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scheinen ein warmes Herz zu besitzen, hier, nehmen Sie, machen Sie den Qualen dieses armen Geschöpfes ein Ende. Draußen werden Sie jemand finden, der Ihnen an die Hand geht." Mit feuchten Augen streichelte er das weiße Köpfchen, dann legte er die Taube in Pauls Hand. Als dieser nach kurzer Weile wieder zurückkehrte, fand er Vater und Tochter im einfachen Zimmer am Tische sitzend. Er legte eine weiße Schwungfeder als letzten Gruß des to!en Lieblings vor den Alten nieder, aber kein Dankeswort entschlüpfte des Mannes Lippen, es war als hätte er die finnige Aufmerksamkeit des Fremden gar ncht bemerkt. Er blieb teilnahmslos und in sich versunken, während der ganzen Zeit, da Paul Merita noch im Turme weilte. Nie war ihm Rose schöner, begehrenswerter erschienen als jetzt, da sie ihr thränenfeuchtes Gesichtchen au die welke Wange des alternden Vaters schmiegte und so diesem ihr Mitgefühl, ihren Schmerz zeigte und kundgab. Franz merkte es nicht, das Unglück der armen Taube hatte wieder alle die Wunden aufgerissen, die seit lange verharscht waren, aber doch wie Wunden zu thun pflegen, dann und wann heftig schmerzten. Dann war er unfähig, die Geister zu bannen, er sah wieder wie vor langen Jahren, dm Räuber ihm sein Weib entführen, er wehrte sich gegen denselben auch heute wieder und ward nur durch des Weibes eignen Wunsch von der Nichtigkeit der Ansprüche des Räubers überführt. ... Er stöhnte. Sein Weib! Die Mutter seines einzigen Kindes erklärte ihm rund her aus, das schlechte Leben auf dem Turme sei ihr zu Leide, sie wolle Besseres haben, der Diann, dem sie folge, der wolle ihr die Hände unter die Füße breiten, seinen Reich tum mit ihr teilen .... Da war er zusammengesnnken in ohnmächtigem Schmerze, aber ihr, der Frevelhaften, zeigte er die ganze Größe seines Wehes nicht, sie durfte und sollte nichts ahnen, ihn nicht verspotten. Und so ließ er sie ziehen, sah ihr nach, bis ihr flatterndes Hutband nicht mehr sicht bar war auf der Straße, die in kerzengerader Linie zur Stadt führte, und dann lachte er grell und bitter auf. . . . Seit jener Zeit war der Taub-nsranz das, was die Welt heute von ihm kannte: ein wortfcheuer, vergrämter und verbitterter Mann, der nicht glaubte an Liebe und Glück, nicht an Wahrheit und reine Gesinnungen. Dies alles hatte das ehrvergessene Weib mit sich fortgenommen. . . . Er wollte sie vergessen, sie verdammen, aber die Jahre gingen, er vergaß sie nicht, noch weniger gelang es ihm, sie zu verdammen — die Liebe siegte über alles, auch über den Schmerz, den sie ihm angelhan, und so vermochte er es, auch in dem Herzen seines Kindes die Liebe zur Mutter zu erhalten, obgleich er es in der eisten Zeit nicht hatte hindern können, daß sie mehr von der Sache er fahren, als ihrem zarten Alter angemessen war. Das nagte an seinem Herzen, auch das Gewissen hatte sich ost geregt, ob es im Sinne des Herrn gewesen ist, daß er die Verblendete hatte ziehen lassen, ohne Widerstand, ohne Vorwurf — wer weiß, sie darbte am Ende, sie hungerte und fror, während er ein bescheidenes, aber doch ruhiges Leben führte. ... In richtigem Takt des Alten Versunkenheit übersehend, begann Paul Merita von seinem Vaterlande zu reden. Er ließ vor Roses Augen den ganzen Zauber Venedigs und Neapels erstehen, er schilderte den ewig lachenden blauen Himmel, die heißblütigen Lands leute mit ihrer Genügsamkeit, ihrer Anspruchlosigkeit und ihrem biedern Sinn, der aber, wenn einmal die Nache- geister in ihrer Brust geweckt waren, zum Verderben werden konnte. Allgemach war es nicht Rose allein, die seinen Worten in andächtiger Scheu lauschte. Auch der Tauben- franz zeigte mehr und mehr Interesse, je weniger man auf ihn aufmerksam ward. Die anfängliche Scheu, das Mißtrauen, das er