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Pampas hat sie von dem Zwange der Zivilisation, wie sie in der argentinischen Republik eben existiert, völlig entwöhnt. Daß sie jedoch nicht gerade wild zu nennen sind, sieht man an der Thatsache, daß fast in jeder Hütte irgend ein kleines Bild oder Gemälde zu finden ist, welches durch die Hand von Priestern aus Mendoza oder Kordova an sie gelangte. Auch tragen sie ihre kleinen Kinder meilenweit durch die Pampas, um sie taufen zu laßen, und ihre Toten, die sie vor sich aufs Pferd nehmen, noch weiter, damit sie in geweihter Erde begraben werden. Sir Francis Head, der berühmte Reiter und Reisende, der in den dreißiger Jahren von sich reden machte, ver brachte eine lange Zeit unter den Bewohnern der Pampas. Er ritt, jagte, aß, trank und schlief mit ihnen und sammelte seine Eindrücke in einem hübschen in London erschienenen Buche mit dem Titel: Heads Erzählungen. Der Schreiber des Buches erkennt dem Gaucho echte Gastfreundschaft zu. Im Sommer, wenn es in den Hütten von Fliegen und Binchucas (Wanzen von der Größe der schwarzen Schwabenkäfer und schrecklichen Bettgenossen) wimmelt, schläft die ganze Familie im Grase vor der Wohnung. Wenn nun ein Reisender bei Nacht ankommt, so legt er seinen Sattel oder Mantelsack dicht neben den Schläfer, den er sich zum Nachbarn wählt. Im Winttr, wenn die über die Pampas fegenden Stürme den Reisenden nötigen, seinen Poncho fest um sich zu wickeln, steht ihm die erste, beste Hütte, die er auf seinem Wege antrifft, als Schlaskammer ohne weiteres zur Verfügung. An einem eisernen Spieße bereitet man ihm sein Abendbrot und fordert ihn auf, während er es genießt, auf einem Pferdeschädel Platz zu nehmen. Die Familie sitzt auf ähnlichen Stühlen rund herum und schneidet mit langen Messern große Bissen von dem gebratenen Fleisch ab. Eine mit Büffelfett gespeiste Lampe erleuchtet die Hütte und macht Zäume, Sporen und Lassos sichtbar, die an beinernen, an der Wand ange brachten Pflöcken hängen. Wohlgenährte, gutmütig aus sehende, schwarzäugige und halbnackte Kmder liegen herum und stoßen einander spielend und scherzend beim Essen an, das der Familie gehörige Federvieh aber blinzelt schläfrig von den in einer Ecke angebrachten Stangen nach dem Fremden hin. Der Gaucho weist keinen Wanderer von seiner dürftigen Hütte fort; seine Hand ist immer so offen, wie sein Herz, und eben so liebenswüidig ist seine Anspruchslosigkeit. Er kann an einem Tage dreißig französische Meilen ohne ein Zeichen von Uebermüdung, ohne Klage reiten und von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang sich unausgesetzt, ohne einen Bissen zu essen, mit dem Brennen von Vieh beschäftigen. Kommt dann die Nacht, so reitet er nach irgend einer einsamen Pulperia oder einer Trinkstube und macht sich mit Gefährten lustig. Hier trifft er auch oft Fremde, und bei solcher Erholung entfaltet der Gaucho allerdings nicht selten wenig gemütliche, selbst gefährliche Eigenschaften. Musik und Tanz stehen immer auf dem Programm; wenn nun das Vergnügen so recht im Gange ist, bringt ein heißes Wort oder ein eifersüchtiger Blick nur zu leicht zwei Gauchos dahin, einander feindlich gegen überzutreten, und das immer bereite Messer funkelt im Lampenlicht. Bei den Gauchos bedeutet ein scharfes Wort sehr oft so viel wie eine scharfe Klinge. Aber nicht immer wird der Streit mit Mestern aus gefochten. Manchmal werden bei diesen ausgelassenen Fandangos zwei braune Rivalen aufgefordert, ihr improvi