liebes, liebes Kind, das Fleisch ist schwach!" Und " ' ' ' ' " , " geladen? fragte Karl, ohne seine Stellung zu verändern oder seine Cigarre aus dem Munde zu nehmen. Ach, Unsinn, grollte der Schankwirth. Ich bin heute so i nüchtern wie eine Wasserpumpe . . . aber ich sage der Alte... Ehe Wißler noch aussprechen konnte, eilte die kleine Frau ans Fenster, um rasch zu schließen, und in ihrer freundlichen, heiteren Weise rief sie scherzend: Nun kannst Du weiter schimpfen, wenn es Dir ein solches Vergnügen macht. Na, Du wirst schon noch den Humor verlieren, wenn ich Dir sag', wie grundgemein der Alte gegen uns handelt. Für seine Kinder hat er kein Geld, aber fremden Leuten steckt er's haufenweise in die Taschen. Jetzt gab auch Karl Schlönert seine Stellung auf, er nahm die Cigarre aus dem Munde, und dem Schwager voll das Gesicht zuwendend, fragte er lebhaft: Mein Vater soll bas thun? das glaube wer will, ich nicht! Uno er stieß ein übermüthiges Lachen aus. Ich will mich hängen lassen, wenn's nicht wahr ist! ant wortete der Schankwirth und schlug mit der Faust auf seine i breite Brust. Der schiele Wörnemann hat mirs ja selbst gesagt, Der Schwiegersohn. Erzählung von Ludwig Habicht. Nachdruck verdaten. Drechölermeister Schlönert hatte vor dreißig Jahren cheute b-r alte Schlönert durchaus mcht die Arisi-bten seines -r von unserem Alten schon viele tausend Mark h-rausge- jünguen Sohnes. Karl mochte immerhin den Alten um Geldhat, und warum sollte er lügen? bestürmen, der hartköpfige Mann verrieth nicht die mindeste Um Dich zu ärgern, bemerkte der Schwager. Neigung, sich von seinem Gelbe zu trennen, und selbst die be- Unsinn! Er hat mir vor einer Stunde die Goldfüchse ge- weglichstcn Bitten des Sohnes fanden bei dem Vater taube Ohren? zeigt, die er gestern von unserem Alten geholt. Man möchte Kail Schlönert war ein heiterer, lebensfroher Gesell; er hatte platzen vor Wuth, wenn man daran denkt, daß er für uns nicht ehr jung geheirathet und wenn seine kleine hübsche Frau es einen Pfennig herauscückt und dem versoffenen Kerl wirft er Sucherbilder. «. Luther beim Tode seines Töchterleins Als Luthers Lenchen krank zum Tode lag. Da saß er an des Kindes Bett und sprach: „Ich habe sie sehr lieb, doch ist's dein Wille, Nimm Herr, mein Kind, ich will dir hallen stille." Und eine Thräne trocknet er geschwind Und spricht zu seinem Töchterchen: „Mein Kind, Mein liebes Lenchen, in des Himmels Höh'n Wohnt auch ein Vater, willst du zu ihm gehn? Du bliebst wohl gern bei mir und ziehst auch gern Zu jenem Vater unser aller Herrn?" Und Lenchen drauf: „Ja, Vater, wie Gott will!" die Tausende in den Hals ... aus reiner Freundschaft, wie mir der schieläugige Tagedieb selbst höhnisch sagte. Das glaub' wer will! Ich nicht! murmelte Karl, aber seine Frau war plötzlich nachdenklich geworden, und sie bemerkte jetzt ungewöhnlich ernst: Wörnemann schleicht sehr oft zum Vater und bleibt sehr lange und wenn der alte Nichtsnutz dann wieder herunterkommt, klimpert er übermüthig mit Geld. Das ist mir auch schon aus gefallen. Da habt Ihr den Beweis! rief Wißler triumphirend. Es ist wie ich sage, der Alte läßt uns umkommen, aber für seinen ehemaligen Kumpan, da hat er Geld im Ueberfluß. Na, schon gut! Ich will ihm jetzt den Standpunkt klar machen! Der Schankwirth wollte rasch das Zimmer verlassen, doch seine Schwägerin hielt ihn zurück. Warte nur noch, bis wir uns völlig überzeugt haben. Was ist da noch zu überzeugen? murrte Wißler. Es ist so, wie ich sage! Nein