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WMÜ für MsW Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar Diens-' tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. j Mk. 30 j)f., durch die j)ost bezogen I Mk. 55 j)f. Einzelne Nunuuern jO Pf. TharM Mn. Sitbtnlchn und die UmMM. —r — Imtsblalt Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags Uhr angenommen. )nsertionspreis 10 Pf. pro dreige spaltene (Lorpuszeile. ... „ i für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 11V. Donnerstag, den 13. Dezember 1894. Begründung zur Vorlage gegen die Umsturzbestrebungen. Schon bald nachdem das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich in Geltung getreten war, ließen manche Wahrnehmungen erkennen, daß die neuen strafrechtlichen Vorschriften, soweit sie den Schutz der Staatsordnung und des öffentlichen Friedens und damit die Sicherung der Grundlagen unseres staatlichen und gesellschaftlichen Lebens zum unmittelbaren Zweck haben, an Lücken kranken, welche auf die Dauer nicht ohne bedenkliche Folgen bleiben können. Unter dem Einfluß einer vertrauens vollen, die Gefahren der politischen, wirthschaftlichen und gesell schaftlichen Zersetzung unserer Zeit nicht ausreichend würdigenden Stimmung hatten die Vorschriften des Gesetzbuchs, wie sie aus den Berathungen des Reichstags hervorgegangen waren, gegen über dem früheren Rechte der meisten deutschen Staaten und dem seitens der verbündeten Regierungen vorgelegten, im Wesentlichen diesem älteren Rechte sich anschließenden Entwürfe mannigfach Abschwächungen erfahren. Die Unzulänglichkeit des neuen Rechts machte sich immer fühlbarer seitdem der wachsende Einfluß neuer gesellschaftlicher und wirthschaftlicher Theorien mehr und mehr dahin führte, Grundlagen unserer öffentlichen und privaten Rechtsordnung, welche den Bestand und die ge deihliche Entwickelung des gesammten Kulturlebens bedingen, zum Gegenstände gehässiger Kritik und wühlerischer Angriffe zu machen. Unter dem Eindruck solcher Wahrnehmungen wurden schon bet der ersten Revision des Strafgesetzbuches, welche die Novelle vom 26. Februar 1876 zum Ergebniß hatte, von den verbündeten Regierungen Aenderungen und Ergänzungen zu dm Abschnitten des Strafgesetzbuchs über den Widerstand gegen die Staatsgewalt und über die Vergehen wider die öffentliche Ordnung in Vorschlag gebracht. Es gelang damals nicht, der Erkenntniß von den drohenden Gefahren in dem Reichstag zum Siege zu verhelfen. Die verbündeten Regierungen sahen sich genöthigt, von weitern Erfahrungen, die auch für größere Kreise das Unzureichende des strafgesetzlichen Schutzes der allen Bolksklassen gemeinsamen Interessen erkennbar machen würden, die Verfolgung ibrcr Vorschläge abhängig zu machen. Die ganze gesetzgeberische Reform trat demnächst in den Hintergrund, als in Folge der Zeitereignisse und namentlich der verbrecherischen Anschläge wider das Leben des verewigten Kaisers Wilhelm I. unt dem Gesetze „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" vom 21. Oktober 1878 der Weg der Ausnahmemaßregeln gegen die Ausschreitungen bestimmte Par- te richtungen eingeschlagen wurde. Aber auch unter diesen ver änderten Verhältnissen hat die Frage, ob nicht auf dem Boden tes gemeinen Rechts eine Verstärkung der staatlichen Schutz mittel gegenüber den offenkundigen Ordnung und Sitte unter- g übenden Bestrebungen mancher unserem Staats- und Kultur leben feindlichen Elemente herbei,»führen sein möchte, wieder- l i lt praktische Gestalt gewonnen. Dahin gerichtete Vorschläge sind sowohl aus der Mille des Reichstags als auch aus dem Schooße der verbündeten Regierungen heraus gemacht worden. In letzterer Hinsicht darf insbesondere auf die Anträge hinge wiesen werden, welche die königlich preußische Regierung im Fahre 1889 bei dem Bundeörath gestellt hat uns die, obwohl