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chliblatt ßr WM und Amgegend Amtsblatt Dienstag, de» 4. Dezember 1906 6S. Jahrg Wilsdruff, am 28. November 1906. isae Der Stadtrat. Kahlenberger. Ml!! sind d Heil D S so in« ilie. Sr. Majestät Aufträge auszuführen." Voigt übertrug dem dienkältesten Gefreite» das Kommando, und ließ das Seitengewehr aufpflanzen, letzteres lediglich deshalb, weil Soldaten mit aufgepflanzten Seitengewehr mehr Eindruck machen. Die Darstellung des Angeklagten über seinen Zug nach Köpenick und sein Auftreten im dortigen Rathaus stimmt tm großen und ganzen mit den Berichten überein, die seinerzeit ver öffentlicht wurde». Nach seiner festen Absicht sollte die Sache so aus- geführt werden, daß aus der ganzen Affäre den Soldaten nichts BöseS passieren könnte. Auch in seiner Darstellung über die Besetzung des Rathauses und seine Begegnung daselbst mit dem Bürger meister, dem Stadtobersekcetär Rosenkranz und dem Rendanten von Wiltberg, befinden sich kaum Abweichungen von den bisher bekannt gewordenen Daten. Ein Gefreiter hatte den Auftrag erhalten, dafür zu sorgen, daß die im Rathaus befindlichen Leute in den Zimmern blieben. Jeder Verkehr mit einem Außenstehenden sollte verhindert werden. Der Angeklagte begab sich zunächst zum Obersekretär Rosenkranz, li.ß dessen Zimmertüc durch zwei Soldaten bewachen und erklärte ihn für verhafte:. Nach seiner Dar stellung habe er auch dem Bürgermeister Lanqerhans gesagt: Im Namen Sr. Majestät, Sie sind verhaftet. Der Angeklagte meint, der Bürgermeister habe sich in einem Zustande befunden, daß er unfähig gewesen sei, etwas zu tun, was ihm doch eigentlich als Oberhaupt einer Stadt (hier wird der Angeklagte vom Vorsitzenden unterbrochen und ersucht, diese Ausführung za unterlassen). Weiter sagt Voigt aus, der Bürgermeister Langer- Hans sei ganz niedergeschmettet gewesen. Ec sei noch mit allerhand «nträgen an ihn herangetreten und habe seine Frau sprechen wollen. Letzteres habe er, Voigt, ihm ge- startet. Dann bat der Bürgermeister, noch mit seinem Stellvertreter sprechen zu dürfen, habe aber von Voig die Antwort erhalten: „Die Verwaltung der Stadt hab ich über»ommen, ich werde für ihre Vertretung sorgen, tc , bleibe bis 9 Uhr hier/ Die Frau Bürgermeister hatte an 1 demselben Abend noch Hauses ersichtlich ist, liegen 14 Tage lang in hiesiger Ratskanzlei zu jedermann? Ei» sicht aus. Weiter schildert der Angeklagte, wie er sich seinej Uniform verschafft habe. Ec gibt eine genaue Darstellung, wo er die Sachen gekauft und wie er sie anprobiert habe. Er bleibt dabei, daß er zunächst keineswegs von gewinn süchtigen Motiven geleitet worden sei; er habe sich nur einen Paß verschaffen wollen, um ungehindert ins Aus land gehen zu können. Erst allmählich, als die ganze Sache schon arrangiert war, sei ihm der Gedanke ge kommen, daß er villeicht auch ein Stück Geld dabei ver dienen könne, und aus diesem Gedanken heraus habe sich nachher die weitere Entwicklung der Dinge ergeben. Der Angeklagte meint, daß ihm von vornherein die Absicht der Urkundenfälschung und des Raubes gefehlt habe und begründet das in langen Darstellungen. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung erklärt Voigt, er ha e Köpenick lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen gewählt, weil es am leichtesten mit der Bahn zu erreichen war. Nachdem er sich als Hauptmann angekleidet hatte, begab er sich am 16. 'Oktober mmags gegen 1 Uhr nach Plötzensee. Dort kam ein Wachtkommando von 5 Mann anmarschiert. Er habe das Kommando „Halt!" zugerufen und gesagt: „Sie können jetzt noch nicht zur Kaserne urück, Sie müssen mit nach Köpenick gehen" Da ihm aber 5 Mann zu wenig waren, habe er den Ge- freiten gefragt, ob nicht noch ein zweites Kommando in der Nähe wäre. Infolgedessen habe der Gefr-ite einen Soldaten nach dem in der Nähe gelegenen Schießstand geschickt, und von dort sei sofort ein zweites Wachkommanbo von 5 Mann gekommen. Hierauf sagte Voigt zu den Leuten: „Sie müssen mir nach Köpenick folgen, ich habe dort im Auftrage r., Der P äst d ent warnt den Angeklagten mit ein- .'"glichen Worten vor seiner Hartnäckigkeit. Wenn er die Milde de» Gerichtshofes hoffe, so möge er der »ei? ^Eit die Ehre geben und reumütig seine Tat ein- ° "ehen. Gesellschaft