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2. Anlage zu Ao. 42 des Wochenblattes für Wilsdruff etc. Erfahrungen eines Scheintodten. Vor einiger Zeit hatte Georg Wellington, ein Bauer in Jndiania, in seinem Hause eine größere Gesellschaft. Er war 42 Jahre alt, stark und gesund und befand sich im Kreise seiner Freunde in ausgezeichneter Stimmung. Als die Gäste das Haus verlassen hatten, sagte er zu seiner Frau, er befinde sich in einer Verfassung, daß er lieber singen und tanzen möchte, als ins Bett zu gehen. Das Ehepaar zog sich um 12 Uhr zur Ruhe zurück und war gleich darauf eingeschlafen. Der Bauer Pflegte jeden Morgen um 5 Uhr aufzustehen. Diesmal erwachte seine Frau später als sonst und fand, daß ihr lieber Mann noch schlief. Sie versuchte ihn zu wecken und nahm zu ihrem Schrecken wahr, daß er kalt und todt dalag. Schnell wurde ein Doktor geholt; derselbe erklärte ihn für rettungslos todt, der Mann müsse schon vor drei Stunden gestorben sein. Der Leichenbestatter kam und bereitete die Leiche zur Beerdigung vor. Es fiel auf, daß die Glieder nicht erstarrt waren und daß das Gesicht einen lebensähnlichen An strich zeigte. Man rief noch zwei andere Doktoren hinzu, welche jedoch feierlichst jede Idee, als ob hier ein Fall von Schein tod vorläge, für lächerlich erklärten. Trotz alledem gaben seine Angehörigen die Hoffnung noch nicht auf und behielten den Todten noch zwei Tage länger im Hause. Der Sarg mit dem Todten wurde auf einen Wagen gebracht und die Fuhrwerke der leidtragenden Nachbarsi bildeten die übliche Reihe, als ein Gespann scheu gewordener Pferde mit einem leeren Wagen da hergerannt kam. Man suchte die Pferde aufzuhalten, sie wurden aber dadurch noch wilder und warfen den Wagen um, auf welchem der Sarg stand. Derselbe flog zum Wagen hinaus und die scheu gewordenen Pferde liefen weiter. Es galt, den Sarg wieder aufzuheben und fünf Männer eilten herbei, als zu ihrem Schrecken aus dem Sarge folgende Worte erklangen: „Um Gottes willen, laßt mich hinaus!" In der ersten Angst wollten sie davon laufen, besannen sich jedoch eines Besseren und öffneten den Sarg. Als sie Wellington herausnehmen wollten, stand er ganz von selber auf und ging ins Haus, wo er schon in einer Stunde in seinen gewöhnlichen Kleidern auf einem Stuhle saß und seine Erfahrungen „aus der anderen Welt" den staunenden Zuhörern erzählte. „Ich schlief," so sagte er, „erst nach Mitternacht ein. Als ich aufwachte, schlug die Uhr fünf. Ich wollte aufstehen, fand zu meiner Bewunderung, daß ich mich nicht rühren konnte. Es war mir unmöglich, ein Bein oder einen Arm zu bewegen, auch konnte ich die Augen nicht öffnen. Dafür war mein Hörvermögen peinlich scharf. Erst dachte ich, ich sei noch nicht völlig wach, als mich jedoch meine Frau zu wecken versuchte, überzeugte ich mich, daß ich im Scheintod lag. Meine Ge danken waren nie klarer. Ich machte übermenschliche An strengungen, um mich aus dem unheimlichem Banne zu be freien, hatte jedoch keinen Erfolg. Es lastete wie ein Alp auf mir und ich konnte nicht eine Fußzehe regen. Ich hatte trotzdem keine Angst, solange mich der Doktor noch nicht für todt erklärt hatte. Bis dahin hatte ich noch immer geglaubt, daß es mir möglich sein werde, die Herrschaft über meine Glieder wieder zu erlangen. Hätte man eine Pistole im Zimmer abgefeuert, dann wäre ich sicher meine Last los geworden, doch so fühlte ich voraus, daß man mich bei lebendigem Leibe begraben werde. Aber war ich denn lebendig? Der Gedanke durchzuckte mich wie ein Blitz. War ich denn schon je gestorben, daß ich wissen konnte, welche Empfindungen man dabei hat? Können die Todten hören und denken. War auch das Gehirn einer Leiche noch in Thätigkeit? Ich konnte das Räthsel nicht lösen. Ich hörte alles, was sich an meinem Sarge ereignete, und hörte der Leichenpredigt zu, als ob es sich um einen Mann handle, den ich vor Jahren gekannt. Als die Leute beim Herannahen der durchbrennenden Pferde aus Angst zu schreien begannen, fühlte ich auch Furcht wie jeder lebendige M^sch. Dann folgte der Zusammenstoß und bei dem plötzlichen Ruck öffneten sich augenblicklich meine Augen und ich gewann meine Sprache wieder. Ich war durch den Unfall gerettet". Vermischtes. — Ueber die Ausbreitung der Diphtherie