e von andern Aufgaben zurückgedrängt nicht zu einer Vorlage an den Reichstag führten, dennoch in weiten Kreisen bekannt geworden sind. Als das Ausnahmegesetz vom 21. Oktober 1878 > ch mehrfachen Verlängerungen seiner Geltungsdauer am 1. Oktober 1890 außer Kraft getreten war, mußte jene Frage wieder zu verstärkter Bedeutung gelangen. Daß den Versuchen, .eite Schichten der Bevölkerung mit den Grundbedingungen unseres staatlichen und gesellschaftlichen Lebens zu verfeinden, nicht lediglich mittelst deö Strafgesetzes entgegengewirkt werden lann, daß vielmehr zu ihrer erfolgreichen Bekämpfung auch Maßnahmen gehören, welche offenkundige Schäden unserer wirthschaftlichen Entwicklung zu bessern und vor Allem die Lage der unteien Bevölkerungsklassen zu heben bezwecken, haben die verbündeten Regierungen unter Zustimmung des Reichstags durch wiederholte Akte der Gesetzgebung anerkannt. Dieser Weg soll auch in Zukunft nicht verlassen werden, aber man darf sich dabei der Erkenntniß nicht verschließen, daß eine gesetzgebe- rüche Thätigkcit, welche die Klassengegensätze mildern, Auswüchse in unserer gesellschaftlichen Entwicklung abschneiden und den wiithschastlich schwächeren Volkselementen in ihrem Kampfe um eine befriedigende Existenz Beistand gewähren will, vergebliche Arb,il thut, so lange auf der andern Seite die Bevölkerung duich böswillige Herabwürdigung der wichtigsten gesellschaftlichen Inst tut onen, durch Aufstachelungen gegen die staatliche Gewalt, durch die Verbreitung grundloser, die Mißachtung der Staats ordnung fördernder Beunruhigungen in ihrer Ausfassung von der Aufgabe des Staats und von der Bedeutung unserer Kul in der ersten Sitzung am Donnerstage zurück, was allgemein erwartet wurde. Der Kaiser äußerte jedoch, daß er diese Jn- Ergebniß hatte. Die im Laufe dieser Untersuchung vorge- vornehmlicb Frankreich und der Schweiz, ausgewiesen worden sind, Oeffentlicke Versammlungen, in denen aufreizende und nahezu aufrührerische Kundgebungen erfolgen, fowie anarchistische Schriften, die in einzelnen Orten und Gegenden in augen scheinlich vorbedachter Weise verbreitet werden, treten der Thätig- keit jener Vereine und Personen zur Seite. Was insbesondere die Verbreitung von Schriften betrifft, so kommen außer einem in Berlin in bedeutender Auflage erscheinenden Tagesblatte, dessen Inhalt selbst unter dem jetzigen Rechte zu zahlreichen strafrechtlichen Verfolgungen Anlaß gegeben hat, und außer den in unregelmäßigen Zwischenräumen erscheinenden Heften eines als anarchistische Bibliothek sich bezeichnenden Unternehmens namentlich die aus dem Ausland eingeführten Preßerzeugnisse des Londoner Klubs „Autonomie" in Betracht. Dieser Klub ist wiederholt in gerichtlichen Urtheilen als der Mittelpunkt der anarchistisch-sozialistischen Thätigkcit bezeichnet worden, die ins besondere auch den Umsturz der bestehenden Ordnung in Deutsch land verfolgt. Unter den im Inland ermittelten Anhängern des Anarchismus fehlt es an solchen nicht, welche die schärfsten Färbungen desselben vertreten oder ihn zum politischen Beschö nigungsmittel für gemeine Verbrechen machen. Einen Fall dieser Art hat eine " kürzlich vor dem Berliner Schwurgericht zur Verhandlung gelangte Strafsache enthüllt, welche die Ver- urtheilung der Angeklagten, und zwar die des Hauptangeklagten zu einer zwölfjährigen Zuchthausstrafe und zu Ehrenstrafen zum sogenannte Umsturzvorlage eingehend, meinte der Kaiser, daß sie den Zweck verfolge, derartige Invektiven zu verhindern. Der Kaiser unterhielt sich dann eingehend mit den Herren über die innere Lage, besprach hierauf die Verhältnisse der Land- wirthschaft und ging besonders auf die Lage der Zuckerrüben- Industrie ein. Ferner erwähnte der Kaiser seine NordlandS- reife, hob die Schönheit der nordischen Landschaften hervor und entließ darauf das Präsidium