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Nr. 44. PAPIER-ZEITUNG. Prüfang der Holzzellstoffe im Papier. Aus der Leipziger Papierprüfungsanstalt. Kein Fabrikant wird leugnen, dass die im Handel befindlichen Nadelholzzellstoffe an Beschaffenheit sehr verschieden sind. Die unverarbeiteten Zellstoffe lassen sich zwar hinsichtlich der Festigkeit schon durch rohe Reissversuche mit der Hand, im Uebrigen nach dem Aussehen, insbesondere der Reinheit der Farbe, bis zu einem gewissen Grade ihrem Gebrauchs- und Marktwert!! nach beurtheilen. Im Rohstoffhandel wird wahrscheinlich auch in nächster Zukunft die Beurtheilung des Zellstoffs nach diesen primitiven Grundlagen für genügend erachtet werden, obwohl z. B. die Farbe durchaus nicht ein zuverlässiger Maassstab für die Reinheit ist. Es giebt ungebleichte Sulfitzellstoffe, die sehr weiss aussehen und doch ziemlich unrein sind. Um über die Beschaffenheit des Zellstoffs im fertigen Papier noch ein Urtheil zu gewinnen, besonders wenn neben demselben noch andere Faserstoffe verwendet wurden, besass man bisher keine Mittel. Nur Erzeugnisse, die in so hohem Grade unrein sind, dass sie noch die bekannten Holzschliffreaktionen zeigen, konnte man auch bisher ihrem Werthe entsprechend beurtheilen. Aber auch in Fällen, wo diese Reagentien versagen, kann es erwünscht sein, Mittel zu besitzen, durch die man in den Stand gesetzt ist, die verschiedenen Qualitätsstufen zu bestimmen. Es muss dies umsomehr erwünscht sein, als allem Anschein nach die Beständig keit des Zellstoffs von dem Grade der Reinheit abhängig ist. In gewissen Anilinfärbstoffen besitzen wir nun Mittel, den Grad der Reinheit mit grosser Genauigkeit festzustellen. Damit ist auch die Möglichkeit einer auf sachliche Beobachtungen ge gründeten Beurtheilung des zu einem Papiere verwendeten Zell stoffs gegeben. Seit mehr als einem Jahre habe ich auf eine grosse Anzahl von Zellstoffproben, unter denen ich einige besonders werthvolle der Güte des Herrn Direktor Schacht verdanke, diese Färbungs art angewendet und sie als brauchbar befunden. Auch wurden bereits in einigen Fällen, veranlasst durch eine Mittheilung auf dem Umschläge unseres Jahresberichtes über 1894, Prüfungen der Rein heit des Zellstoffes auf Antrag in der Leipziger Papier-Prüfungs anstalt ausgeführt und damit das Verfahren praktisch verwerthet. Eine willkommene Bestätigung erfuhr die Brauchbarkeit meines Verfahrens durch die am Ende des verflossenen Jahres erschienene Schrift von Professor Behrens, der für die Benutzung von Anilin färbstoffen als Prüfungsmittel in umfangreicher Weise den Grund gelegt, und der das verschiedene Verhalten gebleichten und ungebleichten Zellstoffs gegen denselben Farbstoff, den auch ich unter den zahlreichen durchprobirten Anilinfärbstoffen als den geeignetsten kennen gelernt hatte, beobachtet hat. In der Praxis wird die Fragestellung wahrscheinlich meist die sein, ob gebleichter oder ungebleichter Zellstoff verwendet wurde. Beste reine gebleichte Zellstoffe färben sich mit der ange wandten Farbstofflösung garnicht. Ungebleichte Zellstoffe da gegen, gleichviel ob Natron-, Sulfit- oder Natron-Sulfat-Zellstoffe, färben sich ausserordentlich stark blaugrün; je weniger rein die Zellstoffe sind, umsomehr spielt die Farbe ins Grüne, besonders bei den in jeder Beziehung den Aufschliessungs- und Reinigungs vorgängen mehr Widerstand entgegensetzenden Herbstholzfasern, d. h. sie nähern sich dem Farbton, den Holzschliff annimmt. Halbge bleichte Zellstoffe färben sich in der Farblösung in verschiedenen Abtönungen von Blau, vom reinen Himmelblau bis zu Blaugrün. Danach ist der Grad der Fähigkeit zur Farbstoffspeicherung offenbar abhängig von dem Grade, bis zu welchem die Holzzellen in reine Zellstoff fasern übergeführt worden sind. Das Verfahren entscheidet zwar nicht unmittelbar darüber, ob der Zellstoff dem Bleichprozess unterworfen wurde oder nicht, sondern es unterrichtet uns, was weit wichtiger ist, über den Grad der Reinheit. Insofern aber höhere Grade der Reinheit nur durch den Bleichprozess zu erreichen sind, erlaubt es einen Schluss auch darüber, ob und mit welchem Erfolg der zur Prüfung vorliegende Zellstoff gebleicht wurde. Der Farbstoff ist ein basischer grüner Triphenylmethanfarb stoff, des Malachitgrün. Er ist bis zur Sättigung in Wasser mit 2 pCt. Essigsäure zu lösen. Die Färbung erfolgt unmittelbar, gestattet also ein rasches Arbeiten. Die Farben sind durch Auswaschen mit Wasser nicht zu entfernen. In den daraufhin angestellten Versuchen hatten die gefärbten Faserflocken auch nach mehreren Wochen dauernden Liegens in Wasser ihre Färbung behalten. Liegen reine Zellstoffe zur Prüfung vor, die man unmittelbar in die Farbstofflösung bringen