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Erzgebirgischer Volksfreund : 07.04.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-04-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192204076
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19220407
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19220407
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-04
- Tag 1922-04-07
-
Monat
1922-04
-
Jahr
1922
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 07.04.1922
- Autor
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»r V. «pEE Grzgebirgifcher DoMssremlv. «»» I verütch» Aogelerenhell««. I Vergangenheit — Gegenwart — Zukunst. 8t. Oberflächlich« Leut« rrden von einer »toten Vergangenheit*. Da, ist «in« von den vielen Gedankenlosigkeiten, an denen ja gerad« da, neuzeitlich« Geschlecht r«ich und üb«rreich ist. Es gibt keine toten Vergangenheiten. Höchstens scheintot«. Menschen wie Völker kön nen ihr« Vergangenheit totschweigen und totreoen und totschreiben, totlachen und totweinen, können sie auch mit Gewalt totschlagen wol len und sich «inbilben, wenn ihr Auge sich schließt, sie sei gestorben. Aber eines Tages wacht sie doch wieder aus. Ihr totgeglaubter Schat ten «rscheint und nimmt spürbare Gestalt an: sie pocht an di« Tür und heischt Einlaß, vielleicht als unerwünschte Gewissensmahnerin. Treitschke, der große deutsche Geschichtsschreiber, hat durchaus recht: «» gibt Zeiten, und sie kehren immer wieder, in denen die »Schat ten der Vergangenheit* von dem »verwirrten Willen der Gegenwart aeradezu heraufgefordert werden*: und «r hat weiter recht, wenn er den Schluß uraltgeschichtlicher Erfahrung zieht: daß die Schatten der Vigangenheit sich in solchen Zeiten schließlich doch stärker «rzeigen, al» der Irrwill« der Gegenwart. Die Vergangenheit ist eben keine «tngesargte Mumie, keine wenn auch vielleicht noch so Verehrung»- würdige bloße Reliquie, kein bloße» einbalsamiertes Ueberbleibsel der Zeit. Sie lebt; denn sie ist etwas Gelebte» und Erlebtes. Und Leben stirbt nicht, auch wenn man es begräbt. E» gibt ja doch ein Ostern — eine Auferstehung! Und Leben schweigt nicht, auch wenn sein Mund für eine Weile verstummt. Leben redet. Leben lehrt. Kurz und gut: dieBrrgangenhettisteinTestamentdr, Lebens an di» Gegenwart für di« Zukunft. Nun kann mün ja gewiß ein Testament auch ablehnen. Und, wenn man es schon annimmt, annehmen muß, kann man doch auch ver suchen, sich über diesen und jenen »letzten Willen* hinwegzusetzen. Das kommt vor. Ehrlichen Leuten aber ist ein Testament heilig, und sie respektieren seine Bestimmungen. Dem Lebenstestament der Vergan genheit gegenüber gibt es freilich viel Unehrlichkeiten; gibt es viel Torheiten und viel Trotz. Man will nichts von seiner Lebensgilltiq- keit gelten kaffen. Man will nichts au, der Vergangenheit lernen! Als ob man die Fäden zwischen Gewesenem und Werdendem einfach durchschneiden könnte, al» ob e» keine immer wiederkehrenden gleich laufenden Linien der Entwicklung gäbe! Unsere Zeit ist besonders groß in solcher Unehrlichkeit und solcher Torheit und solchem Trotz. Man wird beherrscht von dem Gigantentum der Faust, dem Niesentum des Vernichtens. Die brutale Faust hat den Geist totgeschlagen — so bildet sie es sich wenigstens ein —, den Geist der Vergangenheit — und steht nun triumphierend auf seinem Grabe. Als ob sich Geist je totschlagen ließe! Er hat ein ewige» Leben, und kein noch fo ge walttätiges Attentat vermag