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Erzgebirgischer Volksfreund : 21.04.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192204212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19220421
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19220421
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-04
- Tag 1922-04-21
-
Monat
1922-04
-
Jahr
1922
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 21.04.1922
- Autor
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Ein« n<ue Bluttat im Zusammenhang mit dem Türkenmord? Berit», 19. April. Wegen des Türkenmordes fand heute vormit tag auf Veranlassung der Berliner Polizei eine Verhaftung in Mitt- weida statt. Ls handelte sich um einen Armenier, der Mitglied der Racheoragnisation ist. In der vergangenen Nacht ist es hier in der Sächsischen Straße, in geringer Entfernung von dem Schauplatz des Türkenmordes, zu einem neuen Mord gekommen. Um 4 Uhr früh wurde ein junger Mann in seinem Blute liegend tot anfgefunden, der unzweifelhaft das Opfer eines Verbrechens geworden ist. Die Per sönlichkeit des Toten ist unbekannt. In seinen Sachen befanden sich u. a. zwei Notgeldstücke au» den Rtädten Chemnitz und Stettin. Die Vermutung wird laut, daß die neue Bluttat in Verbindung mit dem Türkenmord steht. Bürgerkrieg in Belfast. Lo«do», 19. April. In der Nacht zum Dienstag brachen in Belfast Unruhen au». Fünfzehn Häuser wurden angeziindet. Die Behörden ließen die Bevölkerung in öffentlichen Gebäuden unterbrinaen. Di« Truppen eröffneten Maschinengewehrfeuer auf die Aufständischen. Ma» zählte etwa 100 Verletzte. I Sertttche Angelegenheiten. Bau einer Talsperre bei Muldenberg. Für den Bau einer Talsperre bei Muldenberg i. D. sind im Nachtrag zum außerordentlichen Staatshaüshaltplan für 19M als 1. Teilbetrag 860 000 Mk. und im außerordentlichen Staatshaushalt plan für 1921 als 2. Teilbetrag 2 000 000 Mk. eingestellt worden. Bei Einstellung dieser Beträge war der voraussichtliche Gesamtaufwand auf Grund der im Sommer 1920 gültigen Lohnsätze und Baustoff preise mit 85 000 000 Mk. angegeben worden. Nachdem Löhne und Baustoffspreise seit Baubeginn — September 1920 — bis mit Juni 1921 ziemlich auf gleicher Höhe geblieben waren, hat im Sommer 1921 eine außerordentliche Steigerung eingesetzt, die vom 1. Juli 1921 bis Ende des Jahres 1921 bei den Arbeitslöhnen rund 120 Prozent, bei Zement und Holz rund 90 Prozent, bei Eisen rund 180 Prozent und bei den Eisenbahnfrachten etwa 130 Prozent betrug. In folgedessen erhöhten sich die reinen Baukosten um mindestens 120 Prozent und die Gesamtkosten auf rund 75 000 000 Mk. Ferner hat sich durch die Ausschachtungsarbeiten ergeben, daß unter einer Fels schicht am rechten Talhang verwittertes Gestein lagert, das vor In angriffnahme der Bauarbeiten weder der Ingenieur feststellen, noch der Geologe nachweisen konnte. Die hierdurch bedingten schwie rigen Gründungsarbeiten bis zu 17 Mtr. Mehrtiefe erfordern wei- terhin wesentlich erhöhte Baukosten, die auf 12 000 000 Mk. zu veranschlagen sind. Es ist somit nach dem Preisstand vom 1. Ja nuar 1922 mit einem Gesamtbauaufwand von 87 000 000 Mk. zu rechnen. Bis Ende des Rechnungsjahres 1921 werden der 1. und 2. Teil betrag des Haushaltplans in Hohe von zusammen 2 500 000 Mk. und die bisher aus Mitteln der produktiven Erwerbslosenfürsorge vor- schußweise gewährten Zuschüsse in Höhe von 3 600 000 Mk. annähernd aufgebraucht sein. Nach dem voraussichtlichen Baufortgang macht sich im Rechnungsjahr 1922 ein schätzungsweise auf 28 000 000 Mk. zu