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Montag, denLV.Februar 183S. Peiblatt zur „SÄchstschen Glb-Zeitung" 2. Fahrg-, dk n IN IN e r Verantwortlicher Rcdacteur'uiid Verleger: Ludwig Donath in Schandau, Motto: Glück und GlaS, wie slbimmcrii sic nicht, die zerbrechlichen, beide! Nütze sic beide. Nur, Freund, baue kein gläsernes HauS. Doutcrwek. Die.Preisstufe. Novelle von L Mühlbach. (Fortsetzung.) DaS Weltgericht. Ernst batte sich in die kleine vergitterte Loge neben der Bich ne begeben, in welche, einem allen Herkommen gemäß, die Dichter sich zurückzogen, wenn eins ihrer Werke tic Feuerprobe der ersten Darstellung zu erleiden hatte. Cs war rin düsterer enger Naum, öde und traurig, wie ein offener Sarg. Und wie viel stolze Hoffnungen und Wünsche, wie viel höchflaitcrnde Lebenstraume und Phantasien waren nicht in demselben schon begraben worden, wie oft halte nicht schcn hier ein Herz sich verblu tet und eine Seele im Fegfeuer ihren Angstschrei gen Himmel geschleudert. Oder memt Ihr, daß es ein Luchtes ist, mit gebuneenen Händen wehrlos und oime Waffen, außer der Macht des Geistes, dem Geschwounnger.chi des Publikums gegenüber zu treten? Meint Ihr, daß co ein Leichtes ist, den Urtheilospruch ouzulörcn, welcher uns entweder ver klärt zu cmtm Gott, oder uns zu dem Fluch der Lächerlichkeit verdammt? Ernst lühlte sich demüthig und andächtig zu gleich. Er sühlic sich einem Weltgericht gegenüber und mit gefalteten Händen und gesenktem Haupte bat er Gott um Kraft und Mmh, den Auospruch desselben würdig zu ertragen. Diese Stunde halte über sein ganzes Leben zu entscheiden, das fühlte er, das wußte er. Es war daher für ihn eine hei lige, feierliche Stunde, und er trat ihr mit andäch tiger Uuteiwürfi, keu entgegen. Für ihn, welcher sich nicht dazu Herabgelaffen mit dem Publikum zu intrigulren und zu feilschen, für ihn war dao Publi kum allerdings der unbestechliche, gerechte Nichier, dessen Auospruch er wie ein Gottesurtheil be trachtete. Er lehnte sein Haupt an die Brüstung der Loge, und mit gefalteten Händen und athcmloscr Brust blickte er durch das Gitter nach der Bi,ine hin, auf welcher eben die erste Scene zu Ende ging. — In dieser Stunde war ihm sein Drama ein Fremdes, Abgelöstcs, und wie seine Gcdanlen und Worte von den Lippen der Schauspieler tönten, ka men sic ihm ganz andcrs vor, wie er sie gedacht, es war c,was Frcmdes, Kaltes darin, etwas Schla gendes, das ihn fürchterlich ängstigte. Die Schau spieler sprachen jeden Satz mit so hohlem Pathos, so falscher Gedehnth,it, -sie nahmen das Leichte so schwer, und über das Schwere schlüpften sie mit so oberflächlicher Leichtigltit hinweg. Der kalte Angstichwciß stand auf Ernst's Stirne. Es war ihm, als ob sein heiligstes und thcucrsteü Besihthum von rohen Mörderhänden zerrissen und zerfleischt würde. Einmal murmelte er ganz leise: „Sie ermorden mein Werk und tödten meine Seele!" — Dann ward er ganz still und versank tiescr in sich selbst. Im Publikum herrschte noch immer ein tiefes Schweigen und mit gespannter Erwartung folgte es den Scenen. Man wußte noch nicht, war es Theiluahme oder Gleichgültigkeit, welches das Publi kum so stumm sein ließ. Die ErpositionSscenc war vorüber und die dra matischen Elemente begannen mehr und mehr sich zu entwickeln. Das Publikum blieb still und lautlos. Auf der Bühne spielte man eben eine der be- deutendsten und größten Scencn dieses Drama'S, und die erste Liebhaberin hatte, bevor sic zu dersel ben auf die Bühne trat, in der Coulisse zu dem er sten Liebhaber gesagt: „In dieser Scene werden wir entweder rascnb applaudirt oder ausgelacht." Es war in der That eine sehr originelle, ge wagte Scene, pikant in der Anlage, ungewöhnlich in der Auoführung. Cs waren, ganz neue Gedanken, ganz neue Pointen darin, und man mußte gestehen, daß der Dichter in dieser Scene mit Titanenkraft den Göttcrmarmor gemeißelt und ein gewaltiges Bild geschaffen, aber ein Bild, welches in seiner Niescngröße Denjenigen, welche nicht die Kraft be saßen, seine Schönheit zu begreifen, als rin Unge heuer erscheinen mußte. Eine Tochter, welche, in