etwas daran zu Lndenr. Letzten Ende» erweist sich der Geist noch immer stärker als die Faust, erweist sich der »Schatten der Vergangenheit* noch immer siegreicher als der »ver irrte Wille der Gegenwart*. Auch heute noch. Gewiß, noch ist im öffentlichen Leben unseres Volkes kaum etwas von solchem Siegen zu spüren. Noch ist keine »Reaktion* — im tief sten und höchsten Sinne des Wortes — keine Umbiegung des Irr willens in eine vom Lebensgeist der Vergangenheit gezeichnete glich- tung zu merken. Aber die unleugbare Tatsache des allgemeinen und äußeren Unbefriedigtseins, des immer stärker werdenden Hunger» nach anderen, besseren, gesunderen Lebensverhältniffen, dieses Hungers nach Sonne heraus aus den immer trüber werdenden Niederungen der Zeit, dieses Hungers nach Leben, den man mit allen künstlichen Er satzmitteln, mit allen Beruhigungspulvern, mit aller politischen Medi zin doch nicht stillen kann — diese Tatsache ist doch schon die an klopfende Botin der Zukunft aus dem sich auftuenden Grabe der Ver gangenheit an die Gegenwart. Und wir würden schneller und siche rer über die tote Zone unserer deutschen Dolksgeschichte hinüberkom- nien, wenn die verantwortlichen sogenannten »Führer* unseres Vol kes in Regierungen und Parlament auf dieses Anklopfen dieser Botin hören wollten. Hier gibt es eine „Ersüllungspolitik* zu treiben, die segensreicher wäre und wirkte, als alle andere äußere und inner« Politik. Hier zeigen sich neue Lebensmöalichkciten, neue Aufstiegs pfade, die allein aus dem Chaos herausführen können. Freilich, es gibt menschliche und völkische Schicksalstragödien furchtbarer Art, jene geschichtlichen Trauerspiele mit der bitteren Tragik: »Ihr habt nicht gewollt!* Soll und wird da» deutsch« Drama der S«g«nwart sich in «in« solch« Tragödt« wandeln? Dann allerdings wär« da« Schick sal b« deutsch«» Volk«, al» w»ltg«schichtlich« Größ» für immer be ¬ vor mir siegt «in »letzter Will«' au» der Vergangenheit. E, ist da» »politische Testament' de» preußischen Reformator», Frhrn. v. Stetn. E» enthält ein »Wt«deraufbau*-Programm au» jener Nacht- und Notzeit eine» völligen äußeren und inneren Zu- sammenbruch», au, der, auf Grund dies«, Programm», dann der neu» stark« Lebrnsgetst erzeugt wurde, jener Geist, den nicht nur äußer« Freiheit einrm vrrstlavtrn Staat, sondrrn vor allem «ine inner« Wiedergeburt einem entseelten Boll gebracht hat. Und ich meine, gerade hier stehen Vergangenheit und Gegenwart tu tiefst« Lebe: sbeziehung auf di« Zukunft. Di« große Riesenaufgab« der Ge genwart heißt ja doch wieder, wie damals: »Wiederaufbau!* Und da Zollte uns die Vergangenheit nicht» zu sagen, nicht» zu kehren haben!? Nur politische Narren oder Lharlatan« könnten da» nicht wahr haben wollen. Oder ist jene» »Testament* nicht geradezu eine programmatisch» Tatbestimmung für di« Zukunft? Ich greif« nur folgend« wichtigen Wahrheitssätze herau» und jeder Satz ist «tu Ha». m«rschlag an da» deutsche Gewissen der Gegenwart. »Der Staat ist kein landwirtschaftlich« und kein Fabrikter rain, sondern sein Zweck ist religiös-sittliche, geistige und körper» siche Entwicklung. Es soll durch seine Einrichtungen ein kräftige» mutiges, sittliche», geistvolle. Voll, nicht allein ein kunstreiches, gewerbebleißiges, gebildet werden. Damit aber all« diese Ein richtungen ihren Zweck, die innere Entwicklung ihres Dolles voll- ständig erreichen und Treue und Glauben, Liebe zum König und Vaterland« in der Tat gedeihen, fo muß der religiöse