kann, so genügt schon die Beob achtung mit blossem Auge, die Farbgegensätze treten ausser ordentlich stark hervor. Bei fertigen Papieren aus Fasergemischen ist natürlich zunächst eine Zerfaserung zum Zwecke der mikroskopischen Beobachtung nothwendig. Es fragte sich, ob das übliche Verfahren der Vor bereitung zum Zerfasern, das Kochen mit 1 pCt. Natronlauge, die Reaktion beeinträchtige. Das ist nicht der Fall, vorausgesetzt, dass die Natronlauge rein ausgewaschen wird; ich benutze dazu in der Regel ein Filter aus feinster Drahtgaze, ein solches erlaubt in sehr kurzer Zeit sehr gründliches Auswaschen. Man kann nun eine kleine Menge des Faserbreies unmittelbar auf dem Objektträger ausbreiten, mit einem Tropfen der Farb stofflösung betupfen, mit Wasser auswaschen und beobachten. Die letzten Reste des etwa noch in der Umgebung der Fasern in Lösung vorhandenen Farbstoffs werden bald von den Fasern gespeichert, verschwinden also aus jener. Für das Mikroskopiren ist zu beachten, dass die Farbunter schiede am besten wahrzunehmen sind, wenn man mit voller Beleuchtung arbeitet, also ohne Blende im Mikroskop. In Verbindung mit dem eben beschriebenen Färbungsverfahren ist es auch möglich, zu erfahren, ob der zu einem Papiere ver wendete Zellstoff durch Natron- oder Sulfitverfahren gewonnen worden ist, und zwar durch Prüfung der Farbstoffaufnahme aus einer zweiten Anilinfarbstofflösung. Unter mehreren hierfür anwendbaren Farbstoffen erschien mir als der geeignetste: schwefelsaures Rosanilin in saurer Lösung. Man löst den Farbstoff in schwach mit Alkohol versetztem Wasser bis zur Sättigung und fügt einen geringen Zusatz von Schwefelsäure hinzu. Dieser ist einfach nach der Farbveränderung, die er hervorbringt, zu regeln. Bei der konzentrirten, mit 2 pCt. Alkohol versetzten Wasserlösung ist dann die genügende Menge Schwefelsäure zugesetzt, wenn die ursprünglich karminrothe Farbe einen violetten Schimmer angenommen hat. Bringt man Zellstofffasern in die Lösung, so färbt sich: 1. Ungebleichter Sulfitzellstoff tief violettroth; dieser ist des halb leicht und mit voller Sicherheit mit freiem Auge, sowie mikroskopisch zu erkennen. 2. Gebleichter Sulfitzellstoff nimmt dagegen eine weniger intensive, weniger ins Violett spielende rothe Farbe an. 3. Ungebleichter Natronzellstoff färbt sich durchschnittlich noch etwas weniger intensiv wie gebleichter Sulfitzellstoff. 4. Gebleichter Natronzellstoff erhält nur einen schwach röth- liehen Schimmer; unter dem Mikroskop erscheinen die Sommer holzfasern meist vollständig farblos, nur die Herbstholzfasern färben sich manchmal ein wenig, sowie die Reste der etwa noch vorhandenen Markstrahlzellen. Verwechselungen würden demnach bei alleiniger Anwendung der Rosanilinlösung zwischen gebleichtem Sulfit- und ungebleichtem Natronzellstoff nahe liegen. Indessen, wenn man daneben auch noch auf die Färbbarkeit mit Malachitgrün prüft, so ist dennoch eine Unterscheidung möglich. Färbt sich der Zellstoff mit Rosanilinsulfat roth, mit Malachit grün deutlich grün, so haben wir es mit ungebleichtem Natron zellstoff zu thun, färbt er sich mit Rosanilinsulfat wohl auch roth, dagegen mit Malachitgrün schwach blau oder garnicht, dann haben wir auf gebleichten Sulfitzellstoff zu schliessen. Nachträglich ist nicht zu erkennen, ob ein Stoff nach dem Natron- oder dem Sulfatverfahren hergestellt wurde. Das Verhalten gegen den Farbstoff war für beide Faserarten an den Stoffen, die mir zumVergleich vorlagen, vollständig übereinstimmend. Dr p au l Klemm. ♦ * * Das von der Leipziger Papierprüfungsanstalt vorstehend mit- getheilte Verfahren zur Prüfung der Zellstoffe verdient es, nicht nur von jenen, die sich mit der Papier-Prüfung beschäftigen, sondern auch von den Zellstoff-Fabrikanten und Zellstoff ver arbeitenden Papier-Fabrikanten eingehend gewürdigt zu werden. Diesen fehlte es bisher an verlässlichen Prüfungsverfahren, um zu entscheiden, ob das Ergebniss einer Kochung jene Eigenschaften besitzt, welche für einen bestimmten Zweck erforderlich sind, ob es sich z. B. zum Bleichen eignet. Aussehen, Farbe usw. täuschen oft, und der Fabrikant muss nicht selten grosse Mengen von Chlorkalk verwenden, um einen Zellstoff halbwegs zu bleichen, während er ihn vortheilhafter für kräftige Zellstoffpapiere unge bleicht verwendet hätte, wenn ihm zur Erkennung der Eigen schaften ein verlässliches Verfahren zur Verfügung gestanden wäre. Die Proben mit Chlorkalklösung, Phloroglucin und anderen Holzschliff-Reagentien waren nicht empfindlich genug. Wir hoffen, dass in der Praxis stehende Fachgenossen mit den neu angegebenen Farben in dieser Richtung Versuche anstellen und deren Ergebniss durch die Papier-Zeitung dem Fache mittheilen werden. D. Red.