und ihren ansteckenden Charakter macht die „Bad. Korresp." an der Hand einer statistischen Mittheilung folgende aus medizinischen Kreisen stammende allgemein interesstrende Bemerkungen: „Es mehren sich die Beobachtungen und Thatsachen, die bestätigen, daß Diphtherie eine entschieden ansteckende und durch die Luft übertragbare Krankheit und der Ansteckungsstoff ein sehr wider standsfähiger ist. In den leicht zu übersehenden kleineren Ort schaften lassen derartige Beobachtungen sich leichter feststellen, als in den Städten mit ausgedehntem Verkehre. So konnte durch den Bezirksarzt in Bonndorf, in welchem Orte eine ziemlich be schränkte Epidemie ('62 Erkrankungen und 4 Todesfälle) statt fand, berichtet werden, daß diese Epidemie ihren Anfang nahm mit der Erkrankung eines achtjährigen Knaben einer Familie, die sehr unreinlich ist und in der vor vier Monaten ein ein zelner Diphtheriefall vorgekommen war. Bald erkrankten noch drei weitere dem ersterkrankten Knaben gleichalterige und in der Schule benachbart fitzende Schüler, so daß die Schule geschlos sen und gründlich entseucht werden mußte. Ende Februar ver breitete sich dann die Diphtherie von dem ersten Stock, wo die erstbefallene Familie wohnte, in den zweien stock in die Mit glieder einer ebenfalls sehr unrein und indolent lebenden Fa milie. Anfang März erkrankten die Kinder des Gefangen wärters an dieser Krankheit, mit Schluß des Monats wurde auch ein wenige Tage vorher eingebrachter Gefangener befallen. Am 23. Januar wurde ein sehr leicht von Diphtheritis befallenes Dienstmädchen abgesondert in einem Zimmer des Spitals unter gebracht und schon nach wenigen Tagen als genesen entlassen. Das betreffende Zimmer wurde dann auf's Gründlichste ge reinigt und entseucht, auch mit geöffneten Fenstern drei Wochen lang leer gelassen. Wieder dann mit Kranken belegt, erkrankte darin eine schon lange im Spital befindliche Kranke am 20. März an Diphther'e und zehn Tage später erkrankten zwei Dienst mädchen des Spitals. Anfang Februar war ein auf einem ab gelegenen Hofe wohnender Knabe an Diphtherie erkrankt ge wesen, wahrscheinlich von Stühlingen her inficirt, wo seine Fa milie viel verkehrte; erst nach voller Genesung und Reinigung besuchte er Mitte März die Schule wieder und acht Tage da rauf erkrankte dann sein neben ihm sitzender Mitschüler an Diphtherie." Die betreffende Medizinalbehörde zieht hieraus den Schluß, daß die Diphtherie eine Schul- und Woh nungskrankheit ist und daß die fürsorgenden Maßregeln sich neben der Absonderung jedes Krankheitsfalles auch auf um fassende eingreifende Reinigungs- und Desinfektionsmaßregeln erstrecken müssen. * Ein undankbarer Schüler. Seinem früheren Lehrer trug ein 22 Jahre alter Bursche in Berverath im Kreise Erkelenz die Strafe nach, die er während seiner Schulzeit von ihm er halten hatte. Der Lehrer war mit seinem Nachbar nach Ber verath zur Kirmeß gegangen. Dort verfolgte der frühere Schüler den Lehrer auf Schritt und Tritt und belästigte ihn auf allerlei Weise, wovon dieser jedoch keine Notiz nahm. Als sich dann der Lehrer mit seinem Nachbar zur Heimkehr anschickte, verfolgte der freche Bursche die Beiden auf dem Heimwege und überfiel den Lehrer unweit Berverath. Dieser setzte sich zur Wehr, er hielt aber mehrere Stiche in beide Arme. Nun warf sich sein Begleiter zwischen die Kämpfenden und erhielt mehrere so gefähr liche Stiche in Brust und Hals, daß der sofortige Tod eintrat. * Die deutsche Reichshauptstadt Berlin zählt gegenwärtig 170000N Einwohner. * Förster als Wilddiebe. Zwei Förster sind in der Um gegend von Marburg verhaftet worden, welche unter dem schweren Verdachte stehen, fortgesetzt Wilddieberei betrieben zu haben. Die beiden Förster waren in zwei Dörfern in der Gegend von Homberg (Station der Berlin-Koblenzer Bahn) in Amt und Würden und sollen die gewerbsmäßige Wilddieberei schon längere Zeit ausgeführt haben, wie die gegen sie gerichtete Anzeige be hauptet. Das erbeutete Wild verkauften sie zu hohen Preisen nach außerhalb. * Ein ganz absonderliches Duell hat, wie dem „Rev. Beob." berichtet wird, in dem Flecken Galijewka im russischen Gouver nement Wolhynien zwischen zwei Vertretern der dortigen Intel ligenz, einem Lehrer und einem Juristen, stattgefunden. Di,