Sinn des Volke» neu belebt werden. Am meisten aber hierbei wie im gan zen ist von der Erziehung und dem Unterricht d« Jugend zu er- warten. Wird durch eine auf die innere Natur des Menschen ge gründete Methode jed« Geisteskraft von innen' heraus entwickelt, und jedes edle Lebensprinzip angeregt und genährt, alle einseitige Bildung vermieden, und werden die bisher oft mit seichter Gleich gültigkeit vernachläffigten Triebe, auf denen die Kraft und Würde beruht, Liebe zu Gott, König und Vaterland, sorgfältig gepflegt, so können wir hoffen, ein phasisch und moralisch kräftiges Ge schlecht aufwachsen und ein« besser« Zukunft sich auftun zu sehen.* Diese Hoffnung der Vergangenheit ward nicht zuschanden. Soll bi« Hoffnung der Gegenwart zuschanden werden? Machen wir den »letzten Willen* jener Vergangenheit zum vorwärtstreibenden ersten Willen der Gegenwart, und bi» Zukunft ist »ns«, und Deutschland wird von neuem leben! Dom Abendskern. Astronomische Plauderei von Gotthard Herzig. Vor fast genau einem Jahre zeigte sich uns d« Planet Den»» in seinem größten Glanz als Abendstern, um dann im Laufe der Vorfommermonate strahlend an den Frühhimmel zu treten und an diesem als Morgenstern bis in die letzten Monate des Jah res als schönstes Diadem zu prangen, bis dann die blendende Strah lenkrone des Tagcsgcstirn» das gleißende Lichtpünktlein verschlang. Der Planet war nämlich auf seinem Weg zur oberen Konjunktlon, die er am v. Februar 1L22 erreichte, der Sonne immer näher gekommen, um dann schließlich mit ihr auf- und unterzugehen. Die Folge die ser Stellung war, daß Venus uns weder als Morgen- noch als Abendstern erscheinen konnte, sondern unsichtbar blieb. Nun aber befindet sich der lichtfrohe Schwesterstern unserer Erde nach dein Durchschreiten der oberen Konjunktion auf dem Wege nach Osten, um über die größte östliche Elongation zur unteren Konjunktion zu ge langen, und die Folge davon ist, daß er vom Morgenhimmel an den Abendhimmel umgewechselt ist. Solange Venus (und selbstverständ lich auch der.andere »untere* Planet Merkur) westlich von der Sonn« steht, muß er ihr vorausziehen und vor ihr auf- und untergehen, also Morgenstern sein, während die nach der oberen Konjunktion erfol gende Stellung östlich von der Sonne die Verhältnisse umkehrt. Ende des vorigen Monats konnte Venu« al» Abendstern schon ganz bequem auf dem noch hell erleuchteten Himmelsgrunüe, etwas links von der Untergangsstelle der Sonne, am Mimmerungshimmel aufgefunden werden. Im Laufe des Monats April wächst die Dauer der Sichtbarkeit des Abendsterns nun rasch, weil sich der Planet noch mehr von d« Vonn« nach sink» köstlich) «ntkernt und bah« ft»»« läng« am Abendhimmel verweilen wird. Am Schluß b« Monat» können wir da, Gestirn bann schon üb« «in« ganz« Stund« b«sm»» d«rn. Allerdings zeigt es nicht den prächtigen Glan, wi» Iah» «»frist. D« Planet steht nämlich in diese» Jahr, nicht so günstM wie 1S21. Im Mat nimmt di« Dau« der Stchtbark«it noch etwa» zm um dann im Juni bereit« wieder abzuflauen. Im Geptemb« stöbt d« Planet nur noch etwa »in« halb« Stund« am Abendhimmel. Gr kommt in dies»« Monat in größt« östlich« Elongation, als» in d«n wtitesten Abstand von d« Sonn«. Infolgedessen wird « im Lauft de« Oktober» in di« Periode d»» größten Glanze« komm»«, doch hat sich mittl»rw«il» auch di» Dau« sein« Sichtbarkeit so verringert, dH « nur ganz w»nig» Augenblicke beobachtet werden kann. Im darauft folgenden Monat wird schließlich d« Eintritt