in huldvollster Weise, das hierauf auch von der Kaiserin empfangen wurde. Die Kaiserin gab gebung sich der Pflicht nicht entschlagen, Anreizung zur Miß achtung von Gesetz und Obrigkeit, Verhöhnung und Schmähung der rechtlichen und sittlichen Grundlagen von Staat und Ge sellschaft, Verherrlichung oder Androhung von verbrecherischen Handlungen, planmäßige Vorbereitung oder Förderung deö ge waltsamen Umsturzes der bestehenden Staatsordnung nachdrück licher als bisher zu treffen. Daß eine in den bezeichneten Richtungen unzulängliche Strafgesetzgebung die sittliche Verwil derung und die Erschütterung des Rechtsbewußtseins in der Tagesgeschichte. Berlin, 9. Dezember. Der Kaiser empfing heute Mittag 12 Uhr im Neuen Palais das Präsidium des Deutschen Reichs tages und begrüßte jeden einzelnen der drei Herren in äußerst huldvoller Weise. Der Kaiser gab zunächst seiner Befriedigung über die Wiederwahl des Präsidiums Ausdruck unv kam während der etwa '/§ Stunde dauernden Audienz auch auf die Vorfälle nommenen umfassenden Haussuchungen haben die Annahme nahe! vektiven nicht persönlich nehme, sondern sie als eine Kund gelegt, daß anarchistische Verbrechen in der Vorbereitung be-! gebung gegen unsere Verfassung betrachte, da ja auch da griffen waren. Angesichts dieser Sachlage kann die Gesetz- Kaiserthum eine verfassungsmäßige Einrichtung sei. Auf die Bevölkerung leicht fördern, eben damit aber einer Ausbreitung des staatsfeindlichen Treibens Vorschub leisten kann, ist eine Erkenntniß, die sich gerade in der letzten Zeit immer mehr Geltung verschafft hat. Die hiernach erforderlichen Aenderungen der Strafgesetze brauchen den Boden des allgemeinen Recht» nicht zu verlassen. Verfolgen sie auch zum Theil den ausge sprochenen Zweck, die Förderung von Umsturzbestrebungen oder die Verleitung zu solchen unmittelbar zu treffen, so lassen sich doch solche Bestrebungen ebenso wie hochverräterische oder landesverrätherifche oder gemeingefährliche Unternehmungen, un abhängig von jeder politischen oder wirthschaftlichen Parteirich tung denken. Die dagegen gerichteten Strafbestimmungen sollen daher für Jedermann gelten, und es kommt nur darauf an, daß ihnen, um auch nicht den Schein eines willkürlichen Er messens bei ihrer Anwendung entstehen zu lassen, eine möglichst bestimmte Begrenzung gegeben werde. Zu diesem Zweckt hat der Entwurf im Thatbestande behufs näherer Kennzeichnung jener Bestrebungen durchweg den Begriff „des gewaltsamen Umsturzes der bestehenden Staatsordnung" verwandt. Im Sinne des Entwurfs gehören zur Staatsordnung nicht nur die eigentlichen Verfassungseinrichtungen, sondern auch die gesell schaftlichen Grundlagen des staatlichen Verbandes, soweit sie im geltenden Rechte Anerkennung und Schutz finden, vor Allem die Familie und das Eigenthum, ohne welche der Bestand eines geordneten Staatswesens für unsere Anschauungen ausgeschloffen ist. Auf der andern Seite soll aber die Strafbarkeit des Handelnden stets von der Voraussetzung abhängig sein, daß seine Absicht auf den gewaltsamen — also den mit verbreche rischen oder sonstigen gewaltthätigen Mitteln herbeizuführenden — Umsturz gerichtet ist. Hiernach und da die Anwendung dieser wie der übrigen Strafvorfchriften des Entwurfs aus schließlich in der Hand der ordentlichen Gerichte liegt, werden die vorgeschlagcnen Bestimmungen für die wissenschaftliche Thä- tigkeit ebensowenig ein Hemmniß bilden wie für solche poli tische Bestrebungen, die lediglich eine Weiterentwicklung der von ihnen vertretenen Ideen auf dem Boden der staatlichen Ordnnng sich zum Ziele setzen. Die allgemeine bürgerliche Freiheit und deren berechtigte Ausübung bleiben daher unbe rührt. Auf den dargelegten Erwägungen beruhen die Bestim mungen des Artikels 1 des Entwurfs. Sie bestehen in einer Aenderung der 88 m, 112, 126, 130, 131 des Strafge