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Nr. 51. PAPIER-ZEITUNG. 1647 Sind technische Beamte berechtigt, sich Proben der unter ihrer Leitung erzeugten Papiere anzueignen? , 19. Juni 1896. Zu der Mittheilung unter dieser Ueberschrift in Nr. 47 bemerke ich, dass nach den jetzigen Gesetzen der angeführte Fall, in dem Herr Carl Hofmann ein Gutachten abzugeben hatte, leider nicht bestraft werden kann. Das wird aber anders, sobald das bereits im Reichstag angenommene Gesetz über den unlauteren Wettbewerb in Kraft tritt. Uebrigens ist die Meinung, dass Proben werthlos seien, eigenthümlich und meines Erachtens auch irrig. Wenn auch die Muster an und für sich keinen Werth haben, denn auf ein paar Kilo Papier mehr oder weniger kommt es in einer Papierfabrik nicht an, so liegt auch der Diebstahl, denn genau genommen ist es einer, nicht in den als Papier fast werthlosen Mustern, sondern in den Rezepten, die sich der Beamte in Gestalt der Muster angeeignet hat. Benutzt er die Rezepte nur, um da durch eine andere Stellung zu erlangen, so ist das noch Verhältnis^ mässig ehrenwerth, in vielen Fällen aber wird regelrecht Handel damit getrieben, sodass nicht eine Fabrik die Geschäftsgeheimnisse erfährt, sondern jede, die dafür zahlen will. Wenn man aber die an und für sich werthlosen Muster zu Geld machen kann, sind dieselben dann werthlos ? Mit Wissen und Willen lässt sich Niemand seine Rezepte stehlen, und daraus ergiebt sich schon die unlautere Handlungsweise. Dass jeder Beamte weiterstreben will, ist selbstverständlich, und wer Beamte hat, dem werden auch Geschäfts- und Fabrikations-Geheimnisse fortgetragen. Erfährt aber der Fabrikant davon, so hat er das Recht und die Pflicht, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen, denn schliesslich ist sich Jeder selbst der Nächste. Alles in Allem halte ich das erwähnte Gutachten nicht für richtig, und vielleicht würde sich der sächsische Staatsanwalt doch zu einer Verurtheilung entschlossen haben, wenn darin nicht nur der Nutzen hervorgehoben wäre, den der Beamte durch die Muster hat, sondern auch der Schaden des Fabrikanten. Jedenfalls ist für Fälle, wie der geschilderte, das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb mit Freuden zu begrüssen. G. ♦ * * . . . ., 13. Juni 1896. Wenn ich auch Ihre Ansicht von vornherein für richtig halte, so bedarf der Titel »unter ihrer Leitung erzeugten Papiere« noch eines Zusatzes, da dieser Titel sich sonst zu weit ausdehnen lässt. Ich habe in meinem Kontrakte — als technischer Direktor einer grossen Aktien gesellschaft — ausdrücklich betont, dass Muster mit Rezepten (in Abschrift) als geistiges Eigenthum mein persönliches Eigenthum bleiben. Diese Muster haben ja keinen besonderen Werth an sich, wohl aber, wenn man die Stoffzusammensetzung kennt. Naturgemäss muss der technische Beamte, welcher diese Rezepte entwirft, im wahren Sinne also die Fabrikation direkt leitet, der Besitzer derselben und der Muster bleiben. Es ist ja Gebrauch, dass man sich allein schon des Vergleiches wegen seine älteren Muster in eine neue Stellung mit bringt und sie nach seiner Ueberzeugung für vortheilhaft gehaltene Methoden und Mischungen beibehält. Meiner Meinung nach ist aber nur allein der Fabrikations-Leiter hier zu berechtigt und nicht, wie oft angenommen wird, der Werkführer oder gar die Holländermüller und Maschinenführer. Der Werkführer arbeitet eben nur nach Vorschrift, hat mithin keinen Antheil am geistigen Eigenthum, an den Rezepten und den nach denselben erzeugten Papieren. Gewöhnlich pflegen Werkführer beim Abgeben von Stellegesuchen auch