in di« unt«r« Konjunk tion erfolgen und der Planet ganz in den Strahlen b« Sonn« v«r- schwinden, worauf der Phasen-Krelslauf in der im vorstehend«« «»ft wickelt«» Reihenfolge d« Erscheinungen vo« neuem anh«bt» * Zum Oberstaatsanwalt fik Fr«kVerg wurde der Staat» anwalt Asmu» in Plauen i. V. ernannt. Gr Hatta sich s. gt. ftn Dienste Lipinski» in der Untersuchung gegen »le »Brüder vom Stein* usw. Verdienste erworben. * Kreisauss^ß-Sttzun^ Unter dem Vorsitze de» Kreis- Hauptmanns Dr. Morgenstern trat am 80. Mär» der Krei»- ausschuß der Kreishauptmannschast Zwickau zu einer Sitzung zusammen. Beschlossen wurde die Abtrennung der Orta Pöhla, Rittersgrün und des Gutsbezirk» (Staatsforstrevier) Antonsthal vom Schornsteinfeger-Kehrbezirk Schwarzenberg und ihre Zuweisung -um Kehrbezirk Johanngeorgenstadt, da gegen wurde die Abtrennung der Orte Bermsgrün, Erla und Trandorf vom Schwarzenberger Kehrbezirk z. Z. nicht bewillige; ferner wurda beschlossen, auf die Bildung eine» neuen Kehv> bezirk» Lauter und Abtrennung der Ort« Lauter, Bockau, Langenberg und de» Ortsteil» Schwarzenberg-Neuwelt vom Kehrbezirk Schwakenberg nicht zuzukommen; wegen der Dev schmelzung de» Echornsteinfegerkehrbezirk» Schönheide mit dem Kehrbezirk Eibenstock sollen noch Erörterungen angestellt werden. Genehmigt wurden «. a. die Nachträge zur Gemeind«, teuerordnung für Neuordnung; der 12. Nachtrag zur Gemeinde teuerordnung für Eibenstock; der 14. Nachtrag zur Gemeinde» teuerordnung für Schneeberg über die Erhebung einer Sonde» teuer von Wanderlagerbetrieben; die Vergnügungssteuerord nung für Au« — letztere unter Widerrufsvorbchalt. Zur Ge nehmigung befürwortet wurde die Satzung des Gemeinde- verband» »Gemeinschaftliche« Mieteinigunasamt Schneeberg*. Endlich wurde bedingungsweise eine Erhöhung der Bezirks- Umlage im amtshauptmannschaftlichen Bezirk Schwarzenberg für bas Rechnungsjahr 1922/23 gemäht 8 6 Absatz 1 des Voll- zugsgesetzes zum Lanoessteuergesetze und ein« Abweichuna vo» der Regel der Art der Umlegung genehmigt. * Die Arbektrmarktlage wurde nach dem Wochenbericht des Landesamts für Arbeitsvermittelung in der letzten Woche durch da» anhaltende Frost- und Schneewetter vielfach beeinflußt. In der Landwirtschaft verschärft sich der Mangel an Arbeitskräften immer mehr. Die Industrien waren im allgemeinen noch recht gut beschäf tigt; nur in verschiedenen Porzellanfabriken ist wegen Kohlenmangei, verkürzte Arbeitszeit eingeführt und «» wird mit gänzlicher Stilleg ung zeitweilig gerechnet. Gebrüder Welkenwald. Roman von Lola Stein. (27. Fortsetzung.) 12. Johann Christian Westenwald war zur ewigen Ruhe ge tragen worden. Es war eine prunkvolle, feierliche Beerdigung gewesen. Die Bürgermeister, der ganze Senat, die Vertreter der Bürgerschaft und alle großen Exporteure Hamburgs hatten ihm das letzte Geleit gegeben. Auch aus Schifsahrts-, Ver sicherungs- und anderen Kreisen der Handelsstadt war die Beteiligung eine rege. Denn ein großer Kaufmann, der Der- treter einer Jahrhunderte alten Firma, der Träger eines in Hamburg klangvollen und geschätzten Namens war gestorben. Und zu dem allen kam, daß Johann Christian Westenwald für seine Heimatstadt Gutes und Großes geleistet, daß er smne ganze Kraft und seine Zeit stets allen gemeinnützigen und wohltätigen Zwecken zur Verfügung gestellt hatte. Mehr noch als dem alten Geschäft das er groß übernommen und in den bewährten Bahnen ohne Neuerungen und Verbesserungen weitergeführt, hatte er