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PAPIER-ZEITUNG. Nr. 52. sechsfacher Reihe hinziehen, oder die Silberkettchen, die von oben herniederfallen, eins immer kürzer als das andere, und den Bogen in seiner ganzen Breite füllen. An jedem ist ein Blümchen, Schweinchen, Glückskleeblatt oder Käferchen als Abschluss befestigt. »Paris instantane«, ein Karton, in dem alle Bogen in Stein druck ein Augenblicksbild aus der grossen Stadt tragen, hat bei den patriotischen Parisern sehr grossen Beifall gefunden, ist aber jetzt schon überholt. Die Erbschaft hat ein anderes Briefpapier angetreten, das in Buntdruck Typen aus dem Pariser Strassen leben giebt, von der zierlichen Französin in neuester Toilette Pompadour angefangen, bis zu dem Lumpen, der mit begehrlicher Miene die reichen Schaufenster mustert. Für Herren ist »Paris aus der Vogelperspektive« da, mit zum Theil etwas anstössigen Illustrationen schräg in einer Ecke hingeworfen. Als Hintergrund und zugleich Umrahmung für das Bild ist zuerst irgend eine leuchtende Farbe dick aufgetragen; nach Belieben oder vielmehr nach dem Grade der Phantasie eines Jeden kann man diese »Vor bereitung« des Papiers für die Zeichnung für einen riesigen Klex oder für Wolken ansehen. Für letzteres spricht der Umstand, dass überhaupt jetzt Papier mit dunkleren grauen Wolken- oder Fleckenmustern sehr beliebt ist; auch Menukarten findet man oft in dieser Art. Letztere sind nach wie vor Gegenstand ernsthaftesten Nach denkens für die Fabrikanten. Es ist so Vieles gebracht, dass man schliesslich gamicht mehr weiss, womit auf den blasirten Pariser noch Eindruck zu machen ist. Die Blumenmuster erklärt er für abgedroschen, Landschaften und Vögelchen eben falls, und das Einzige, was ihn noch einigermaassen zu reizen ver mag, sind humoristische Illustrationen, oft ziemlich stark gewürzter Art, die besonders für Herrendiners beliebt sind. Tänzerinnen, meist so wenig bekleidet wie nur möglich, in den unglaublichsten, kiihnen Luftsprüngen, die sie in einem Champagnerflaschenwirbel ausführen, spielen da eine sehr hervorragende Rolle und ziehen manchmal noch einen ganzen Schwarm buntbefrackter Sterblicher mit sich in die höheren Regionen. Viel Beifall finden sehr lange schmale Menukarten in grobkörnigem gelbem Papier. Auf denselben halten dralle Köchinnen je einen Zipfel eines grossen weissen glänzenden Linnens oder auch eines hübsch gemusterten Damast tischtuches, auf dem die Speisen zu verzeichnen sind. Oft kommt das Tafeltuch augenscheinlich eben frisch von der Wäscherolle. Eine Küchenfee dreht oben eine mächtige Kurbel, um es abzu wickeln, unten stehen mehrere andere und ziehen es nach allen Seiten hin aus. Viele Menukarten zeigen auch eine lustige, schmausende Gesellschaft als En-tte; die Köpfe sind nur leicht angedeutet und statt der Bärte spriessen den Gästen Zwiebelkraut und Pctersilienwurzeln hervor; über ihren Köpfen scheint die Luft von geheimnissvollen Dingen angefüllt, wie Kalbsfüssen, Zungen, Schweinsköpfen usw., die man aber nur undeutlich unterscheidet, da ein gewisses Halbdunkel herrscht. Die Menukarten mit eineinen als En-tete aufgehängten Geräth- schaften oder auch einer vollständigen blitzblanken Küchenbatterie machen stets viel Vergnügen. Statt der kupfernen Kasserollen, Pfannen usw., die am langen Stiel eines zierlichen Pflockes so leicht aufgehängt sind, dass sie, wenn man die Karte in die Hand nimmt, in schwingende Bewegung gerathen, sieht man auch viele, die Weissblech imitiren sollen, und sogar eiserne Riesen koch töpfe, die an langem Querholz hin- und herschwanken. Allerliebst ist das durch kleine Stückchen gefärbten Marienglases durchscheinende Herd- oder Kamin-Feuer, letzteres mit der Unterschrift »mon coin de feu«. Zuweilen sitzt auch eine lesende junge Dame davor, die Füsse in den zierlichen Pantöffelchen über die Flammen gestreckt. Bei den Doppel-Menukarten, die das Speisenverzeichniss stets auf der zweiten Seite enthalten, schneidet man gern in dem Ober blatt ä-jour-Verzierungen ein, zwischen die hindurch man die Schrift auf dem unteren Blättchen lesen kann. Ferner umgiebt man diese Karten oft mit einer wirklichen Seidenfranse und presst in einer Ecke sehr hoch ein schönes Seidenkissen mit