Du darfst nicht gleich Lärm schlagen, lieber Schwa ger, entgegnete die kleine Frau. Ich kann ja jeden beobachten, der hinauf geht, und wenn Wörnemann wieder zum Vater kommt, dann schleiche ich ihm nach und überrasche die Beiden, wenn sie ihr Geschäft mit einander abmachen. Obwohl der Schankwirth anfangs von dieser Zögerung nichts wissen wollte, sagte er endlich nach einigem Nachdenken: Ich weiß schon, Wörnemann hat mich nicht belogen und ich habe recht, aber Ihr sollt Euch auch überzeugen, und dann werdet Ihr auch so wüthend sein wie ich. Frau Schlönert sollte nicht lange zu warten haben. Schon nach wenigen Tagen bemerkte sie den schieläugigen Wörnemann, wie er die Treppc zu ihrem Schwiegervater langsam Hinaufstieg. Nach einiger Zeit folgte sie ihm ganz leise und blieb an der Thür stehen, um ein wenig zn horchen. Sie vernahm deutlich die laute polternde Stimme Wörnemanns: Mach' nur nicht erst Umstände; Rücke mit dem Gelde her aus, es nutzt Dir doch nichts! Was ihr Schwiegervater entgegnete, konnte sie nicht ver stehen, und sie hörte nur als Antwort ein höhnisches Lachen Wörnemanns. Dann wurde es plötzlich still, und zuletzt war es ihr, als ob sie das Klingen von Geld vernähme. Rasch eilte sie wieder hinunter, um ihren Mann herbeizurufen, und als jetzt Beide ohne Weiteres das Zimmer des Vaters betraten, sahen sie noch, wie Wörnemann eben eine Geldsumme grinsend einstrich. Nun überwältigte auch den sonst so sorglosen jungen Schlönert ein heftiger Zorn, er trat in höchster Erregung auf seinen Vater zu, stemmte die Arme unter und ries zornig: So! Für Deine Kinder hast Du keinen Pfennig, und diesem lüderlichen Hallunken wirfst Du das Geld in Haufen hin! Der alte Mann konnte in der ersten Bestürzung kein Wort hervorbringen, aber Wörnemann entgegnete sogleich keck und beinahe drohend: Na, na, den Hallunken verkitt' ich mir! und geht es Sie was an, was Ihr Vater mit dem Gelde macht? — Lieber Gottfried, sag' doch dem grünen Jungen, daß Du willst und daß sich Niemand darum zu kümmern hat, wenn Du einmal einem alten Freund aus der Noth hilfst. Ich bin auch in Noth, rief Karl, und mein Schwager noch mehr, und er hilft uns doch nicht, aber dafür stopft er cs einen nichtswürdigen Trunkenbold in die Tasche! Ist eine solche Niederträchtigkeit je gehört worden? Hat es schon einen solchen Vater gegeben, der ganz fremde Leute seinem eigenen Fleisch und Blut verzieht? Nun, was sagst Du dazu, Louise?" wandte er sich zu seiner Ehehälfte. (Schluß folgt.) Dresd n, 10. Dezember. (Getreideprcise.) An der Börse per 1000 Kilogramm: Weizen weiß 136—140 Mk., Weizen braun alt, 135—140 Mk., Weizen braun, neu, trocken 127 bis 132 Mk., do braun, neu feucht 118—126 Mk., Korn alt, 116—120 Mk., Korn, neues 115—118 Mk., do. neues feucht 102—114 Mk., Gerste 130 bis 140 Mk., Hafer neu 122 bis 134 Mk., feucht 105—108 M. Aus dem MarNe Hafer per Centner 6 Mk. 40 Pf. bi« 7 Mk. 20 Pf. Kartoffeln per Centner 2 Mk. 20 Pf. bis 2 Mk. 50 Pf., Butter per Kilo 2 Mk. 40 bis 2 Mk. 80 Pf. Heu per Centner 2 Mk. 80 Pf. bis 3 Mk. 40 Pf. Stroh per Schock 26 Mk. — Pf. bis 27 Mk. — Pf. Schweizerische HpieiVerke anerkannt die vollkommensten der Welt. Ipieldosen Automaten, Necessaires, Schweizerhäuser, Cigarrenständer, Photographiealbums, Schreibzeuge, Handschuhkasten, Briefbeschwerer, Blumenvasen, Cigarrenetuis, Arbeits- tischchen, Spazierstöcke, Flaschen, Biergläser, Dessertteller, Stühle u. s. w. Alles mit Musik. 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