seiner Vaterstadt Gutes gegeben, hatte er ihr zum Segen gewirkt. Sein langjähriger Freund, Senator Dürkop, hielt ihm, nachdem der Pfarrer gesprochen, die Gedächtnisrede. Er hob des Toten unermüdliche Tätigkeit und seine stete Sorge im Dienste der Allgemeinheit rühmend hervor. Und alle, die ihm zuhörten, wußten und fühlten, daß Hamburg einen seiner besten Söhne heute verloren. Und nun war es still geworden in den hohen Räumen am Harvestehuder Weg, jene schreckliche Still« lagerte über dem Heim, das in den letzten Tagen die großen Erschütterungen, die schreckliche Aufregung gesehen und das dann nicht leer geworden war von teilnahmsvollen Menschen, die alle kamen, um der Witwe und den Kindern Johann Christian Westen- walds die Hände zu drücken. Nun saß Frau Karoline mit den beiden Mädchen allein. Der kleine Johann Christian war zur Schule geschickt worden. Es war das beste, wenn das Kind seine gewohnte Tätigkeit nach den großen Erschütterungen der letzten Tage bekam. Die drei Damen saßen zusammen und -dachten an das stille Grab da draußen auf dem wundervollen Friedhof in Ohlsdorf, der wie ein großer, herrlicher Park war, auf dem die ersten Boten des nahenden Frühlings, Krokus und Hya- zinthen und Schneeglöckchen, jetzt schon blühten. Sie dachten an die von kostbaren Kränzen überdeckte letzte Ruhestätte des teuren Mannes und weinten wieder- wi« si« dies« ganzen Tage geweint. Da kam eins der Mädchen und bat Fräulein Dorothea ans Telephon zu kauunrn. Herr Manfred wünsche sie zu sprechen. verwundetes Lächeln. Manfred Westenwald braucht« sie. Di« seltsam das war . . . Dann saß sie ihm gegenüber und konnte nun doch in diesem Raum den aufsteigenden Tränen nicht gebieten. Denn sie ward überwältigt von den Erinnerungen an di« letzte Zett ln der sie täglich in diesem Zimmer mtt Johann Christian Westenwald gearbeitet und geplaudert, und in dem fi« ihn dann schließlich gefunden, als si« es ahnungslos betreten: tot und kalt. Und Manfred, der selbst innerlich so sehr aufgewühlt war, zerflossen von Schmerz und Unruhe, weich und schwermütig gestimmt, ließ sie weinen. Er trat zu ihr heran und nahm ihr mit einer zarten und behutsamen Bewegung den Hut mit dem schwarzen Schleier vom Haupt und streichelt« dann ihr» Hände. »Ja, Thea, wir haben unendlich viel verloren. Du eben- soviel wie Elly uird ich. Denn Vater hat dich ja gellebt- al» wärst du sein eigenes Kind* »Ich hab« stets den Vater in ihm gesehen,* sagt« Doro thea und trocknete ihre Tränen, „und bin ihm in den letzten Monaten, seit ich bei ihm arbeiten durfte, ja noch tausendmal näher gekommen als je zuvor.* Er hatte sich zu ihr auf das Lebersofa gesetzt, da» Johann Christians Schreibtisch gegenüberstand. »Es muh'erstaunlich sein, was du kn der kunen Zett ge- leistet hast, Thea,* saffte er nun. »Zuerst, als Mutter mir schrieb, du sehntest dich nach Beschäftigung und wärest in Vaters Kontor tätig, da nahm ich es nur als Mädchenlaune und dachte, es würde nicht lange währen. Aber nun in den letzten Tagen habe ich ganz Erstaunliches von deinen Fähig keiten und Leistungen gehört- kleine Thea.* Sie war leicht errötet. »Ich weiß nicht, wer dir davon gesprochen hat, aber jedenfalls haben diejenigen stark über- trieben. In ein paar Monaten könnt« ich garnicht» Ordent liches leisten.* »Die mir davon sprach, übertreibt gewiß nicht, Thea,* sagte er warm, »es war Mutter, die mir erzählte, wi« rühmend und stolz und direkt beglückt Vater von deinen Leistungen gesprochen hat, " wie froh er war, daß da» alte Kaufmannsblut unseres Geschlechte» sich so stark in dir regte, in einer Frau.