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solche, welche uns mit den Erzeugnissen und dem Handel der Kolonien der betr. Staaten bekannt machen, veranstaltet worden sind. Eine solche Ausstellung, die des Interessanten und Belehrenden jedenfalls außerordentlich viel geboten haben würde, hätte man vor allem von dem die meisten Kolonien besitzenden Staate, von England nämlich, erwarten dürfen, aber leider haben die Herren Engländer diesmal auf etwas Derartiges fast ganz verzichtet. Eine offizielle Beteiligung an der Ausstellung hat von keiner englischen Kolonie stattgefunden, und das gewaltige indische Kaiser reich ist nur durch einige wenige Kaufleute vertreten, die allerdings wunderbar schöne Sachen, wie indische Shawle, Fächer, ciselierte Vasen und Hausgerätschaften, mit Perl mutter und Elfenbein eingelegte Tische udgl. ausgestellt haben. Wer für diese prächtigen Erzeugnisse des indischen Kunstgewerbes sich interessiert, der wird dieselben in der englischen Abteilung dicht an der Grenze der deutschen finden. Eine sehr hübsche Ausstellung von Produkten der niederländischen Kolonien haben dagegen die Holländer veranstaltet, worüber wir bereits bei früherer Gelegenheit ausführlicher gesprochen haben, und eine ganz vortreffliche koloniale Ausstellung haben des weiteren auch die Franzosen arrangiert. In dieser gegen die übrige französische Ab teilung durch eine geschmackvoll dekorierte Bretterwand abgesperrten Separat-Ausstellung sieht man so ziemlich Alles, was die verschiedenen französischen Kolonien nur irgendwo produzieren. Ausgezeichnet schöne Hölzer, poliert und in rohem Zustande, eine Menge von verschiedenen Mineralien, Gummi, Copal, Kaffee, Rum, Weine, Elfen bein, roh und zu allerlei Gegenständen verarbeitet, Baum wolle und noch manches Andere dieser Art trifft man dort in einer Reichhaltigkeit, wie sie selbst in dem Kongo- Museum nicht größer ist. Daneben enthält diese Samm lung aber auch noch viele sonstige Dinge, die jedem wiß begierigen Ausstellungsbesucher Interesse einflößen müssen, wie z. B. Waffen und Fischgerätschaften der Eingeborenen in den verschiedenen französischen Kolonien, photographische Ansichten von Landschaften^» den letzteren, höchst merk würdige Götzenbilder, Modelle von Schiffen der Einge borenen, Bücher über die Kolonien, das Modell einer Farm in Tonkin, Hausgerätschasten von Cochinchina aus Thon und aus ciseliertem Metall, baumwollene Gewebe u. s. w. Einigermaßen seltsam ist es nur, daß sich in dieser Ab teilung — ebenso wie übrigens in der niederländisch-in dischen — ganz im Gegensätze zu dem Kongo-Museum nicht das Geringste vorfindet, was in irgendwelcher Be ziehung zu dem Exporte nach den französischen Kolonien stände. Ob dieser Umstand einer vorsichtigen Ueberlegung der Herren Franzosen zu verdanken ist, wagen wir nicht zu entscheiden, sicher ist es jedenfalls, daß diesmal die französische Republik ebenso wenig wie irgend ein anderer Staat durch eine einheitliche Zusammenstellung von Im portartikeln dem Ausstellungsbesucher Gelegenheit geboten hat, sich mit diesen Importartikeln näher bekannt zu machen. Wer derartige Artikel kennen lernen will, der muß sich schon die Mühe geben, in den verschiedenen Ab teilungen sich jede einzelne Nummer, mag sie auch noch so einfach aussehen, genau zu betrachten. Aufschlüsse auch über den Export der ausgestellten Gegenstände erteilen vielfach die den Einzelnummern beiliegenden Broschüren rc., und wo diese fehlen, da wird man mitunter auf andere Weise auf jenen Export aufmerksam gemacht. So fiel nur z. B. vor einem Glasschranke in der deutschen Abteilung ein Plakat aus, welches sehr warme Anerkennungsschreiben von einem Offizier der Kaiserlichen Schutztruppe in Ost afrika sowie von dem Berliner Frauenverein für Kranken pflege in den Kolonien im Abdrucke wiedergiebt. In diesem, von der Patent-Flachs-Wirkerei Köln, Schönherr L Co. in Köln ausgestellten Schranke befinden sich nämlich neben verschiedenen sonstigen rein leinenen Geweben von auffallend schöner Färbung sogen. Patent-Zellenhemde und Patent-Maschenhemde, welche sich die obigen Anerkennungen erworben haben und die das größte Interesse eines Jeden erregen müssen, der, wie der Schreiber dieses, in tropischen und subtropischen Ländern gelebt und dort die mit der sonst üblichen Leibwäsche verbundenen Unannehmlichkeiten kennen gelernt hat. Jenes Patent-Zellenhemd besteht aus einem großmaschigen, hochliegenden Netze ohne Knoten, welches aus reiner Leinwand nach einem besonderen System angefertigt ist und auf der bloßen Haut getragen wird. Zieht man nun über diesem das Patent-Maschenhemd an, welches auf eine ganz neue patentierte Art mit unauflös licher Bindung hergestellt wird und ein poröses, der Häkel arbeit gleichendes Gewebe darstellt, so entsteht zwischen der Haut und dem oberen Hemde eine ruhige Luftschicht, welche die Wärme vier Mal schlechter leitet als ein dichter Woll stoff. Er ist klar, daß auf diese Weise der Körper in kühler Jahreszeit warm gehalten, in heißer dagegen von einer angenehmen Kühle unigeben werden muß, was alles freilich hauptsächlich auch wieder durch die höchst eigen artige Anfertigung des Gewebes, auf die wir hier nicht näher eingehen können, erreicht wird. Diese Schönherrffche Bekleidungsmethode wird Jedem, der die von jener Firma neben dem Glasschranke aufgelegte Broschüre liest, unbe dingt als eine ganz vortreffliche erscheinen müssen, und thatsächlich ist denn auch jenen Fabrikaten, wie uns mit geteilt wurde, bereits eine sehr hohe Auszeichnung von der Jury zuerkannt worden. Derartige Exportartikel ent deckt man überall zerstreut in den einzelnen Abteilungen, und wer dieselben sucht, der findet sie auch sicher heraus — insofern er die nötige Geduld zu einem solchen Auf suchen besitzt. Denn so ganz leicht und mühelos ist das selbe gerade nicht, und einige Wochen wären zur gewissen haften Erledigung einer derartigen Arbeit immerhin er forderlich. Für den Berichterstatter, den sein hartes Los dazu zwingt, unzählige Male die Ausstellung zu durch wandern und der hierbei schließlich auch auf das Unbe deutendste sein Augenmerk richtet, erledigt sich freilich eine solche Arbeit ganz von selbst, für jeden anderen ist sie dagegen mit einem Aufwande von Mühe und Zeit ver knüpft, der die Ausdauer auch des Unverzagtesten auf eine schwer zu bestehende Probe stellt. Kindlich. „Nun, Rudi, ist dies nicht ein reizend schönes Plätzchen?" — „Ja, aber Zuckerplätzchen wären mir doch lieber!" Nachdruck aus dem Inhalte dieses Blattes verboten. Gesetz vom 11. April 1870. Redaktion, Druck und Verlag von B. Angerstein, Wernigerode.