bemessender Geldbedarf erforderlich. Hiervon werden durch Vor schüsse aus dem vom Reichsamt für Arbeitsvermittelung zugesagten festen Zuschuß von 31500 000 Mk. au» Mitteln der produktiven Er- werbslosenfürsorge rund 10 000 000 Mk. gedeckt werden können, so daß für das Rechnungsjahr 1922 vom Landtag ein Geldbetrag von 18 000 000 Mk. nachgefordert werden muß. lieber die voraussicht lichen Einnahmen nach Fertigstellung der Talsperre können verbind liche Angaben noch nicht gemacht werden. Bei einer in absehbarer Zeit zu erwartenden Trinkwafferabgabe von 78 Sekundenlitern zum Preise von 80 Pfg. für 1 cbm ergeben sich folgend« Iahreseinnah men: 1. Erlös von 2 368 000 cbm ungereinigtem Trinkwaffer zu je 80 Pfg. gleich 1892 000 Mk.; 2. Verpachtung de« Wasserkraftwerks (300 000 KWH zu se 50 Pfg.) gleich 150 000 Mk.; 3. Beiträge der Triebwerksbesitzer für Erhöhung des Niedrigwassers und sonstige Beiträge und Einnahmen gleich 88000 Mk. Jährliche Gesamtein nahme 2100 000 Mk. Wenn auch hiernach infolge der außerordent lichen Preissteigerungen eine angemessene Verzinsung des auf den Staat nach Abzug der Zuschüsse aus Mitteln der produktiven Er- werbssosenfürsorge entfallenden Anlagekapitals leider nicht zu er zielen sein wird, muß doch der hohe volkswirtschaftliche Wert der Talsperrenanlage berücksichtigt werden. Die Sperre stellt vielen Städten und Gemeinden des Vogtland«» mit einer zahlreichen un bemittelten Arbeiterbevölkeruna Trink- und Nutzwasser sicher, das In ausreichendem Maße auf andere Weise in diesem Landesteile nicht beschafft werden kann. * Gegen das Abreißer» von Blütenzweige«. Die Obst baume werden bald ihre Blütenknospen öffnen. Gedankenlose Menschen kommen vorüber und, des Eigentums eines Anderen nicht achtend, reißen sie die Blütenzweige ab und zertreten die Feldfriichte, um zu den Ohstbäumen zu gelangen. Angesichts der Lebensmittelknappheit ist das Abreißen der Zweige keine Unsitte mehr, sondern ein Frevel. Es gehen ungeahnte Werte verloren und ebenso durch das, Zertreten der Pflanzen. Naturfreunde und Bevölkerung müssen sich selbst in den Dienst der guten Sache stellen. Es bedarf mitunter nur eines Hinweises, um den Uebeltätern das Frevelhafte ihres Tuns zum Bewußtsein zu bringen. Nötigenfalls wäre aber, zumal bei Nichterwachsenen, energisch einzuschreiten. Niemand aber kauf« Blütenzweige von Obstdäumeni Dem SWtze der Nat«»' freunde werden auch ganz besonder» die Kätzchen von Weid«», und Haselnußsträuchern empfohlen, da unsere Honigbiene» . für die erste Frühlingstracht fast ausschläßlich auf ste ange wiesen stnd. Um Gchwaetz-Not^oiv ,H0PUllie" zu MMtzeu« Wt« au» Berlin gemeldet wird, beabsichtigt da» preußisch« Staat», «intstmtum in allen -örsälen d«r Hochschulen und in ülen Klaffen- zimmern sämtlicher Schulen an leicht sichtbarer Stelle di« vom Reichs- Ministerium de» Innern herausgegebenen «um Flaggentafelu au»,u- hängen, um die neuen Flaggen populär«» zu machen. Dir Maßnahme erfordert mehrere Millionen Ma« Kosten. ftelsten, bi« auf Grund de» yalslüngsauffchub» elnstweNen LitK Mil lionen Goldmark im Jahre betragen. Die Anleihe in Höhe von mir Milliarden Goldfranken ist nicht zu verzinsen, sondern auch abzulösen. Dafür find Jahr für Jahr Barzahlungen in Höhe von mindesten 280 .Millionen Goldmark erforderlich. Endlich stnd noch bi« Kosten für di« Besatzung und di« verschiedenen Ausstchtsausschüff« zu rech nen, von denen noch nicht feststeht, ob ste weiter in Deutschland zweck- lo» und arbeitslos hrrumwimmeln dürfen. Wir kommen damit zu «iner Zahreilast von