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Peüüatt zur „Sächslschen Elb-Ieitm»g Verantwortlicher Nedacteur und Verleger: Ludwig Donath in S ndau. 2. Ahrg 9k u in nr e r den 26. Wkärz 1853. Motto: Des Lebens Forderung au dich ist Mensch zu sei», Erfülle sie nur recht, und last de» EngelS-Sibeln. Dilla Helena. hagere, abgemagerte Gestalt, dieses Antlitz mit den gramdurchfurchten Zügen, den großen, brennenden Augen, die unverwandt, aber mit einem Ausdruck unaussprechlichen Hasses zu der schönen Gräfin Wal- demar emporgerichtet waren, — er war eS, Ernst Waller, der geschmähte Dichter, der verstoßene Sohn, und der ach nur zu sehr geliebte Freund! Ein Schrei tönte von ihren Lippen, aber die rauschende Musik der Ouvertüre übertönte ihn. — Der Vorhang ging auf, das Stück begann. Athem- loses Schweigen herrschte im ganzen' Hanse. Mit seder Scene steigerte sich der Beifall, ward das Ap- plandiren stürmischer und enthusiastischer. Es war das Drama Ernst Waller's, Scene um Scene, Wort für Wort, aber es waren einige aben teuerliche, phantastische Momente binzugethan, es waren ihm die schärfsten Spitzen, die gewagtesten und kühnsten Gedanken verschnitten worden, es wa ren de» Schauspielern glänzende Abgänge bereitet, es war Alles ans dem Erhabenen in die Trivialität hinabgezogeii. Wie rührend, wie isländisch erbaulich war nicht setzt diese Scene, wo die Tochter ihren Aeltern flucht! Nicht wie damals zürüeud wie eine Göttin, Blitze schleudernd wie eine Titanen-Tochtcr stand sie da, sondern weinend, gebrochen, demüthig, nickt Hoheit strahlend in edlem Zorn, sondern wie eine Bettlerin, die um Vergebung bat, weil sie es wagte, zu zürnen. Und daS Publikum war wie clcctrisirt von dieser Scene, man sah die Damen ihre Taschentücher vor ihr Antlitz legen, man hörte nichts als Schluchzen und Weinen! Aber als die Scene zu Ende war, da erhob sich ein solcher Sturm des Beifalls, ein sol ches enthusiastisches Rufen und Schreien, wie man seit manchem Jahre cö nicht vernommen. Dassauch- zende Publikum verlangte mit stürmischem Geschrei die Dichterin zu sehen, es tobte und schrie so lange, bis der Vorhang sich erbob, bis Sopbie Barth-Sän ger an der Hand des Regisseurs erschien. Und nun flogen Gedichte und Kränze zu ihr nieder und der Jubel und daS Enizücken wogte immer wieder zu neuen» Gedonner empor und Alles prieü sie als die Die Preisstncke. Novelle von L. Mühlbach. (Fortsetzung.) Und doch trug sie ein so großes Leid in ihrem- Herzen, denn sie war bossnungSlvs! Sie hatte sich vollkommen resignirt, sie weinte nicht einmal mehr, aber sie fühlte, daß ihr Herz gebrochen sei und daß es für sie kein Glück mehr gäbe, außer dem Einen, dem Unerrelckbaren, außer Ernst! Aber sie hatte es aufgegeben, irgend eine Versöhnung, eine Annäher ung zu versuchen; sie wagte eS nicht mehr, ihm zu schreiben, denn er halte all ihre Briefi zurückgcwie- scn und ihre Geldsendungen mit siolzen Zvrneswor- teil ihrem Boten vor die Füße geworfen. Sie wußte sa nickt, daß nicht Ernst, sondern Romeo früher ihr so. zärtlicke Briete geschrieben und Ernst ahnte sa nickt, daß Romeo früher für ihn so bedeutende Geldunierstnt.-ungen angenommen haue. Bleichen Angesichtes saß Marie neben dem Eom- merzicnratb in ihrer Loge, und wie sie setzt ron drü ben diese schöne und glänzende Gräfin Waldemar gewahrte, zog ein bitteres Wehgesübl durch ihre Brust und sic leimte sich wie zerbrochen in ibren Sessel zurück. Das war die Frau, welche Ernst ge liebt hatte und um derentwillen er Marien verlassen. Um ihretwillen war Marie zur Verrätherin an ihrem Geliebten geworden, nm ihretwillen hatte sie gehol- sen, ihm Sckmach und Schande zu bereiten, hatte sie ihr ganzes Leben vergiftet in vorwurfsvoller Neue. Aber sie würde ibr dieses Alles verzieben haben, wenn sie Ernst nur treu und wahr geklebt, wenn sie Ernst nur glücklich gemacht. Aber sie halte sich von. ihm abgewandl, sie'hatte ihm den Todesstoß gege ben, sie hatte ihn vernichtet. Ein finsterer, zorniger Groll bemächtigte sich Mariens, sie konnte den Anblick dieser stolzen Schön heit nicht ertragen, sic mußte das Auge abwendcn von diesem lächelnden, undurchdringlichen Angesicht. Sie senkte den Blick hinunter in daS Parterre und Plötzlich erfaßte sie eö wie ein Schwindel und ein Zittern durchflog ihre ganze Gestalt. Da unten diese