noch Muster von Papieren, die sie erzeugt haben, beizulegen und oft lässt man sich verleiten, einen Mann deshalb anzunehmen, fällt dannaber gelegentlich schwer hinein! Wenn ein Werkführer, der nicht selbständiger Fabrikations-Leiter ist, sich Muster mit Rezepten aneignet und in die Welt schickt, um mit denselben eine Stellung zu erlangen, so halte ich das für ungesetzlich und die betreffende Firma schwer schädigend, wenn solches aber Holländermüller und Maschinenführer thun, geradezu für Betrug. Es richtet sich also das Aneignen von Papiermustern und Rezepten nach der Stellung, welche der Betreffende einnimmt. Die Muster werden allerdings in grossen Mengen an Kunden und Agenten abgegeben, sind aber meiner Meinung nach nicht ohne Werth. Denn oft muss man dieselben mit Opfern herstellen, um daraufhin Auf träge zu bekommen, und für den Fabrikanten, welcher sich mit den Erzeugnissen des Wettbewerbes so schnell wie möglich bekannt machen will, um gegebenenfalls gutem Beispiel folgen zu können, sind sie sehr werthvoll. Muster haben also immerhin einen Werth, es kommt nur darauf an, in wessen Händen sie sind. Kommt noch die Angabe des Preises hinzu, so ist einem erfahrenen Fabrikanten die Fabrikations weise des Wettbewerbers sofort verrathen, ohne dass er dessen ersten Fabrikationsleiter anzustellen braucht. Ein Blatt Papier, auf welchem ein Brief geschrieben ist, hat kaum einen Werth, aber was darauf geschrieben ist, kann eine grosse Summe darstellen. Ein Papiermnchcr. • # * # , . . . 15. Juni 1896. Es kann meiner Meinung nach keinem Zweifel unterliegen, dass der mit der technischen Leitung einer Papierfabrik betraute Beamte vollauf berechtigt ist, Ausfallmuster der nach seinen Anordnungen erzeugten Papiere aufzubewahren und für sich zu behalten. Diese Muster werden meist mit einer Reihe von Anmerkungen über Stoffmischung, Behandlungsweise, Eigenschaft des fertigen Erzeugnisses usw. ver sehen und bilden eine für jeden strebsamen Papiermacher unerschöpf liche Fundgrube, die bei jedesmaligem Vergleichen und Betrachten neue Belehrungen und Aufschlüsse spendet, alte Beobachtungen frisch vor das Auge zaubert und somit die Grundlage der Treffsicherheit bildet, d. h. jener Fähigkeit, nach vorgelegtem fremdem Muster genau zu arbeiten. Derartige Ausfall-Muster-Sammlungen stellen übrigens für ihren Eigenthümer eine Art geistigen Besitzes dar und werden nur aus dem Grunde aufbewahrt, weil sie gewissermaassen bildlich das zum Ausdrucke bringen, was der mit der Herstellung der Papiere betraute Fachmann im Geiste ausklügelte, und ihm jederzeit die Trag weite dieser oder jener Anordnung im Betriebe vor Augen führen. Dass dem so ist, beweist die allgemein verbreitete Gepflogenheit, die geistige Fähigkeit und praktische Verwendbarkeit eines stellesuchenden Bewerbers nach den unter seiner Leitung erzeugten Papieren zu messen und zu beurtheilen, zu welchem Zwecke derselbe Muster vorlegen muss! Kein Fabriksherr wird sich beklagen, wenn ein von ihm mit der technischen Leitung seiner Fabrik betrauter Beamter möglichst viele Erfahrungen aus früheren Stellungen mitbringt, ja man kann sagen, dass die meisten Engagements gerade geschlossen werden, um sich die Erfahrungen eines Anderen oder einer anderen, vielleicht vorgeschritteneren Fabrik, zu Nutze zu machen, daher darf sich auch kein Fabriksherr wundern, dass der Beamte seinen Erfahrungs schatz mittels Ausfallproben, die kürzer und deutlicher als ellenlange Notizen sprechen, bereichert und so seinem Erinnerungsvermögen zu Hilfe kommt. Erwägt man, dass es sich bei solchen Proben oft ausschliesslich um