setzbuchs und in der Einschaltung zweier neuer Paragraphen (1I1a und 129u). Indem der Entwurf sich auf diese wenigen Bestimmungen beschränkt, darf um so eher der^Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß die Nothwendigkeit derselben bei der überwiegenden Mehrheit des Volkes Anerkennung finden wird. Im Zusammenhang mit den Aenderungen des Straf gesetzbuchs schlägt der Entwurf unter Artikel 3 für die Be stimmung des Gesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874 be treffend die vorläufige polizeiliche Beschlagnahme eine Erweite rung und Verschärfung vor, ohne welche ein wirksames Ein greifen der Staatsgewalt auf dem hier in Rede stehenden Ge biete nicht zu erhoffen ist. Endlich ist in dem Artikel 2 eine das Militär-Strafgesetzbnch ergänzende Bestimmung ausgenommen, welche es ermöglichen soll, im Wege eines militärgerichtlichen Verfahrens Offiziere oder Unteroffiziere des Bcurlaubtenstandcs, die nach dem Urtheil der bürgerlichen Gerichte sich einerschweren Auflehnung gegen die Staatsgewalt schuldig gemacht haben, au» ihrer autorativen, mit einem solchen Verhalten nicht verträg lichen Stellung zu entiernen. ! tur geradezu vergiftet wird. MancherleiZVorgänge aus neuester iZeit im Auslande wie auch im Jnlande drängen zu derUeber- zeugung, daß gesetzgeberische Abwehrmaßregcln nach der soeben bezeichneten^ Richtung hin nicht länger aufgeschoben werden dürfen. Auch dem ruhigsten Beobachter kann nicht entgehen, daß die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung mit wach senden Schwierigkeiten und Gefahren zu kämpfen hat. Die Erleichterung und Ausdehnung aller Verkehrsbeziehungen trägt dazu bei, krankhafte und verbrecherische Bestrebungen', die zu nächst in den eigenartigen Verhältnissen anderer Staaten sich entwickelt haben, auch in unser Vaterland zu verpflanzen und ihnen bis in die entlegensten Theile des Landes Verbreitung zu schaffen. Vervollkommnungen der Technik und der Ver kehrsmittel haben das Emporwuchern einer Tagesliteratur be günstigt, welche in den Dienst jener Bestrebungen sich stellt und bis in die kleinsten Orte und bis in die unreife Jugend hinein ihre Ideen verbreitet. Das noch immer steigende Wachs thum der großen Städte erleichtert es, große Volksmassen rasch mit gefährlichen Anschauungen zu erfüllen und zu einer Staat und Gesellschaft bedrohenden Haltung zu verleiten. DieUeber- wachung und Unterdrückung staatsfeindlicher Kundgebungen und sonstiger Angriffe gegen die bestehende Ordnung wird unter solchen Verhältnissen mehr und mehr erschwert und die Wir kung der Angriffe gestaltet sich zugleich bedrohlicher. Es ist nicht zu erwarten, daß diese Verhältnisse in Bälde eine Aende rung erfahren und daß die daraus entspringenden Bewegungen an Energie und Erfolg einbüßen werden. Im Gegentyeil liegt die Besorgniß nahe, daß demnächst auch die bis jetzt noch unberübrt gebliebenen Volksschichten unter dem vergiftenden Einflüsse staatsfeindlicher Bestrebungen zu leiden haben werden. Vertreter und Verführte der zügellosesten Abart staatsfeindlicher Theorien des Anarchismus sind bemüht, durch Thaten wahn witzigen Hasses gegen Ordnung und Gesittung weite Volks kreise in Erregung zu setzen und mit Zweifeln an der Berech tigung der jetzigen Staats- und Gesellschaftsordnung zu er füllen. Wenngleich der Anarchismus das Feld seiner verbreche rischen Thätigkcit bisher hauptsächlich im Auslande gesucht hat, so ist doch die Besorgniß nicht abzuweisen, daß er im Jnlande an Boden gewinnt. Schon haben sich in größeren deutschen Städten Verbindungen anarchistischer Richtung gebildet und weitere derartige Verbindungen sind in der Bildung begriffen. In letzter Zeit hat sich auch der Zuzug einer nicht unbeträcht lichen Zahl von Personen bemerkbar gemacht, welche wegen ihrer anarchistischen Wirksamkeit aus benachbarten Staalen,