rund zwei Milliarden Goldmark, also weit »chr, als sich au» dem Ertrag unser«» Wirtschaft herauspreffen Äs». Was zu wenig beachtet wird, da, ist, daß die Sachlieferungen «inen erheblichen Teil unserer Erzeugungskraft in Anspruch nehmen werden, was auf der anderen Seite zwangsläufig zu einer Senkung d« Außenhandels führen muß. Diese Senkung bedeutet finanzwirt» fchastlich für un» eine weitere Verschärfung der Zahlungskrtse, d. h., f«»r bringen es nicht fertig, den Haushalt auszualeichen, weil die Fehlbeträge der Zahlungsbilanz dann unter Umständen durch die Ankurbelung der Notenpresse ausgeglichen werden müssen. Da» er- lrdigt auch den Plan, die deutschen Wechselkurse mit Hilfe der vier ten Milliarde Goldfranken wieder gesund zu machen. An sich ist die Wiederherstellung der deutschen Währung ein Problem, da» sich nur international lösen läßt. Offenbar kommt es den Engländern nur darauf an, den deutschen Wettbewerb mit beschleunigter Wirkung da durch auszuschaltcn, daß die Kaufkraft der Mark gehoben und der deutsch« Wechselkurs befestigt wird. Tatsächlich wird das Ergebnis ein ganz anderes sein. Es werden viel heftigere Schwankungen der deutschen Wechselkurse eintreten, weil die deutsche Wirtschaft durch >die Sachlieferungen einen großen Teil des Außenhandels abgeben muß. Wir stnd verpflichtet, die Sachlieferungen im Inland zu dek- ken, was nur geht, wenn wir im Außenhandel soviel verdienen, um wenigstens die notwendigen Rohstoffe und Lebensmittel bezahlen zu können. Die englischen Sachverständigen haben vorgeschlagen, die deutsche Mark auf der Grundlage von 15 Goldpfennigen zu befesti gen. Heute steht die Mark auf etwa 1,5 Goldpfennigen, so daß der Sprung auf 15 Goldpfennige unverhältnismäßig hoch sein wiir"'. Di« Folgen wären finanzwirtschaftlich und finanzpolitisch nicht abzu sehen und stellten vor allem den Ausgleich des Haushalts in Frage, da die Steigerung der Kaufkraft der Mark zu einem Rückgang aller Einnahmen des Reiches führen müßte, weil der Steigerung der Wech selkurse die innere Kaufkraft nicht sofort folgen würde. " Schöneck i. B. Am Sonnlag abend ist in Kotten grün bei einem schweren Gewitter die Müllersche Scheune von einem Blitzstrahl getroffen und mit ihrem wertvollen Iichalt an Heu und Stroh sowie landwirtschaftlichen Geräte« eingeäschert worden. " Bad Elker. Auf einer Fläche von etwa 50 000 Quad ratmetern wurde in der Nähe unsere Badeortes durch Auf schüttung langgezogener hoher Dämme ein« Moor- bereitungsanlage geschaffen. Die im südlichen und östlichen Vogtlands gewonnene stark heilkräftige Moorerd« wird hier durch 8—10jähr. Sonnenbestrahlung bezw. Durch- frieren einem Gär- oder Sterilisierungsprozesse unterzogen und durch diese Behandlung wirksamer gemacht, sodaß Bad Elster vor anderen Moorbädern einen erheblichen Vorsprung erlangt. § " Ehemnitz. Seit einigen Wochen treibt hier ein Un bekannter sein Unwesen. Er zerschneidet mit einem scharfen Messer oder einer Schere di« Mäntel von Damen, die sich in Theatern und anderen Vergnügungs stätten aufhalten, Straßenbahnen benutzen oder in Geschästs- läden Einkäufe bewirken. In mehreren Fällen stnd den Damen ihre Mäntel auf öffentlicher Striche mit scharfen und ölige» Flüssigkeiten übergossen worden. " Burgstädt. Einem Privatauto kamen an einer Kurv« in Heiersdorf mehrere Radfahrer entgegengesahren; beim Aus weichen fuhr das Auto über eine hohe Brücke in den Brause bach und blieb mit den Hinterrädern am Brückenrande hängen, während die Vorderräder im Wasser standen. Zum Glück sind die fünf Insassen aus dem