instinktmäßig gegen Paul gehegt, wichen von ihm, er überließ sich dem Behagen, daß man ihn achtete und ehrte und seinen Stimmungen Rechnung trug. Als Paul Merita endlich aufbrach, staud die Sonne schon um Mittag. Die schüchterne Aufforderung des Taubenfranz, ob er nicht an ihrem einfachen Male teil nehmen wollte, lehnte er mit den Worten ab: „Wenn man wiederkommen will, muß man das erste Mal nicht zu lange bleiben. Und, nicht wahr, Vater Franz, Rose, ich darf wiederkommen? Morgen, übermorgen, alle Tage?" „Wüßte ich nur, was Sie herzieht zu uns armen einsamen Menschen?" murmelte der Alte, ihn mißtrauisch betrachtend, um dann die finstern Augen auf sein Töchterchen zu heften. Es mochte ihm der Gedanke wohl durch den Sinn fahren, die Annäherung Pauls habe einen ganz bestimmten Grund. (Fortsetzung folgt.) humoristisches. Aßgetrumpft. Frau: Wenn Du abends aus der Kneipe nacy Hause kommst, ist es in d:r Regel schon Morgen. — Mann: Ja, und wenn Du des morgens aufstehst, ist es immer schon Mittag. Schlagfertig. Lehrer: Weshalb wurden »dam und Eva aus dem Paradiese verwiesen? — Hausbesitzerssohn: Weil sie die Miete schuldig blieben! Sie Velden Adcale. „Wie? Sie sind! noch immer unver heiratet? Ich glaubte, Sie hätten inzwischen Ihr weibliches Ideal gefunden?" „„Hab ich auch; leider verschmähte mich mein weibliches Ideal."" „Und aus welchem Grunde?" „„Weil sie ihr männliches Ideal sucht! " Zerstreut. Dienstmädchen (hereinstllrzend): Um Gotteswillen, Herr Professor, cs ist ein Einbrecher da! — Professor: Er soll wieder - kommcn, ich habe jetzt keine Zeit. Jas größere Werörechen. Verteidiger: Unter Hinweis auf die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten und in Anbetracht des Umstandes, daß er sich freiwillig gestellt hat, bitte ich für meinen Klienten um mildernde Umstünde. — Präsident (zu dem Bestohlenen): Herr Zeuge, sind Sie sehr geschädigt worden? — Der Zeuge: Hoher Gerichtshof! Daß er mir mit den Aktien durchgegangen is, verzeih' ich ihm, aber daß er sie wiedergebracht hat, dafür soll er bestraft werden. praktischer Sommeraufenißakt. Wie die Zeitungen mitteilen, besteht die Absicht, die Insel St. Helena in einen klimatischen Kurort umzuwandeln. — Der besondere Vorzug dieses Aufenthalts dürfte seme hervorragende Billigkeit sein. Es wird erzählt, daß dort einmal ein englischer Gouverneur gewohnt hat, der die ganze Saison mit einem Napoleon ausgekommen ist. Hroö. A.: Was möchten Sie lieber sein, ein Lump oder ein Narr? B.: Ja, das weih ich wirklich nicht, wofür würden Sic sich denn entscheiden, Sie haben doch Erfahrung! Umschreikung. A.: . . Nun, wie war denn das diesjährige Manöver? — Major: O, drei Generale blieben als Zivilisten aus dem Platz! Der erste Patient. A.: Wer ist denn der Herr dort, der so selbstbewußt einhergeht? — B.: Das ist der junge Tierarzt, der sich vor zwei Monate» hier niedergelassen hat. Gestern ist er zu einem kranken Kanarienvogel gerufen worden, und nun leidet er schon an Größenwahn! Hutmütig- Auf der Eisenbahn fällt aus dem Gepäcknetz auf den Kops eines Passagiers fortwährend ein Koffer, den der Eigen tümer mit vielen Entschuldigungen immer wieder zurückexpediert. Endlich sagt der Geduldige bei einer erneuten Entschuldigung: „Heren Se, nu' brauchen Se sich »ich mehr zu entschuldigen — nu' bin ich's geweehnt!" Skat-Anfgabe. Der Mittelhand bleibt Tourns; sie hat dazu salzende Karten: Wollte sie tournieren, so würde sie das Spiel verlieren, obgleich zwei Blätter von einer Farbe im Skat liegen; ebenso würde ein Grand aus der Hand verloren, endlich auch Eichel-Solo, letzterer sogar mit Schneider. Wie müssen die übrigen Karten verteilt sein? Nachdruck aus dem Inhalt dieses Blattes verboten. Gesetz vom 1l. Avril 1870. Redaktion, Druck und Verlag von B. Angerstein, Wernigerode.