* Er schwieg einige Sekunden und meinte dam» trübe: „In mir ist viel zu wenig von diesem Kaufmanns blut, ich passe nicht recht für meinen Beruf. Auf mir ruht jener Fluch, der Erben großer Häuser so oft trifft: ich bin nicht geschaffen für das Werk, das mich erwartet. Ich bin eben nur ein Erbe und werde wohl nie «in Eigenschafsender sein, nur ein Nachempfindender.* (Fortsetzung folgt.) ! Kit» t»rdls» Seftuft» «le» nteftt kor«, Uurcd äiErben ml: Lraan» Vlldr» «I« v!«ä« vt« vsu, ebenso »IIs onösren allen, unanivbnUek gevonir-n» l^i««ct»»L. I» «ll»a »1a»ctU»g>goll 0—GUw» «rdWUU^ Sie erhob sich, ein wenig verwundert, trocknete die immer wieder hervorquellenden Tränen und ging an den Apparat. Mairs red Westenwald war heute zum erstenmal nach seiner Rückkehr in das Geschäft seiner Väter gegangen. In den letzten Tagen hatte ihm Zeit und Ruhe für die Arbeit ge fehlt. Nun aber riefen ihn gebieterisch seine neuen Pflichten. Er bat Dorothea, zu einer geschäftlichen Unterredung zu ihm ins Kontor zu kommen. Thea war erstaunt. „Muß das denn sein, Manfred?* fragte sie unruhig. »Ich lasse Tante und Elly wirklich nur ungern allein.* „Ich bitte dich sehr, Thea,* sagte der Vetter, „ich stehe dem Ganzen hier ziemlich hilflos gegenüber, da ich so lange hier nicht gearbeitet habe. Ich möchte mir keine Blöße vor dem Personal geben, du verstehst. Da wollte ich einige Auf- schlüffe von dir erbitten. Du weißt ja jetzt hier Bescheid. Also ich bitte dich, nochmals: komm.* „Gut,* sagte sie, „ich bin in einer Viertelstunde bei dir.* Und sie hängte den Hörer ein und gab Weisung, das Auto vorfahren zu lassen. Sie sagte Frau Karoline, d-ß Manfred sie um eine ge schäftliche Unterredung bat, und die Tante, die zuerst so außer sich gewesen, als Thea ins Kontor des Onkels gewollt- sagte nun, da sie ihren Liebling in Nöten wähnte: »Ach ja, Thea, gehe du zu ihm. Gewiß kannst du ihm manche Ratschläge jetzt geben. Er weiß ja garnicht mehr, was ' n Geschäft in den letzten Monaten geschehen ist, und du bist ! über alles unterrichtet und so glänzend eingearbeitet wie Onkel oft zu mir sagte. Ja, Kind, er hat dich immer wieder voll Stolz und Freude gelobt, deine Leistungen haben ihm direkt imponiert.* „Wie wandlungsfähig bas menschliche Her- doch ist,' dachte Thea, aber sie sagte nichts. Sie drückte der Tante und Elly nur die Hand und ging in ihr Zimmer, um Jackett und den Trauerhut mit dem wehenden Schleier anzulegen. Als sie vor die Tür des Hauses trat und den Garten durchschritt, amtete sie auf. Es tat wohl, herauszukommen, frische Luft zu spüren. Uüd es würde vielleicht auch wohl tun, die Gedanken auf ganz andere Dinge als Tod und Trauer, auf geschäftliche Dinge, konzentrieren zu müssen. Während sie die kurze Fahrt im Auto zurücklegte, kamen dann wieder Beängstigungen über sie. Nun sollte sie Man fred Westenwald, den sie soviel wie möglich meiden gewollt, den sie nur in der Gesellschaft der andern zu sehen gehofft, allein gegenüberstehen, allein mit ihm lange und ernsthaft sprechen. Und wenn es zehnmal geschäftliche Dinge waren, die zwischen ihnen beredet wurden, ihr würde dies Alleinsein mit dem geliebten Manne doch zur Qual werden und zur Pein. Und doch mußte sie zu ihm gehen, da er sie rief, da er sie brauchte. Eie lächelte vor sich hin. La war ein wehes und zugleich
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