steilstehenden Auto nicht herausgestürzt, so daß ste mit dem Schreck davongekommen stnd. In mehrstündiger Arbeit wurde da» Auto mit Flaschen zügen wieder aus dem Bach gezogen. * Meerane. Das Angebot der Stadt Zwickau, betr. Gas fernversorgung, hat der Stadtrat abgelehnt. — Die Stadt gemeinde wird der „Sächsischen Landesbühne* als Gründer stadt beitreten, ihr ein Gründungsdarlehn von 30 000 Mmck auf 10 Jahre gegen 4 v. H. Zinsen gewähren und außerdem einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 300 Mark zahlen. " Meißen. Ein jähes tragisches Ende erreichte am zweiten Feiertag nachmittags eine Osterfahrt zweier Berliner Herren, die diese im Faltboot von der böhmischen Landesgrenze elb- abwärts unternommen hatten. Gegen 2 Uhr nachmittags waren sie mit dem Faltboot in Meißen eingetroffen. Beim Wiederausfuhren aus der Triebischmündung wurde das Boot von der Strömung erfaßt und vor einen Pfeiler der alten Brücke getrieben. Der eine wollte den Anprall verhüten und stemmte sich mit den Armen gegen den Pfeiler, wodurch das Doot umstürzte. Der andere Insasse schwamm dem Ufer zu, während sein Freund in den Fluten versank. " Dresden. Am zweiten Osterfeiertage hat der sahnen- flüchtige Reichswehrsoldat Janik seine frühere Geliebte zu er- schießen versucht, weil ste sein Ansinnen, mit nach Kattowitz Neu« Morde durch französisch« Soldaten. Kattqwitz, 19. April. Heute nacht wurde die Gattin des Justiz- Oberinspektors Bennek in Großstrehlitz von einer französischen Pa tronille in dem Augenblick erschossen, als sie das Fenster öffnete, um nach ihrem aus dem Dienst heimkehrenden Gatten auszuschauen. Der Krelskontrolleur in Großstrehlitz erklärte dem Vorsitzenden des deut schen Ausschusses Großstrehlitz, der wegen dieses Vorfalles bei ihm vorstellig wurde, baß kurz vor der Oeffnung des Fensters Schüsse ge fallen seien. In der Annahme, daß au» diesem Fenster geschossen worden sei, hätte der französische Soldat hineingeschossen. Er werde wegen fahrlässiger Tötung zur Verantwortung gezogen werden. Glriwitz, 19. April. Am 1- Osterfeiertag wurde der Schlosser Browietz von einem französischen Soldaten ohne Grund erschossen. Drei Kugeln verwundeten den Schlosser derart schwer, daß er in hoff nungslosem Zustande ins städtische Krankenhaus eingeliefert werden mußte. Im Huttengasthaus Friedrichshütte wurde der Arbeiter Woll nick von einem französischen Soldaten erschösse». Nach der Tat entfloh der Soldat auf einem Pad. - Wie die Blätter aus Breslau melden, wurde am DienstMabend der Chauffeur der „Oberschlesischen Volksstimme", Sparwasser, auf der Coseler Straße, wo «r friedlich auf einer Bank saß, erschossen. Der Autofükrer der Bobreker Kraftwerke, Ewarenyna, der mis Gefälligkeit einige interalliierte Offiziere fuhr, wurde, als er sich um einen Anruf der Hohenllndener Gemcindewache nicht kümmerte, von der Wache «»schoflen. Die interalliierten Offiziere blieben unverletzt. Der Berg mann Dziuk wurde auf dem Wege von Hindenburg nach dem Vallentin- schacht durch Schüsse getötet. Es wird nachgerade Zeit, daß die Regierung energische Vor stellung gegen diese Gewaltakte französischer Mordbuben erhebt. SchueeberU, 20. Avril. Ein lustige« Stück, da» man nur selten »u sehen Gelegenheit hat, wird nächsten Sonntag auf der Schul- bühn« de» Gymnasium» aufgeführt werd««. Der Dicht«» Andre« Gryphiu» (1616—1664) ist der einzig« deutsche Dramatik« vo» größerer Bedeutung zwischen Hans Sach» und Lrffing, «in wirklicher Dichter, den da» Unglück seines Vaterlandes nicht zur Reife gedeihen ließ. Sein Scherrspiel „Herr Peter Squenz" ist ein ausgelassen« Lheaterulk mit zum Teil groben Uebertreibungen, ein« Verspottung schauspiellustiger Meistersinger, deren Verwandtschaft mit den au» Shakespeares „Sommernachtstraum* wohlbekannten Handwerkers unverkennbar ist. Peter Sguenz, der Schreiber und Schulmeister vom Rumpelskirchen, veranlaßt die Handwerker, den durchreisende« König durch ein Spiel zu unterhalten. Er selbst übernimmt außer der „Regie* den Vorredner und Nachredner, de» Königs lustiger Rat (der Pickrlhäring) den Tyrannus, der Spulenmacher ot« Thiobe, der Schmied den Mond, der Blasebalgmacher di« Wand, der Tischler den Löwen, der Leinweber den Brunnen. Die hochtrabende Eitelkeit des Schulmeisters, die kleinstädtisch« Titelsucht, die Unbe holfenheit der Darsteller, allerhand Verdrehungen und Mißverständ nisse, derbe Späße und groteske Situationen verfehlen ihre Wirkung auch auf den heutigen Zuschauer nicht. — Die Bühne ist von Schü lern aufgebaut worben und wird bei der Aufführung auch von Schülern bedient. r Gebrüder Westenwald. Roman von Lola Stein. ' (36. Fortsetzung.) i Mes, was Manfred fehlte und was Dorothea so schmerz lich immer wieder an ihm vermißte, das straffe, bewußte Wollen und Handeln, das Herrentum, den kühnen und umfassenden Kausmannsgeist, alles dies besaß jener Mann. Aber genügte dies Wissen um seine Fähigkeiten, diese Bewunderung seiner genialen Persönlichkeit, genügte das für eine Ehe? Für eine Ehe gehörte Liebe; und Liebe fühlte sie nicht für diesen Mann. Dorothea Westenwald erhob sich, ging ans geöffnete Fenstox, blickte in den träumenden, nachtdunklen Park hinaus. War es nicht nun in ihre Hände gegeben, dem Geschäft, der Familie zu helfen, indem sie Arno Zerrats Weib wurde? Sie wußte ja jetzt: er wollte sie noch. Sie konnte verhüten, daß der alte stolze Name des Jahr hunderte alten Geschlechts in Schutt und St^ub und Moder zusammensank, sie tonnte die Firma retten und die Menschen, die ihr die liebsten waren auf der Welt, erlösen aus einem unwürdigen Zustand. Und das war das Entscheidende. Nicht um die Firma ging es ihr letzten Endes, die Menschen waren ja dock; soviel wichtiger als sie, Frau Karoline, die Mutterstelle an i r ver treten, Elly, die sie liebte wie eine eigene Schwester, der kleine Johann,Christian und er, er, Manfred, dem sic durch ihre Per-' bindung mit Arno Zerrat aus allen Sorgen half. Denn so bald dieser Konkurrenzkomps aufhörte, würde die Firma sich erholen können, ihre alten Kunden zurückgewinnen, Atem schöpfen, frische Kräfte sammeln. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, daß Arno Zerrat auf ihre Bedingungen etngehen würde. Einr Mann wie er einer war, konnte sich neue Kunden erwerben, für ihn gab es jeden Tag. jede Stunde vielerlei Möglichkeiten, sein Haus zu vergrößern. Und er war an keinerlei Rücksichten gebunden wie Manfred. Sie dachte an den toten Onkel. War fie es seinem An- denken nicht schuldig, ihre Dankbarkeit gegen den Toten zu beweisen, zu helfen, wo Hilse zu geben in ihrer Macht lag? WUrde sie iemals Ruhe f--'-— »Zunen, wenn es zu einem Zusammenbruch des alten Hauses kam und sie mußte sich sagen, daß es in ihrer Hand gelegen, diesen Zusamenen- bruch zu verhüten? Aber — lag es denn wirklich in ihrer Hand? Konnte man denn sein Herz zwingen, sein Gefühl, seine Sinne? War das Opfer ihrer ganzen Persönlichkeit, ihtes Lebensglückes nicht zu groß, zu gewaltig? Mutete sie sich nicht zuviel zu? Aber — opferte sie denn in Wahrheit ihr Lebsenglück? War sie denn glücklich? Nein, niemals, niemals! Sie gab ja