satorisches Talent bei Guitarrenbegleilung gegen einander zu meßen. Die Anwesenden stellen sich im Kreise an den Wänden auf, und der Weltkampf beginnt. Vers auf Vers lasten die Kämpfer abwechselnd auf einander folgen, und die Zuhörer applaudieren lebhaft jeden Witz. Beide Männer, die da in der Milte des Raumes stehen, sind ohne Zweifel berauscht, zuletzt höhnt einer den andern durch sarkastischen Gesang, fordert ihn auf, doch lieber in seine Hütte zurückzugehen und dem zahmen Geier, den er da hält, etwas vorzusingen. Der verspottete Improvisator wird ärgerlich und giebt die Hiebe mit doppeltem Eifer zurück. Ein Wort folgt aufs andere, Spott auf Spott unter dem Gelächter und Sticheleien der Menge. Endlich wirft einer der Poeten feine Guitarre nieder und Apollo verwandelt sich in einen Kriegsgott, die Herausforderung wird schnell angenommen, man zieht die Messer, und das Ende ist nur zu oft, daß irgend ein Gaucho beim Licht der Sterne ein Pferd durch die Pampas leitet, dessen Bürde ein toter Mann in gestickten, blutigen Kleidern ist. Leider wiederholen sich diese Szenen mit ihrem traurigen Ende sehr, sehr häufig; aber trotz der Nächte in den Pulcherias ist und bleibt der Gaucho der König der Reiter, der Fürst der Lassowerfer. Wie der beste Freund des Arabers sein Pferd, so ist das Roß der Pampas der teuerste Gefährte der Gaucho. Er schont und pflegt es, als wäre es ein Teil feiner selbst. Wenn er es besteigen will, stellt er ein Ende seiner Lanze neben dem Pferde auf den Boden, stützt sich mit der andern Hand leicht auf dasselbe und schwingt sich so auf seinen Rücken. Auch wenn das Tier im vollen Galopp ist, verfährt er ähnlich; er hascht nach der Mähne und gelangt mit der Leichtigkeit eines Akrobaten aus das Roß. Gegenwärtig zählen die Gauchos nach vielen Tausenden. Sie haben feste Ansiedelungen in den Pampas und scheinen allmählich ihre Wildheit -u verlieren. Dann und wann fallen die Indianer gleich einem Schwarm roter Raubvögel in die Hüttengruppen ein; dieselben werden dann in Brand gesteckt und Frauen und Kinder erbarmungslos niedergemetzelt. Kehren dann die Männer zurück, so veranstalten sie einen Rachezug. Die Kriegsglocke wird überall geläutet, und wehe dem Indianer, der in die Hände der Rächer fällt. Der Gaucho kann, wenn er durch erlittenes Unrecht gereizt wurde, den Wilden noch an Grau samkeit übertreffen, und seine Lanze ist bei der Heimkehr oft mit den langen schwarzen Haarsträhnen der Pehuenchen- Weiber geschmückt. Kein Volk der Welt besitzt ein ähnliches Land. Grenzenlos wie der Ozean, scheint es sich von Horizont zu Horizont zu erstrecken, ist aber unendlich viel schöner. Unzählige Palmengruppen jeder Art schmücken es, meilen weit breiten sich Kleefelder und blühender Kaktus, Disteln von stattlicher Schönheit und reiche Blumenteppiche aus, wie sie nirgends anders sich finden. Und über dieses blühende Paradies spannt sich ein heiterer Himmel, und eine reine Atmosphäre umweht es, die keine Malaria ausbrütet. Unmöglich. „Johann, ich will heute Niemanden sprechen." — „Aber das halten die Gnädige ja gar nicht aus!" Hine Neuigkeit. Wirt (liest in der Zeitung die Feuilleton- aufschrist: „Wie Sokrates starb", und verkündet sofort beim Stamm tisch): „Meine Herren! Der Sokrates ist gestorben, wenn ihn jemand gekannt hat." Scherzfrage. Was ist das? -as^vgx asmvjbuvi mZ :;iom;uN Nachdruck aus dem Inhalte dieses Blattes verboten. Gesetz vom 11. Avril 1870. Redaktion, Druck und Verlag von B. Angerstein, Wernigerode.