nd sprach de« Wunsch auS, sie abbestellen zu könne«. Dies habe er, der Angeklagte ihr gestattet. Aus der Frage es Bürgermeisters LangerhanS, ob vielleicht das Bezirks kommando hinter seine Verhaftung stecke, habe er, Voigt, entnommen, daß der Bürgermeister Reserveoffzier ei und ihm gesagt, er könne ganz ruhig sein, gerade bei ihm ei es angemessen erschienen, ihn nicht durch einen Leutnant andern durch einen Hauptmann verhaften zu lassen. Voigt bestätigt alsdann, daß außer den Soldaten auch die Gendarmen seinen Befehlen gehorchten und auf der Straße die Ordnung aufrecht erhalten haben. In eingehender Darstellung gibt er dann ein Bild von den Vorgängen im Kaffenzimmer, die er genau so schildert, wie ie seinerzeit bekannt geworden sind. Ueber den Empfang des Geldes entsteht eine längere Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Vorsitzenden. Voigt stellt die Sache o dar, daß der Rendant auf seinen Befehl an den Kassen schrank gegangen wäre und diesem zwei Geldbeutel ent nommen habe. Der Rendant habe sodann die Beutel ZI I die Kgl. Amlshauptmannschast Meisten, für das Kgl. Amtsgericht und den SLadtrat zu Wilsdruff, sowie für das Kgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Manneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Grund bet Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, »dach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Mtltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Keffelsdorf, Steinbach bet Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Druck und Verlag von Zschunke 8- Friedrich, Wilsdruff. Für die Redaktion verantwortlich: Hugo Friedrich, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Mlsdrufs. Inserate werden Montag», Mitwochs und Freitag- bi- spätestens 12 Uhr angenommen. JnsertionSPreiS 15 Pfg. pro viergespaltene KorpuSzeile. Fernsprecher Nr. 6. — Telegramm-Adresie: Amtsblatt MlSdruff Erscheint wöchentlich dreimal und zwar DienStagS, Donnerstags und Sonnabends. Bezugspreis vierteljährlich 1 M. 30 Psg., durch die Post be zog« 1 Mk. 54 Psg. 'sch-" ei»- Nak-' lies!'' si»»? er mn »! >ie 2"' 2" r, elbst versiegelt und ihm eingchändigt. Mit den Beuteln -abe er dann in Gemeinschaft mit dem Rendanten das Kassen-Zimmer verlassen, das dieser verschlossen habe. Nach den Angaben Voigts enthielten die Beutel 4000 Mark 70 Pfg. Von dieser Summe habe er annähernd 3000 Mk. bei seiner Verhaftung zurückerstattet. Nach der Tat fuhr Voigt sofort nach Berlin, um sich vor allen Dingen umznkleiden. Er kaufte sich für 187 Mk. Anzug, Paletot und Hut und begab sich nach dem Tempel hofer Feld, wo er sich umzog. Die Verteidigung stellt fest, daß Voigt nicht nur aus Berlin und dessen näherer Umgebung, sondern auch noch aus anderen 30 Orten tm Laufe der Jahre ausgewiesen worden war. Der Vorsitzende schließt nunmehr die Vernehmung de» Angeklagten und tritt in die Beweisaufnahme ein. Die Zeugenaussagen deckten sich tm allgemeinen mit den Angaben Voigts. Bürgermeister Dr. LangerhanS- Köpenick gab nochmals eine zusammenfassende Darstellung des ganzen Vorfalls. Bet der Erörterung der Paßaffäre richtete Rechtsanwalt Dr. Schwindt folgende Fragen an den Zeugen: Sie sagten vorhin, Sie hätten de« Ange klagten zwar für einen Offizier, aber für einen getstes- kranken gehalten. Weshalb haben Sie nicht versucht, ihn durch eine perpcexe Zwischenfrage zur Vernunft zu bringen. Warum sagten Sie nicht: Wenn Sie zu mir kommen wollen um mich zu verhaften, warum setzen Sie dann nicht den Helm auf? Dr. LangerhanS erwiderte darauf: Wenn ich sechs Wochen Zett gehabt hätte mir das alles zu überlegen, dann hätte ich vielleicht so gehandelt. Die Antwort erregte im Publikum große Heiterkeit, sodaß der Vorsitzende veranlaßt war, dringend zur Ruhe zu mahnen. Von den weiteren Zeugen sei nur noch der Änstaltsgelstllche des Zuchthauses in Rawitsch, Hildebrandt, erwähnt. Dieter antwortete auf die Frage, ob nach der Entlastung Voigt» ein Briefwechsel zwischen der Anstaltsleitung und dem Hofschuhmachermeister in Wismar stattgefunden habe: Ja, der Hofschuhmacher hat sich sehr bedankt, daß man ihm einen so ruhigen und geschickten Menschen zugewiesen habe der das größte Vertrauen verdiene. Nach sehr langer Beratung des Gerichtshofes ver kündet der Vorsitzende unter gespannter