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2. Fahrg., 9k u in in e r 7. Montag, Deiblatt zur „Sächsischen Elb-Ieitnng". Verantwortlicher Nedactenr und Verleger r L n d w i g D o n a t h in S ch a n d a ». Mottor Das Wünschen thnt eS nicht, Anstrengung muß cS mache»; Den, schlafenden Löwen läuft daö Wild nicht in den Nachen. Rückert. Die Preisstufe. Novelle von L Mühlbach. (.Fortsetzung.) „Du übertreibst, Papa!" rief Antonie lachend. „Und Ernst Waller, mein großer Poet der Zukunft, wird Dich widerlegen! Denn ich wiederhole Der, er ist ein gottbegnadeter Dichter, und die Welt wird sich ihm zu Füßen legen! Du glaubst es nicht- Marie nur noch eine kurze Zm, und Du wirst sehen, daß ich Recht hatte! Sieh nur erst sein Drama, laß Lich nur erst emmal entzücken von der Gluth seiner Phan tasie, von seinen flammenden Gedanken, welche kühn daö Unermeßliche erfassen, von seiner schwungvollen Sprache, welche mit Morten malt, wie ein Maler mit seinen Farben, und dann wirst Du sagen: sa, das ist ein Dichter, und ich bin stolz, ihn meinen Sohn nennen zu konmn." „Alse ein Drama hat er geschrieben!" rief der Mimst.r lachend. „Und von einem Drama hvssst Du für ihn Unsterblichkeit und Ruhm-" „Eo ist ein Meisterwerk, mein Vater!" „Um so schlimmer, denn dann kann er sicher sein, von dem Publikum nicht verstanden zu werden." „Oh, daö Publikum ist nicht so enm tet, mein Vater, daß cö die Größe und Poesie seineö Werkes nicht erkennen sollte! Es wird ihm zusauchzen, und sein Werk krönen, das fühle lch, das weiß ich!" „Ah, also ein Prelsstück ist es, was Dein I'u- btn lnnrontn« geschrieben hat! Und wenn es nun nicht den Preis erwirbt, wie dann-" Antome sah ihn erstaunt an und stammelte eini ge verwirrte, unverständliche Worte. Ueber ihres Valero Antlitz flog ein feines, spöttisches Lächeln. Er hatte eben in der Seele seiner Tochter ge lesen, und besser als sic hatte er ihre Empfindungen zu deuten verstanden! . „Ich will Dir einen Vergleich vorschlagen!" sägte er nach einer Pause. „Wenn das Drama Dei nes Dichters gut ist und de» Preis erringt, gebe ich meine Einwilligung zu Deiner Verbindung mit ihm! Wenn es durchfällt, wirst Du Gemahlin des Gra fen Waldemar!" „So sei es, mein Vater!" rief Antonie freudig. „Dieses Drama muß den Preis erringen! Oh, ich werde also die Gattin meines Dichters, die Theil- haberin feines Ruhmes werden!" Ihr Vater lächelte. „Der Vergleich ist abge schlossen ! Wir werden sa sehen! Vorläufig, mein Kind, kannst Du ihn mir mit einem Kuß besiegeln!" Jntriguen. Ernst war in der Tbat ein Dichter! So sehr ein Dichter, daß er eine Welt sah, welche nicht eri- stirte, und von einen, Menschengeschlcchte träumte, welches sehr von der Wirklichkeit abwich! Er batte die tapfere und kühne Ueberzeugung, daß daö Edle und Schöne in der Welt durch sich selber wirken könne, und daß die Menschheit ganz bereit fein, sich ohne alle Nebengedanken und Interessen von demsel- bell entzücken zu lassen! — Er verschmähte eS daher, irgend Etwas für sein Drama zu thun, er würde vor sich selber erröthet sein, wenn er mit irgend ei nem guten Wort, einer Bitte e.- versucht hätte, die Preisrichter für sich zu gewinnen! Das war so sehr unter seiner Würde! Er war ein Dichter und nur durch sich selber sollte sein Werk wirken. Aber desto thätiger zeigte sich Romeo. Er kannte alle die geheimen Quellen und Kanale, durch welche eine öffentliche Anerkennung sich erobern läßt, und er verachtete die Welt und die Menschen genug, um zu wissen, daß man sie mit andern Dingen, als nur mit seiner eigenen Würdigkeit und Vortrefflichkeit zu bestechen hat. — Ernst hatte bei seinem Werke nur von dem Genius sich leiten lassen, Romeo hatte seine Wcltkenntniß zu Rathe gezogen! Ernst hatte die verschiedenen Nollen nur so geschrieben, wie sie aus der Idee des Ganzen ihm herauöblühten. Ro meo hatte bei jeder Nolle in seinem Stück an den Schauspieler gedacht, welcher sie spielen sollte, und auö den verschiedenen Nollen ein Stück zusamrüW