keinen Geliebten auf, entsagte keiner Liebe. Ach, das alles lag ja schon viele Jahre zurück. Und nicht sie hatte damals entsagt, verschmäht war sie worden. Immer noch brannte und schmerzte die Wunde. Als Arno Zerrats Frau kam sie hinein in ein neues Leben. Hinaüs aus der Enge ihres jetzigen Seins. Inandere Verhältnisse, in größere, freiere. Würde das alles sie nicht entschädigen können für das, was sie aufgab für diese Ehe? Ihre eigene Freiheit, ihr Mädchentum, ihr Zusammenleben mit Manfred Westenwald, das trotz aller Qual doch das armselige Glück ihrer Tage geworden war? Ja, es war nicht mehr wie ein armseliges Glück. Und wußte, würde das Glücksgefiihl in ihrem Herzen nicht ein weit größeres sein, wenn es ihr gelang, durch ihr Opfer Manfred un- die Seinen zu retten, zu befreien aus einer furchtbaren Situation, sie zu retten vor einer Katastrophe? 1 Ihr Opfer. — Ja, sie wollte es bringen. Aber heimlich und beherrscht. Keiner, keiner sollte wissen und ahnen, daß sic sich opferte. Ihre Tat sollte wie ihr freier Entschluß hin- genommcn,werden von den Menschen, um die sie sich opferte. Denn sie wollte keinen Dank. Und wollte kein Mitleid. Als sie zur Ruhe ging, war ihr Entschluß gefaßt. 4. In den nächsten Tagen kamen ihr yneder Zweifel. Nein, es war doch nicht möglich, wie sie gedacht. Ausgeburten der einsamen Nachtstunden waren ihre Pläne gewesen, bei Hellem Tageslicht Unmöglichkeiten. Warum sollte sie sich opfern, gerade ste? Weil es einzig in ihrer Hand lag, schnelle und gründliche Hilfe zu bringen, antwortete ne kick selbst. Aber sie war nun doch wieder unschlüssig und kämpfte und rang und konnte zu keinem festen Entschluß kommen. Manchmal war sie entschlossen, alles zu lassen, wie es jetzt war. Sie war eine Frau — mochten die Männer scher», wie sie, mit den Schwierigkeiten fertig wurden. Aber wenn sie dann wieder in Manfreds geliebte, ver düsterte, versorgte Züge sah, wurde sie schwankend und weich. Und wußte sich erfüllt von einem reinen Opferfeuer, einem großen und heiligen Bedürfnis, zu helfen, zu bessern. So gin^ ihre Stimmung auf und ab. Sie war nicht mchr so gleichmäßig, wie sie bisher geschienen.' Auch Manfred, auch Frau Karoline fiel es auf. Aber sie wich allen Fragen aus und kämpfte weiter und blieb allein, wie sie es in den ganzen Jahren innerlich gewesen war. Selbst und frei und unbeeinflußt von den Ihren, um die sie ihr Opfer bringen tvollte, mußte sie zu einem Entschluß kommen. Hie fuhr nach Othmarschen zu Elly heraus und fand die Freundin allein im Hause. Das war Dorothea lieb. „Erwin trifft sich in der Stadt mit Arno. Zerrat*, sagte die junge Frau. „Er ist gestern in Hamburg eingetroffen und nun wollen ste Wiedersehen feiern. Ich sche diese Freund schaft natürlich mit sehr gemischten Gefühlen an, aber hinein» reden läßt Erwin sich da nicht von mir.* Sie wurde unruhig, als ste den Namen des Manne» hörte, um den ihre Gedanken in diesen letzten Tagen un ablässig gekreist. Er war in der Stadt, war in ihrer Nähe. Morgen, über morgen konnte der Zufall ste auf der Straße mit ih» zu» sammenführen, und sie.mußte wissen, wie ste ihn» daim be gegnen sollte, sie mußte zur Klarheit kommen und zum Entschluß. Elly beobachtete das wechselnde Mienenspiel in der Freundin Mienen. Und sic dachte verwundert: hat sie plötz lich Interesse für diesen Mann bekommen, den ste zweimal abgewiesen? Da> fragte Dorothea: „Und wie gedenkst du dich zu ih« zu stellen, Ellychen? Du stehst da zwischen zwei Feuern?* (Fortsetzung folgte ,
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