Aufmerksamkeit der Zuhörer das Urteil, das auf vier Jahre Gefängnis lautet wegen unbefugten Tragens einer Hauptmanns- Uniform, Anmaßung eines öffentlichen Amtes, widercecht- licher Freiheitsberaubung und schwerer Urkundenfälschung. Die militärische Ausrüstungsgegenstände des Angeklagten werden eingezogen. In der Urteilsbegründung heißt es, der Gerichtshof habe die Ueberzeugung gewonnen, daß der Angeklagte den garnL^ÜMäMMjmommen habe, um die Köpenicker ein- »io. 143 Bei uns sind eingegangen: ist WM Missetat mit der er fast die ganze Kulturwell in gu-h'Dirnen versetzte, zu verantworten. Vor jedem Portal >e? ai» Schutzleute postiert, die den strikten Auftrag hatten, hinsirc^vatleute nur dann Paffieren zu lassen, wenn sie eine > der ^tMskarte oder eine gerichtliche Vorladung hätten, cht W, »ge Zeit vor der Eröffnung der Verhandlungen wird Saal von einer gewaltigen Menschenmenge, darunter MP/ ^te Damen, Offiziere, hohe Beamte u. s. w, förmlich »"gert. Die zahlreichen Schutzleute hatten Mühe, den 'V« freizuhalten, damit amtliche Personen in den Saal zeugen können. Es hatten sich Vertreter der Presse nicht k aus Deutschland, sondern auch aus fast allen Haupt- konsirK^ten Europas, sowie aus Amerika eingefunden. Gegen oird a"Wr 15 Minuten wird der Angeklagte hereingeführt, oe»- WälldH» ig Oktober d. I. jene ungeheuerliche Tat beging, cher I'' sjgt ist ein großer, hagerer Mann Mit tiefliegenden Augen st^ hervortretenden Backenknochen. Em ziemlich er- der^ter, dichter Schnurrbart hängt über seine Lippen. Auch - solch-'/d graues Haupthaar ist noch ziemlich in Fülle vor- Melden. Voigt, der einen schlappen Eindruck macht, sieht sehr ungeniert im Sale um, un> fühlt sich augen- Aulich geschmeichelt, der Gegenstand eines so großen ig Hl--'Dresses zu sein. BeE Der Angeklagte, der sich ziemlich unbefangen mit Verteidigern unterhält, macht, als der Gerichtshof eine tiefe Verbeugung. Beim Zeugenaufruf er- ls sogo Der Ler g-'sinmarsch der feldmarschmäßig mit Gewehr Weis-" erschienenen neun Grenadiere »gemeine Heiterkeit. Voigt, der sich sehr gewandt auS- Ud'-Psi?ckt, erklärt, seine militärischen Kenntnisse stammten auS Jugendzeit, wo l, sein Onkel in Tilsit segcEtr Kaserne gegenüberwohnte. Ec selbst habe seine freie in der Kaserne zugebracht und habe damals den ite o»'' "Eriedienst ebensogut verstanden, wie jeder Dragoner. schildert dann weiter eingehend seine früheren Ver- >es Er wäre vielleicht nicht rückfällig geworden, aber ' sei nirgends vor der Polizei sicher gewesen. Ueberall 1U er belästigt »nd gehetzt worden. Während ver neun Monate, die er vor der Köpenicker Affäre in Freiheit gr asen sei, habe er durch seine Führung bewiesen, daß er ordentliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft Arden wollte. In Wismar habe er bei einem tzof- ^"hmachermeister eine Vertrauensstellung eingenommen Ad dieses Vertrauen glänzend gerechtfertigt. Als er das We Mal aus dem Zuchthause entlassen wurde, habe er ^0 Mk. besessen. Mit diesen Ersparnissen habe er ins Island gehen wollen, denn er verstehe sein Fach gründ- I und es sei leicht für ihn, viel Geld zu verdienen Eitelkeit) Sein Vorhaben sei aber an der Weigerung Behörden gescheitert, ihm einen Paß auszustellen. s, Der Angeklagte schildert in stundenlangem Vortrai Me ganze verfehlte Lebensgeschichte. Er lehnt sich dabe auf die Schranke der Anklagebank, macht ausdrucks- Me Gebärden nnd verliert allmählich seine Befangenheit. Maier wieder klingt in seiner Darstellung die Grausam- dec unausgesetzten polizeilichen Ausweisungen hindurch, habe ihn nicht bloß ausgewiesen, sondern ihm auch "c Strafe noch sein verdientes Geld abgenom nen z Der Angeklagte bestreitet, im Zuchthaus Rawitsch ge zu Haven, daß er einen. Beutezug mit Hufe des hMärs vorhabe. Weiter bleibt er dabei, den Zug nach vpenlck unternommen zu haben, um sich einen Paß zu Waffen. Vom Gesetz und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen 15., 16. und 17. Stück vom Javrgange 1906, vom Reichsgesetzblatte Nr. 44 des Jahrgangs 1S«6. , Diese Eingänge, deren Inhalt aus dem Anschläge in der Hausflur des Rap esten ht ia g Der Hauptmann von Aspenick si-n N- vor Gericht. n°m P'I Am Sonnabend hatte sich vor der m. Strafkammer venia i"k Landgerichts Berlin n der Schuhmacher Voigt «egen