Malerei aus, an dem, mit haarfeiner Schrift vermerkt, ennui, chagrin usw., kurz alle Sorgen des Menschenlebens mit kleinen Stecknadeln aufge heftet erscheinen. Ein hübsches Verslein darunter verkündet, dass jeder Gast das Recht und die Verpflichtung habe, es während des fröhlichen Mahles mit jedem Kummer, der ihn drückt, so zu machen, d. h. ihn zeitweise abzulegen. Im Gegensatz zu den Menus, bei denen humoristische und naturalistische Illustrationen vor allem beliebt sind, greift man für die Gratulationskarten noch immer vorzugsweise nach den ewig reizvollen Blumenverzierungen. Anmuthige natürlich fallende Ranken, grosse Einzelblüthen, aber nie stilisirt, sondern immer so getreu wie möglich der Natur nachgezeichnet, vermischen sich I mit steifen Gold - Arabesken Louis XV. und Louis XVI. Letztere erscheinen stets hoch gepresst, während die Blumen ganz wie mit der Hand gemalt aussehen müssen. Die neuesten Kärtchen sind sehr lang und schmal, die Ecken meist umgebogen und anders gefärbt und an eine grosse Rose, Crysantheme usw. befestigt. Der Glückwunsch ist nicht selten mit Goldbuchstaben in den Kelch der Blume geschrieben. Die Umschläge für diese Karten nimmt man gern gezackt, an der Schmalseite zu öffnen und auf der Klappe mit einem grossen Goldbuchstaben oder dem ganzen ausgeschriebenen Vornamen versehen. Letzteres gestattet dem Absender, die Karte für einen nahen Verwandten oder Bekannten ohne Namens-Unterschrift in den Umschlag zu stecken, was von vielbeschäftigten Leuten oder doch solchen, die es zu sein glauben, für einen grossen Vortheil gehalten wird. Einige Händler verkaufen jetzt auch Karten mit dem dazugehörigen Umschlag. Bildet eine Rose oder ein Nelken strauss den Ausputz auf ersterer, so zeigt auch der Umschlag dieselbe nur ganz winzige Verzierung. Feuchtigkeitsbestimmung von Papierstoffen. Da über die Grundlagen der Feuchtigkeitsbestimmung, nämlich Trocknen des feuchten Stoffes bei einer 100° nicht wesentlich über steigenden Temperatur und Hinzurechnung eines bestimmten Prozentsatzes für Luftfeuchtigkeit zu dem gefundenen Gehalt an Trockenfaser fast alle betheiligten Kreise einig sind, besteht der Grund der oft auftauchenden Streitfälle zwischen Käufern und Verkäufern in Bezug auf den Trockengehalt zumeist in der Ver schiedenheit der Probenahme. Wir haben wiederholt Vorschläge für einheitliche Probenahme veröffent licht und fügen diesen den Vorschlag von R. W. Sindall hinzu, den dieser in einem Vortrag im Verein für chemische Industrie machte. Jedem zur Probenahme gewählten Ballen feuchten Stoffs werden aus Lagen, die den starken Linien Fig. 1 entsprechen, 5 Bogen entnommen, und zwar ein mittlerer (3), 2 aus halber Höhe zwischen Mitte und Aussenseite (2 und 4) und 2 unmittelbar unter halb der äussersten Bogen (1 und 5). Von jedem dieser Bogen werden mit der Spitze eines Messers werden die in der eben beschriebenen Art jedem zu untersuchen Fig- 2. Liegt trockener 4 oder 5 kleine Fetzen Stoff von Orten quer über das Blatt (Fig. 2) oder in der Mittellinie (Fig. 3) herausgehoben und sofort in ein Wägeglas gebracht. Untersuchung vor, so Fig. 3. Stoff in Bogen zur den Ballen entnommenen 5 Bogen Streifen aus allen 5 zugleich ge schnitten, wie Fig. 4 zeigt, und in die Wägeflasche gebracht. Sind die Ballen gut verpackt und ergiebt der Augenschein eine ziemliche Gleichmässigkeit der Waare, so genügt es, 1 pCt. der Ballen auf diese Art zu unter aufeinander gelegt, schmale Fig- 4. suchen. Ist das Gegentheil der Fall, so müssen bis 4 pCt. der Ballen zur Untersuchung herangezogen werden, um der Wahr heit nahe zu kommen. Aufbewahrung von Stoffmustern Herr H. A. Rademacher schreibt aus Lawrence in Massa chusetts mit Bezug auf die Anfrage in Nr. 37, dass er Stoff proben Jahre lang auf bewahrt und verschiedentlich den Gerichten vor gelegt habe. Sulfit-, Stroh-, Esparto-, Zuckerrohrstoff wurde, wie in Nr. 37 beschrieben, zwischen Metalltuch gepackt und gewaschen, nur mit dem Unterschied, dass er jede Probe vor der Trocknung in eine Lösung von 1 Theil ätzendes Quecksilber - Sublimat in 1000 Wasser tauchte. Das Verfahren war von Dr. Carl Kellner empfohlen, und keine der so behandelten Proben ist schimmlig geworden, alle haben sich vielmehr gut gehalten.