deren Färbung handelt, dass jeder Fabriksherr ein rasches Treffen einer, wenn auch zum ersten Male vorliegenden Farbe verlangt, dass ein Farbton und dessen Erzeugung von Niemandem haarscharf im Geiste behalten werden kann, so kommt man zu dem Schlüsse, dass Niemand ein sicherer, seinen Vorgesetzten zufriedenstellender Färber sein kann, der nicht in der Lage ist, mit Ausfärbemustern bekannter Zusammensetzung vergleichen zu können und danach seine Entschlüsse zu treffen. Eine Beschreibung eines Farbtones im Notizbuche ist ein Unding, und Jeder, der gefärbte Papiere arbeitet, ist] auf Muster bekannter Farbenzusammensetzung angewiesen. Wenn also ein Fabriksherr sich nicht wundert oder sein Missfallen darüber äussert, dass sein Beamter solche geistigen Hilfsmittel in seine Stellung mitbrachte, so darf er dies auch nicht thun, wenn sie der Beamte um neue vermehrt, und beim Scheiden aus seiner Stelle mit sich nimmt. Die Verpflichtung, das Wohl und Wehe des Fabriksherrn allein vor Augen zu haben, erstreckt sich nur auf die Dauer des gegen seitigen Zusammenarbeitens. Für persönliche Kenntnisse und deren Verwerthung wird der technische Beamte bezahlt, und es kann daher nicht einmal gefordert werden, dass derselbe seine Erfahrungen .rück sichtslos preisgiebt, d. h. einen Anderen anlernt, sonst wäre der Aus beutung durch gewissenlose Unternehmer ein mächtiger Vorschub geleistet, und der tüchtigste Beamte könnte erwarten, dass er. nach dem er wie eine Zitrone ausgequetscht wurde, auf die Strasse gesetzt wird. Einen materiellen Werth — als verkaufsfähiges Papier — besitzen solche Ausfallproben auch in der Regel nicht, denn sie bestehen aus kleineren, werthlosen Stücken, und es wäre traurig, wenn aus dem Besitze solcher auf eine widerrechtliche Aneignung oder Diebstahl geschlossen werden dürfte, da gerade jene Papiermacher in die Klasse der Hauptdiebe gerechnet werden müssten, die auf ihre Vervoll kommnung und Weiterbildung den meisten Fleiss und das meiste Studium verwenden. Fordert ein Fabrikant, dass der technische Beamte aus seiner Stellung keine Papierproben mit sich nimmt so muss er dies bei der Anstellung ausdrücklich betonen, er wird aber dann schwerlich eine tüchtige Kraft finden, die diese Bedingung annimmt, denn sie schädigt am Weiterkommen! Jeder Papiermacher weiss, dass eine neue Stelle nur dann zu erreichen ist, wenn man sich nebst den schönen Zeugnissen auf Thatsächliches, und das sind eben in diesem Falle Papiermuster, stützen kann. Leeren Worten traut Niemand. C St. Handlungsgehilfen-Verbände. . . . ., 9. Juni 1896. Wir sind vier junge Kaufleute und wünschen einem Handlungs- gehilfen-Verbande beizutreten. Kürzlich wurde es jedem von uns zur Pflicht gemacht, sich zu erkundigen, welchem von den bestehenden Ver bänden wir uns gemeinschaftlich anschliessen wollen. Bei unserer zu diesem Zwecke festgesetzten Zusammenkunft konnten wir jedoch zu keinem endgiltigen Schlüsse kommen, da ein Kollege den »Hamburger Verband« als besonders gut empfahl, ein anderer und auch ich für den »Leipziger Verband« eintraten, während unser noch übrig bleibender Freund mit Entschiedenheit behauptet, in Dresden gehört zu haben, es gäbe noch einen »Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband« — Sitz ist un bekannt — und dieser soll zweifellos die grösste Zukunft haben. Sollte Ihnen jener Verband bekannt sein, so bitte ich um getl. Angabe seines Wirkungsortes. ch Da wir über die verschiedenen Verbände nicht unterrichtet sind, so bitten wir unterrichtete Fachgenossen um sachliche Dar legung der Bedeutung der Verbände und deren Leistung. D. Red.