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Mit Beiblatt: „Der Glbbote." Verantwortlicher vcdacteur u. VerleAcr. Luvwig Ponath in -chanda». 50. Freitag, den 14-Perl,r. 1855. Das Concordat Oestreichs mit dem Papste bat zu lebhaften tmd geharnischten Aufsätzen in verschiedenen protestantischen Zeitungen Veranlassung gegeben. Man ist ent» rüstet darüber, daß den Jesuiten auf dein Gebiete der wissen- 'chaftlichen Thätigleit wieder ein so weites Feld eröffnet wor- en ist. Wir wollen diese Entrüstung als ein gutes Zeichen der Zeit nehmen und als Beweis betrachten, daß man nicht mit kalter Gleichgiltigkeit das Schlechte geduldet wissen will; raß man nicht abgestorben ist für höhere Ideen, für Vernunft und deren Recht: Aber erinnere man sich auch, baß die prote stantischen Jesuiten für uns eben so gefährlich sind, als die katholischen. Das Heer derjenigen, welche auf listige Verei telung der Herrschaft dcS Zeitgeistes wirken, welche die Un möglichkeit oder Gefährlichkeit der > vollständigen oder förder- famcn Befriedigung jener Forderungen dcS Zeitgeistes vor schützen und immerfort nur Zeit und Zeit verlangen und Be dingungen für deren Verwirklichung setzen, um geschickt die Erfüllung ihrer Verheißungen auf eine hinausgcrückte und nie mals zur Gegenwart werdende Zukunft zu verschieben — die ses Heer der Protestanten ist nicht klein. Oder würde so Vieles in Deutschland haben geschehen können, was geschehen ist bis zu den neueren und neuesten Zeiten herab, wenn man nicht unglücklicher Weise die Begriffe von an sich allerdings vortrefflichen Eigenschaften — wie Vedachtsamkcit, Besonnen heit, Mäßigung, Weisheit — falsch definirt hätte? Sehet hin auf so viele Gebrechen, Mängel und Uebel, an denen das deutsche Vaterland siecht — sie sind fortwährend verlängert, die Forderungen der Vesten, die Bitten und Klagen der Lei dendsten sind nur zu oft zurückgcwiescn worden von den an geblichen Freunden der Ordnung und Ruhe, unter dem Vor wande von Vorsicht, unter schönen Reden von Zeitnahmen, unter Klagen über verderbliche Ncuerungssucht, unter besorg- lichen Warnungen vor Uebercilung, unter leidenschaftlichen De- clamationen gegen freche Ncvolutionsfucht. Gegen waö wei ter ist das Streben dieser angeblichen Menschenfreunde gerich tet, als gegen die dem jetzigen Stande der Cultur und Civi- lisation angemessenen Verbesserungen, gegen das, was vernünf tig erscheint, gegen das Bernunftrccht selbst: Sie arbeiten so mittelbar für Verfinsterung des Geistes für die Passivität deS Menschen, für dasselbe also, was der JesuitiSmus zu erstreben sucht. Sic haben aber so wie die Jesuiten eine bedeutende Macht erlangt und verstehen nicht weniger die Cabinette zu lenken, wie Lojolas Jünger in schwarzen Nöcken. Es ist die Parthei, von welcher Notteck sagt, „daß sie das Ohr der Für sten umlagert und welcher die stupide und feige Masse als willfähriges Werkzeug dient." Tagesgeschichte. Schandau, 12. Decbr. Zahlreiche Böllerschüsse und eine Neveille des hiesigen Bürgerschützencorps verkündeten den Einwohnern hiesiger Stadt in den frühen Morgenstunden die Feier des heutigen Tages, den Geburtstag Sr. Majestät un seres allcrvcrehrtesten und geliebten Königs Johann. Vormittags 11 Uhr wurde von dem hiesigen Stadtmusik- corpö auf dem Kirchthurme die Sächs. Volkshpmne geblasen, und Mittags 12 Uhr wurde an eine große Anzahl Arme und HülfSbedürftige im Hotel zum Dampfschiff Essen verabreicht, wozu von Seiten der hiesigen Behörden eine Sammlung von Beiträgen der Einwohnerschaft hiesiger Stadt veranstaltet war, welche sich des besten Erfolges zu erfreuen hatte. Frankfurt a. M-, 9. Decbr. Heute Vormittags um 10^/, Uhr fand daö Leichenbegängniß des Freiherrn M. A. von Rothschild statt. Der Wille des Verstorbenen war es gewesen, daß seine Beerdigung ohne Prunk von Statten gehen solle. Dem einfachen Leichenwagen, welchen die Diener deS Verblichenen umgaben, folgten zunächst die männlichen Mit glieder der Nvthschildjchen Familie, worunter auch Baron James von Rothschild, der Chef deS Pariser Hauses, welcher auf die erste Kunde von dem Hmscheiden seines Bruders hier her geeilt war; nach ihnen die zahlreichen Angestellten des Nothschild'schen Bankhauses und nahe an Tausend Bürger Frankfurts, von allen Ständen und Confessioncn, unter ihnen auch mehrere protestantische Geistliche; den Schluß des Traa- erzugeö bildete eine Reihe von 1-18 Equipagen, worunter die der sämmtlichen Mitglieder des diplomatischen Corps. Wie cs heißt, hat der Verstorbene den Stiftungen seiner Vater stadt Frankfurt Legate bis zu einem Gesammtbelragc von 1 Mill. Gulden vermacht; ein Capital von 1,200,000 Gulden ist alö Spceialfonds angewiesen, auS dessen Zinsen die stän digen Unterstützungen, welche er bedrängten Personen bisher verliehen hatte, für deren ganze Lebensdauer bestritten werden sollen. Sämmtliche Angestellte des Comptoirs sind mit reichen Vermächtnissen bedacht; so erhält der Hauptkassirer eine Summe von 100,000 Gulden. Nicht minder großmüthigc Fürsorge hat der Verblichene seinen Dienern zu Theil werden lassen; außer lebenslänglichen Fortbezuge ihrer Gehalte sind ihneft reiche Geschenke gewährt, worunter Summen von > 30^,000, 20,000, 12,000 Gulden u. s. w. sich befinden.